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Strafzumessung II: Berufsrechtliche Folgen übersehen, oder: Einmal Rechtsanwalt, einmal Apotheker

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen zum strafzumessungsrechtlichen Dauerbrenner: Übersehen der berufsrechtlichen Konsequenzen der Verurteilung.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 08.03.2021 – 3 StR 398/21. Der Angeklagte, ein Rechtsanwalt, war vom LG wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dem BGH gefällt die Strafzumessung nicht:

“ Die „Strafzumessungserwägungen der Kammer, die sich nur mit der Frage eines Berufsverbots nach § 70 StGB befasst und dessen Verhängung abgelehnt hat, lassen nicht erkennen, ob sie bei der Strafbemessung die – unabhängig von einem Berufsverbot – (möglicherweise) drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO in den Blick genommen hat. Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Angeklagten sind jedenfalls dann als bestimmender Strafzumessungsgrund ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522 mwN). Dass dies hier der Fall sein könnte, lässt sich nicht nur nicht ausschließen, sondern ist wahrscheinlich: Nach den Feststellungen ist der Angeklagte jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Urteils als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, insbesondere auch als Strafverteidiger, tätig gewesen. Dazu, ob dem Angeklagten Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 BRAO drohen, verhalten sich die Feststellungen nicht. Angesichts dessen, dass es sich bei der Beteiligung eines Rechtsanwalts, zumal in der Eigenschaft als solchem, an einem Aussagedelikt um einen – wie die Kammer zu Recht ausführt – besonders schwerwiegenden Verstoß gegen eine Berufspflicht handelt, erscheint es naheliegend, dass ihm in Folge der strafgerichtlichen Verurteilung anwaltsgerichtliche Maßnahmen, zumindest ein zeitlich befristetes Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) oder sogar eine Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) drohen (vgl. § 113 Abs. 1 BRAO). Bei Aussagedelikten, wie sie hier Gegenstand der Verurteilung sind, ist nach der anwaltsrechtlichen Rechtsprechung die Ausschließung aus der Anwaltschaft sogar der Regelfall, weil ein gravierender Verstoß gegen die Kernpflicht anwaltlicher Tätigkeit vorliegt (vgl. dazu Lubini, NZWist 2020, 178 (181)). Auf Grund dessen droht dem Angeklagten der Verlust seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Basis. Daher hätte das Gericht sich mit etwaigen Folgen dieser Art auseinandersetzen und diese ggf. mildernd berücksichtigen müssen.“

Und dann noch der BGH, Beschl. v. 15.03.2022 – 5 StR 497/21 -, in dem es um einen Apotheker ging:

„1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

a) Die Revision macht zutreffend geltend, die Ausführungen zur Strafzumessung ließen nicht erkennen, ob das Landgericht mögliche berufsrechtliche Konsequenzen in seine Erwägungen eingestellt hat. Die Erörterung solcher Umstände ist geboten, weil nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind. Hierzu zählen als bestimmende Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) nicht nur Beamte treffende Nebenfolgen, sondern auch solche, die sich bei anderen Berufsgruppen wie Apothekern auswirken können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 1991 – 5 StR 542/90, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 23 mwN). Der Angeklagte ist nach den Feststellungen approbierter Apotheker und seit 1998 Inhaber einer Apotheke. Die zur Verurteilung führenden Straftaten beging er unter Ausnutzen seiner beruflichen Stellung. Es liegt daher nahe, dass die Approbation des Angeklagten nach § 6 Abs. 2 Bundes-Apothekerordnung widerrufen und die Erlaubnis zum Betreiben der Apotheke nach § 3 Nr. 3 Apothekengesetz erlöschen wird.

Dass das Landgericht nach § 70 StGB die Anordnung eines Berufsverbotes geprüft und im Ergebnis abgelehnt hat, genügt der Erörterungspflicht hier nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 StR 256/16, NZWiSt 2017, 39).“

Strafzumessung I: Strafaussetzung zur Bewährung, oder: Kurzer Strafrest und erste Freiheitsstrafe

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Heute ist zwar Feiertag – Ostermontag – aber: Warum an dem Tag nicht ein wenig arbeiten? Und daher gibt es hier heute das ganz normale Programm, und zwar mit Entscheidungen zur Strafzumessung. Zweimal zwei BGH-Beschlüsse.

