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Wenn ein vorausfahrender Traktor nach links blinkt, oder: Unklare Verkehrslage für den Überholenden

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Heute im „Kessel Buntes“ seit längerem mal wieder zwei verkehrszivilrechtliche Entscheidungen, und zwar Unfallregulierung.

Ich mache den Opener mit dem OLG Schleswig, Beschl. v. 26.07.2023 – 7 U 42/23 – zur Haftung und zur Haftungsquote bei einem Linksabbiegerunfall. Der Beschluss hat folgenden Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall. Am 10.06.2021 kam es im Bereich einer Hofeinfahrt an der K.xx in T. zur Kollision zwischen dem Kläger mit seinem Motorroller Piaggio Vespa und dem vom Beklagten zu 2) geführten Traktorgespann Fendt 818 Vario mit Gülleanhänger. Der Kläger befuhr die K.xx in Richtung H.. Vor ihm fuhr der Beklagte zu 2) mit dem Traktorgespann in gleiche Richtung. Zur Kollision kam es, als der Kläger das Traktorgespann überholte und das Traktorgespann nach links in eine Hofeinfahrt abbog. Der Kläger stieß auf der Gegenfahrbahn gegen das linke Vorderrad des Traktors.

Streitig ist insbesondere, ob der Beklagte zu 2) vor dem Abbiegen am Traktor den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat.

Das Landgericht hat der Klage auf Grundlage einer Mithaftungsquote von 50 % teilweise stattgegeben. Dem Beklagten zu 2) sei ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO vorzuwerfen, weil er seiner doppelten Rückschaupflicht nicht hinreichend nachgekommen sei. Den hierfür streitenden Anscheinsbeweis hätten die Beklagten nicht erschüttert. Allerdings stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2) rechtzeitig vor dem Abbiegen nach links geblinkt habe. Den Kläger treffe der Vorwurf aus § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, in einer unklaren Verkehrslage überholt zu haben. Ausgehend davon, dass das Traktorgespann nach links blinkte, hätte der – zumal ortskundige – Kläger nicht überholen dürfen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ungeeignet. Bei der nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gebotenen Abwägung ergäbe sich unter Berücksichtigung der wechselseitigen Mitverursachungsbeiträge und der unterschiedlichen Gewichtung der von den unfallbeteiligten Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr eine hälftige Schadensteilung.

Dagegen die Berufung des Klägers. Die hat – so das OLG in seinem nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Beschluss:

„Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auf Grundlage einer Mithaftungsquote von 50 %.

1. Gemäß § 513 ZPO kann eine Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen. Beides liegt für die Berufung der Beklagten nicht vor. Das Landgericht hat zutreffend in der gebotenen Abwägung gemäß §§ 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 3 StVG eine Haftungsquote des Klägers und der Beklagten von jeweils 50 % angenommen. Aufgrund der Beweisaufnahme ist es nachvollziehbar zu der Überzeugung gelangt, dass am Traktorgespann vor dem Abbiegen nach links in die Hofeinfahrt der linke Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet war.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) berechtigt das Gericht, die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten, wobei der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Auflage 2022, § 286, Rn. 13). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist nicht erkennbar. Im Übrigen steht die Wiederholung der Beweisaufnahme außerdem gemäß §§ 529, 531 ZPO nicht im reinen Ermessen des Berufungsgerichts. Sie ist im Sinne eines gebundenen Ermessens vielmehr nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen und eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall einer Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand mehr haben werden, sich also ihre Unrichtigkeit herausstellt (Zöller/Heßler, a.a.O., § 529, Rn. 3). Solche konkreten Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich.

