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StPO I: Aussage war eine „Gefälligkeitsaussage“, ok, oder: Keine Prüfung der Gründe für Aussageverhalten

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Heute dann dreimal StPO, und zwar „von ganz oben“, also BGH. Alle drei Entscheidungen haben mit dem Zeugenbeweis zu tun.

ich beginne zum Warmwerden mit dem BGH, Beschl. v. 07.12.2022 – 5 StR 271/22 -, der noch einmal ein paar Worte zum Zeugnisverweigerungsrecht und zur Bewertung einer (potentiellen) Verwertung einer Zeugnisverweigerung verliert:

„Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt, dass das Landgericht die Bekundungen des Bruders des Angeklagten aufgrund von tatsachenbasierten Umständen ohne Rechtsfehler als „Gefälligkeitsaussage“ werten durfte. Soweit es in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf abgestellt hat, dass das „Zögern vor seiner Aussage“ mit dem „letztlich sehr unverfänglichen Inhalt […] nicht zu vereinbaren“ sei, stellte sich dies als nicht rechtsbedenkenfrei dar, wenn damit eine – grundsätzlich unzulässige – Verknüpfung der Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht und der Prüfung der Glaubhaftigkeit seiner Aussage verbunden sein könnte. Der unbefangene Gebrauch des Schweigerechts gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO wäre aber nicht gewährleistet, wenn ein verweigerungsberechtigter Zeuge die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der nur anfänglichen Zeugnisverweigerung dem Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 – 3 StR 462/15, NStZ-RR 2016, 117 mwN). Auf einem etwaigen Rechtsfehler würde das Urteil angesichts der im Übrigen sehr dichten Beweislage indes nicht beruhen, zumal da die Strafkammer die Angaben des Bruders des Angeklagten auch deshalb für unglaubhaft erachtet hat, weil sie – wie im Einzelnen dargelegt – in sich widersprüchlich und mit objektiven Beweismitteln nicht in Einklang zu bringen waren.

Die bei der Strafzumessung zulasten des Angeklagten berücksichtigte „Initiierung bzw. jedenfalls die Hinnahme von Falschaussagen“ durch den Zeugen S. und den Bruder des Angeklagten, erweist sich mit Blick auf die Aussage des Bruders als rechtsfehlerfrei, denn dieser hat selbst angegeben, seine (falsche) Aussage auf Bitten des Angeklagten gemacht zu haben. Vergleichbares ist zwar für den Zeugen S. nicht festgestellt; die bloße Hinnahme einer Falschaussage stellt keinen Strafschärfungsgrund dar, weil der Angeklagte kein Garant der staatlichen Rechtspflege ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 5 StR 231/19, NStZ 2019, 537 mwN). Das Urteil beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann angesichts der – wie dargelegt – im Übrigen rechtsfehlerfreien strafschärfenden Berücksichtigung des Prozessverhaltens des Angeklagten sowie der sonstigen Strafzumessungsgründe ausschließen, dass das Landgericht ohne den genannten Rechtsfehler auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.“

Entpflichtung III: Keine gröbliche Pflichtverletzung, oder: Fehlendes beA nur vorgeschoben?/kein Kontakt?

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Und dann noch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.01.2023 – zur verneinten Entpflichtung/zum verneinten Wechsel des Pflichtverteidigers. Der Angeklagte hatte das beantragt, das LG hat das abgelehnt, das OLG weist die sofortige Beschwerde des Angeklagten zurück:

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 143a Abs. 4 StPO), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