Ich beginne mit zwei Beschlüssen zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung. Zunächst der BGH,  Beschl. v. 22.03.2022 – 1 StR 62/22 – in dem der BGH ein im sog. 2. Durchgang ergangenes Urteil des LG München I aufgehoben hat, weil:

„Die Strafzumessung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung wegen eines durchgreifenden Erörterungsfehlers nicht stand. Denn das Landgericht hat sich nicht mit dem hier bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) auseinandergesetzt, dass nach Anrechnung erlittener Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) nunmehr allein etwas mehr als ein Monat der Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist. Der für eine Reststrafaussetzung gemäß § 57 Abs. 1 StGB maßgebliche Zweidrittelzeitpunkt ist längst überschritten. Der Angeklagte, der sich zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils seit über einem Jahr wieder auf freiem Fuß befand, arbeitet derzeit als Koch sowie für einen Sicherheitsdienst und hat einen festen Wohnsitz. Unter diesen Umständen ist ein Herausreißen aus den sozialen Bindungen durch die Vollstreckung des kurzen Strafrestes mit einer besonderen, vom Landgericht nicht ersichtlich bedachten Härte verbunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. August 2009 – 5 StR 257/09, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 9 Rn. 6 f. und vom 28. August 2012 – 3 StR 305/12 Rn. 4); insbesondere ist dieser Gesichtspunkt nicht der strafmildernden Berücksichtigung des fast 20-monatigen Vollzugs der Untersuchungshaft unter den Einschränkungen der COVID-Pandemie zu entnehmen.“

Und als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 26.01.2022 – 6 StR 633/21. Auch in ihm beanstandet der BGH die Nichtgewährung von Bewährung:

„Die Strafkammer hat anknüpfend an die „Gefährlichkeitsprognose der Sachverständigen“ eine positive „Sozialprognose“ im Sinne des § 56 StGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. November 2021 – 6 StR 12/20, Rn. 119; zur Gefährlichkeitsprognose nach § 63 StGB, BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 2 StR 297/14) verneint und dabei zu Ungunsten des Angeklagten ausgeführt, dass aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung sowie der ungünstigen sozialen Situation – ungeregelte Lebensführung, keine berufliche Perspektive – eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Gewaltstraftaten bestehe. Diese Einschätzung wird von den Urteilsgründen nicht getragen. Hinzu kommt, dass wesentliche Umstände, die eine günstige Prognose begründen können, unbeachtet geblieben sind. Denn das Landgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1991 – 5 StR 598/91) und dass er sich im Sommer 2021 in dieser Sache mehr als zwei Monate in Haft befunden hat (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 215).“

BtM III: Besitz in geringer Menge zum Eigenverbrauch, oder: Absehen von Strafe erörtert?

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Und als dritte Entscheidung dann noch der BayObLG, Beschl. v. 02.03.2022 – 205 StRR 53/21 – zu einer Strafzumessungsfrage.

Das AG verurteilt den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und weist ihn an, eine Geldbuße von 1000,00 EUR an einen gemeinnützigen Verein zu bezahlen sowie für die Dauer von einem Jahr keine illegalen Drogen zu konsumieren und sich zwei Drogenscreenings zu unterziehen. Den Urteilsfeststellungen zufolge befand sich der Angeklagte, der über keine für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis verfügte, am 29.07.2020 im Besitz von 0,4 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5 % Tetrahydrocannabinol. Die Möglichkeit eines Absehens von Strafe wird im Urteil nicht erwähnt.

