Archiv der Kategorie: Zivilrecht

Verdachtsberichterstattung aus dem Strafverfahren, oder: Wie schwer wiegt die Pressefreiheit?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Heute dann „Kessel-Buntes-Tag“, und zwar mit einer Entscheidung des BGH und einer des VerfGH NRW.

Ich beginne mit dem BGH, Urt. v. 31.05.2022 – VI ZR 95/21 – zur Verdachtsberichterstattung im/aus dem Strafverfahren. Der BGH geht von folgendem Sachverhalt aus:

„Der Kläger zu 1 ist Zahnarzt. Er betrieb eine Praxis in der Kölner Innenstadt. Im Jahr 2004 gründete der Kläger zu 1 eine GmbH, deren Geschäftsführer er zunächst war. Der Kläger zu 2 war zwischen den Jahren 2011 und 2016 deren Geschäftsführer und der Kläger zu 1 zwischen den Jahren 2008 und 2016 deren Prokurist.

Die Staatsanwaltschaft erhob unter anderem gegen die Kläger Anklage beim Landgericht. Am ersten Tag der Hauptverhandlung wurde die Anklage verlesen. Eine Einlassung zur Sache war an diesem Tag nicht vorgesehen.

Die Beklagte berichtete am ersten Hauptverhandlungstag auf dem von ihr betriebenen Internetportal unter Nennung des Vornamens und des Anfangsbuchstabens des Nachnamens des Klägers zu 1 wie folgt:

„Gemeinsam mit Vater vor Gericht

Kölner Zahnarzt ein Millionenbetrüger?

Von: […]

28.02.2018 – 22:20 Uhr

Köln – Er betreibt eine schöne Praxis in der Kölner Innenstadt, doch das reichte dem Zahnarzt Dr. [Kläger zu 1] (39) laut Staatsanwalt nicht aus. Gemeinsam mit Komplizen kaufte er demnach über eine Briefkastenfirma für insgesamt 2,3 Millionen Euro Elektronikgeräte ein, ohne sie zu bezahlen – um sie dann weiterzuverkaufen.

Wegen Betrugs, Nötigung, Vortäuschung einer Straftat und Steuerhinterziehung stand der Doktor vor dem Kölner Landgericht. Zusammen mit ihm auf der Anklagebank saß, neben zwei weiteren Komplizen, sein 71-jähriger Vater [Kläger zu 2], der als Gesellschafter der Firma eingetragen war.

Die Anklage wirft dem 39-jährigen vor, unter anderem Monitore, Tablets und Handys erworben und anschließend auf dem Schwarzmarkt unter Wert veräußert zu haben. Um die Taten zu verschleiern, wurde ein Teil der Briefkastenfirma an einen Strohmann verkauft. Als dieser allerdings aussteigen wollte, wurde der Mann von dem Doktor laut Anklage mit „Mafia“ bedroht.

Außerdem soll [Kläger zu 1] einen Einbruch in seine Firma vorgetäuscht haben, um von einer Versicherung 122.000 Euro zu kassieren. Dem Zahnarzt droht eine mehrjährige Haftstrafe. Prozess wird fortgesetzt.“

Hinsichtlich des Vorwurfs des Vortäuschens einer Straftat wurde das Verfahren gegen den Kläger zu 1 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Wegen Betrugs in zwei Fällen, Nötigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen wurde er rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Der Kläger verlangt von der Beklagten – laut LTO handelte es sich um „bild.de“ – Unterlassung der Bericherstattung. Er hatte beim LG bzw. beim OLG in unterschiedlichem Umfang Erfolg. Auf die Revision hat der BGH dann die Klage abgewiesen. Er führt zur Abwägung der beiderseitigen Interessen aus:

„4. Das Schutzinteresse des Klägers zu 1 überwiegt nicht die schutzwürdigen Interessen der Beklagten.

a) Die Presse darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien. Bei ansehensbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptungen wird die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ganz wesentlich vom Wahrheitsgehalt der Behauptungen bestimmt. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 25; vom 18. Dezember 2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 12; jew. mwN).

Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es um die Berichterstattung über eine Straftat, ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung begründet grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise, Schwere oder wegen anderer Besonderheiten von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt (vgl. Senat, Urteile vom 18. Dezember 2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 13; vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 26; jew. mwN).

Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss aber in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Für die Abwägung bedeutsam ist auch, ob die Berichterstattung allein der Befriedigung der Neugier des Publikums dient oder ob sie einen Beitrag zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft leistet und die Presse mithin ihre Funktion als „Wachhund der Öffentlichkeit“ wahrnimmt (vgl. Senat, Urteil vom 18. Dezember 2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 14 mwN).

Eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, darf nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 27; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 18; jew. mwN).

Diese Maßstäbe gelten im Grundsatz auch für die Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten (§ 157 StPO). In diesem Verfahrensstadium ist nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen. Im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung ist aber die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder Durchführung eines Strafverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Verfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“ (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 28; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 19; jew. mwN). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung gilt im Grundsatz nichts Abweichendes für die identifizierende Berichterstattung über die öffentliche Hauptverhandlung eines Strafgerichts (vgl. Senat, Urteile vom 19. März 2013 – VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681 Rn. 32 f.; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 23 ff. [Bericht über bevorstehende Hauptverhandlung]; siehe weiter zur jedenfalls begrifflichen Differenzierung zwischen Verdachts- und Gerichtsberichterstattung etwa Müller, NJW 2007, 1617; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, 95. EL Juli 2021, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 450, 452; Burkhardt/Pfeifer, in: Wenzel Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 10, XI.; zur Berichterstattung über eine bevorstehende Hauptverhandlung im Strafverfahren Senat, Urteil vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 4, 28 ff.).

Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 29; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 20; jew. mwN).

b) Davon ausgehend war unter den Umständen des Streitfalls die Berichterstattung der Beklagten über den Kläger zu 1 von Anfang an zulässig…..“

Die Abwägung im Einzelnen dann bitte selbst im Volltext lesen.

Rechtsschutzversicherung und Deckungsprozess, oder: Ist eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Heute RVG-Tag. Dazu vorab: Derzeit sind gebühren-/kostenrechtliche Entscheidungen bei mir knapp. Wer also Material 🙂 hat, kann es mir gern schicken. Manches schlummert ja im Verborgenen.

Ich beginne dann die Berichterstattung mit einer Entscheidung des OLG Schleswig zur Rechtsschutzversicherung. Die verhält sich zu der Frage, ob im Deckungsprozess eine (vorweggenommene) Beweiswürdigung zulässig ist. Es geht um eine Verfahren betreffend „Abschaltautomatik“/Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Das OLG hat im OLG Schleswig, Beschl. v. 12.05.2022 – 16 U 53/22 – eine teilweise Beweiswürdigung bejaht. Es handelt sich um einem gem. § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Hinweisbeschluss, der dann zur Berufungsverwerfung durch OLG Schleswig, Urt. v. 21.06.2022 – 16 U 53/22 geführt hat.

Hier die Leitsätze (aus dem Urteil):

    1. In der Rechtsschutzversicherung, in der die Deckung unter anderem davon abhängt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (etwa § 18 Abs. 1 b) ARB 2010), ist wie im Prozesskostenhilferecht eine vorweggenommene Beweiswürdigung in eng begrenztem Rahmen zulässig.
    2. Die Deckung kann versagt werden, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Versicherungsnehmers als ausgeschlossen erscheinen lässt und eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten selbst bezahlen müsste, wegen des absehbaren Misserfolgs der Beweisaufnahme von einer Prozessführung absehen würde.
    3. So liegt es, bezogen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife im November 2021, in Ansehung der beabsichtigten Klage auf Rückabwicklung des Erwerbs eines Kraftfahrzeuges mit einem Euro5-Diesel-Motor vom März 2015, wenn das Fahrzeug keinem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes unterlag oder unterliegt, ein Software-Update nicht vorgesehen war oder ist, im Klagentwurf gegen die Feststellungen des Kraftfahrtbundesamtes eine Prüfstanderkennung behauptet und im Übrigen lediglich auf ein sog. Thermofenster sowie auf Messwerte im Realbetrieb verwiesen wird.
    4. Bei der Entscheidung, ob bezogen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife Deckung zu gewähren gewesen wäre, sind künftige denkbare im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage unerheblich, ob Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der RL 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine drittschützende Wirkung zukommen kann.

