Trauben durch Hydrauliköl bei der Lese verschmutzt, oder: „Beim Betrieb“ des Traubenvollenters?

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Und dann heute „Kessel Buntes“, aber ohne beA und Corona. Einfach mal wieder so zivilrechtliche Entscheidungen. Und da habe ich dann zwei Entscheidungen zum Schadensersatzrecht und zwar noch einmal zur Frage: Was heißt „beim Betrieb“ im Sinn von § 7 StVG.

Zunächst stelle ich das OLG Koblenz, Urt. v. 16.05.2022 – 12 U 532/21 – vor mit einem etwas ungewöhnlichen Sachverhalt. Nämlich:Der Kläger ist Halter eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Traubenvollernters. Mit der macht der Kläger bei der beklagten Haftpflichtversicherung einen Feststellungsanspruch geltend betreffend die Verpflichtung der Versicherung dem Grunde nach an, ihm im Rahmen der bei der Versicherung bestehenden Kfz-Haftpflichtversicherung sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass es im Zuge von lohnarbeitsmäßig durchgeführten Erntearbeiten für ein Weingut zu einer Verschmutzung der gelesenen Trauben durch das im Maschinenbereich ausgetretene Hydrauliköl gekommen ist und der Kläger seinerseits von dem Weingut auf Erstattung des Fremdschadens in Anspruch genommen wird.

Das LG hatte die Klage abgewiesen, die Berufung hatte Erfolg.

„Die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer ist dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger für die ihn aus dem Vertragsverhältnis mit dem Weingut pp. infolge der Ölverschmutzung an den geernteten Weintrauben treffende Schadensersatzverpflichtung Deckungsschutz zu erteilen. Sie kann sich insbesondere nicht darauf berufen, eine Haftung für Schäden an mit dem versicherten Fahrzeug transportierten Sachen sei versicherungsvertraglich ausgeschlossen.

Soweit in struktureller Hinsicht Zweifel an der unmittelbaren Haftung des Klägers als Halter des den Schaden verursachenden Traubenvollernters mit Blick auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG bestehen könnten, weil der Schaden hier (lediglich) im Rahmen des Arbeitseinsatzes des versicherten Fahrzeugs und nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr eingetreten ist, greifen derartige Bedenken im Ergebnis nicht durch. Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb” ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe und es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mit-geprägt worden ist (vgl. BGH NJW 2015, 1681; BGHZ 115, 84 [86]; BGHZ 105, 65 [66] sowie BGHZ 113, 164f). Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (vgl. BGHZ 115, 84; BGHZ 71, 212 [214]). Es ist daher erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt, wo die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird (vgl. BGHZ 105, 65 [67]; BGHZ 71, 212 [214]; BGH VersR 1975, 945f.; BGHZ 113, 164) oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. BGHZ 115, 84 [87] m.w. Nachw.). Eine Verbindung mit dem „Betrieb” als Kraftfahrzeug ist jedoch zu bejahen, wenn – wie hier – eine „fahrbare Arbeitsmaschine” gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet (vgl. BGHZ 105, 65 [66]; NZV 1991, 186 m. Anm. Kunscherl ; vgl. auch OLG Stuttgart, VersR 2003, 1275f.; OLG Rostock, DAR 1998, 474f.; LG Karlsruhe, ZfS 1995, 447f.).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verbindung des Schadens mit dem Betrieb des Traubenvollernters als Kraftfahrzeug zu bejahen, da dieser mit seiner Motorkraft nicht nur den Antrieb für die Schuppenbahn und das Förderband bildete, sondern auch an den Rebstöcken entlangfuhr und dadurch die Erntevorrichtung fortbewegte, so dass eine streckenmäßig höhere Ernteleistung ermöglicht wurde. Dass der Schaden hier auf einem Privatgelände eingetreten ist, steht einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich nicht entgegen, denn der Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne dieser Norm erfordert nicht seinen Einsatz auf öffentlicher Verkehrsfläche (vgl. BGH NJW 2015, 1681; NJW-RR 1995, 215 = VersR 1995, 90 [92]). Sonstige Bedenken hinsichtlich des zwischen dem Kläger und dem pp. bestehenden „Valutaverhältnisses“ sind von den Parteien nicht vorgebracht und auch im Übrigen nicht ersichtlich….“

Und: Das OLG nimmt auch Stellung zur Auslegung des Begriffs „beförderte Sache“ in den Bedingungen der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Insoweit bitte den Volltext lesen.

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