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Vereinsrecht I: PKH für den eingetragenen Verein?, oder: Darlegung der Bedürftigkeit

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Und heute im „Kessel Buntes“ dann mal kein Straf- oder Verkehrsrecht, sondern „Vereinsrecht“. Damit habe ich ja über mein Buch „Vereinsrecht Leitfaden für Vereine und Mitglieder“, das es inzwischen schon in der 11. Auflage gibt auch zu tun. Näheres hier.

In dem Zusammenhang stelle ich heute zunächst einen Beschluss des OVG Hamburg zur Prozesskostenhilfe vor, und zwar den OVG Hamburg, Beschl. v. 06.07.2023. 3 So 38/23.

Ein eingetragener Verein hatte PKH beantragt. Die ist abgelehnt worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Vereins hatte keinen Erfolg:

1. Gemäß § 146 Abs. 2 VwGO können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Das ist hier der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, dass er als eingetragener Verein und damit als juristische Person nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO über seine (eigene) Bedürftigkeit hinaus auch hätte darlegen müssen, dass die Kosten der Prozessführung von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht aufgebracht werden können und dass die Unterlassung der von ihm beabsichtigten Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. An beidem fehle es. Damit hat es – ungeachtet dessen, ob sich die Entscheidung als richtig oder falsch erweist – ausschließlich auf den für den Beschwerdeausschluss maßgeblichen Bezugspunkt der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe abgehoben.

§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erweitert den Kreis der Prozesskostenhilfeberechtigten über die in § 114 ZPO (nur) angesprochenen natürlichen Personen (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 114 Rn. 2) hinaus auf juristische Personen und parteifähige Vereinigungen. Allerdings macht die Vorschrift die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insofern von strengeren Voraussetzungen als § 114 Satz 1 ZPO abhängig, als sie verlangt, dass die Kosten weder von der juristischen Person oder parteifähigen Vereinigung noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Diese Erfordernisse tragen den besonderen Verhältnissen der juristischen Personen und parteifähigen Vereinigungen Rechnung, die nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung haben, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen, und sollen Vorsorge dagegen treffen, dass mittellose Verbände eigene wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verwirklichen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2021, II ZR 224/20, ZInsO 2022, 143, juris Rn. 7; OLG Frankfurt, 19 W 14/22, juris Rn. 13; jew. m. w. Nachw.). Mit Blick auf die drei verschiedenen Voraussetzungen, von denen das Prozesskostenhilferecht den Erhalt von Prozesskostenhilfe abhängig macht, nämlich den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, den hinreichenden Erfolgsaussichten und der fehlenden Mutwilligkeit (vgl. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 und 2 ZPO), sind die Erfordernisse des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO systematisch den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zuzuordnen. Das gilt nicht nur für die Entscheidung darüber, ob jemand am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligter ist und die Kosten aufbringen kann (vgl. dazu bereits OVG Weimar, Beschl. v. 17.12.2015, 3 ZO 682/15, juris Rn. 3), sondern ebenso für die Entscheidung darüber, ob die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2021, a.a.O., juris Rn. 4 ff.). Der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO greift daher bei einer ausschließlich auf die Merkmale des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO gestützten Versagung der Prozesskostenhilfe umfassend ein.

Die Gesetzesmaterialien zur Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit im Verfahren der Prozesskostenhilfe unterstützen diese Auffassung. Denn in der amtlichen Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des § 146 Abs. 2 VwGO n.F. (in Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl. I S. 3533, 3538]) heißt es: „Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe kann mit der Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das Gericht hingegen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft.“ (BT-Drs. 17/11472 S. 48 f.). Zwar erscheint diese Begründung insoweit zu kurz gegriffen, als sie ausblendet, dass neben der Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und der hinreichenden Erfolgsaussichten auch die Fallgestaltung der mutwilligen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung die Ablehnung der Prozesskostenhilfe rechtfertigt. Dies erlaubt aber nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe darüber hinaus auch noch in anderen Konstellationen weiter die Beschwerde ermöglichen wollen.

