Archiv der Kategorie: Hauptverhandlung

OWi III: Einspruch der nebenbeteiligten jurist. Person, oder: Verwerfung bei Ausbleiben des Geschäftsführers?

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Und im dritten Posting des Tages dann noch etwas zur Einspruchsverwerfung wegen unentschuldigten Ausbleibens in der Hauptverhandlung. Ausgeblieben war hier der Geschäftsführer einer Nebenbeteiligten (juristischen Person). Die gegen das Verwerungsurteil gerichtete Rechtsbeschwerde hatte mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.11.2022 – 2 Ss(OWi) 170/22 – Erfolg:

„Mit Bußgeldbescheid vom 16.03.2022 ist gegen die AA UG wegen eines Verstoßes gegen das Verpackungsgesetz eine Geldbuße in Höhe von 1250 € festgesetzt worden. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch „d. Betroffenen“ verworfen, da „d. Betroffene“ trotz ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht erschienen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die UG mit ihrer Rechtsbeschwerde.

Sie macht geltend, ihr Geschäftsführer sei aus näher dargelegten Gründen an der Teilnahme am Termin gehindert gewesen.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Erfolg hat sie allerdings nicht deshalb, weil die vom Geschäftsführer der Nebenbeteiligten genannten Gründe für sein Ausbleiben stichhaltig wären.

Entscheidend ist vielmehr Folgendes:

Da hier gegen eine juristische Person (UG nach § 5a GmbHG) eine Geldbuße verhängt worden ist, ist diese – auch wenn nur gegen sie ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden und der Wortlaut somit zumindest missverständlich ist- Nebenbeteiligte des Verfahrens (vergleiche zur Begrifflichkeit Göhler-Gürtler/Thoma, OWiG,18. Aufl., vor § 87 RN 2 und 8; Hilgers-Klautzsch in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 401 Rn. 86 (juris): „Die Rechtsstellung der JP/PV im Verfahren bei Festsetzung einer Geldbuße regelt § 444 StPO mit einer Vielzahl von Verweisungen. Diese Norm stellt die verfahrensrechtliche Ergänzung zu § 30 OWiG… dar. Die StPO schränkt dabei an keiner Stelle die Verfahrensrechte der juristischen gegenüber der natürlichen Person ein. Gleichwohl hat die JP/PV im selbständigen Verfahren „nur“ die Stellung eines Nebenbeteiligten … .“; sowie § 88 OWiG)

Die Rechtsbeschwerde hat deshalb Erfolg, weil trotz Nichterscheinens einer vertretungsberechtigten Person der Nebenbeteiligten, eine Verwerfung des Einspruches nicht in Betracht kam.

Der Bundesgerichtshof hat in einer umfassend begründeten Entscheidung vom 24.12.2021 (KRB 11/21) = BGHSt 66, 309 = DAR 2022, 465, ausgeführt, dass auf nebenbeteiligte juristische Personen § 74 Abs. 2 OWiG nicht anwendbar sei. Es gelte stattdessen vielmehr § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 444 StPO. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des BGH verwiesen, durch die diese bis dahin umstrittene Rechtsfrage geklärt worden ist.

Damit lagen die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Einspruches trotz Nichterscheinens einer vertretungsberechtigten Person der Nebenbeteiligten nicht vor. Das Verwerfungsurteil unterliegt deshalb der Aufhebung und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.“

OWi II: Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung, oder: Haben alle das OLG Frankfurt falsch verstanden?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 24.11.2022 – 2 Ss-OWi 1149/22. Es geht noch einmal um die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nach einem richterlichem Hinweis. Die Wirksamkeit ist vom OLG Frankfurt am Main in der Vergangenheit verneint worden. Jedenfalls habe andere OLG das so verstanden.

Nun hatte das OLG Frankfurt am Main erneut mit der Frage zu tun und ausgeführt, dass auch nach seiner Auffassung die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen auch nach richterlichem Hinweis auf möglicherweise vorsätzliches Handeln wirksam ist.

