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Unfallschaden I: Serienfahrzeug mit Bodykit, oder: Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes

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Im „Kessel Buntes“ heute dann zwei verkehrszivilrechtliche Entscheidungen. Diese Woche aber nicht schon wieder zur Aufarbeitung des Dieselskandals in der Rechtsprechung (des BGH), sondern „stinknormale“ Unfallschadenregulierung.

Ich beginne mit dem OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.08.2021 – 1 U 173/20. In der Entscheidung geht es um die Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes eines mit einem sog. Bodykit umgerüsteten, unfallbeschädigten Serienfahrzeuges. Ich räume ein, ich habe erst mal nachschauen müssen, was ein „Bodykit“ ist. Jetzt weiß ich es. Da sag noch einmal jemand, dass bloggen nichts mit Weuterbildung zu tun hat :-).

Zur Sache: Das OLG Düsseldorf sagt in seinem Urteil – hier der Leitsatz:

Bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes eines mit einem sog. Bodykit umgerüsteten, unfallbeschädigten Serienfahrzeuges (hier: Mercedes GLE 350 D Coupe) ist grundsätzlich der Neuwert einer Bodykitausrüstung (hier: 44.050 EUR) auch dann nicht heranzuziehen, wenn ein Gebrauchtwagenmarkt nicht existiert und eine zeitwertgerechte Ersatzbeschaffung des Bodykits nicht möglich ist. Der Anspruch des Geschädigten auf Ausgleich seines Fahrzeugschadens ist dann vielmehr regelmäßig auf den Ersatz des Wiederbeschaffungswertes für das Serienfahrzeug und gegebenenfalls einer durch die Umrüstung herbeigeführten Werterhöhung abzüglich des Restwertes beschränkt.

Unfallschadenregulierung, oder: Auch Kleinvieh macht Mist

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Im „Kessel Buntes“ fangen wir heute mal klein an, nämlich mit einem AG-Urteil, und zwar dem AG Lübeck, Urt. v. 03.02.2017 – 24 C 2626/16, das ein paar ganz interessante Aussagen zum Unfallschaden enthält. Hier zunächst die Leitsätze:

  1. Der Schwacke Mietpreisspiegel ist ein geeigneter Maßstab zur Bestimmung der Angemessenheit von Mietwagenpreisen.
  2. Preisaufschläge für die Nutzungsmöglichkeit eines zweiten Fahrers sind erstattungsfähig.
  3. Mehrkosten für die Vereinbarung einer Haftungsreduzierung sind erstattungsfähig.
  4. Im Rahmen einer Totalschadenabrechnung begegnet eine Pauschale für An- und Abmeldekosten in Höhe von 75 € keinerlei Bedenken
  5. Die Kostenpauschale beträgt 30 €.

und hier dann die Gründe:

„Der Kläger hat einen Anspruch Ersatz der restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 139,04 €. Im Rahmen des Schadensersatzes können gemäß § 249 BGB grundsätzlich die Kosten für einen Mietwagen geltend gemacht werden, die ein wirtschaftlich denkender Mensch vernünftigerweise für erforderlich halten durfte. Nach diesem Maßstab kann der Kläger Ersatz für die bei ihm tatsächlich entstandenen Kosten für einen Mietwagen in Höhe von 1.105,04 € verlangen. Die Frage der Angemessenheit der Mietwagenkosten wird sehr kontrovers diskutiert. Das Gericht teilt die Ansicht, dass die Schwacke-Liste ein geeigneter Maßstab ist, um die Angemessenheit des Mietwagenpreises gemäß § 287 ZPO zu bestimmen (vgl. BGH, 27.012012, VI ZR 40/10). Die Angemessenheit der mit der Klage geltend gemachten Mietwagenkosten unterliegt hiernach keinen durchgreifenden Bedenken. Die geltend gemachten Kosten liegen unterhalb der sich aus der Schwacke-Liste ergebenden Kosten. Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Haftungsreduzierung in der Kaskoversicherung. Die Nutzung eines Mietwagens ist regelmäßig mit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko verbunden. Die Notwendigkeit zur Nutzung eines Mietwagens hat seinen Grund in dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall. Unter diesen Umständen wäre nicht gerechtfertigt, dass der Kläger das wirtschaftliche Risiko aus der Nutzung eines Mietwagens selbst zu tragen hätte. Im konkreten Streitfall ist hierbei außerdem zu berücksichtigen, dass der Kläger auch bei seinem eigenen Fahrzeug eine Reduzierung der Selbstbeteiligung in der Kaskoversicherung vereinbart hat. Der Kläger kann außerdem auch Ersatz für den Aufschlag verlangen, der sich daraus ergibt, dass seine Ehefrau aus weitere Fahrerin des Mietwagens angemeldet wird. Weil der Kläger auch sein eigenes Fahrzeug durch andere Personen nutzen lassen könnte, ist es nicht zumutbar, die Nutzungsmöglichkeit des Mietwagens allein auf den Kläger zu beschränken. Dies wäre nur anders zu beurteilen, wenn eine Nutzung durch andere Personen offensichtlich ausgeschlossen ist. Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz einer restlichen Pauschale für An- und Abmeldung in Höhe von 5,00 €. Die von dem Kläger hierfür geltend gemachte Pauschale in Höhe von 75,00 € unterliegt unter Anwendung von § 287 ZPO keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. LG Hamburg, 04.09.2013, 302 0 353/12).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz einer restlichen Kostenpauschale in Höhe von 5,00 €. Die von dem Kläger hierfür geltend gemachte Pauschale in Höhe von 30,00 € unterliegt unter Anwendung von § 287 ZPO keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. LG Lübeck, 05.02.2014, 17 0 255/12).“