Schließlich ist der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO hier auch nicht etwa deshalb unanwendbar, weil der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts die nachträgliche Aufhebung bereits bewilligter Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand hätte (vgl. zu dieser Fallgestaltung OVG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2021, 6 So 19/21, NordÖR 2022, 47, juris Rn. 2 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers kann das gerichtliche Schreiben vom 30. August 2022 nicht als vorherige Bewilligung von Prozesskostenhilfe verstanden werden. Es enthält lediglich die an den Kläger gerichtete Mitteilung, dass die Rechnung zum Kassenzeichen 2622311018674 aufgrund seines Antrags auf Prozesskostenhilfe auf 0,00 Euro gesetzt worden sei, d.h. mit anderen Worten die schlichte Stornierung der angeforderten Verfahrensgebühr. Im Übrigen ergehen Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe durch Beschluss (§ 166 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aufgrund der Notwendigkeit, im Beschluss eine klare Regelung über den Bewilligungsumfang und die Pflicht zur Ratenzahlung zu treffen, ist eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch schlüssiges Verhalten ausgeschlossen (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 127 Rn. 19).“

Widerruf eines mehrstufigen Anwaltsvertrages, oder: (Keine) Anwendbarkeit des FernabsatzG

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Und als zweite Entscheidung dann das AG Mannheim, Urt. v. 23.06.2023 – 17 C 1517/23 – zum Widerruf eines Anwaltsvertrages mit Vergütungsvereinbarung.

Der Kläger, ein Rechtsanwalt/Verteidiger, verlangt von der Beklagten die Zahlung von restlichem Anwaltshonorar für die strafrechtliche Verteidigung der Tochter der Beklagten. Die Beklagte macht mit der Widerklage die Rückzahlung eines Vorschusses geltend.

Am 5. oder 6.09.2022 wurde der Kläger von der Beklagten telefonisch mit der Verteidigung ihrer minderjährigen Tochter in einem Ermittlungsverfahren der beauftragt. Hierzu wurde unter anderem ein Stundenhonorar in Höhe von 300,00 EUR zzgl. 19 % MwSt. vereinbart. Ferner wurde vereinbart, dass der Beklagten nach Akteneinsicht ein Pauschalhonorar angeboten wird und sie einen Vorschuss von 892,50 EUR brutto zu zahlen hat. Dieser wurde auch ausgeglichen.

Nachdem Akteneinsicht gewährt und der Arbeitsaufwand abgeschätzt werden konnte, wurde mit der Beklagten am 16.12.2022 in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers eine Pauschalhonorarvereinbarung für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren über 1.700,00 EUR zzgl. 19 % MwSt. und Auslagen getroffen. Rechengrundlage für die Höhe des Pauschalhonorars war das zuvor vereinbarte Stundenhonorar. Unter Berücksichtigung des Aktenumfangs (255 Seiten), der administrativen Tätigkeiten, der notwendigen Abstimmung mit Kollegen (mehrere Beschuldigte), der ausführlichen Besprechung mit der Beklagten und deren Tochter sowie des Aufwands für die Erstellung der Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft wurde ein Gesamtaufwand zwischen 5 und 7 Stunden geschätzt.

Mit Schreiben vom 17.12.2022 wurde der Beklagten die Abrechnung übersandt. Nach Abzug des bereits geleisteten Vorschusses verblieb ein Rechnungsbetrag in Höhe von 1.168,58 EUR. Dieser Restbetrag war bis spätestens zum 30.12.2022 auszugleichen, da bis zum 6.1.2023 die Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft hätte abgegeben werden müssen. Nachdem die Zahlungsfrist ohne Zahlungsausgleich verstrich, wurde das Mandat vom Kläger mit Schreiben vom 6.1.2023 niedergelegt.

Der Kläger hat sich im Verfahren zur Begründung seiner (Rest)Forderung auf die in seinen Kanzleiräumlichkeiten geschlossene Vergütungsvereinbarung vom 16.12.2022 gestützt. Es liege – so der Kläger – ein gestreckter bzw. mehrstufiger Vertragsschluss vor, der nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden sei. Die eigentliche Beratung in der Sache sei erst an diesem Tag im Rahmen des persönlichen Gesprächs erfolgt. Schließlich liege bei ihm kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vor.

