Archiv der Kategorie: Verfahrensrecht

Vollstreckung III: Widerruf von Vollzugslockerungen, oder: Begründung der Ermessensentscheidung

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nd dann zum Schluss des Tages noch der LG Zweibrücken, Beschl. v. 23.08.2023 – 2 StVK 241/23 Vollz. Der Beschluss ist schon etwas älter, heute „passt2 er aber.

Es geht in der Entscheidung um den Widerruf von Vollzugslockerungen als Disziplinarmaßnahme. Das LG hat den als rechtwidrig angesehen:

„…..

Letztlich kommt es darauf nicht an, denn die Antragsgegnerin hat es zunächst versäumt, die Vorschrift des § 101 Abs. 4 LJVollzG zu prüfen, wonach begünstigende Maßnahmen – und um eine solche begünstigende Maßnahme handelt es sich bei der Gewährung von Vollzuglockerungennur aufgehoben werden dürfen, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Die insoweit vom Gesetz geforderte Interessenabwägung hat die Antragsgegnerin nicht vorgenommen – jedenfalls findet sich hierzu nichts in der angegriffenen Verfügung-.

Das Gericht hat darüber hinaus jedoch nach § 115 Abs. 5 StVollzG, soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, auch zu prüfen, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Bei dem Widerruf nach § 101 Abs. 3 LJVollzG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, was bereits der Wortlaut der Vorschrift (begünstigende Maßnahmen „können“ widerrufen werden) klarstellt. Ausweislich der angegriffenen Verfügung hat die Antragsgegnerin aber von dem ihr zustehenden Ermessen hinsichtlich des Widerrufs keinerlei Gebrauch gemacht. So führt die Antragsgegnerin, nachdem sie kurz festhält, warum die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Widerrufs gegeben seien, lediglich aus, dass die Lockerungen nach § 101 Abs. 3 Nr. 1 LJVollzG widerrufen werden. Die Annahme ist gerechtfertigt, dass sich die Antragsgegnerin des ihr zustehende Ermessen bei der Entscheidung über den Widerruf nicht bewusst war und sie dieses deshalb nicht ausgeübt hat. Insoweit liegt ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs als Unterfall eines beachtlichen Ermessensfehlers auf Seiten der Antragsgegnerin vor, zu dessen Prüfung die Kammer nach § 115 Abs. 5 StVollzG veranlasst ist. Es finden sich in der angegriffenen Verfügung keinerlei erforderliche Ausführungen zum Gebrauch des der Antragsgegnerin zustehenden Ermessens. Dies gilt umso mehr, als dass in die anzustellenden Ermessenserwägungen wiederum die in die Abwägung nach § 101 Abs. 4 LJVollzG einzustellenden Umstände einzufließen haben, welche die Antragsgegnerin wie ausgeführt gänzlich nicht behandelt hat.

Die Antragsgegnerin hat zwischenzeitlich im gerichtlichen Verfahren zwar ihre Rechtsaulfassung deutlich gemacht, dass § 101 Abs. 4 LJVollzG bei der Prüfung des Widerrufs der Lockerungseignung zu beachten ist und dazu im Fall des Antragstellers näher begründet, warum der Vorfall veranschaulicht, dass eine notwendige Absprachefähigkeit, welche für die Gewährung von Vollzugslockerungen erforderlich ist, aus ihrer Sicht noch nicht in ausreichendem Maße gegeben ist (BI. 47-48 d.A.).

Die Ermessensentscheidung muss jedoch zum Zeitpunkt des Erlass der Entscheidung ausreichend begründet werden. Es besteht daher nicht nur eine Aufklärungsverpflichtung, sondern auch eine Begründungspflicht, die Grundlagen der Entscheidung sind im Einzelnen wiederzugeben. Genügt die Begründung den Anforderungen nicht, kann sie weder durch ergänzenden Vortrag der Vollzugsbehörde im gerichtlichen Verfahren, noch durch eigene Ermittlungen der Strafvollstreckungskammer ersetzt werden (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.05.2017 -1 Ws 235/16 Vollz, Rn. 17; KG, Beschluss vom 27.02.2014 – 2 Ws 55/14 Vollz, Rn. 25; OLG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2020 – 5 Ws 61/19 Vollz, Ls. 2). Teilt die Antragsgegnerin mit, das ggf. Vorliegen von vorherigen Hausordnungsverstößen fließe grundsätzlich immer im Rahmen des Ermessens mit in die Entscheidung ein, die Tatsache, dass dies nicht verschriftet wurde kein,Beleg für ein unzulässiges Nachschieben von Gründen sei, trifft dies bei der Kammer nicht auf Zustimmung. Etwas anderes könnte vielleicht dann gelten, wenn es im konkreten Fall lediglich darum ginge, eine gedanklich bereits existierende, lediglich aus Zeitgründen nicht schriftlich ausgeführte Begründung nachträglich zu fixieren (KG, a.a.O). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Es ist aus Sicht der Kammer, wie bereits dargelegt, nun nicht mehr nachvollziehbar, ob sich die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf der Lockerungseignung bewusst gewesen ist, dass ihr ein Ermessensspielraum zukommt und welche Gesichtspunkte maßgeblich waren. Dies darf sich nicht zum Nachteil der Antragstellerin auswirken (KG, a.a.O.).“