Dagegen die Revision des Angeklagten, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hat:

„2. Die Revision des Angeklagten hat aber in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch zumindest vorläufigen Erfolg. Der Rechtsfolgenausspruch der Entscheidung kann keinen Bestand haben, da das angefochtene Urteil nicht erkennen lässt, ob der Jugendrichter ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit des Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtmG keinen Gebrauch gemacht hat. Zwar hat der Angeklagte keinen Anspruch auf Absehen von Strafe. Die Prüfung muss allerdings unter Berücksichtigung aller strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls erfolgen und unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Richters. Dabei ist insbesondere den Grund-sätzen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 09.03.1994 (NJW 1994, 1577 ff) zum Übermaßverbot bei der Strafverfolgung von gelegentlichen Eigenverbrauchstätern aufgestellt hat, Rechnung zu tragen. Da das verfassungsrechtliche Übermaßverbot nicht nur für den Gesetzgeber und die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch für die Gerichte gilt, richtet sich diese verfassungsrechtliche Anweisung auch an die Richter. Das bedeutet, dass das Gericht in einem Fall des gelegentlichen Eigenverbrauchs bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 BtmG dessen Anwendung besonders intensiv und sorgfältig zu erwägen hat. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht sich dieser Möglichkeit und seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung, davon im Regelfall Gebrauch zu machen, bewusst war und es muss die Gründe, die es veranlasst haben, im konkreten Einzelfall von dieser grundsätzlichen Verpflichtung abzuweichen, eingehend und in der Form, die auch sonst für die Urteilsbegründung gilt, darlegen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 08.12.2005 – 1 Ss 271/05 – juris Rdn. 4 ff; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtmG, 9. Aufl. § 29 Teil 29 Rdn. 69). Kein Anlass zur Erörterung eines Absehens von Strafe besteht, wenn der Angeklagte weder Probierer noch Gelegenheitskonsument ist oder eine Vielzahl von Vorstrafen entgegenstehen (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtmG, a.a.O.).

Nach den Feststellungen in dem angegriffenen Urteil war der letzte Drogenkonsum des Angeklagten im August 2020. Im Übrigen rauche er nur gelegentlich (UA S. 3). Wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ist er mit einem Jugendarrest und einer richterlichen Weisung vorgeahndet (UA S. 3/4). Anhaltspunkte, dass das Gericht sich mit der Möglichkeit des Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtmG befasst hat, sind aus dem angefochtenen Urteil nicht er-sichtlich. Im Hinblick auf den Zeitablauf seit der Vorahndung wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (über vier Jahre, UA S. 3/4) und den bisherigen Feststellungen im Zusammenhang mit dem derzeitigen Drogenkonsum des Angeklagten liegt vorliegend allerdings kein Fall vor, wo von vornherein kein Anlass zur Erörterung eines Absehens von Strafe besteht. Da das Amtsgericht die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 29 Abs. 5 BtmG nicht erörtert hat, ist dem Senat die Prüfung nicht möglich, ob der Jugendrichter ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit des Absehens von Strafe keinen Gebrauch gemacht hat. Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Laufen zurückzuverweisen.“

StPO III: Nichtgewährung des Konfrontationsrechts, oder: Anforderungen an die Beweiswürdigung

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Und dann als letztes Posting des Tages noch etwas zum sog. Konfrontationsrecht. Dau hat sich noch einmal der BGH, Beschl. v. 13.01.2022 – 3 StR 341/21 – geäußert.

Der Angeklagte ist wegen Verstöße gegen das BtMG verurteilt worden. Der Verurteilung sind Angaben eines S.  zugrunde gelegt worden, die dieser in der Hauptverhandlung des gegen ihn geführten Verfahrens als Angeklagter im Rahmen einer umfassend geständige Einlassung abgegeben hatte. In der Hauptverhandlung im Verfahren gegen den Angeklagaten hat S. ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO geltend gemacht, das ihm – ungeachtet der Rechtskraft seiner Verurteilung – vom Vorsitzenden zugebilligt worden ist. Die Strafkammer hat daraufhin einen an dem gegen S. geführten Verfahren beteiligten Richter als Zeugen vernommen. Sie hat ihre Feststellungen zur Tatbeteiligung des Angeklagten und damit zu dessen Verurteilung wesentlich auf die Angaben des S. in dessen Strafverfahren gestützt. Der BGH hat das nicht beanstandet:

„(2) Die Beweiswürdigung genügt auch den besonderen Anforderungen, die daraus resultieren, dass der Zeuge S. in der Hauptverhandlung nicht hat vernommen werden können und damit das aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK resultierende Recht des Angeklagten, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen (Konfrontationsrecht), nicht gewährleistet worden ist.