Die Beklagte hatte sich demgegenüber darauf berufen, dass sie, nachdem der Rechtsberatungsvertrag unter ausschließlicher Nutzung von Fernkommunikationsmitteln mit der Beklagten als Verbraucherin geschlossen worden sei, ein Fernabsatzwiderrufsrecht habe. Sie hätte zudem auch belehrt werden müssen, was hier noch nicht der Fall sei, so dass die Widerrufsfrist frühestens nach einem Jahr und 14 Tagen ablaufe. Dementsprechend widerrufe sie sämtliche, auf Abschluss eines Rechtsberatungsvertrages gerichtete Willenserklärungen. Danach habe der Kläger auch den bezahlten Vorschuss zurück zu gewähren. Ein späterer persönlicher Kontakt, eine spätere nochmalige Beauftragung und ähnliches heile den ursprünglichen Verstoß nicht. Der Kläger sei tätig geworden, habe Vorschuss gefordert und Akteneinsicht genommen. Es habe sich gerade nicht um eine bloße Voranfrage oder Terminsanfrage gehandelt. Hätte sie vor dem ersten persönlichen Treffen vom Vertrag Abstand genommen, hätte der Kläger sicherlich auf einem Vertragsschluss bestanden und den entstandenen Arbeitsaufwand abgerechnet.

Das AG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das AG führt aus:

„Die zulässige Klage ist begründet, während die zulässige Widerklage unbegründet ist.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.168,58 € aus §§ 611 Abs. 1, 675 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Anwaltsvertrag.

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Anwaltsvertrag stellt einen mehrstufigen Vertrag dar, bei dem nicht ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet wurden. Damit konnte die Beklagte den Vertrag nicht nach den Regeln über Fernabsatzverträge widerrufen.

Zwar ist der als Mandatsvertrag bezeichnete Anwaltsvertrag vom 05.09.2022 zwischen den Parteien zunächst unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln gemäß § 311 c BGB zustande gekommen. Das Erstgespräch fand telefonisch statt und die Vollmacht vom 06.09.2022 sowie der unterzeichnete Mandatsvertrag vom 05.09.2022 wurden per E-Mail versandt.

Allerdings wurde die „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ vom 13.12.2022 bei persönlicher Anwesenheit beider Parteien in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers unterzeichnet. Diese Vergütungsvereinbarung ist nach Auffassung des Gerichts kein eigenständiger Vertrag, sondern als Teil des Anwaltsvertrags vom 05.09.2022 zu qualifizieren. Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung als „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ sowie aus dem Einleitungssatz, wonach sie „in Ergänzung des Mandatsvertrags mitsamt Vergütungsvereinbarung vom 05.09.2022″ vereinbart wurde. Der Kläger hat im Rahmen der Klageschrift zudem nachvollziehbar vorgetragen, dass die Rechengrundlage für die Höhe des Pauschalhonorars in der ergänzenden Vergütungsvereinbarung das zuvor vereinbarte Stundenhonorar gewesen sei. Außerdem wird bereits im Mandatsvertrag vereinbart, dass nach erfolgter Akteneinsicht dem Auftraggeber – also der Beklagten – ein Pauschalhonorar angeboten werden wird. Gegen die Annahme eines eigenständigen Vertrags spricht auch, dass die „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ nicht alle essentialia negotii enthält. So fehlt insbesondere der Auftragsgegenstand, welcher lediglich im Mandatsvertrag bezeichnet wird.

Somit ist der Anwaltsvertrag in seiner Gesamtheit, das heißt unter Berücksichtigung der dazugehörigen Pauschalvergütungsvereinbarung, nicht unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden. Denn die hinsichtlich des Pauschalhonorars seitens der Beklagten abgegeben Willenserklärungen ist in Form einer Unterschrift im Rahmen eines persönlichen Kontakts in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers erfolgt.

Schließlich spricht auch das Gesamtbild des streitgegenständlichen Anwaltsvertrags nicht für die Annahme eines einheitlichen Fernabsatzvertrags. Denn die Konkretisierung der vertraglichen Leistung ist im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 16.12.2022 erfolgt. Dementsprechend ist die Konkretisierung der Leistung und ggf. die gesamte Leistungserbringung gerade nicht fern-kommunikativ erfolgt — wie etwa im Rahmen einer Rechtsberatung über eine „Anwalts-Hotline“ (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312c Rn. 17).

Der Vortrag der Beklagten überzeugt nicht. Sie meint, der spätere Abschluss einer Vergütungs-vereinbarung ändere nichts daran, dass die ursprüngliche Beauftragung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt sei und sie insoweit nicht belehrt worden sei. In diesem Fall wären die ursprüngliche Beauftragung in Form des Anwaltsvertrags und die spätere Vergütungs-vereinbarung zwei voneinander zu unterscheidende eigenständige Verträge. Danach könnte zwar der Anwaltsvertrag als Fernabsatzvertrag widerrufen werden, die später geschlossene Vergütungsvereinbarung bliebe jedoch als eigenständiger Vertrag bestehen und diente dem Kläger weiter als Rechtsgrundlage für seine Forderung. Dementsprechend bleibt die Beklagte die Beantwortung der Frage, was bei Zugrundelegung ihrer Auffassung mit der Vergütungsvereinbarung passiert, die unstreitig nicht unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurde, schuldig.