Hindernisbereiten durch Kantholz auf der BAB, oder: „beim Betrieb“ oder „beim Gebrauch“?

entnommen wikimedia Commons

In der zweiten Entscheidung, dem LG Rottweil, Urt. v. 17.06.2022 – 2 O 33/22 – geht es auch – wie angekündigt – um das Merkmal „beim Betrieb“. Nach dem Sachverhalt befuhr der Kläger am 22.05.2021 gegen 22:15 Uhr mit seinem Fahrzeug eine Autobahn. Der Kläger befuhr die rechte Fahrspur, als er auf der Standspur den Ford Transit der Beklagten stehen sah. Der Kläger wechselte von der rechten auf die linke Spur. Dort überfuhr er einen metallenen Unterlegkeil, der auf der Fahrbahn lag. Auf der rechten Fahrspur lag ein Kantholz. Die Gegenstände wurden von der Beklagten auf die Fahrbahn gelegt.

Der Kläger behauptet, er habe den Unterlegkeil aufgrund der Dunkelheit nicht sehen können. Die Beklagte habe die Gegenstände aus ihrem Ford Transit herausgenommen und auf die Fahrbahn gelegt, um die Autobahn an der Stelle zu blockieren und eine Barriere aufzubauen. Sie habe damit verhindern wollen, dass die Person, von der sie sich vermeintlich verfolgt fühlte, ihr nachstellen konnte. Die Beklagte habe unter einem Verfolgungswahn gelitten und offensichtlich ein psychisches Problem gehabt.

Der Kläger macht einen Schaden von rund 5.000 EUR netto geltend.  Das LG hat die Klage abgewiesen:

„Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte Ziff. 2 aus dem streitbefangenen Ereignis zu.

I.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 VVG.

Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte Ziff. 2 auf den Haftungsausschluss nach § 103 VVG berufen kann. Der vom Kläger behauptete Schaden ist jedenfalls nicht „bei dem Betrieb“ des bei der Beklagten Ziff. 2 versicherten Fahrzeugs entstanden. Es kann dabei unterstellt werden, dass die Beklagte Ziff. 1 die Gegenstände aus dem versicherten Fahrzeug genommen und auf die Fahrbahn gelegt hat und die Mitführung eines Unterlegkeils in dem Fahrzeug vorgeschrieben war.

1. Ein Schaden ist dann gem. § 7 Abs. 1 StVG „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, das heißt, wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Erforderlich ist dabei stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Der Betriebsbegriff ist dabei grundsätzlich weit auszulegen. Nach der mittlerweile vorherrschenden verkehrstechnischen Auslegung ist ein Kfz in Betrieb, solange es sich im Verkehr befindet und andere Verkehrsteilnehmer gefährden kann. Denn die Halterhaftung ist der Preis für die Zulassung der mit dem Kfz-Verkehr verbundenen Gefahren. Daher sind alle hierdurch beeinflussten Schadensabläufe umfasst. Es ist dabei allerdings ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kfz als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine erforderlich (Walter/BeckOGK Stand 01.09.2019, § 7 StVG Rn. 89; BGH vom 26.03.2019 – VI ZR 236/18, juris Rn. 8).