Gegen die Betroffene war mit Bußgeldbescheid vom 30.11.2021 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 440 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von zwei Monaten angeordnet worden. Dagegen hat die Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das AG hat die Betroffene mit Schreiben vom 31.01.2022 u.a. darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht komme. Dabei hat es auch auf die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main v. 23.3.2016 (2 Ss-OWi 52/16, NStZ-RR 2016, 215), nach der eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nicht mehr zulässig sei. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 19.07.2022 hat die Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen beschränkt. Das AG hat die Betroffene dennoch mit Urteil v. 21.07.2022 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 880 EUR verurteilt sowie ein Fahrverbot von drei Monaten gegen sie verhängt. Unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main ist es davon ausgegangen, dass die Beschränkung des Einspruchs nicht wirksam sei. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen hatte nach Übertragung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf den Senat Erfolg. Wir haben das OLG – so verstehe ich seine Ausführungen – alle falsch verstanden:

„Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die Beschränkung des Einspruchs wirksam, so dass das Amtsgericht an der Änderung des Schuldspruchs gehindert war und nur noch über die Rechtsfolgen auf der Grundlage des rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoßes zu entscheiden hatte. Dies hatte der Senat auf die erhobene Sachrüge hin von Amts wegen zu überprüfen.

Die in der Beschränkung des Einspruchs liegende Teilrücknahme ist wirksam. Aus dem Schriftsatz vom 19. Juli 2022 ergibt sich, dass der Verteidiger hierzu von der Betroffenen hinreichend im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO (i.V.m. § 46 OWiG) ermächtigt war. Darin wird nämlich „namens und in Vollmacht der Betroffenen“ erklärt, „dass die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Geschwindigkeitsmessung nicht mehr diskussionswürdig“ und die Messung „nachweislich nicht fehlerhaft“ sei; aus diesem Grund sei der ursprünglich unbeschränkt eingelegte Einspruch nunmehr „auf die Rechtsfolge des Fahrverbotes“ zu beschränken.

Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot war allerdings die weitere Beschränkung innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs nur auf die Rechtsfolge des Fahrverbots nicht wirksam, so dass über die Rechtsfolgen der rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung insgesamt zu entscheiden war.

Die von dem Amtsgericht zitierte und zutreffend wiedergegebene Entscheidung eines Einzelrichters des damals einzigen Bußgeldsenats des OLG Frankfurt am Main vom 23. März 2016 – 2 Ss-OWi 52/16 steht der Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nicht entgegen. In ihrem tragenden Teil ist diese Entscheidung nämlich bereits nicht einschlägig. Nach den dortigen Feststellungen war das Verteidigungsverhalten des Betroffenen widersprüchlich, indem auch nach der vermeintlichen Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen noch erklärt wurde, die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung solle noch überprüft werden. Deshalb wurde die Beschränkung dort als nicht wirksam erachtet, weil eine Prozesserklärung unmissverständlich sein müsse und bedingungsfeindlich sei. Ein solches widersprüchliches Verhalten ist nach der oben wiedergegebenen Erklärung vorliegend gerade nicht gegeben. Die auch hier im Vorfeld vorgebrachten Einwendungen gegen die Geschwindigkeitsmessung wurden ausdrücklich nicht aufrechterhalten und diese ohne jeden Vorbehalt als richtig akzeptiert.