Im Ergebnis ist die „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ entweder ein Teil des Anwaltsvertrags, der dann nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurde und dann nicht widerrufen werden kann, oder sie ist eine eigenständige Vereinbarung, die bei Widerruf des Anwaltsvertrags wirksam bleibt und den Kläger berechtigt, das vereinbarte Pauschalhonorar zu fordern. Das Gericht bevorzugt aus den bereits genannten Gründen die erste Auffassung. Letztlich führen jedoch beide zum gleichen Ergebnis, dass der Kläger einen Anspruch auf das vereinbarte Pauschalhonorar abzüglich des bereits geleisteten Vorschusses besitzt.“

beA II: Der als Berufsbetreuer tätige Rechtsanwalt, oder: Vergütungsantrag elektronisch, ja oder nein?

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Und als zweite „beA-Entscheidung“ dann hier noch der BGH, Beschl. v. 31.05.2023 – XII ZB 428/22. Der kommt aus dem Betreuungsrecht, und zwar mit folgendem Sachverhalt:

Für die 1960 geborene Betroffene ist eine Betreuung eingerichtet und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zum Berufsbetreuer bestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04.052022 hat der Betreuer beantragt, für seine Tätigkeit im Zeitraum vom 28.012022 bis zum 27.04.2022 eine Vergütung in Höhe von 513 EUR gegen die Staatskasse festzusetzen. Das AG hat den Vergütungsantrag nach vorangegangenem Hinweis als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sei. Dagegen hat sich der Betreuer mit seiner vom AG zugelassenen und in schriftlicher Form eingelegten Beschwerde gewendet, die das LG verworfen hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuers, die keinen Erfolg hatte:

„Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist von der Unzulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen, weil die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt eingelegt, aber entgegen § 14 b Abs. 1 FamFG nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

Gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG sind durch einen Rechtsanwalt, durch einen Notar, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Erklärung unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist nicht.

a) § 14 b FamFG wurde ursprünglich durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 ( I S. 3786) in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingefügt. Die Vorschrift orientierte sich in ihrer damaligen Fassung inhaltlich an dem gleichzeitig eingeführten und weitgehend wortgleichen § 130 d ZPO. Noch vor dem Inkrafttreten von § 14 b FamFG zum 1. Januar 2022 erfolgte durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607) zur Klarstellung eine inhaltliche Änderung der Vorschrift, wonach die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausdrücklich auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beschränkt (§ 14 b Abs. 1 FamFG) wurde. Für sämtliche anderen Anträge und Erklärungen, die keinem Schriftformerfordernis unterliegen, ist die elektronische Einreichung nach § 14 b Abs. 2 FamFG nur eine Sollvorschrift. Damit sollte den Besonderheiten des Familienverfahrensrechts Rechnung getragen werden, in dem der Schriftformzwang die Ausnahme bildet (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39 f.).

b) Der sachliche Anwendungsbereich des § 14 b 1 Satz 1 FamFG ist bei der Einlegung einer Beschwerdeschrift durch einen Rechtsanwalt eröffnet.

Zwar sieht § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG vor, dass die Beschwerde – außer in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG) sowie in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 215, 1 = FamRZ 2017, 1151 Rn. 19) – nicht nur durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, sondern auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Diese Möglichkeit soll einen erleichterten Zugang zu den Rechtsmittelgerichten gewähren, um damit insbesondere den Rechtsschutz für rechtsunkundige oder schreibungewandte Beteiligte zu wahren. § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG räumt daher dem Verfahrensbeteiligten ein Wahlrecht ein. Entscheidet er sich aber dafür, die Beschwerde schriftlich einzureichen, muss seine Beschwerdeschrift als bestimmender Schriftsatz besonderen gesetzlich vorgesehenen Formerfordernissen (§ 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG) entsprechen. Zu diesen Formerfordernissen gehört für Rechtsanwälte seit dem 1. Januar 2022 auch § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG. Daher ist ein Rechtsanwalt seit diesem Zeitpunkt zur Übermittlung der Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument verpflichtet, wenn er die Beschwerde – wie hier – schriftlich und nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlegt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2022 – XII ZB 200/22FamRZ 2023, 461 Rn. 7 f. und vom 21. September 2022 – XII ZB 264/22FamRZ 2022, 1957 Rn. 7; BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 14). Hiervon ist ersichtlich auch der Gesetzgeber ausgegangen, denn in der Entwurfsbegründung des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften wird § 64 Abs. 2 FamFG ausdrücklich als Beispiel für eine Vorschrift genannt, die dem Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG unterfallen soll (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39).