a) Das bei der Beklagten Ziff. 2 versicherte Fahrzeug befand sich noch „in Betrieb“ im Zeitpunkt des Schadenseintritts. Auch nach Beendigung des Bewegungsvorgangs kann das Kfz in Betrieb verbleiben. Ob sich ein stehendes Kfz noch in Betrieb befindet, hängt von der Aufrechterhaltung eines Bezugs zum Verkehr ab. Solange das Kfz bei der Abwicklung des Verkehrs noch eine Gefahr darstellt, verbleibt es in Betrieb. Die Dauer des Stillstandes sowie dessen Zweck ist kein Kriterium. Erst wenn das Kfz ordnungsgemäß und in völliger Betriebsruhe außerhalb der für die Abwicklung des Verkehrs bedeutsamen öffentlichen oder privaten Flächen abgestellt wird und daher von diesem keine dem Schutzbereich der Gefährdungshaftung zuzuordnenden Gefahren mehr ausgehen, endet der Betrieb. Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte Ziff. 1 hatte den Ford Transit auf der Standspur der Autobahn und damit im öffentlichen Verkehr abgestellt.

b) Es fehlt aber an dem Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des Fahrzeugs und der Primärverletzung.

Dieser Zurechnungszusammenhang ist durch eine am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierte wertende Betrachtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen (BGH vom 26.04.2005 – VI ZR 168/04, juris Rn. 9). Der erforderliche Zurechnungszusammenhang fehlt, wenn die Schädigung nicht mehr Folge der spezifischen Auswirkung derjenigen Gefahr ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (BGH vom 27.11.2007 – VI ZR 210/06, juris Rn. 8). Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. Erforderlich ist, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat. Der Schaden muss auf eine typische Gefahrenquelle zurückzuführen sein (BGH vom 11.02.2020 – VI ZR 286/19, juris Rn. 23). Das Kfz muss durch seine Fahrweise, sonstige Beeinfluss des Verkehrs, seinen Betriebsvorgang oder Betriebseinrichtung zu der Entstehung beigetragen haben. Die bloße Anwesenheit des Kfz an der Unfallstelle genügt nicht (BGH vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15, juris Rn. 14).

Dementsprechend wurde in der Rechtsprechung ein Zurechnungszusammenhang bisher angenommen, wenn Steine oder sonstige Gegenstände bei der Fahrt hochgeschleudert werden oder wenn Ladung verloren geht. Ebenso wenn Straßenverschmutzungen durch ein Kfz entstehen (zur Übersicht Walter/BeckOGK Stand 01.09.2019, § 7 StVG Rn. 97.2), oder Schäden durch das Ablösen von Fahrzeugteilen entstehen, wenn dies in Zusammenhang mit einem Verkehrsvorgang steht, zum Beispiel der Verlust eines Reifens oder Auspuffs während der Fahrt (Greger/Zwickel, Haftungsrecht im Straßenverkehr, 6. Auflage 2021, Haftung des Kfz-Halters, Rn. 3.137). Auch das Be- und Entladen eines Kfz bzw. das Ein- und Aussteigen gehören zum Betrieb des Kfz. Stehen hiermit zusammenhängende Schadensvorfälle in einem inneren Zusammenhang mit der Funktion des Kfz als Verkehrs- und Transportmittel, sind diese dem Betrieb zurechenbar. Entsteht der Schaden dagegen aufgrund nicht mit dem Betrieb verbundener, sondern hiervon unabhängiger Umstände, verwirklicht sich nicht die Gefahr des Betriebsvorgangs (BGH vom 08.12.2015 – VI ZR 139/15, juris Rn. 11 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es nicht mehr dem Betrieb des Kfz zuzurechnen, dass die Beklagte Ziff. 1 – unterstellt – aus dem Fahrzeug Gegenstände herausgenommen und auf die Fahrbahn gelegt hat, um nachfolgende Fahrzeuge aufzuhalten. Allein, dass der Unterlegkeil in dem Fahrzeug der Beklagten Ziff. 1 mitgeführt wurde, reicht hierfür nicht aus, um eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG zu begründen. Der Schaden als solcher steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz. Es ist keine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs, die bei wertender Betrachtung vom Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG umfasst wird, dass Gegenstände absichtlich aus dem geparkten Fahrzeug heraus auf die Straße gelegt werden, um nachfolgende Fahrzeuge zu schädigen. Der Schaden entstand auch nicht durch den Entladevorgang an sich, wodurch ein innerer Zusammenhang möglicherweise gegeben wäre (vgl. oben). Durch das absichtliche Blockieren der Fahrspur mit Gegenständen hat sich eine eigenständige Gefahr verwirklicht, die mit dem Betrieb und der Nutzung des Fahrzeugs als Fahr- und Transportmittel nicht in Zusammenhang steht.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Mitführung des Unterlegkeils gesetzlich vorgeschrieben war. Der Unterlegkeil wurde nicht zur Absicherung des Fahrzeugs, sondern als Hindernis für andere Verkehrsteilnehmer verwendet, sodass ein innerer Zusammenhang mit dessen Funktion und dem Grund, weshalb eine Mitführungspflicht bestand, fehlt.

