Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay
Die zweite Entscheidung, den OLG Celle, Beschl. v. 27.05.2024 – 1 ORs 13/24 – hatte ich schon mal vorgestellt, und zwar wegen der vom OLG angesprochenen Frage in Zusammenhang mit dem KCanG. Hier kommt sie jetzt noch einmal, und zwar wegen der Ausführungen des OLG bei einer Verurteilung wegen Verbreitens kinderpornographischer Schriften u.a.
Das AG hatte den Angeklagten wegen Verbreitens kinderpornographischer Inhalte in sechs Fällen sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte verurteilt. Gegen das Urteil hatten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft beschränkte diese in ihrer schriftlichen Berufungsbegründung und der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch. Das LG hat die Beschränkungen für wirksam gehalten und die Rechtsmittel jeweils verworfen.
Das AG hatte folgende Feststellungen getroffen:
„Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Sache, die das Landgericht aufgrund der erfolgten Berufungsbeschränkungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, lauten wie folgt:
„1.- 6.
Mit Hilfe seines Computers oder Mobiltelefons hielt der Angeklagte in dem Zeitraum vom 02.11.2020 bis zum 26.06.2021 insgesamt mindestens 34 Bilddateien, auf denen unter anderem ein entblößtes männliches Genital, jeweils mit einem ausgedruckten Bild, auf dem der sexuelle Missbrauch eines unter 14 Jahre alten Mädchens oder in grob anreißerischer (pornographischer) Weise eine sexuelle Handlung von, an oder vor einem Kind, ein zumindest teilweise unbekleidetes Kind in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder in sexuell aufreizender Weise das unbekleidete Geschlechtsteil bzw. Gesäß eines Kindes dargestellt ist, sowie der Bundespersonalausweis des Angeklagten zu sehen ist, über einen Verweisungslink auf das Tauschbörsenprogramm „pornopics“ im Internet zum Download bereit und zwar
1. am 02.12.2020 insgesamt elf solche Dateien,
2. am 03.12.2020 insgesamt zwölf solche Dateien,
3. am 19.12.2020 insgesamt sechs solche Dateien,
4. am 08.03.2021 insgesamt drei solche Dateien,
5. am 22.06.2021 eine solche Datei,
6. am 26.06.2021 eine solche Datei.
7. Der Angeklagte ließ sich mithilfe seines Computers oder Mobiltelefons
a) Dateien mit Bildern oder Videos, auf denen der sexuelle Missbrauch von unter 14 Jahre alten Mädchen oder in grob anreißerischer (pornographischer) Weise eine sexuelle Handlung von, an oder vor einem Kind, ein zumindest teilweise unbekleidetes Kind in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder in sexuell aufreizender Weise das unbekleidete Geschlechtsteil bzw. Gesäß eines Kindes dargestellt ist,
b) Dateien mit Bildern, auf denen in grob anreißerischer (pornographischer) Weise sexuelle Handlungen von, an oder vor Mädchen oder Jungen zwischen der Vollendung des 14. und 18. Lebensjahres oder zumindest teilweise unbekleidete Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung dargestellt sind,
von anderen Internetnutzern übermitteln oder lud solche Dateien aus dem Internet herunter und speicherte diese auf einer Festplatte, die er in seinem Keller in einer Metallbox verwahrte, sodass anlässlich einer Durchsuchung am 27.09.2021 bei ihm 2.384 kinderpornographische Mediendateien sowie 120 jugendpornographische Dateien aufgefunden wurden. Zusätzlich wurden in der Metallbox vier weitere, ausgedruckte kinderpornographische Bilder in DIN-A4-Format aufgefunden.“
Dagegen die Revision, die erfolgreich war. Dem OLG reichen nämlich diese amtsgerichtlichen Feststellunge nicht:
„….. Ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung nach § 318 S. 1 StPO und damit von einer Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils ausgegangen ist, ist im Rahmen einer zulässigen Revision auf die Sachrüge von Amts wegen zu prüfen (vgl. etwa BayOLG, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 202 StRR 74/23, juris Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2020 – (4) 161 Ss 65/20 (86/20), juris Rn. 24). Eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch setzt voraus, dass das angefochtene Urteil seine Prüfung ermöglicht; dies ist dann nicht der Fall, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und deshalb keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts bilden können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2020 – 2 StR 288/19, juris Rn.9; BayOLG, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 202 StRR 74/23, juris Rn. 4; KG Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2020 – (4) 161 Ss 65/20 (86/20), juris Rn. 26; jeweils mwN). Die Urteilsfeststellungen müssen insbesondere auch erkennen lassen, durch welche Tatsachen die gesetzlichen Merkmale der Straftat als verwirklicht angesehen worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Mai 2023 – 1 ORs 85/23, juris Rn. 6).
Im Falle einer Verurteilung nach §§ 184b, 184c StGB müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Inhalte der kinder- bzw. jugendpornografischen Schriften bzw. Abbildungen wiedergeben; hierzu gehört zumindest eine Beschreibung der Art der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2023 – 5 StR 55/23, juris Rn. 3 und vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12; OLG Oldenburg aaO Rn. 10). Zwar ist es beim Vorliegen einer großen Menge von Video- und Bildaufnahmen nicht erforderlich, in den Urteilsgründen jede einzelne zu beschreiben; zumindest für eine exemplarische Auswahl der Aufnahmen sind aber konkrete Feststellungen zu den abgebildeten sexuellen Handlungen von, an oder vor Kindern oder Jugendlichen geboten (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12; OLG Oldenburg aaO).
Solche sind jedoch – auch in Form einer grundsätzlich möglichen Bezugnahme auf in den Akten befindliche Abbildungen gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12) – in den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils nicht zu finden. Das amtsgerichtliche Urteil belässt es bei den Feststellungen zur Sache vielmehr im Wesentlichen bei der Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, ohne die Tatbestandsvoraussetzungen der angewandten Normen durch entsprechende tatsächliche Feststellungen auszufüllen. Der Inhalt der maßgeblichen Dateien wird – selbst für eine exemplarische Auswahl – nicht mitgeteilt. Es fehlen Angaben zum Geschlecht der jeweils Betroffenen sowie zu den jeweiligen Tatmodalitäten. Schließlich wird auch nicht dargelegt, aus welchen äußeren Merkmalen das Gericht auf ein bestimmtes Alter der auf den Bildern zu sehenden Personen schließt.
Wegen der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung hätte das Landgericht die notwendigen Feststellungen zum Schuldspruch in eigener Verantwortung treffen müssen. Dass dies nicht geschehen ist, begründet einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, so dass das angefochtene Urteil insgesamt der Aufhebung unterliegt.“