c) Auch der persönliche Anwendungsbereich des § 14 b 1 FamFG ist eröffnet. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG auch dann besteht, wenn sie – wie hier als anwaltlicher Berufsbetreuer – berufsmäßig im eigenen Namen auftreten (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 16 ff. [Verfahrenspfleger]; vgl. zu § 130 d ZPO: BGH Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 13 ff. [Insolvenzverwalter]).

aa) Dem Wortlaut des § 14 b 1 FamFG lässt sich für eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf den Fall der Vertretung eines Beteiligten durch einen Rechtsanwalt nichts entnehmen.

Vielmehr deuten sowohl die auf eine „Nutzungspflicht für Rechtsanwälte“ abstellende amtliche Überschrift der Vorschrift als auch der Wortlaut von § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG, wonach „durch einen Rechtsanwalt“ bei Gericht einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln sind, auf eine generelle Nutzungspflicht für Rechtsanwälte unabhängig von ihrer Rolle im Verfahren hin (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 17). Dies verdeutlicht auch ein Vergleich des Wortlauts der Parallelvorschrift des § 130 d Satz 1 ZPO mit dem Wortlaut des ebenfalls durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 geschaffenen § 130 a Abs. 1 ZPO: Während nämlich in § 130 a Abs. 1 ZPO von Schriftsätzen der Parteien die Rede ist und damit womöglich ein Vertretungsverhältnis beim Handeln eines Rechtsanwalts gegenüber dem Gericht vorausgesetzt wird, wird in § 130 d Satz 1 ZPO – wie auch in § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG – statusbezogen allein darauf abgestellt, dass Schriftsätze, Anträge und Erklärungen „durch einen Rechtsanwalt“ bei Gericht eingereicht werden (vgl. BGH Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 14).

bb) Der Gesetzesbegründung zu § 130 d ZPO, auf die hinsichtlich der Nutzungspflicht in den Materialien zu § 14 b FamFG inhaltlich verwiesen wird (BT-Drucks. 17/12634 S. 36), lässt sich für die Beurteilung der Frage nach einer rollen- oder statusbezogenen Nutzungspflicht des Rechtsanwalts nichts entnehmen. Einerseits spricht die Begründung zu § 130 d ZPO zwar davon, dass die Bestimmung „für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO“ gelte, andererseits in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Vorschrift aber auch davon, dass für alle Rechtsanwälte eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Übermittlungswegs bestehe (BT-Drucks. 17/12634 S. 27). Es ist nicht auszuschließen, dass die Ausführungen an dieser Stelle im Regierungsentwurf von sprachlichen Ungenauigkeiten beeinflusst sind, denen eine besondere Bedeutung nicht beigemessen werden kann (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 19 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 16).

cc) Entscheidend für ein weites und damit statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht nach § 14 b 1 FamFG ist der Zweck der Norm, der ausweislich der Begründung (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27) darin besteht, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte und Behörden zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den elektronischen Rechtsverkehr einzuführen. Die Rechtfertigung eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei freiwilliger Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichem Aufwand insbesondere bei den Gerichten führen würde. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung nicht sichergestellt sei. Dieser Gesetzeszweck lässt es nur konsequent erscheinen, anwaltliche Verfahrensbeteiligte, die ohnehin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 31 a BRAO), in die Nutzungspflicht einzubeziehen, auch wenn sie in dem Verfahren nicht im anwaltlichen Erstberuf tätig sind (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 20 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 19).

dd) Der Anwendbarkeit von § 14 b FamFG auf den anwaltlichen Berufsbetreuer steht auch nicht entgegen, dass dieser dadurch anders als der nichtanwaltliche Berufsbetreuer behandelt wird, der weiterhin alle Anträge und Erklärungen gegenüber dem Gericht schriftlich vornehmen kann, solange er nicht seinerseits einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung betraut. Die sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung liegt darin, dass der anwaltliche Betreuer ohnehin über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen muss und auch jenseits des Betreuungsverfahrens einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliegt (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 20 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 19). Im Übrigen lässt die jüngere Gesetzgebung deutlich das Bestreben des Gesetzgebers erkennen, den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz auch auf nichtanwaltliche Berufsbetreuer und Betreuungsvereine auszuweiten. Mit der Einführung des besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs (§ 10 ERVV) durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 sollen auch sonstige Beteiligte an Gerichtsverfahren künftig die Möglichkeit erhalten, mit dem Gericht elektronisch zu kommunizieren; beispielhaft werden in der Gesetzesbegründung Betreuerinnen und Betreuer genannt (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 23).