II.

Auch aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 303; 315b StGB; § 32 StVO; § 115 VVG folgt kein Anspruch…….“

 

Trauben durch Hydrauliköl bei der Lese verschmutzt, oder: „Beim Betrieb“ des Traubenvollenters?

Bild von Jill Wellington auf Pixabay

Und dann heute „Kessel Buntes“, aber ohne beA und Corona. Einfach mal wieder so zivilrechtliche Entscheidungen. Und da habe ich dann zwei Entscheidungen zum Schadensersatzrecht und zwar noch einmal zur Frage: Was heißt „beim Betrieb“ im Sinn von § 7 StVG.

Zunächst stelle ich das OLG Koblenz, Urt. v. 16.05.2022 – 12 U 532/21 – vor mit einem etwas ungewöhnlichen Sachverhalt. Nämlich:Der Kläger ist Halter eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Traubenvollernters. Mit der macht der Kläger bei der beklagten Haftpflichtversicherung einen Feststellungsanspruch geltend betreffend die Verpflichtung der Versicherung dem Grunde nach an, ihm im Rahmen der bei der Versicherung bestehenden Kfz-Haftpflichtversicherung sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass es im Zuge von lohnarbeitsmäßig durchgeführten Erntearbeiten für ein Weingut zu einer Verschmutzung der gelesenen Trauben durch das im Maschinenbereich ausgetretene Hydrauliköl gekommen ist und der Kläger seinerseits von dem Weingut auf Erstattung des Fremdschadens in Anspruch genommen wird.

Das LG hatte die Klage abgewiesen, die Berufung hatte Erfolg.

„Die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer ist dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger für die ihn aus dem Vertragsverhältnis mit dem Weingut pp. infolge der Ölverschmutzung an den geernteten Weintrauben treffende Schadensersatzverpflichtung Deckungsschutz zu erteilen. Sie kann sich insbesondere nicht darauf berufen, eine Haftung für Schäden an mit dem versicherten Fahrzeug transportierten Sachen sei versicherungsvertraglich ausgeschlossen.

Soweit in struktureller Hinsicht Zweifel an der unmittelbaren Haftung des Klägers als Halter des den Schaden verursachenden Traubenvollernters mit Blick auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG bestehen könnten, weil der Schaden hier (lediglich) im Rahmen des Arbeitseinsatzes des versicherten Fahrzeugs und nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr eingetreten ist, greifen derartige Bedenken im Ergebnis nicht durch. Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb” ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe und es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mit-geprägt worden ist (vgl. BGH NJW 2015, 1681; BGHZ 115, 84 [86]; BGHZ 105, 65 [66] sowie BGHZ 113, 164f). Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (vgl. BGHZ 115, 84; BGHZ 71, 212 [214]). Es ist daher erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt, wo die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird (vgl. BGHZ 105, 65 [67]; BGHZ 71, 212 [214]; BGH VersR 1975, 945f.; BGHZ 113, 164) oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. BGHZ 115, 84 [87] m.w. Nachw.). Eine Verbindung mit dem „Betrieb” als Kraftfahrzeug ist jedoch zu bejahen, wenn – wie hier – eine „fahrbare Arbeitsmaschine” gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet (vgl. BGHZ 105, 65 [66]; NZV 1991, 186 m. Anm. Kunscherl ; vgl. auch OLG Stuttgart, VersR 2003, 1275f.; OLG Rostock, DAR 1998, 474f.; LG Karlsruhe, ZfS 1995, 447f.).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verbindung des Schadens mit dem Betrieb des Traubenvollernters als Kraftfahrzeug zu bejahen, da dieser mit seiner Motorkraft nicht nur den Antrieb für die Schuppenbahn und das Förderband bildete, sondern auch an den Rebstöcken entlangfuhr und dadurch die Erntevorrichtung fortbewegte, so dass eine streckenmäßig höhere Ernteleistung ermöglicht wurde. Dass der Schaden hier auf einem Privatgelände eingetreten ist, steht einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich nicht entgegen, denn der Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne dieser Norm erfordert nicht seinen Einsatz auf öffentlicher Verkehrsfläche (vgl. BGH NJW 2015, 1681; NJW-RR 1995, 215 = VersR 1995, 90 [92]). Sonstige Bedenken hinsichtlich des zwischen dem Kläger und dem pp. bestehenden „Valutaverhältnisses“ sind von den Parteien nicht vorgebracht und auch im Übrigen nicht ersichtlich….“