(a) Das von Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK garantierte Recht des Angeklagten auf konfrontative Befragung von Belastungszeugen stellt eine besondere Ausformung des Grundsatzes des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK dar. Ob die fehlende Gelegenheit für den Angeklagten beziehungsweise seinen Verteidiger, einen Zeugen selbst zu befragen, eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK begründet, hängt daher von einer einzelfallbezogenen Gesamtwürdigung ab (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10,StV 2017, 213Rn. 100 f.; BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 – 2 BvR 547/08 , NJW 2010, 925, 926; BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16 , NStZ 2018, 51, 52; Beschlüsse vom 17. März 2010 – 2 StR 397/09 , BGHSt 55, 70 Rn. 16; vom 29. November 2006 – 1 StR 493/06 , BGHSt 51, 150 Rn. 16; KK-StPO/Lohse/Jakobs, 8. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 95, 97 f., 109). Dabei ist nicht nur in Rechnung zu stellen, ob die Nichtgewährung des Konfrontationsrechts im Zurechnungsbereich der Justiz liegt, sondern vor allem auch in den Blick zu nehmen, mit welchem Gewicht die Verurteilung des Angeklagten auf die Bekundungen eines nicht konfrontativ befragten Zeugen gestützt worden ist und ob das Gericht die Unmöglichkeit der Befragung des Zeugen durch den Angeklagten oder seinen Verteidiger kompensiert hat, namentlich durch eine besonders kritische und zurückhaltende Würdigung der Bekundungen des Zeugen (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10,StV 2017, 213Rn. 107 ff.; BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16 , NStZ 2018, 51, 52 ff.; Beschluss vom 26. April 2017 – 1 StR 32/17 , NStZ 2017, 602, 603).

(b) Bei Nichtgewährleistung des Rechts auf konfrontative Befragung nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK ist daher zum einen eine besonders sorgfältige und kritische Überprüfung der Aussage des betreffenden Belastungszeugen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 – 2 BvR 547/08 , NJW 2010, 925, 926; BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16 , NStZ 2018, 51, 53 f.; Beschluss vom 22. Juni 2005 – 2 StR 4/05 , BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d Fragerecht 5; Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00 , BGHSt 46, 93, 106 ; s. auch EGMR, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10,StV 2017, 213Rn. 126; KK-StPO/Lohse/Jakobs, 8. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 106). Dies gilt auch in der hier vorliegenden Fallkonstellation, in der es um die Würdigung der früheren Einlassung eines möglichen Mittäters geht, der in der Hauptverhandlung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. August 2021 – 5 StR 223/21 , juris Rn. 3, 8; vom 12. Mai 2020 – 1 StR 596/19 , NStZ 2021, 183 Rn. 7; vom 15. Januar 2020 – 2 StR 352/18 ,StV 2020, 805Rn. 23 f.; vom 9. Januar 2020 – 2 StR 355/19 , juris Rn. 11; Urteile vom 19. Februar 2015 – 3 StR 597/14 , juris Rn. 6; vom 16. April 2014 – 1 StR 638/13 , NStZ-RR 2014, 246, 248 f.; Beschluss vom 22. Juni 2005 – 2 StR 4/05 , BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d Fragerecht 5).

Zum anderen darf eine Feststellung zu Lasten des Angeklagten regelmäßig – allerdings nicht zwingend (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10,StV 2017, 213Rn. 107 ff.; BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16 , NStZ 2018, 51, 52 ff.) – nur dann auf eine frühere Aussage des Zeugen gestützt werden, wenn sie durch andere wichtige und in unmittelbarem Tatbezug stehende Gesichtspunkte außerhalb der Aussage selbst bestätigt worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 – 2 BvR 547/08 , NJW 2010, 925, 926; BGH, Beschluss vom 31. August 2021 – 5 StR 223/21 , juris Rn. 8; Urteil vom 19. Februar 2015 – 3 StR 597/14 , juris Rn. 6; Beschlüsse vom 17. März 2010 – 2 StR 397/09 , BGHSt 55, 70 Rn. 16 f.; vom 22. Juni 2005 – 2 StR 4/05 , BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d Fragerecht 5; Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00 , BGHSt 46, 93, 106 ; s. auch EGMR, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10,StV 2017, 213Rn. 123 ff.; KK-StPO/Lohse/Jakobs, 8. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 107).