ee) Vor diesem Hintergrund spricht es ebenfalls nicht gegen eine Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs durch einen anwaltlichen Betreuer, dass er diese Tätigkeit als Zweitberuf ausübt und seine Tätigkeit – abgesehen von anwaltsspezifischen Diensten für den Betreuten – nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vergütet wird. Ebenso wenig kann es darauf ankommen, dass die Höhe der nach Fallpauschalen bestimmten Betreuervergütung (§§ 7 VBVG) nicht an die Zulassung als Rechtsanwalt, sondern an die abgeschlossene juristische Hochschulausbildung des Anwaltsbetreuers anknüpft.

Im Hinblick auf die für Rechtsanwälte ohnehin bestehende Vorhaltungs- und Nutzungspflicht der elektronischen Kommunikationsmittel spricht auch nichts für die Annahme, dass der Justizgewährungsanspruch verletzt werden könnte, wenn der Rechtsanwalt diese Kommunikationsmittel bei seiner beruflichen Tätigkeit als Betreuer zu nutzen hat. Ob im Einzelfall anders zu entscheiden wäre, wenn der als Rechtsanwalt zugelassene Betreuer seine Tätigkeit bewusst als Privatperson in eigener Sache entfaltet oder sein (ehrenamtliches) Betreueramt – nach außen erkennbar – von seiner Stellung als Rechtsanwalt trennt (vgl. Prütting/Helms/Ahn-Roth FamFG 6. Aufl. § 14 b Rn. 5; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 14 b Rn. 8; Fritzsche NZFam 2022, 1, 3), bedarf unter den hier obwaltenden Umständen keiner Entscheidung, weil der Betreuer bei der Führung des Amtes als Berufsbetreuer auftritt.

III.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die schriftlich eingelegte Beschwerde des Betreuers zu verwerfen, hat daher Bestand.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Vergütungsantrag des anwaltlichen Betreuers nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden muss (insoweit zutreffend LG Hildesheim NJW-RR 2022, 1518, 1519). Der Vergütungsantrag des Betreuers nach § 292 Abs. 1 FamFG unterliegt, auch wenn mit ihm das Vergütungsfestsetzungsverfahren eingeleitet wird, vorbehaltlich (bislang nicht bestehender) abweichender landesrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Benutzung von Vordrucken (§ 292 Abs. 6 FamFG) keinem zwingenden Schriftformerfordernis. Nach § 25 Abs. 1 FamFG können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. Werden verfahrenseinleitende Anträge nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern schriftlich abgegeben, hängt deren Wirksamkeit – anders als nach § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG bei bestimmenden Schriftsätzen im Beschwerdeverfahren – nicht von der Beachtung zwingender Formvorschriften ab (vgl. § 23 FamFG), zu denen § 14 b Abs. 1 FamFG für Rechtsanwälte hinzutreten könnte. Auch die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass für den Großteil von Anträgen und Erklärungen in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Schriftformerfordernis besteht und diese deshalb dem § 14 b Abs. 2 FamFG unterfallen (BT-Drucks. 19/28399 S. 40). Der Betreuer darf seinen Vergütungsantrag deshalb auch dann in gewöhnlicher Schriftform stellen, wenn er als Rechtsanwalt zugelassen ist. Er ist in diesem Fall allerdings verpflichtet, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 14 b Abs. 2 Satz 2 FamFG).

Unmögliche Abgrenzung zwischen Alt-/Neuschäden, oder: Kein Teilschadensersatz ohne weiteren Vortrag

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Als zweite Entscheidung stelle ich heute das LG Bochum, Urt. v. 02.05.2023 – I 8 O 297/21 – vor. Die Entscheidung behandelt eine Vorschadensproblematik. Dazu das LG:

„3. Allerdings kann die Kammer auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO feststellen, dass die von der Klägerin behaupteten Schäden in ihrer Gesamtheit bei diesem Unfall entstanden sind.

