Vereinsrecht I: PKH für den eingetragenen Verein?, oder: Darlegung der Bedürftigkeit

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Und heute im „Kessel Buntes“ dann mal kein Straf- oder Verkehrsrecht, sondern „Vereinsrecht“. Damit habe ich ja über mein Buch „Vereinsrecht Leitfaden für Vereine und Mitglieder“, das es inzwischen schon in der 11. Auflage gibt auch zu tun. Näheres hier.

In dem Zusammenhang stelle ich heute zunächst einen Beschluss des OVG Hamburg zur Prozesskostenhilfe vor, und zwar den OVG Hamburg, Beschl. v. 06.07.2023. 3 So 38/23.

Ein eingetragener Verein hatte PKH beantragt. Die ist abgelehnt worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Vereins hatte keinen Erfolg:

1. Gemäß § 146 Abs. 2 VwGO können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Das ist hier der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, dass er als eingetragener Verein und damit als juristische Person nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO über seine (eigene) Bedürftigkeit hinaus auch hätte darlegen müssen, dass die Kosten der Prozessführung von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht aufgebracht werden können und dass die Unterlassung der von ihm beabsichtigten Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. An beidem fehle es. Damit hat es – ungeachtet dessen, ob sich die Entscheidung als richtig oder falsch erweist – ausschließlich auf den für den Beschwerdeausschluss maßgeblichen Bezugspunkt der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe abgehoben.

§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erweitert den Kreis der Prozesskostenhilfeberechtigten über die in § 114 ZPO (nur) angesprochenen natürlichen Personen (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 114 Rn. 2) hinaus auf juristische Personen und parteifähige Vereinigungen. Allerdings macht die Vorschrift die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insofern von strengeren Voraussetzungen als § 114 Satz 1 ZPO abhängig, als sie verlangt, dass die Kosten weder von der juristischen Person oder parteifähigen Vereinigung noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Diese Erfordernisse tragen den besonderen Verhältnissen der juristischen Personen und parteifähigen Vereinigungen Rechnung, die nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung haben, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen, und sollen Vorsorge dagegen treffen, dass mittellose Verbände eigene wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verwirklichen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2021, II ZR 224/20, ZInsO 2022, 143, juris Rn. 7; OLG Frankfurt, 19 W 14/22, juris Rn. 13; jew. m. w. Nachw.). Mit Blick auf die drei verschiedenen Voraussetzungen, von denen das Prozesskostenhilferecht den Erhalt von Prozesskostenhilfe abhängig macht, nämlich den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, den hinreichenden Erfolgsaussichten und der fehlenden Mutwilligkeit (vgl. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 und 2 ZPO), sind die Erfordernisse des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO systematisch den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zuzuordnen. Das gilt nicht nur für die Entscheidung darüber, ob jemand am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligter ist und die Kosten aufbringen kann (vgl. dazu bereits OVG Weimar, Beschl. v. 17.12.2015, 3 ZO 682/15, juris Rn. 3), sondern ebenso für die Entscheidung darüber, ob die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2021, a.a.O., juris Rn. 4 ff.). Der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO greift daher bei einer ausschließlich auf die Merkmale des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO gestützten Versagung der Prozesskostenhilfe umfassend ein.

Die Gesetzesmaterialien zur Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit im Verfahren der Prozesskostenhilfe unterstützen diese Auffassung. Denn in der amtlichen Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des § 146 Abs. 2 VwGO n.F. (in Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl. I S. 3533, 3538]) heißt es: „Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe kann mit der Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das Gericht hingegen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft.“ (BT-Drs. 17/11472 S. 48 f.). Zwar erscheint diese Begründung insoweit zu kurz gegriffen, als sie ausblendet, dass neben der Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und der hinreichenden Erfolgsaussichten auch die Fallgestaltung der mutwilligen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung die Ablehnung der Prozesskostenhilfe rechtfertigt. Dies erlaubt aber nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe darüber hinaus auch noch in anderen Konstellationen weiter die Beschwerde ermöglichen wollen.

Schließlich ist der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO hier auch nicht etwa deshalb unanwendbar, weil der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts die nachträgliche Aufhebung bereits bewilligter Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand hätte (vgl. zu dieser Fallgestaltung OVG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2021, 6 So 19/21, NordÖR 2022, 47, juris Rn. 2 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers kann das gerichtliche Schreiben vom 30. August 2022 nicht als vorherige Bewilligung von Prozesskostenhilfe verstanden werden. Es enthält lediglich die an den Kläger gerichtete Mitteilung, dass die Rechnung zum Kassenzeichen 2622311018674 aufgrund seines Antrags auf Prozesskostenhilfe auf 0,00 Euro gesetzt worden sei, d.h. mit anderen Worten die schlichte Stornierung der angeforderten Verfahrensgebühr. Im Übrigen ergehen Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe durch Beschluss (§ 166 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aufgrund der Notwendigkeit, im Beschluss eine klare Regelung über den Bewilligungsumfang und die Pflicht zur Ratenzahlung zu treffen, ist eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch schlüssiges Verhalten ausgeschlossen (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 127 Rn. 19).“

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