„Die Aufrechterhaltung der Beiordnung ist gemäß § 143a Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. StPO aus den Gründen des § 144 StPO erforderlich, denn es steht ansonsten kein Verteidiger – insbesondere nicht der Wahlverteidiger Rechtsanwalt pp. – zur Verfügung, der den am 11. Januar 2023 anstehenden Hauptverhandlungstermin wahrnehmen kann. Es besteht damit ein unabweisbares Bedürfnis dafür, zur Sicherung des Verfahrens den Pflichtverteidiger, mit dem die Hauptverhandlungstermine abgestimmt sind, neben dem Wahlverteidiger tätig bleiben zu lassen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 143a Rz. 7; § 44 Rz. 3).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nunmehr erstmals mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht wird, auch Rechtsanwalt pp. stünde nicht zur Verfügung, weil seine Bestellung gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO aufzuheben wäre. Die vorgetragene ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem ihm bestellten Verteidiger vermag der Senat nicht zu erkennen. Ob eine solche Störung vorliegt, ist vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus zu beurteilen. Hieran gemessen ist der Umstand, dass Rechtsanwalt pp. trotz der dem Angeklagten gegenüber erklärten Unmöglichkeit, die Berufung in der nach § 32d Satz 2 StPO erforderlichen Form einzulegen, am 14. März 2022 seine Gebühren und Auslagen gegenüber dem Amtsgericht Emden geltend zu machen in der Lage war, nicht geeignet, eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu begründen. Der auf den 10. März 2022 datierte Kostenfestsetzungsantrag des bestellten Verteidigers (Bl. I 181 d.A.) bedurfte anders als die Berufungseinlegung nicht der besonderen Form der elektronischen Übermittlung und ist tatsächlich auch in Papierform gestellt worden. Für den Angeklagten bestand daher kein Anlass zu der Annahme, Rechtsanwalt pp. habe eine Störung des elektronischen Übermittlungsweges nur vorgeschoben, um selbst die Berufung nicht einlegen zu müssen und stattdessen den Angeklagten damit zu belasten. Soweit der Angeklagte geltend macht, dass Rechtanwalt pp. nach seiner Bestellung am 15. Juli 2021 lediglich im August 2021 Akteneinsicht genommen habe, trifft dies zwar zu. Indessen waren nach Abschluss der Ermittlungen und Durchführung der erstinstanzlichen Hauptverhandlung weitere den Tatvorwurf betreffende Akteneingänge nicht zu erwarten (und sind auch tatsächlich nicht zur Akte gelangt), so dass dieser Umstand unter dem Gesichtspunkt einer groben Pflichtverletzung die Annahme, eine angemessene Verteidigung sei nicht gewährleistet, nicht rechtfertigt. Im Hinblick auf die bislang vor der Berufungsverhandlung nicht erfolgte Besprechung ist schon nicht erkennbar, dass der Pflichtverteidiger sich einer seitens des – sich auf freiem Fuß befindlichen – Angeklagten gewünschten Kontaktaufnahme entzogen hätte. Im übrigen liegt es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Verteidigers, in welchem Umfang und auf welche Weise er mit dem Beschuldigten Kontakt hält (vgl. BGH, Beschluss v. 24.03.2021, StB 9/21, bei juris Rz. 4).“

Entpflichtung II: Endgültige Zerstörung des Vertrauens, oder: Reicht dazu Strafanzeige gegen den Verteidiger?

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Die zweite Entscheidung zur Entpflichtung, der BGH, Beschl. v. 05.12.2022 – 5 StR 429/22 – , kommt ebenfalls vom BGH.

Dort ist ein Revisionsverfahren wegen lebensgefährdenden und erniedrigenden Einschleusens von Ausländern anhängig. Mit Beschluss vom 12.11.2021 hat das AG Görlitz im Ermittlungsverfahren auf Antrag des Angeklagten den zunächst beigeordneten Rechtsanwalt D.  entpflichtet und ihm stattdessen Rechtsanwalt I. zum Pflichtverteidiger bestellt.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung am 16.05.2022 hat der Angeklagte mit Schreiben vom 21.05.2022 und 19.07. 2022 die Beiordnung eines neuen Verteidigers beantragt, da er mit der Arbeit seines derzeitigen Rechtsanwalts „nicht zufrieden“ sei und dieser überdies „gekündigt“ habe. Einen konkreten Personenwunsch bezüglich des neuen Verteidigers hat er nicht geäußert. Mit Verfügung vom 21.07.2022 hat der Strafkammervorsitzende des Landgerichts die Bestellung eines neuen Verteidigers abgelehnt, da Gründe für einen Wechsel nicht substantiiert vorgetragen seien und der Angeklagte den von ihm gewünschten neuen Verteidiger auch nicht namentlich benannt habe.

Der bisherige Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I. hat gegen das Urteil vom 16.05.2022 fristgemäß Revision eingelegt und diese im Anschluss an die am 22.06.2022 erfolgte Urteilszustellung mit der allgemeinen Sachrüge begründet.

Mit Schreiben vom 19.10.2022 hat der Angeklagte mitgeteilt, dass dem Verfahren entscheidende Bedeutung für seine Ehre und seine Familie zukomme. Gegen seinen bisherigen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I. habe er Strafanzeige gestellt. Es sei daher notwendig, ihm statt Rechtsanwalt I. nunmehr Rechtsanwalt D.  beizuordnen, zumal ihm dieser bereits zuvor zum Pflichtverteidiger bestellt worden sei.

Der BGH hat den Antrag abgelehnt:

„Der Antrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 3 und 2 StPO nicht vorliegen.