Das Amtsgericht führt dazu aus, angesichts des vorherigen wiederholten und dezidierten Bestreitens der Richtigkeit der Messung sei die Aussage in dem Schriftsatz vom 19. Juli 2022, dass man nun (aufgrund eines eingeholten Gutachtens) von der Richtigkeit der Messung überzeugt sei, „derartig widersprüchlich, dass eine tragfähige geständige Einlassung nicht anzunehmen“ sei. Das verkennt, dass eine wirksame Beschränkung des Einspruchs kein Geständnis voraussetzt. Die Betroffene eines Bußgeldverfahrens hat es vielmehr wie auch sonst jeder potentielle Rechtsmittelführer selbst in der Hand, ob und in welchem Umfang sie den gegen sie ergangenen Bußgeldbescheid rechtskräftig werden lässt, auch wenn sie ihn inhaltlich für falsch hält. Das gilt offensichtlich für die anfängliche Entscheidung, ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt wird. Für die spätere (Teil-)Rücknahme kann nichts Anderes gelten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der weiteren, für die damalige Entscheidung nicht tragenden Ausführungen der zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt am Main. Danach soll die Einspruchsbeschränkung nach einem Hinweis des Gerichts, dass statt der im Bußgeldbescheid angenommenen Fahrlässigkeit eine vorsätzliche Begehung in Betracht komme, nicht mehr zulässig sein. Der Senat teilt jedoch diese Auffassung nicht, die soweit ersichtlich obergerichtlich vereinzelt geblieben (der Anschluss in OLG Bamberg, Beschluss vom 30. Oktober 2017 – 3 Ss OWi 1206/17 betraf nur den tragenden Teil der Entscheidung) und nie als tragende Begründung angewendet worden ist, sondern schließt sich den überzeugend begründeten Entscheidungen des OLG Rostock (Beschluss vom 14. April 2022 – 21 Ss OWi 24/22, Entscheidung in der Besetzung des Senats mit drei Richtern) und des OLG Oldenburg (Beschluss vom 7. März 2016 – 2 Ss (OWi) 55/16) an. Es steht nicht in Zweifel, dass eine von Anfang an erfolgende Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen gemäß § 67 Abs. 2 OWiG zulässig ist, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht (OLG Rostock und OLG Oldenburg a.a.O. jeweils m.w.N.). Ebenso ist im Strafprozessrecht (das gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG auch für den Einspruch gilt) anerkannt, dass eine Teilrücknahme und die darin liegende nachträgliche Rechtsmittelbeschränkung in gleicher Weise und in gleichem Umfang zulässig ist wie eine von vornherein erklärte Beschränkung des Rechtsmittels (BGHSt 33, 59; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 302 Rdnr. 2). Warum dies im Ordnungswidrigkeitenrecht und insbesondere nach einem gerichtlichen Hinweis anders sein soll, erschließt sich nicht. Die Hinweispflicht gemäß § 265 StPO auf eine möglicherweise veränderte rechtliche Bewertung dient der Sicherung der umfassenden Verteidigung des Betroffenen und Gewährleistung seines Anspruchs auf ein faires Verfahren; er soll seine Verteidigung auf den veränderten Gesichtspunkt einrichten können. Die hier abgelehnte Auffassung würde hingegen bedeuten, dass der Betroffene aufgrund eines solchen richterlichen Hinweises ihm sonst zustehende prozessuale Rechte verliert und damit den Sinn und Zweck der Hinweispflicht in das Gegenteil verkehren. Ebenso wenig trifft es zu, dass Schuldform und Rechtsfolgen so eng miteinander verbunden wären, dass das Amtsgericht nach einer solchen Beschränkung des Einspruchs die Rechtsfolgen nicht auf der Grundlage der im Bußgeldbescheid angenommenen Fahrlässigkeit bestimmen könnte (OLG Rostock a.a.O.) – dagegen spricht bereits, dass dies auch bei einer von Anfang an erfolgenden Beschränkung des Einspruchs gelten müsste, was aber auch nach der zitierten Einzelrichterentscheidung des früheren Bußgeldsenats des OLG Frankfurt am Main gerade nicht in Frage gestellt wird.

Da die Beschränkung des Einspruchs wirksam war, war nur noch über die Rechtsfolgen auf der Grundlage des rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoßes zu entscheiden…..“

OWi I: Ein Rundumschlag beim OLG Karlsruhe …, oder: Abgelehnter „Beifahrerbeweisantrag“

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Heute dann drei OLG-Entscheidungen zum OWi-Recht.

Ich beginne mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.12.2022 – 2 Rb 35 Ss 587/22. Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 74 km/h zu einer Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Überschreitung des Bußgeldrahmens, das Übergehen eines Aussetzungsantrags und die Ablehnung eines auf die Vernehmung einer Entlastungszeugin gerichteten Beweisantrags beanstandet wird.