Wildunfall bei ungenehmigter Privatfahrt mit einem Dienstwagen, oder: Das kann teuer werden….

entnommen Wikimedia.org Urheber Mediatus - Eigenes Werk

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Urheber Mediatus – Eigenes Werk

Und dann heute zum Abschluss das VG Koblenz, Urt. v. 02.12.2016 – 5 K 684/16, das zu der Frage Stellung nimmt, ob ein Beamter, der bei einer unerlaubten Privatfahrt an seinem Dienstwagen einen Schaden verursacht, seinem Dienstherrn diesen zu ersetzen hat. Der Beamte, der beim VG geklagt hat, hatte bei einer nicht genehmigten Privatfahrt mit seinem Dienstfahrzeug einen Wildunfall erlitten. Das Land Rheinland-Pfalz nahm ihn mit Leistungsbescheid auf Ersatz des Fahrzeugschadens von 7.800 € in Anspruch. Der Kläger habe – so das Land – mit der unerlaubten Privatfahrt gegen seine Dienstpflichten verstoßen und müsse die dadurch entstandenen Schäden ersetzen. Das VG hat die Klage auf Aufhebung des Leistungsbescheides abgewiesen.

Das VG hält den Beamten für schadensersatzpflichtig. Nach den geltenden Bestimmungen und Richtlinien sei die Benutzung von Dienstfahrzeugen für private Fahrten grundsätzlich unzulässig. Gegen diese für den Kläger nach § 35 S. 2 BeamtStG (Beamtenstatusgesetz) bindende Anweisung habe der Kläger bewusst verstoßen. Aus diesem vorsätzlichen Pflichtenverstoß sei dem Land ein Schaden erwachsen, den der Kläger nach § 48 Satz 2 BeamtStG zu ersetzen habe.

Den Hinweis des Klägers darauf, dass das Land eine Kaskoversicherung hätte abschließen können, die den Schaden ersetzt hätte, sieht das VG als verfehlt an. Entsprechend der aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 PflVersG folgenden Versicherungsfreiheit von Behördenfahrzeugen gelte der Grundsatz der sogenannten Selbstdeckung für Schäden an Personen, Sachen und Personen des Landes. Diese seien grundsätzlich nicht versichert. Der Abschluss eines Versicherungsvertrages sei auch nicht aus Gründen der Fürsorgepflicht geboten, auf deren Verletzung der vorsätzlich handelnde Kläger sich auch nicht hätte berufen können.

M.E. überzeugt das Urteil. Allerdings bezieht sich die Versicherungsfreiheit von Behördenfahrzeugen nach § 2 PflVersG nur auf die Haftpflichtversicherung. Für Kaskoversicherungen besteht von vornherein keine gesetzliche Verpflichtung.

Manipulierter Kilometerstand – kein Schadensersatz nach Verkehrsunfall

entnommen wikimedia.org Hochgeladen von Xorx

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Der Kläger ist Geschädigter aus einem Verkehrsunfall. Bei diesem Unfall ist der Pkw des Klägers beschädigt worden. Bei dem Pkw war der Kilometerstand manipuliert war. Das hatte der Vorbesitzer dem Kläger nach dem Kauf mitgeteilt. Der Kläger hatte daher den Vorbesitzer auf Rückabwicklung des Kaufvertrages verklagt. In dem Verfahren auf Rückabwicklung wurde vom Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Das war zu dem Ergebnis gekommen, dass in das Fahrzeug des Klägers beim Kilometerstand von 59.315 km ein CAN-Filter eingebaut worden, wodurch sich im elektronischen Zündschloss der Kilometerstand nicht mehr erhöhte. Auch der Kilometerstand im Display war manipuliert worden.