Und: Das OLG nimmt auch Stellung zur Auslegung des Begriffs „beförderte Sache“ in den Bedingungen der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Insoweit bitte den Volltext lesen.

Corona II: Quarantäne wegen positivem PCR-Test, oder: Kein Schmerzensgeld bei ggf. falschem Test

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Als zweite Entscheidung zu der Thematik aus dem Bereich „Corona“ stelle ich ein Verfahren vor, in dem das OLG Naumburg im OLG Naumburg, Beschl. v. 08.06.2022 – 5 U 35/22 – die Berufung gegen ein Urteil des LG Magdebrug zurückgewiesen hat. Die OLG Naumburg-Entscheidung habe ich im Volltext noch nicht gefunden, über sie haben bisher nur LTP und beck-online berichtet. Das zugrunde liegende LG Magdeburg, Urt. v. 01.92.2022 – 10 O 715/21 – habe ich aber vorliegen. Daher stelle ich das vor.

In dem Verfahren geht es um Schadensersatz wegen einer Quarantäneanordnung. Diese war gegen eine vierköpfige Familie aufgrund eines positiven PCR-Testergebnisses im April 2021 angeordnet worden. Alle waren ohne Symptome und haben behauptet, der Test sei falsch gewesen. Sie haben deshalb aus § 839 BGB 3.700 Euro pro Person Schmerzensgeld verlangt. Das LG hat die Klage abgewiesen und führt dazu u.a. aus:

„…. Bei dieser Quarantänemaßnahme handelt es sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht etwa um eine Freiheitsentziehung, die in der Tat wohl nur mit richterlicher Genehmigung hätte erfolgen dürfen, sondern lediglich um eine Freiheitsbeschränkung. Denn den Klägern war es gestattet, während der Quarantäneanordnung in ihrer Häuslichkeit alles das zu tun und zu lassen, was sie wollten und über die vorhandenen technischen Medien auch Kontakt zur Außenwelt zu halten.

Eine feste zeitliche Grenze, ab der eine Freiheitseinschränkung als ausgleichspflichtig anzusehen wäre, gibt es nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls, bei der es insbesondere auch auf die Ausgestaltung und Intensität des Eingriffs sowie auf herabwürdigende Behandlungen und mögliche rufschädigende Wirkungen ankommt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 30. Januar 1990 – Aktenzeichen: 2 O 322/89 -, NJW 1991, 2.6, beck-online; LG Hannover, Urteil vom 20.08.2021 – Aktenzeichen: 8 O 2/21 -, zitiert nach juris). Daher kann aus dem bloßen Überschreiten der zeitlichen Grenzen, die in der Rechtsprechung als schmerzensgeldbegründend angesehen wurden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 7. März 2018 – Aktenzeichen: 1 U 1025/17 -, zitiert nach juris: 13 Stunden in psychiatrischem Krankenhaus; Landgericht Göttingen, a.a.O.: 2 Stunden mit 400 weiteren Personen in einem Polizeikessel) nicht abgeleitet werden, dass vorliegend allein wegen der zweiwöchigen Dauer die Billigkeitsschwelle überschritten wurde. Denn die Quarantäne der Kläger unterscheidet sich in gravierender Weise von den genannten Fällen. Die Kläger mussten keine demütigenden Zwangsbehandlungen erdulden. Sie wurden nicht mit psychischen Zwangsmitteln an einem fremden Ort festgehalten, sondern konnten sich innerhalb ihrer Wohnung ohne Überwachung Dritter frei bewegen und ihren Tagesablauf in diesem Rahmen vollkommen frei bestimmen. Schließlich wurde ihre Freiheitsbeschränkung auch auf einen Umstand gegründet, der – anders als bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder bei einer Festnahme als möglicher Straftäter – nicht geeignet war, ihr Ansehen und ihren Ruf in der Gesellschaft zu gefährden.