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg, allerdings nicht wegen des Aussetzungsantrags im Hinblick auf 2 BvR 1167/20 und die Rohmessdaten, aber wegen des abgelehnten Beweisantrages:

„3. Soweit die auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützte Zurückweisung eines Beweisantrags als fehlerhaft gerügt wird, greift die zulässig ausgeführte Beanstandung dagegen teilweise durch.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung beantragt, die Beifahrerin des Betroffenen als Zeugin zum Beweis der Tatsachen zu hören, „dass der Betroffene nicht schneller gefahren ist als max. 140 km/h (Tachoanzeige), es zum Zeitpunkt der Messung stark geregnet hat, die Verkehrsschilder vor der Messstelle aufgrund starken Regens nicht lesbar/erkennbar waren und der Messwert bei der Kontrolle nicht vorgezeigt wurde/werden konnte“. Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab, weil es die beantragte Beweiserhebung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht zur Erforschung der Wahrheit für erforderlich hielt. In den Urteilsgründen ist dazu im Anschluss an die Wiedergabe der Zeugenaussagen der beiden die Messung durchführenden Polizeibeamten ausgeführt: „Aufgrund der Aussagen [der beiden an der Messung beteiligten Polizeibeamten] war der Sachverhalt aus Sicht des Gerichts bereits ausreichend ermittelt. Deren Aussagen haben die Geschwindigkeitsüberschreitung in der vorgeworfenen Höhe bestätigt. Auf ausdrückliche Nachfrage hat der Zeuge X. bestätigt, dass es nicht geregnet habe. Auf den Umstand, ob das Messergebnis im Rahmen der sich an die Messung anschließenden Kontrolle vorgezeigt wurde, kommt es schließlich zum Beweis der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht an.“

b) Das Gericht kann einen Beweisantrag nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnen, wenn es den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt hält und die Beweiserhebung deshalb zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Damit ist der Tatrichter unter Befreiung von dem Verbot der Beweisantizipation befugt, Beweisanträge zurückzuweisen (OLG Hamm, Beschluss vom 10.3.2017 – 2 RBs 202/16, juris). Die Ablehnung einer Beweiserhebung aufgrund der vorweggenommenen Beweiswürdigung nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG setzt aber voraus, dass die Grundlagen für die bereits gewonnene Überzeugung so verlässlich sind, dass die Möglichkeit, diese Überzeugung könne durch eine weitere Beweisaufnahme erschüttert werden, vernünftigerweise auszuschließen ist (BayObLGSt 1994, 67; OLG Brandenburg, NZV 2013, 49; OLG Celle, NZV 2010, 634; KG, NZV 2002, 416). Entscheidend ist die – auch für einen Beweisermittlungsantrag maßgebliche – Amtsaufklärungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 OWiG. Daher hängt die Pflicht des Tatrichters, den Sachverhalt weiter zu erforschen, einmal davon ab, wie gesichert das Beweisergebnis erscheint. Ihr Umfang orientiert sich aber auch am Gewicht dessen, was mit zusätzlichen Ermittlungen noch bewiesen werden könnte (BGH WM 2109, 1276 m.w.N.). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung wird danach ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, mit dem die Aussage eines Belastungszeugen entkräftet werden soll, regelmäßig nicht nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden können, sondern die Aufklärungspflicht seine Anhörung gebieten (OLG Düsseldorf NZV 1991, 363; 1999, 260; OLG Hamm DAR 2021, 529). Dies gilt allerdings nicht, wenn aufgrund des im Einzelfall gewonnenen Beweisergebnisses und der beantragten Beweiserhebung unter Berücksichtigung der Verlässlichkeit des Beweismittels die Bestätigung der behaupteten Beweistatsache nicht zu erwarten ist (OLG Hamm DAR 2021, 700).

c) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich vorliegend hinsichtlich der verschiedenen unter Beweis gestellten Tatsachen ein unterschiedliches Ergebnis.