Vollstreckung II: Auswirkungen einer Pfändung, oder: Taschengeld in der Sicherungsverwahrung

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Das zweite Posting des Tages hat den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.10.2023 – 2 Ws 282/23 – zum Gegenstand. Er befasst sich mit den Voraussetzungen des Taschengeldanspruchs in der Sicherungsverwahrung.

Der Antragsteller ist im Vollzug der Maßregel der Sicherungsverwahrung untergebracht. Im Mai 2023 konnte er krankheitsbedingt keiner Beschäftigung nachgehen. Von der am 04.05.2023 erhaltenen Vergütung für vorher geleistete Arbeit in Höhe von 211,19 EUR buchte die Antragsgegnerin, da das Überbrückungsgeld schon vollständig angespart war, 90,51 EUR auf das Hausgeld und 120,68 EUR auf das Eigengeld. Der letztgenannte Betrag wurde umgehend aufgrund einer bestehenden Pfändung zugunsten eines Gläubigers umgebucht.

Den Antrag des Antragstellers, ihm für den Monat Mai 2023 Taschengeld zu gewähren, lehnte die JVA ab. Nach ihrer Auffassung fehlte es an der erforderlichen Bedürftigkeit des Antragstellers, da ihm auch der dem Eigengeld zugeschriebene Anteil der im Mai zugeflossenen Arbeitsvergütung zur Verfügung gestanden habe. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrte der Antragsteller die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Taschengeldberechnung für Mai 2023, die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm unter Neuberechnung für Mai 2023 40,90 EUR Taschengeld gutzuschreiben sowie die Berechnung für die Folgemonate anzupassen und ihn insoweit neu zu bescheiden.

Das LG hat diese Anträge zurückgewiesen. Dagegen die Rechtsbeschwerdedes Antragstellers, die das OLG als begründet angesehen hat:

“ ….. Voraussetzung für den Taschengeldanspruch Untergebrachter, die krankheitsbedingt keiner Beschäftigung nachgehen können (§ 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 JVollzGB BW III), ist deren Bedürftigkeit. In Fortführung der zur Regelung in § 46 StVollzG ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (Übersicht bei Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 46 StVollzG Rn. 4) regelt § 49 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB BW V, dass Untergebrachte bedürftig sind, soweit ihnen im laufenden Monat aus sonstigen Einkünften nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes zur Verfügung steht.

Danach gilt das Zuflussprinzip, d.h. bei der Bestimmung der Bedürftigkeit sind nur solche Mittel zu berücksichtigen, die dem Untergebrachten in dem Kalendermonat, für den Taschengeld beansprucht wird, bereits zugeflossen sind, nicht aber solche, die zwar in diesem Zeitraum entstehen, aber erst später ausgekehrt werden (OLG Dresden NStZ 1998, 399 [bei Matzke]; OLG Hamburg NStZ 2000, 672; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 62). Die Entscheidung über den Anspruch kann danach in der Regel erst nach dem Ende des Monats ergehen, für den Taschengeld beantragt wird, da erst dann eine vollständige Beurteilung der Bedürftigkeit möglich ist (Nr. 3.1 VV zu § 53 JVollzGB BW III i.V.m. Nr. 2 VV zu § 49 JVollzGB BW V; OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Celle NStZ-RR 2014, 339).

Noch nicht ausdrücklich entschieden ist dagegen bisher die Frage, welche Auswirkungen die Pfändung von Einkünften des Antragstellers auf die Feststellung der Bedürftigkeit hat, auch wenn zu den für die Beurteilung maßgeblichen Grundsätzen bereits Entscheidungen ergangen sind. Dazu ist zunächst darauf abzustellen, dass der Zweck des Taschengelds dem des Hausgelds (§ 49 Abs. 2 JVollzGB BW V) entspricht. Es dient damit der Befriedigung von persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens, die über die auf Existenzsicherung ausgerichtete Versorgung durch die Anstalt hinausgehen (BVerfG NJW 1996, 3146; StV 1995, 651); zugleich soll damit der besonderen Anfälligkeit von Mittellosen für behandlungsfeindliche subkulturelle Aktivitäten entgegengewirkt werden (Arloth/Krä a.a.O., § 46 StVollzG Rn. 1 m.w.N.). Von dieser Zweckbestimmung ausgehend ist die nach § 49 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB BW V maßgebliche Frage, ob dem Untergebrachten im Anspruchsmonat andere Mittel zur Verfügung stehen, danach zu beantworten, ob ihm die erforderlichen Geldmittel rein tatsächlich zu Gebote stehen (OLG Dresden a.a.O.). Das ist bei einem Zufluss von Mitteln, die – wie bei einer Pfändung – sofort für eine vom Willen des Untergebrachten unabhängigen Zweck eingesetzt werden, jedoch nicht der Fall. Erst recht gilt dies, wenn – wie dies bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen üblicherweise der Fall ist – bereits der Anspruch auf Lohnzahlung gepfändet ist und deshalb der von der Pfändung betroffene Lohn dem Untergebrachten von vornherein nicht zur Verfügung steht.