Die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen durch die Quarantäne sind auch nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt des Ausgleichsgedankens zu begründen.

Denn die in der Klageschrift geschilderten Einschränkungen in der Lebensführung der Kläger sind dafür zu pauschal gehalten. Die Kläger haben nicht konkret dargelegt, welche sozialen Einschränkungen und welche psychischen Belastungen sie durch die Quarantäne erlitten haben wollen. Konkret haben die Kläger lediglich vorgetragen, dass sie keinen Zugang zur Natur und keine Möglichkeit gehabt hätten, im Freien sportliche Aktivitäten auszuführen. Diese geschilderten Umstände sind jedoch nicht ausreichend, um ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle begründen zu können. Die angeordnete Quarantäne hatte eine Dauer von lediglich 14 Tagen. Die Kläger mussten daher für einen Zeitraum zuhause bleiben, wie er auch unter normalen Umständen, z.B. bei einem hinreichenden Auskurieren einer Grippe, eintreten kann. Zudem hätten die Kläger, da sie ja nach eigenem Bekunden symptomfrei waren, auch sportliche Aktivitäten innerhalb ihrer Wohnung durchführen können.

Der Vortrag der Kläger, die Beklagte habe gegen ihre Amtspflichten verstoßen, da sie auch den positiven PCR-Test an das RKI weitergeleitet habe, obwohl sie wisse, dass bei dem überwiegenden Teil der positiv getesteten Personen keine Infektion vorliege und dennoch den positiven PCR-Test dem RKI übermittelt habe, damit die Inzidenz gefälscht werde, ist nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt der Genugtuungsfunktion zu begründen.

Denn die Beklagte konnte aufgrund der Pandemielage und der von Bund und den Ländern deswegen getroffenen Maßnahmen sowie der wissenschaftlichen Expertise beim RKI davon ausgehen, dass ein PCR-Test fundierte Ergebnisse für das Bestehen oder Nichtbestehen einer Infektion liefert und sich auch hierauf ohne weitere ärztliche Untersuchungen des Testergebnisses verlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 20. April 2021 – Aktenzeichen: 1 S 1121/21 -, zitiert nach juris, insoweit ausgeführt:

„Der Senat geht davon aus, dass es sich bei einem PCR-Test um ein geeignetes Instrument handelt, das Vorliegen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion zu ermitteln. Bei korrekter Durchführung der Tests und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse ist von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde auszugehen, denn aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100 %. Die Herausgabe eines klinischen Befundes unterliegt einer fachkundigen Validierung und schließt im klinischen Setting Anamnese und Differenzialdiagnosen ein. In der Regel werden nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt bzw. verworfen. Die aufgestellte Behauptung, in 71,12 % der Fälle sei das Testergebnis offensichtlich falsch, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage“.

Diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gibt auch die insoweit einhellige Rechtsprechung der übrigen Verwaltungsgerichtshöfe bzw. Oberverwaltungsgerichte der Länder wieder. Die von den Klägern dargelegte gegenteilige Auffassung der Professorin Dr. K. von der Universitätsklinik W.burg stellt insoweit eine absolute Mindermeinung dar und ist daher unbeachtlich……“