aa) Soweit die Beifahrerin eine vom Messergebnis nach unten abweichende Geschwindigkeit bestätigen soll, erscheint es ohne näheren Vortrag dazu schon wenig plausibel, weshalb ein Beifahrer eine Acht auf die Tachoanzeige gehabt haben soll; erst recht gilt dies für die Verlässlichkeit einer zeitlichen Zuordnung zum Messvorgang, zumal beim angewendeten Messverfahren keine fotografische Sicherung stattfindet, die wegen des Einsatzes des Blitzlichts die Aufmerksamkeit auch des Beifahrers zu wecken geeignet ist. Von ausschlaggebender Bedeutung ist indes, dass die belastende Tatsache – die gefahrene Geschwindigkeit – letztlich nicht auf der ihrer Natur nach eher fehleranfälligen Wahrnehmung der vernommenen Zeugen beruht, sondern durch eine technische Messung mit einem Messgerät ermittelt wurde, das nach eingehender Prüfung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt für solche Messungen als geeignet befunden wurde und deshalb als standardisiertes Messverfahren gilt (vgl. dazu allgemein OLG Düsseldorf VRR 2014, 392; OLG Frankfurt DAR 2015, 149; OLG Bamberg DAR 2016, 146; OLG Schleswig DAR 2017, 47; OLG Hamm Beschluss vom 10.3.2017 – 2 RBs 202/16, juris; KG VRS 131, 308; OLG Köln ZfS 2018, 407; OLG Koblenz Beschluss vom 17.7.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18, juris), bei dem ohne – vorliegend fehlende – konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung im Einzelfall ohne Weiteres von einem zutreffenden Messergebnis ausgegangen werden kann (st. Rspr., zuletzt KG Blutalkohol 59, 361; OLG Zweibrücken ZfS 2022, 167; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.2.2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 684/20, juris; vgl. auch BVerfG NJW 2021, 455). Auch ein Wahrnehmungsfehler beim Ablesen der gemessenen Geschwindigkeit als der dem Messbeamten zentral obliegenden Aufgabe liegt fern. Selbst wenn das Messergebnis bei der anschließenden Kontrolle nicht vorgezeigt sein sollte, wozu indes keine Rechtspflicht besteht, war danach eine Erschütterung des durch das Ergebnis des technischen Messvorgangs und die Aussagen der beiden an der Messung beteiligten Polizeibeamten gewonnenen Beweisergebnisses hinsichtlich der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit nicht zu erwarten, weshalb sich die auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützte Zurückweisung des Beweisantrags insoweit als im Ergebnis rechtsfehlerfrei erweist.

bb) Etwas anderes gilt indes für die weiteren Beweistatsachen, mit denen die subjektive Vorwerfbarkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung in Frage gestellt wurde. Denn hinsichtlich der im Zeitraum des Messvorgangs herrschenden Wetterverhältnisse und ihrer Auswirkungen auf die Sichtbarkeit der die Geschwindigkeitsbeschränkung anordnenden Verkehrszeichen, die Voraussetzung für die Vorwerfbarkeit des Verstoßes ist (OLG Stuttgart VRS 95, 441; OLG Hamm NZV 2011, 94), war nicht von vornherein auszuschließen, dass durch die Aussage der benannten Zeugin die dazu gemachte Angabe des Zeugen X. erschüttert werden könnte, nachdem sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, dass dessen Angaben durch weitere Beweismittel gestützt wurden. Dass eine bei den Akten befindliche Auskunft des Deutschen Wetterdienstes nahelegt, dass es im Zeitraum des Messvorgangs allenfalls minimal regnete, hat in den Urteilsgründen keinen Niederschlag gefunden und ist deshalb für die rechtliche Beurteilung durch den Senat unbeachtlich…..“

Im Übrigen: Das AG hatte die Regelgeldbuße von 600 EUR im Hinblick darauf, dass es vom Fahrverbot teilweise abgesehen hatte, verdreifacht. Das OLG weist darauf hin, dass im Fall einer neuerlichen Verurteilung die Geldbuße wegen der bei einem fahrlässigen Verstoß geltenden Höchstgrenze von 1.000 EUR (vgl. § 17 Abs. 2 OWiG) herabzusetzen ist. Es weist außerdem darauf hin, dass einer dann etwa in Aussicht genommenen Erhöhung des Fahrverbots das Verschlechterungsverbot entgegensteht. Nur mal so für das AG. Ist auch wohl besser.