Bei der Bestimmung der dem Antragsteller im Mai 2023 zur Verfügung stehenden Mittel hat danach das gepfändete Eigengeld ebenso wie das zweckgebundene Überbrückungsgeld außer Betracht zu bleiben. Da ihm danach in diesem Zeitraum nur das Hausgeld in Höhe von 90,51 € im Sinn des § 49 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB BW V zur Verfügung stand, erweist sich die Rechtsbeschwerde in Höhe des geltend gemachten Taschengeldanspruchs für Mai 2023 auch als begründet. Soweit die Differenz zwischen den dem Untergebrachten zur Verfügung stehenden Mitteln und dem Taschengeldanspruch in Höhe von 131,46 € rechnerisch geringfügig höher als der vom Senat zuerkannte Betrag ist, konnte der Senat über den in erster Instanz ausdrücklich gestellten Antrag auf Gewährung von 40,90 € Taschengeld wegen des in Strafvollzugssachen geltenden Verfügungsgrundsatzes (Arloth/Krä a.a.O., § 115 StVollzG Rn. 1 m.w.N.) nicht hinausgehen.“

Vollstreckung I: Teilnahme am Anhörungstermin, oder: (Wirksamer) Teilnahmeverzicht des Verurteilten?

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Und heute dann drei Entscheidungen aus Vollzug und Vollstreckung.

Zunächst hier zwei verfahrensrechtliche Entscheidungen zur Anhörungs(pflicht), wenn es um den weiteren Vollzug einer Maßregel geht, und zwar:

In der Ablehnung der Teilnahme eines Verurteilten an einem Anhörungstermin kann ein ausdrücklicher Verzicht im Sinne des § 454 Abs. 2 Satz 4 StPO nicht erblickt werden.

Beruht ein Verzicht eines Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus auf eine persönliche mündliche Anhörung im Gericht allein auf schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen (hier: Gefahr des Eintritts eines akuten psychiatrischen Notfalls durch die Anhörung außerhalb der Klinik), so liegt kein freiwilliger Verzicht vor. Die Strafvollstreckungskammer muss dann – in Ermangelung anderer Alternativen – den Untergebrachten ggf. in der Klinik mündlich anhören.

StPO III: Ablehnung/Begriff des erkennenden Richters, oder: Welches Rechtsmittel ist zulässig?

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Und dann habe ich hier noch einen Beschluss aus dem Ablehnungrecht, und zwar den LG Stuttgart, Beschl. v. 03.01. – 8 Qs 62/23 – mit folgende Sachverhalt:

Mit Strafbefehl vom 22.11.2022 verhängte das AG gegen die Angeklagte wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe. Auf den fristgerechten Einspruch der Angeklagten beraumte das Amtsgericht die Durchführung der Hauptverhandlung für den 03.04.2023 an. In diesem Termin stellte die Angeklagte einen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit. Hierauf setzte das AG die Hauptverhandlung aus und verwarf mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.04.2023 das mündlich gestellte Ablehnungsgesuch als unzulässig mit der Begründung, dass ein Grund der Ablehnung nicht angegeben worden sei.

Am 25.05.2023 bestimmte das AG einen neuen Termin zur Hauptverhandlung auf 12.06.2023 und ordnete mit Beschluss vom selben Tag das persönliche Erscheinen der Angeklagten hierzu an.

Zu diesem Termin zur Hauptverhandlung erschien die Angeklagte nicht. Daraufhin verwarf das AG mit Urteil vom 12.06.2023 nach §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 1 StPO ihren Einspruch. Das Urteil wurde der Angeklagten am 15.09.2023 zugestellt.

Mit Telefax stellte die Angeklagte am 22.09.2023 einen neuerlichen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden der Hauptverhandlung vom 12.06.2023 wegen der Besorgnis der Befangenheit sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Außerdem legte sie Berufung ein.

Nachdem der abgelehnte Richter am 25.09.2023 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben hatte, wies das AG das Ablehnungsgesuch der Angeklagten – ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters – mit Beschluss vom 02.11.2023 als unbegründet zurück. Der Beschluss wurde am 06.11.2023 formlos an die Angeklagte hinausgegeben.