Die Regelung des § 143a Abs. 3 StPO, der eine vereinfachte Möglichkeit für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren enthält, greift nicht ein. Die Anträge des Angeklagten vom 21. Mai 2022 und 19. Juli 2022 wurden bereits durch den zuständigen Strafkammervorsitzenden mit der Verfügung vom 21. Juli 2022 beschieden (vgl. zur Zuständigkeit auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999 – 4 StR 229/99; BeckOK-StPO/Krawczyk, 45. Ed., § 142 Rn. 11). Bezüglich des hier zu entscheidenden Antrags vom 19. Oktober 2022 ist die Wochenfrist des § 143a Abs. 3 StPO bereits abgelaufen.

Auch die daneben anwendbaren allgemeinen Tatbestände für einen Wechsel des Pflichtverteidigers gemäß § 143a Abs. 2 StPO liegen nicht vor. Insbesondere eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO) ist nicht glaubhaft gemacht. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2022 – StB 2/22 Rn. 12). Daran fehlt es. Dass der Angeklagte angibt, Strafanzeige gegen den bisherigen Verteidiger erstattet zu haben, reicht nicht aus, weil nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund dies erfolgte. Ansonsten könnte ein Angeklagter durch Erstattung unberechtigter Beschwerden und Anzeigen die Entpflichtung seines Verteidigers faktisch erzwingen, was nicht sachgerecht ist (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2020 – 4 StR 654/19 Rn. 6).

Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung des Angeklagten entgegensteht und einen Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers gebietet (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO). Eine offenkundige Untätigkeit des Pflichtverteidigers, durch die dem Angeklagten ein an sich zustehendes Rechtsmittel genommen wird (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 22. März 2007 – 59519/00, NJW 2008, 2317, 2320; BGH Beschluss vom 7. August 2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349) liegt nicht vor. So hat der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I.   die Revision ordnungsgemäß mit der allgemeinen Sachrüge begründet und damit eine Überprüfung des Urteils durch den Senat ermöglicht.“

Entpflichtung I: Grenzüberschreitung des Mandanten, oder: Wie weit darf ein Angeklagter gehen?

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Heute mache ich dann mal wieder einen „Pflichti-Tag“, also Entscheidungen zu Pflichtverteidigungsfragen. Alle Entscheidungen, die ich vorstelle befassen sich mit der Entpflichtung des Pflichtverteidigers und /oder einem Pflichtverteidigerwechsel befassen.

Hier zunächst der BGH, Beschl. v. 29.12.2022 – 1 StR 284/22. 

Der BGH lehnt die beantragte Entpflichtung ab:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Erstinstanzlich waren Rechtsanwältin K. und Rechtsanwalt H. , kanzleiansässig jeweils in M. , zu Pflichtverteidigern des in dieser Sache in Untersuchungshaft genommenen Angeklagten bestellt worden. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2022 hat Rechtsanwältin K.   die Aufhebung ihrer Bestellung als Pflichtverteidigerin gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO beantragt.

2. Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Danach ist Voraussetzung für die Aufhebung einer Beiordnung, dass konkrete Umstände vorgetragen werden, aus denen sich der endgültige Fortfall der für ein Zusammenwirken zu Verteidigungszwecken notwendigen Grundlage ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 – 4 StR 295/21 Rn. 3 und vom 12. Februar 2008 – 1 StR 649/07 Rn. 16 f.).

a) Daran gemessen ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Pflichtverteidigerin noch aus der hierzu erfolgten Stellungnahme des Angeklagten ein Grund für die Aufhebung der Bestellung. Das Vorbringen der Verteidigerin beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, der Angeklagte überschreite seit geraumer Zeit die im Rahmen des Mandatsverhältnisses gebotene Distanz und phantasiere über eine persönliche Beziehung zu ihr, weshalb ihr eine angemessene professionelle Verteidigung nicht möglich sei. Ein solcher Rückschluss ist mangels hinreichenden Tatsachenvortrags nicht nachvollziehbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des auszugsweise vorgelegten Anschreibens des Angeklagten an die Pflichtverteidigerin, seine Mutter „wäre fast deine Schwiegermutter geworden aber was nicht ist kann werden…“. Die hierin zweifellos zum Ausdruck gekommene Grenzüberschreitung des Angeklagten gefährdet den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen geordneten Verfahrensablauf zu gewährleisten, nicht und rechtfertigt damit keinen Eingriff in die Verteidigungsbelange des Angeklagten, der seiner Verteidigerin gegenüber sein Vertrauen ausgesprochen hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2015 – 2 StR 434/14 Rn. 23).