StPO III: HVT mit dem Verteidiger abgestimmt, oder: Verlegung scheidet aus

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Und als letzte Entscheidung des Jahres, die nichts mit Gebühren zu tun hat – die kommen morgen noch, hier dann noch der OLG Saarbrücken, Beschl. v.14.12.2022 – 4 Ws 379/22. Es geht noch einmal um die Frage der Anfechtung einer Terminierungsentscheidung.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen verschiedener Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz erhoben. Der Angeklagte selbst ist wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt. Zwei seiner Mitangeklagten befinden sich seit dem 01.07.2022 in Untersuchungshaft. Mit Verfügung vom 31.10.2022 hat der Vorsitzende der Strafkammer sämtliche Verteidiger über das elektronische Anwaltspostfach über die in Betracht kommenden Hauptverhandlungstermine informiert und um Mitteilung etwaiger Terminsverhinderungen binnen zwei Tagen gebeten. Der Verteidiger des Angeklagten hat die ihm möglichen Hauptverhandlungstermine – darunter den 20.01.2023 – mit Schreiben vom 08.11.2022 mitgeteilt. Mit Verfügung vom selben Tag hat der Vorsitzende der 4. Großen Strafkammer Hauptverhandlungstermine für den 04.01. 2023, 05.01.2023, 20.01.2023, 01.02.2023 und 07.02.2023 festgelegt und die Verteidiger hierüber noch am selben Tag in Kenntnis gesetzt.

Nach der am 30.11.2022 erfolgten Eröffnung des Hauptverfahrens und Ladung der Verfahrensbeteiligten zu den Hauptverhandlungsterminen hat der Verteidiger des Angeklagten die Aufhebung des für den 20.01.2023 bestimmten Hauptverhandlungstermins beantragt. Zur Begründung hat er mitgeteilt, zwischenzeitlich sei in anderer Sache mit dem zuständigen Richter des Amtsgerichts Saarbrücken ein Hauptverhandlungstermin für diesen Tag abgesprochen worden. Die Ladung zu diesem Termin habe er am 21.11.2022 erhalten.  Der Kammervorsitzende hat eine Aufhebung des Verhandlungstermins unter Hinweis darauf abgelehnt, dass in dem umfangreichen Verfahren mit insgesamt sechs Verteidigern die Hauptverhandlungstermine im Vorfeld abgesprochen worden seien.

Gegen die Ablehnung der Verlegung des Termins hat der Verteidiger des Angeklagten ein unbenanntes Rechtsmittel eingelegt. Das OLG sagt dazu: zar zulässig – insoweit verweise ich auf den verlinkten Volltext – aber leider erfolglos:

„2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

a) Nach § 213 Abs. 1 StPO wird der Termin zur Hauptverhandlung von dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichts anberaumt. Für wann Termin bestimmt wird, entscheidet er nach pflichtgemäßem Ermessen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; § 213 Rdnr. 6; KK-StPO/Schneider/Gmel, StPO, 8. Aufl., § 213 Rdnr. 1; Löwe-Rosenberg/Jäger, StPO, § 213 Rdnr. 10). Im Falle der Verhinderung des Verteidigers kann die Terminbestimmung ermessensfehlerhaft sein, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen kann, weil er keinen Einfluss auf die Terminwahl nehmen konnte (Löwe-Rosenberg/Jäger a.a.O.). Umgekehrt kann und darf die Terminlage von Verteidigern in Haftsachen nur insoweit Berücksichtigung finden, wie dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führt (BGH StV 2006, 680; KG Berlin, Beschluss vom 25. November 2016 – (4) 161 HEs 31/16 (30 – 34/16) –, juris; Löwe-Rosenberg/Jäger, a.a.O., § 213 Rdnr. 18 m.w.N.). Die Terminbestimmung erfolgt im Regelfall alsbald nach Eröffnung des Hauptverfahrens; Terminabsprachen können jedoch auch bereits vorher vorbehaltlich der Anklagezulassung erfolgen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rdnr. 6). Über Terminverlegungsanträge entscheidet der Vorsitzende unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung, welchem in Haftsachen besonderes Gewicht zukommt, und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten, zu denen auch das Interesse eines Angeklagten gehört, als Ausfluss des Rechts auf ein faires Verfahren und auf eine wirksame Verteidigung durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten zu werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 StR 415/17 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 02. Februar 2015 – III-5 Ws 36/15 –, juris; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rdnr. 7 m.w.N.; Löwe-Rosenberg/Jäger, a.a.O., § 213 Rdnr. 17 m.w.N.).