Gegen diesen Beschluss legte die Angeklagte am 27.11.2023 sofortige Beschwerde ein. Die hatte keinen Erfolg.

Das LG äußert sich zur Zulässigkeit des Rechtsmittels, und zwar mit folgenden Leitsätzen:

    1. Gegen den Beschluss über ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen einen Strafbefehl ist die sofortige Beschwerde statthaft, auch wenn ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wurde.
    2. Nach Verwerfung eines Einspruchs gemäß §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Ausbleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung ist der Amtsrichter nicht mehr erkennender Richter im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO, auch wenn ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 329 Abs. 7 StPO gestellt wurde (vgl. für die Konstellation eines Verwerfungsurteils nach einer Berufungshauptverhandlung: OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 2018 – 4 Ws 429/17 -), so dass dann gegen die amtsgerichtliche Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch die sofortige Beschwerde statthaft ist.

StPO II: „Gefahr im Verzug“ im Ermittlungsverfahren, oder: „Berührt, geführt“.

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Die zweite Entscheidung, der LG Kiel, Beschl. v. 12.10.2023 – 10 Qs 48/23 – behandelt eine Problematik aus dem Ermittlungsverfahren. In dem waren nach einer Durchsuchung ein Mobiltelefon und ein Tablet(computer) sicher gestellt worden. Dagegen das Rechtsmittel des Beschuldigten, das beim LG Erfolg hatte:

„Auch in der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Bei der verfahrensgegenständlichen Ermittlungsmaßnahme handelt es sich entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Kiel nicht um eine vorläufige Sicherstellung nach § 110 StPO, sondern um eine Beschlagnahme im Sinne des § 94 Abs. 2 StPO (vgl. dazu unten Abschnitt II 1), welche unter Verstoß gegen den in § 98 Abs. 1 S. 1 StPO statuierten Richtervorbehalt durch die Staatsanwaltschaft angeordnet worden ist (vgl. dazu unten Abschnitt II 2).

1. Das Amtsgericht Kiel hat die verfahrensgegenständliche Maßnahme als vorläufige Sicherstellung im Sinne des § 110 StPO qualifiziert. Für diese Sichtweise spricht, dass die Strafverfolgungsbehörden sich nicht für die beiden technischen Geräte als solche interessieren, sondern lediglich für die darauf gespeicherten Daten, welche zudem im nächsten Schritt auf ihre potentielle Beweisbedeutung gesichtet werden sollen. Allerdings kann ein Sichtungsverfahren nach § 110 StPO, wie bereits dessen Regelungsstandort, aber auch der Wortlaut von § 110 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 StPO zeigen, immer nur im Zusammenhang mit einer Durchsuchung stattfinden. Und eine Durchsuchungsmaßnahme hat es vorliegend zu keinem Zeitpunkt gegeben, so dass zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit alleine und unmittelbar die §§ 94ff. StPO heranzuziehen sind.

2. Dass die Beschlagnahme der beiden technischen Geräte durch die Staatsanwaltschaft angeordnet worden ist und nicht durch das Gericht, verstieß gegen § 98 Abs. 1 S. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift dürfen Beschlagnahmen nämlich nur durch das Gericht, allenfalls bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen, angeordnet werden.

Gefahr im Verzug war vorliegend nicht gegeben. Die Beschlagnahme erfolgte an einem Freitag-mittag, also zu einem Zeitpunkt, an welchem sich ein Ermittlungsrichter im Dienst befindet. Dem-entsprechend ist von den beiden eingesetzten Polizeibeamten auf Anordnung der diensthabenden Staatsanwältin denn auch fernmündlich Kontakt zur zuständigen Ermittlungsrichterin aufgenommen worden. Nachdem diese erklärt hatte, eine Entscheidung erst nach Vorlage der Ermittlungsakte treffen zu können bzw. zu wollen, erging sodann eine mündliche Eilbeschlagnahmeanordnung durch die diensthabende Staatsanwältin. Hierzu war letztere jedoch nicht (mehr) befugt. Denn wenn die Strafverfolgungsbehörden den zuständigen Ermittlungsrichter mit einer Sache befasst haben, ist für ihre Eilkompetenz kein Raum mehr (vgl. dazu und zum folgenden BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016, Az. 2 StR 46/15, RN. 20f. (zitiert nach juris)). Mit der Befassung des Ermittlungsrichters endet grundsätzlich die Eilzuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden; es ist nunmehr Sache des Ermittlungsrichters, über den beantragten Eingriff zu entscheiden. Auch soweit während des durch den Ermittlungsrichter in Anspruch genommenen Entscheidungszeit-raums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlusts eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt.“

Warum das allerdings eine „sofortige Beschwerde“ gewesen sein soll, leuchtet mir nicht ein.