Hiergegen spricht das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. vom 28.09.2022.

…..

Der Klägerin steht weiterhin auch nicht ein Anspruch der seitens des Sachverständigen berechneten Teilreparaturkosten in Höhe von 1.983,37 Euro zu.

Zwar ist es grundsätzlich in der Rechtsprechung anerkannt, dass für den Fall, dass ein zumindest abgrenzbarer Teil der seitens der Klägerin geltend gemachten Schäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, diese ersetzt verlangt werden können (vgl. OLG München NZV 2006, S. 261). Allerdings ist ein solcher Teilschadensersatzanspruch der Klägerin verwehrt, wenn bewiesen ist, dass ein Teil der geltendgemachten Schäden am Unfallfahrzeug nicht auf die Kollision zurückzuführen sind und der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben macht, sondern vielmehr das Vorliegen irgendwelcher Vorschäden bestreitet (vgl. KG BeckRS 2007, 12643; KG BeckRS, 02982; vgl. auch Janke, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 249 Rn. 89 mwN.). Diese Unsicherheit führt zur vollständigen Klageabweisung (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 104786). Vorliegend ist genau diese Konstellation anzunehmen. Die Klägerin bestreitet das Vorliegen etwaiger Altschäden. Insofern gab der Geschäftsführer der Klägerin an, dass sein Fahrzeug vor dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis keine anderweitigen Unfälle erlitten hätte. Auch im Unfallbereich hätte das Fahrzeug keine Altschäden aufgewiesen. Das Fahrzeug sei zum Unfallzeitpunkt ca. ein 3/4 Jahr alt gewesen. Er habe das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 800 Kilometern gekauft. Da das unfallgeschädigtes Fahrzeug von Vorschäden betroffen ist, die den geltend gemachten Schaden überlagern, hätte die Klägerin zur Begründung ihrer Ersatzbegehrens nicht nur den Umfang der Vorschäden im Einzelnen darlegen, sondern auch spezifiziert vortragen müssen, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der Vorbeeinträchtigungen durchgeführt worden sind und, ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen (vgl. OLG Düsseldorf aaO.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin das Fahrzeug als gebrauchten Vorführwagen gekauft hat. Insofern hätte es sodann einen Vortrag dahingehend berufen, ob die Klägerin das Fahrzeug mit einem Nachweis über eine Reparatur der Vorschäden gekauft hat (KG 25.2.2010 – 22 U 163/09). An einem entsprechenden Vortrag fehlt es in Gänze.“

Nochmals: Verwertung einer Dashcam-Aufzeichnung, oder: Unfallaufklärung mit Dashcam bei Beweisnot

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Im „Kessel Buntes“ am Samstag dann heute zwei Entscheidungen aus dem Verkehrszivilrecht.

Ich beginne mit dem LG Aachen, Urt. v. 15.06.2023 – 12 O 398/22 -, das sich noch einmal zur Verwertung von Dashcam-Aufzeichnungen äußert. Das LG hatte über Schadensersatzansprüche bei einem Kollisionsunfall nach einer Kurvendurchfahrt mit dem Vorwurf des beiderseitigen Fahrstreifenwechsel zu entscheiden. Das LG hat Zeugen vernommen, was aber kein Ergebnis gebracht hat. Das LG hat dann eine vorliegende Dashcam-Aufzeichung verwertet. Zur Zulässigkeit führt es aus:

„(bb) Die Verwertung des Dashcam-Videos war als Beweismittel auch zulässig.

(1) Keine Partei – insbesondere nicht der Kläger – hat der Verwertung der Dashcam-Videos widersprochen.

(2) Es kann auch dahinstehen, ob die streitgegenständliche Videoaufzeichnungen nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig sind. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre ihre Verwertung als Beweismittel dennoch zulässig. Das ergibt sich aus einer vorzunehmenden Güterabwägung (ausführlich BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348-377, Rn. 39, juris).

(a) Auf der einen Seite stehen das Interesse des (Gegen-)Beweisführers – hier des Beklagten zu 1) – an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche und seines im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung. Auf der anderen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348¬377, Rn. 40 m.w.N., juris).

(b)  Zwar begründet die Dashcam-Aufnahme, durch die das Fahrzeug des Klägers mit dessen Kraftfahrzeugkennzeichen in und kurz nach der Unfallsituation aufgenommen und diese Sequenz abgespeichert worden ist, einen Eingriff in das Recht des Klägers, der durch die Nutzung als Beweismittel fortgesetzt wird (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348-377, Rn. 41 f., juris).