b) Die Terminierung überprüft das Beschwerdegericht nur darauf, ob die Verteidigung im Vorfeld ausreichend beteiligt wurde und ob der Vorsitzende sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (OLG Frankfurt a.a.O.; Löwe-Rosenberg/Jäger, a.a.O., § 213 Rdnr. 18). Die Zweckmäßigkeit der Terminsbestimmung einschließlich der Möglichkeit einer anderen Terminsplanung und Terminierung ist der Nachprüfung des Beschwerdegerichts entzogen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rdnr. 8 m.w.N.; Löwe-Rosen-berg/StPO, a.a.O., § 213 Rdnr. 8 m.w.N.).

c) Unter Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

(1) Der Kammervorsitzende hat den Hauptverhandlungstermin vom 20. Januar 2023 erst anberaumt, nachdem der Verteidiger des Angeklagten ausdrücklich erklärt hatte, an diesem Tag zur Verfügung zu stehen. Die verbindliche Festlegung der Hauptverhandlungstermine erfolgte in zulässiger Weise bereits vor der Eröffnung des Hauptverfahrens durch Schreiben des Vorsitzenden vom 08. November 2022, und nicht – wie der Verteidiger meint – erst mit der Zustellung der Terminladungen.

(2) Die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags des Verteidigers, den Termin vom 20. Januar 2023 zu verlegen, weist keine Ermessensfehler auf. Gegenstand der Prüfung des Beschwerdegerichts ist diesbezüglich die Verfügung des Vorsitzenden vom 01. Dezember 2022 in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung der Kammer vom 02. Dezember 2022, da diese mit der Ausgangsentscheidung verfahrensrechtlich eine Einheit bildet und sie ergänzend begründen kann (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2016, 383; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – III-5 Ws 578/17 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 306 Rdnr. 8). Die Strafkammer hat im Rahmen ihrer Entscheidung insbesondere nicht verkannt, dass ihr hinsichtlich der Frage einer etwaigen Verlegung des Termins vom 20. Januar 2023 ein Ermessensspielraum zustand, sondern ausdrücklich noch im Nichtabhilfeverfahren ein mögliches Abrücken von der Entscheidung des Vorsitzenden erwogen. Das Interesse des Angeklagten, auch im Termin vom 20. Januar 2023 von einem Verteidiger seiner Wahl vertreten zu werden, hat der Vorsitzende bereits in der Abstimmung des Termins mit dem Verteidiger in der gebotenen Weise berücksichtigt, also erkennbar nicht aus dem Blick verloren, jedoch in der gebotenen Weise zugleich die – hier angesichts der sich bereits über einen Zeitraum von nahezu sechs Monaten erstreckenden Inhaftierung gewichtigen (vgl. BVerfG NJW 2006, 672, 676; BGH NStZ 2007, 163; OLG Hamm, Beschluss vom 6. November 2012 – III-5 Ws 333/12 –, juris) – Interessen zweier Mitangeklagter an einer beschleunigten Verfahrensgestaltung in seine Erwägungen eingestellt. Soweit der Verteidiger meint, im Rahmen der getroffenen Entscheidung sei nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt worden, dass eine Ladung zu dem kollidierenden amtsgerichtlichen Termin bereits vor der in vorliegendem Verfahren erfolgt sei, vermag der Senat dem bereits deshalb nicht zu folgen, weil die Bestimmung der Hauptverhandlungstermine durch den Vorsitzenden der 4. Strafkammer bereits durch Schreiben vom 08. November 2022 erfolgt war, also bevor den Verteidiger am 21. November 2022 die amtsgerichtliche Ladung erreicht hat. Soweit der Verteidiger geltend macht, ihm sei nicht zuzumuten, Termine vorsorglich zu blockieren, liegt ein solcher Fall angesichts der verbindlichen Terminabsprache nicht vor.“

StPO II: Verfahrensverbindung durch Vereinbarung? oder: Gleiche Ordnung der Gerichte?