b) Ohnehin kann ein im Verhältnis des Angeklagten zum Verteidiger wurzelnder wichtiger Grund zur Entpflichtung eines bestellten Verteidigers regelmäßig nicht bejaht werden, wenn dieser Grund allein vom Angeklagten verschuldet ist. So steht zum Beispiel die Möglichkeit, den Verteidiger „aufs Übelste zu beschimpfen“ oder ihn mit „unhaltbaren Vorwürfen“ zu überziehen, jedem Angeklagten faktisch unbegrenzt zur Verfügung. Könnte er damit die Auswechslung eines Verteidigers erzwingen, könnte er ein Verfahren ohne sachlichen Grund nahezu beliebig verzögern und blockieren. Ob und unter welchen besonderen Umständen Ausnahmen von alledem in Betracht kommen können, kann dahinstehen, da Anhaltspunkte für derartige Besonderheiten nach dem Vorgesagten hier nicht dargetan sind.“

StPO II: Einspruchsbeschränkung auf den Tagessatz, oder: „Konkreter Vortrag bitte, wir suchen nicht..“

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Die zweite Entscheidung stammt auch aus einem Strafbefehlsverfahren.

Die Angeklagte hat Einspruch gegen einen Srafbefehl des Amtsgerichts Erlangen eingelegt. Die Verteidigerin beschränkte den Einspruch auf die Tagessatzhöhe und führte hierzu an, monatliche Mietbelastungen, eine Schuldentilgung für einen Küchenkauf sowie monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 800 EUR an die Tochter der Angeklagten seien bei der Bemessung der Tagessatzhöhe zu berücksichtigen. Als Anlage zu dem Schreiben waren diverse Unterlagen beigefügt. Hierunter befand sich ein Kontoauszug, aus dem unter anderem eine Überweisung an … von 800 EUR mit dem Verwendungszweck „Unterhalt“ hervorgeht. Das Amtsgericht Erlangen reduzierte auf den Einspruch hin mit Beschluss vom 20.10.2022 die Tagessatzhöhe auf 60 EUR. Gegen diesen Beschluss legte die Verteidigerin mit Schreiben vom 25.10.2022 Beschwerde ein und führte aus, im vorliegenden Fall seien zwar die Unterhaltsverpflichtungen der Beschuldigten berücksichtigt, nicht aber die Mietzins- und Schuldenbelastungen.

Das LG hat die Beschwerde mit Beschluss vom 15.11.2022 als unbegründet verowrfen. Dagegen legte die Verteidigerin für die Beschuldigte Gehörsrüge nach § 33a StPO ein. Sie führte aus, das Gericht habe ein entscheidungserhebliches Beweismittel nicht zur Kenntnis genommen. Zwar habe die Verteidigerin in ihrem Schreiben vom 22.09.2022 nur eine Unterhaltszahlung von monatlich 800 EUR genannt, gleichwohl habe sich aus dem als Anlage beigefügten Kontoauszug ergeben, dass auch eine weitere Unterhaltszahlung von 500 EUR an das weitere Kind der Beschuldigten, …, geleistet worden sei (Überweisung mit Verwendungszweck: „… Sepa-Überweisung IBAN … BIC … SVWZ+ Unterhalt KREF+ …“).

Die Anhörungsrüge hatte keinen Erfolg. Das LG Nürnberg-Fürth hat sie mit dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 12.12.2022 – 12 Qs 68/22 – zurückgewiesen:

„Die Anhörungsrüge ist unbegründet, da die Kammer das Recht der Beschuldigten auf rechtliches Gehör nicht verletzt hat. Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör kommt in Betracht, wenn das Gericht zum Nachteil des Antragstellers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen er nicht gehört worden ist, oder wenn es zu berücksichtigendes Vorbringen des Antragstellers übergangen hat (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 33a Rn. 3).

Die Kammer hat sämtliche durch die Verteidigerin in ihrer Beschwerde vom 25.10.2022 vorgetragenen Einwände gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Erlangen sowie die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 22.09.2022 berücksichtigt. In der Beschwerde führt die Verteidigerin aus, das Amtsgericht Erlangen habe die Unterhaltsverpflichtungen der Angeklagten bereits berücksichtigt. Auch im Schreiben vom 22.09.2022 spricht sie lediglich von einer Unterhaltszahlung für die Tochter in Höhe von 800 €. Weder ergibt sich aus den Schreiben ein Hinweis auf eine zweite Tochter noch auf eine weitere bestehende Unterhaltsverpflichtung. Ohne entsprechenden Sachvortrag war das Gericht nicht gehalten, in dem vorgelegten Kontoauszug nach Belegen für etwaige weitere berücksichtigungsfähige Zahlungen zu suchen. Der Kontoauszug wurde allein als Beleg für die schriftsätzlich angeführte Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 800 € vorgelegt und war nur insoweit vom Gericht zu prüfen, zumal die als übergangen gerügte Überweisung von 500 € erst nach der Überweisung von 800 € im Auszug notiert ist.“