Das Landgericht hat zunächst den gegen den Beklagten zu 2) als Linksabbieger sprechenden Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO korrekt angewendet und sodann die zur Verfügung stehenden, geeigneten Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Es hat den Kläger persönlich angehört, den Beklagten zu 2) persönlich angehört und als Partei nach § 448 ZPO vernommen sowie den Zeugen I. vernommen. Es hat die Angaben umfassend und frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Die Überzeugungsbildung ist nachvollziehbar und verstößt nicht gegen Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen bestehen danach nicht. Der Kläger will mit seiner Berufungsbegründung letztlich nur seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle des Landgerichts setzen. Ein Widerspruch zum Inhalt der Ermittlungsakte besteht nicht. Dass auf den dortigen Lichtbildern der Fahrtrichtungsanzeiger nicht im aufleuchtenden Zustand zu sehen ist, mag daran liegen, dass die Lichter eben nur zeitweilig aufleuchten und die Fotos nicht genau in diesem Moment aufgenommen wurden. Zudem haben die Fotos, die erst geraume Zeit nach dem Unfall gefertigt wurden, ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft hinsichtlich der Frage, ob der linke Fahrtrichtungsanzeigers im Zeitpunkt des Unfalls eingeschaltet war oder nicht. Hinsichtlich der Aussage des Zeugen I.l hat das Landgericht berücksichtigt, dass dieser den Unfall selbst nicht beobachtet hat. Die Würdigung der Zeugenaussage durch das Landgericht als (weiteres) Indiz für die Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 2) ist nicht zu beanstanden. Ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Zutreffend hat das Landgericht dies als unerheblich und ungeeignet abgelehnt. Durch ein Sachverständigengutachten ließen sich zwar möglicherweise die Ausgangsgeschwindigkeiten und die Kollisionsstellung ermitteln. Beide Faktoren sind indes nicht entscheidungserheblich. Nicht durch ein Sachverständigengutachten ermitteln ließe sich hingegen, wer zuerst gebremst hat und mit welchem Abstand zum Traktorgespann der Kläger bis zum Überholen gefahren ist. Nach seinen eigenen Angaben sollen es nur ca. 5 m gewesen sein. Ein Sachverständiger könnte ex post auch nicht klären, ob am Traktorgespann zum Unfallzeitpunkt der linke Fahrtrichtungsanzeiger tatsächlich eingeschaltet war oder nicht.

2. Unter der Maßgabe, dass am Traktorgespann der linke Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet war, hat das Landgericht zu Recht ein Überholen des Klägers bei unklarer Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO angenommen. Blinkt ein Traktor nach links, ist stets damit zu rechnen, dass dieser kurzfristig abbiegt, und zwar ggf. auch ohne vorheriges Einordnen nach links (was wegen der Fahrzeugbreite häufig schon nicht möglich ist). Der Kläger hätte auch damit rechnen müssen, dass das Traktorgespann nach links in eine schwer erkennbare Hof- oder Feldeinfahrt einbiegen will. Bei dieser Verkehrslage war das Überholen unzulässig.

Die Bewertung der Verursachungsbeiträge durch das Landgericht ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Im Rahmen der bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge erforderlichen Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dabei eine Abwägung und Gewichtung der jeweiligen Verursachungsbeiträge vorzunehmen, wobei eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eine genaue Klärung des Unfallhergangs geboten ist (BGH, Urteil vom 28.02.2012, VI ZR 10/11, Juris Rn. 6; OLG Frankfurt, Urteil vom 31.03.2020, 13 U 226/15, Juris Rn. 43). Im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeuge ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige oder aber zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (ständige Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 21.11.2006, VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urteil vom 27.06.2000, VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.07.2018, 1 U 117/17, Juris Rn. 5). Die jeweils ausschließlich unstreitigen oder nachgewiesenen Tatbeiträge müssen sich zudem auf den Unfall ausgewirkt haben. Der Beweis obliegt demjenigen, welcher sich auf einen in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkt beruft (BGH, Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 126/95, NZV 1996, 231, 232; OLG Dresden, Urteil vom 25.02.2020, 4 U 1914/19, Juris Rn. 4 m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Landgericht das Verschulden des Beklagten zu 2) wegen eines Verstoßes gemäß § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 StVO gegen das Verschulden des Klägers wegen eines Verstoßes gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO unter Berücksichtigung der jeweiligen unterschiedlichen Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge gegeneinander abgewogen und die jeweiligen Verursachungsbeiträge im Ergebnis gleich hoch gewichtet. Dies findet die Billigung des Senats.“

beA I: Rechtzeitige Ersatzeinreichung wegen Störung, oder: Geht das auch in einem zweitem Schriftsatz?