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Die zweite Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 06.07.2022 – 2 StR 53/22 – äußert sich zu einer Verbindungsentscheidung des LG, das den Angeklagten wegen „Diebstahls in 17 Fällen, in Tatmehrheit mit Betrug in 29 Fällen, wobei es in 5 Fällen beim Versuch blieb, davon in den 24 übrigen Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in Tatmehrheit mit Computerbetrug in 7 Fällen, wobei es in 4 Fällen beim Versuch blieb, in Tatmehrheit mit Unterschlagung in 1 Fall“ verurteilt hat. Der Angeklagte hatte Revision eingelegt. Die hatte Erfolg. Wegen eines Teils der ausgeurteilten Fälle moniert der BGH eine fehlerhafte Bewesiwürdigung und hat deshlab aufgehoben. Wegen einer anderer Fälle hat der BGH das Verfahren an das AG Fulda zurückgegeben. Dazu führt er aus:

„1. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 51 bis 56 der Urteilsgründe kann wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses nicht bestehen bleiben. Die Strafkammer des Landgerichts Kassel war für die Entscheidung nicht zuständig.

a) Die Taten II. 51 bis 56 der Urteilsgründe waren Gegenstand einer Anklage der Staatsanwaltschaft Fulda vom 8. Oktober 2020, die zum Amtsgericht Fulda – Strafrichter – erhoben und mit Beschluss vom 30. November 2020 zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. Bei den den Angeklagten betreffenden Fällen II. 1 bis 48 der Urteilsgründe handelt es sich um Vergehen, die die Staatsanwaltschaft Kassel am 5. Januar 2021 beim Landgericht Kassel angeklagt hat.

Nach Korrespondenz zwischen dem Amtsgericht Fulda und dem Landgericht Kassel wurde das beim Amtsgericht Fulda rechtshängige Verfahren vor Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der beteiligten Staatsanwaltschaften und nach Gelegenheit zur Stellungnahme für den Angeklagten mit Verfügung des Vorsitzenden vom 7. Mai 2021 vom Landgericht Kassel „übernommen“.

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2021 hat das Landgericht Kassel unter Ziffer 1 der Entscheidung die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kassel vom 5. Januar 2021 zur Hauptverhandlung zugelassen und vor der 9. Großen Strafkammer des Landgerichts eröffnet. Zugleich hat die Strafkammer unter Ziffer 2 des Beschlusses vom 27. Oktober 2021 das vom Amtsgericht Fulda übernommene Verfahren zu dem bei ihm anhängigen Verfahren hinzu verbunden.

b) Die Übernahme und Verbindung ist unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 3 StR 166/13 Rn. 3 mwN). Eine hier offensichtlich ins Auge gefasste Verfahrensverbindung gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 StPO durch Vereinbarung der Gerichte kam nicht in Betracht, weil eine solche Verbindung nur bei Strafsachen möglich ist, die bei verschiedenen örtlich zuständigen Gerichten gleicher Ordnung anhängig sind. Soll aber – wie hier ‒ eine nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit ändernde Verbindung erfolgen, kann dies, wenn die Gerichte nicht alle zum Bezirk des ranghöheren Gerichts gehören, nur nach § 4 Abs. 2 Satz 2 StPO durch eine Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts erfolgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 – 3 StR 166/13, Rn. 4; vom 8. Juni 2021 ‒ 4 StR 68/21, Rn. 4). Dies wäre hier allein das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Eine solche Entscheidung ist aber nicht ergangen. Eine „Heilung“ dieses Mangels durch einen Verbindungsbeschluss des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren kommt unter anderem auch deshalb nicht in Betracht.

c) Die Sache ist daher insoweit nicht beim Landgericht Kassel anhängig geworden. Das sich hieraus ergebende, nach § 6 StPO von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis bedingt die beantragte Teilaufhebung des angefochtenen Urteils in den Fällen II. 51 bis 56 der Urteilsgründe. Die Sache ist in diesem Umfang noch beim Amtsgericht Fulda rechtshängig und deshalb an dieses entsprechend § 355 StPO zurückzugeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 – 4 StR 68/21; vom 11. Juli 2013 – 3 StR 166/13).