Der nach dem Verkehrsunfall beauftragte Sachverständigen wusste von diesen Manipulationen nichts. Er ermittelte in seinem Schadensgutachten einen Wiederherstellungswert und eine Wertminderung. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners hat das Gutachten aufgrund der unklaren Kilometerangaben als unbrauchbar angesehen, ein verlässlicher Wiederbeschaffungswert und eine Wertminderung könnten nicht festgestellt werden. Der Kläger hat beim AG Bochum geklagt, hatte dort aber keinen Erfolg. Das AG hat im AG Bochum, Urt. v. 14.08.2015 – 47 C 55/15 –  die Klage abgewiesen:

„Ein Schadensersatzanspruch scheidet aus, weil ein Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert des an dem Unfall beteiligten Fahrzeuges aufgrund der völlig unklaren Laufleistung des Fahrzeuges nicht verlässlich ermitteln könnte. Nach den zwischen den Parteien unstreitigen Feststellungen in dem schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof, K.-H, Sch. 24.06.2011 kann eine Ermittlung der tatsächlichen Laufleistung nicht erfolgen. Hiernach steht lediglich fest, dass bei einer Laufleistung von 59.315 km eine Manipulation erfolgt ist, deren Höhe allerdings nicht bestimmt werden kann. Soweit der Kläger behauptet, die tatsächliche Laufleistung liege tatsächlich (lediglich) um 30.000 km über der angezeigten Laufleistung, ist dieser Vortrag schon unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Anknüpfungstatsachen für diese Vermutung werden nicht mitgeteilt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die vorstehend dargelegte unklare tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges hat der Kläger im laufenden Rechtsstreit nicht im Ansatz nachvollziehbar aufgeklärt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges bzw. zu dessen Laufleistung kam deshalb nicht in Betracht.

Wenn aber – wie hier- der Wiederbeschaffungswert nicht ermittelt werden kann, so muss die Frage auch offen bleiben, ob überhaupt ein reparaturwürdiger Schaden am klägerischen Fahrzeug entstanden ist. Gleiches gilt für die Ermittlung einer etwaigen merkantilen Wertminderung.

Das von dem Kläger eingeholte Schadensgutachten des Sachverständigen R. ist vor diesem Hintergrund ebenfalls unbrauchbar und dessen Kosten von den Beklagten nicht zu erstatten. Der Kläger wäre vorliegend verpflichtet gewesen, den Sachverständigen R. über die unklare Laufleistung, welche dem Kläger unstreitig bekannt war, in Kenntnis zu setzten. Selbst eine Mitteilung des Klägers an den Sachverständigen R., dass die tatsächliche Laufleistung um 30.000km höher als die angezeigte Laufleistung liegen würde, würde an der für den Kläger erkennbaren Unbrauchbarkeit des Gutachtens nichts ändern. Umstände, die zu einer solchen Einschätzung des Klägers (berechtigterweise) hätten führen können, sind -wie bereits dargestellt- nicht mitgeteilt. Dem Kläger hätte daher bewusst sein müssen, dass das Gutachten aufgrund des Fehlens einer belastbaren Laufleistung seines Fahrzeuges objektiv unbrauchbar für die Schadensregulierung sein würde.“

M.E. zutreffend. Es „trifft“ hier den Kläger, wenn der Wiederbeschaffungswert pp. nicht ermittelt werden kann.

Regress der Versicherung bei einem Unfall während eines Fahrverbotes?

© rcx - Fotolia.com

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Eine Frage, die sich in der Praxis ggf. häufiger stellt oder stellen könnte, behandelt das LG Hannover, Urt. v.  19.11.2014 – 6 S 52/14, leider ohne Sachverhalt, aber der erschließt sich aus der rechtlichen Wertung des LG, und zwar: Gegen den Versicherungsnehmer ist ein Fahrverbot festgesetzt worden. Das hält ihn aber nicht davon ab, dennoch mit seinem Pkw zu fahren. Es kommt zu einem Unfall, der von seiner Kfz-Haftpflichtversicherung reguliert wird. Die nimmt den Versicherungsnehmer nun in Regress und hat damit beim AG auch Erfolg gehabt. Das LG sagt: Nein, geht nicht, denn:

„Die diesem Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung des Amtsgerichts ist nicht zutreffend. Nach Ziffer D.1.3 AKB darf das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt werden, der nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist. Schon dem Wortlaut nach unterfällt ein Fahrverbot dieser Bestimmung nicht. Denn es berührt nicht die Fahrerlaubnis, die während des Fahrverbots fortbesteht (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 11.02.1987, Aktenzeichen IVa ZR 144/85, Rn. 24, nach Juris; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 25.04.1985, Aktenzeichen 5 U 171/84, Orientierungssatz 2., nach Juris). Auch der Zweck von Ziffer D.1.3 AKB rechtfertigt es nicht, sie auch auf Fahrverbote zu erstrecken, denn das Fehlen der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wird festgestellt, wenn die Fahrerlaubnis entzogen, nicht aber, wenn ein Fahrverbot ausgesprochen wird (BGH a.a.O., Rn. 25).

Hat aber der Beklagte nicht gegen Ziffer D.1.3 AKB verstoßen, ist die Klägerin auch nicht gemäß Ziffer 0.3.1 AKB von ihrer Leistungspflicht freigeworden und kann daher nicht die Erstattung des an den Unfallgeschädigten gezahlten Betrages verlangen.“

Glück gehabt, wenn wir mal die strafrechtlichen Folgen außen vor lassen….