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So, in die 38. KW. starte ich dann mit ein wenig beA und was damit zusammenhängt.

Hier zunächst das BGH, Urt. v. 25.07.2023 – X ZR 51/23, also vom „Patentsenat“. Der hat über die Berufung einer Patentinhaberin entschieden. Die hatte Berufung gegen die teilweise Nichtigerklärung eines gewerblichen Schutzrechts eingelegt. Die Rechtsmittelschrift ihres Rechtsanwalts der Patentinhaberin ging am 20.04.2023, dem Tag des Ablaufs der Rechtsmittelfrist, um 15.15 Uhr per Telefax beim BGH ein. Am gleichen Tag um 20.09 Uhr ging ein weiteres Fax ein. Darin wurde eingehend erläutert, dass der Bevollmächtigte die Berufungsschrift aufgrund einer Störung beim elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) habe einreichen können.

Dem BGH hat die diese Glaubhaftmachung der Störung als Voraussetzung der Ersatzeinreichung als (noch) rechtzeitig eingestuft, auch wenn sie in zwei Schriftsätzen erfolgt sei. Eine Frist für die Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels dürfe grundsätzlich bis zum Ende des betreffenden Tags ausgenutzt werden. Beide Schriftsätze seien, so der BGH, noch innerhalb der laufenden Frist eingegangen. Die Glaubhaftmachung sei damit „gleichzeitig“ mit der Ersatzeinreichung erfolgt.

Die Entscheidung hat folgende Leitsätze:

1. Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (Ergänzung zu BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, WRP 2023, 833 Rn. 11).

2. Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

 

Haushaltsführungsschaden im „Bagatellbereich“, oder: Erstattungsfähigkeit

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Und dann am Samstagnachmittag das OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.04.2023 – 3 U 7/23 – zur Erstattungsfähigkeit eines Haushaltsführungsschaden im „Bagatellbereich“

Gestritten worden ist in dem Verfahren u.a. über den Umfang und die Erstattungsfähigkeit eines Haushaltsführungsschadens der Klägerin nach einem Verkehrsunfall mit einer grundsätzlichen Eintrittspflicht der Beklagtene. Bei dem Unfallereignis hatte die Klägerin eine Wirbelsäulenverletzung erlitten, bei der der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige eine dauerhafte haushaltsspezifische MdE von 15% bejaht hat. Dabei hat der Sachverständige auch berücksichtigt, dass bei der Geschädigten unfallunabhängige Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bestanden haben, die nach seiner Auffassung stärker als die Unfallfolgen die Fähigkeit beeinträchtigen, sich nach vorne zu beugen – dessen ungeachtet sind auch weitere Einschränkungen alleine dem Unfallereignis zugeordnet worden. Die verbleibenden Funktionseinschränkungen haben sich dabei aus einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule ergeben, wobei es im Wesentlichen um unfallbedingt bewegungsabhängige Schmerzen im Bereich der oberen Lendenwirbelsäule geht und Beeinträchtigungen beim Strecken, beim längeren Bücken und bei Drehbewegungen, wenn auch in einem überschaubaren Umfang als Dauerschaden bestehen.