(c) Der Eingriff ist allerdings nicht rechtswidrig, da die schutzwürdigen Belange des Beklagten zu 1) das Schutzinteresse des Klägers überwiegen. In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, Abwägungskriterien u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Danach genießen besonders hohen Schutz die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim-und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören. Allerdings hat der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über „seine“ Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348-377, Rn. 44 m.w.N.).

(d) Bei der gebotenen Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen ist. Aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung seines Kraftfahrzeugs. Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den er sich freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Rechnung zu tragen ist zudem der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweiswert ihrer Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions- und Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering; unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Aufnahmen auch Feststellungen zum Fahrverhalten des Aufzeichnenden erlauben und grundsätzlich auch zu Gunsten des Beweisgegners sprechen und verwertet werden können.

Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer oder anderer Kraftfahrer bzw. Insassen führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Zwar besteht durch permanent und anlasslos aufzeichnende Videokameras in zahlreichen Privatfahrzeugen für das informationelle Selbstbestimmungsrecht der übrigen Verkehrsteilnehmer ein Gefährdungspotential, da durch die bestehenden Möglichkeiten von Gesichtserkennungssoftware, Weiterleitung und Zusammenführung der Daten zahlreicher Aufzeichnungsgeräte nicht auszuschließen ist, dass letztlich Bewegungsprofile individueller Personen erstellt werden könnten. Dem ist jedoch nicht durch Beweisverwertungsverbote im Zivilprozess zu begegnen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Möglichkeit einer Beweisverwertung Anreize für die Nutzung von Dashcams setzen kann, doch ist ihr Gefahrenpotential nicht im Zivilprozess einzugrenzen oder (zusätzlich) zu sanktionieren. Deshalb ist es für die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels nicht von Bedeutung, dass der Teil der Aufzeichnung, der nicht im Prozess vorgelegt worden oder für die Unfallrekonstruktion nicht erheblich ist, möglicherweise zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dritter Personen führt.

Dem danach nicht so schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Klägers steht nicht nur ein „schlichtes“ Beweisinteresse gegenüber. Denn jedes Beweisverwertungsverbot beeinträchtigt nicht nur die im Rahmen der Zivilprozessordnung grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Wahrheitserforschung und damit die Durchsetzung der Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege, sondern auch durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte der auf Durchsetzung ihres Anspruchs klagenden Parteien. Es besteht auch ein individuelles Interesse der Partei eines Zivilprozesses an der Findung der materiellen Wahrheit bis hin zur Abwehr eines möglichen Prozessbetruges (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 — VI ZR 233/17 —, BGHZ 218, 348-377, Rn. 43 ff. m.w.N., juris).

(e) In der Konsequenz war die Verwertung der Dashcam-Aufzeichnungen hier zulässig. Dabei war im konkreten Einzelfall zusätzlich zu berücksichtigen, dass dem Beklagten zu 1) hier insbesondere auch keine anderen Beweismittel zur Verfügung standen, um den Gegenbeweis zu führen und seine (vollständige oder quotale) Haftung zu widerlegen, wohingegen der Kläger mit dem Zeugen II» über ein Beweismittel verfügte.

(cc) Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1) im Zuge des Abbiegevorgangs einen (teilweisen) Fahrspurwechsel durch Überfahren der Trennlinie vorgenommen hat und es hierdurch zum Unfall gekommen ist. Damit hat der Kläger gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er einen Abbiegevorang beabsichtigt und angekündigt hätte, hat er bereits nicht vorgetragen, sondern bestritten, einen Wechsel überhaupt vorgenommen zu haben. Ohnehin konnte ein Wechsel der Fahrspur zum fraglichen Zeitpunkt nicht ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vonstattengehen, wie es § 7 Abs. 5 StVO allerdings voraussetzt, weil sich der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug praktisch neben dem klägerischen Fahrzeug befand und insofern kein Einscheren an der fraglichen Stelle möglich war.“

Und das war es dann für die Klage. Die hat das LG abgewiesen.

Anzumerken ist, dass das LG die Vorgaben aus der genannten Entscheidung des BGH umsetzt werden, ohne dass allerdings den gestiegenen Bedeutungsgehalt des Datenschutzes in Form der DSGVO näher zu erörtern. Andererseits frage ich mich, warum das LG die Verwertbarkeit des  Videos überhaupt erörtert, denn es hatte keine Partei der Verwertung widersprochen.