Das OLG Saarbrücken ist von einem erstattungsfähigen Haushaltsführungsschaden als Dauerschaden ausgegangen. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf das umfangreich begründete Urteil. Hier „gibt“ es nur die Leitsätze, und zwar:

    1. Bei der Berechnung eines Haushaltsführungsschadens ist nicht auf die allgemeine Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern eine haushaltsspezifische Einschränkung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.
    2. Liegt diese Minderung der Haushaltsführungsfähigkeit zwischen 10% und 20%, kann die Verpflichtung des Geschädigten zu einer möglichen Zurückstellung und Umorganisation im Einzelfall zur Versagung des Haushaltsführungsschadens unter Beachtung einer Geringfügigkeitsgrenze führen.
    3. Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn eine haushaltsspezifische MDE von 15% verbleibt, die verletzte Person im Wesentlichen den Haushalt unter den Ehegatten alleine geführt hat und ein Tausch mit dem bisher vom Ehepartner durchgeführten „schwereren Haushaltsarbeiten“ nicht in Frage kommt.
    4. Ein Nettostundenlohn für eine Ersatzkraft in Höhe von 10,00 EUR ist im Rahmen des § 287 ZPO für eine Ersatzkraft im Haushalt anzusetzen.
    5. Bei einem solchen Dauerschaden ist der Anspruch auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens bis zum 75. Lebensjahr zu befristen.

 

Selbstvertretung des Rechtsanwalts nach Unfall, oder: Eigene Kosten des geschädigten Rechtsanwalts

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Und dann noch einmal etwas zur Selbstvertretung des Rechtsanwalts bei Abwicklung eines Verkehrsunfalls. Dazu hat das AG Bamberg im AG Bamberg, Urt. v. 10.08.2023 – 101 C 267/23hat noch einmal Stellung genommen. Folgender Sachverhalt:

Am 23.12.2023 wurde der Pkw des Klägers, der von Beruf Rechtsanwalt ist, auf dem Parkplatz einer Gastwirtschaft beschädigt. Der Unfallhergang und die Haftungsquote der beklagten Versicherung von 100 % sind zwischen den Parteien unstreitig.

Mit Schreiben vom 07.01.2023 verlangte der Kläger auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 6.000 EUR. Zudem verlangte er die Erstattung (seiner) außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt rund 600 EUR. Die beklagte Versicherung zahlte u.a. die Rechtsanwaltskosten nicht. Diese sind, nachdem die Beklagte den restlichen Schadensersatz gezahlt und der Rechtsstreit insoweit vom Kläger für erledigt erklärt worden ist, noch im Streit. Die Klage hatte Erfolg:

„Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 507,00 € zzgl. einer Unkostenpauschale in Höhe von 20,00 € aus §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 WG und 823 Abs. 1, 249 BGB.

Die außergerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war vorliegend nach der Überzeugung des Gerichts aus Sicht des Geschädigten bei Beauftragung/erstmaligem Tätigwerden zunächst erforderlich und zweckmäßig. Bei Verkehrsunfällen mit zwei beteiligten Fahrzeugen liegt in der Regel kein derart einfach gelagerter Sachverhalt vor, dass dem Geschädigten zugemutet werden kann, die Schadensregulierung ohne anwaltliche Hilfe durchzuführen, da diese regelmäßig bezüglich der Haftung der Höhe nach besondere Schwierigkeiten birgt (Grüneberg in Grüneberg, BGB, 82. Auflage 2023, § 249 Rn. 57). Lediglich dann, wenn ein Schadensfall vorliegt, der hinsichtlich der Haftung dem Grunde und der Höhe nach derart klar ist, dass kein Anlass zum Zweifel an der Erstattungspflicht des Schädigers besteht, wäre eine Ersatzfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu verneinen (BGH, Urteil vom 08,11.1994, Az. VI ZR 3/94). Ein derartiger Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Die nach diesen Grundsätzen bestehende Ersatzpflicht entfällt auch nicht, weil der Kläger selbst als Rechtsanwalt tätig wurde (Grüne-berg in Grüneberg, BGB, 82, Auflage 2023, § 249 Rn. 57), soweit ein rechtsunkundiger Geschädigter die Einschaltung eines Anwalts als erforderlich ansehen durfte. Dem Kläger war es insbesondere auch nicht zuzumuten seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen.“