(c) Da sich S. auf ein ihm zugebilligtes Auskunftsverweigerungsrecht und damit die auch konventionsrechtlich anerkannte Selbstbelastungsfreiheit berufen hat, liegt der Nichtgewährung des Konfrontationsrechts kein justizielles Verschulden zu Grunde (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2014 – 1 StR 638/13 , NStZ-RR 2014, 246, 248 mwN; EGMR, Urteil vom 19. Juli 2012 – 29881/07, JR 2013, 170 Rn. 58 ff.; KK-StPO/Lohse/Jakobs, 8. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 102). Das Landgericht hat den Umstand der unterbliebenen konfrontativen Befragung des Zeugen gesehen und in eine kritische Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner Angaben eingestellt. Vor allem aber hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der Schuld des Angeklagten nicht ausschließlich auf die nur mittelbar in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des S. gestützt. Denn sie hat frei von Rechtsfehlern den Bekundungen der Zeugen Se. und S. N. sowie der vernommenen Polizeibeamtin zu dem Vorfall am 2. November 2019 insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch S. zu den bedrohten und zur Zahlung aufgeforderten Personen gehörte und dieser zudem einen “ “ als zur Gruppe der „Geldeintreiber“ gehörend bezeichnet hat, Indizwert für die Richtigkeit der Einlassung des S. in dem gegen ihn geführten Verfahren und damit für die Schuld des Angeklagten beigemessen. Damit ist auch den besonderen konventionsrechtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung Genüge getan.

(3) Zwar hat sich die Strafkammer in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich beweiswürdigend damit auseinandergesetzt, dass der Zeuge S. sich in der Hauptverhandlung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen und keine Angaben gemacht hat. Dies stellt hier jedoch – anders, als der Angeklagte und diesem folgend der Generalbundesanwalt meinen – keinen Rechtsfehler dar.

Der Vorsitzende der Strafkammer hat dem S. ausweislich der Urteilsgründe ein Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt, obgleich dieser wegen seiner Tatbeteiligung zum Vernehmungszeitpunkt bereits rechtskräftig verurteilt war. Das Urteil verhält sich nicht zu den vom Zeugen insofern geltend gemachten Gründen, insbesondere nicht dazu, ob der Zeuge vorgebracht hat, bei einer wahrheitsgemäßen Aussage laufe er Gefahr, sich im Hinblick auf den Verdacht der Straftat einer falschen Verdächtigung selbst zu belasten, weil sich herausstellen könne, dass er bei seiner Einlassung als Angeklagter in dem gegen ihn geführten Strafverfahren eine andere Person zu Unrecht einer Straftat bezichtigt habe (vgl. zur Ungeeignetheit einer solchen Behauptung, bei Fehlen konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte für frühere Falschangaben ein Auskunftsverweigerungsrecht zu begründen, OLG Hamm, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 5 Ws 375/14 , NStZ-RR 2015, 49, 50; KK-StPO/Bader, 8. Aufl., § 55 Rn. 9 mwN; s. auch BGH, Urteil vom 6. April 2017 – 3 StR 5/17 , NStZ 2017, 546, 547; Beschluss vom 1. Juni 1994 – StB 10/94 , BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 4 ).

Die Strafkammer ist indes nicht in sachlich-rechtlicher Hinsicht gehalten gewesen, sich mit dem vom Zeugen vorgebrachten und vom Gericht akzeptierten Rechtsgrund für seine Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO in der Beweiswürdigung explizit auseinanderzusetzen. Ob eine derartige Erörterung geboten ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern ist von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig (vgl. zur Pflicht einer kritischen Würdigung der Berufung eines Belastungszeugen auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO und zu deren Darlegung in den Urteilsgründen BGH, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 1 StR 596/19 , NStZ 2021, 183 Rn. 11 f.; Urteil vom 23. Januar 2002 – 5 StR 130/01 , BGHSt 47, 220, 223 f. ; Beschluss vom 14. Februar 1984 – 5 StR 895/83 ,StV 1984, 233).

Vorliegend lassen die im Rahmen der sachlich-rechtlichen Nachprüfung des Urteils allein maßgeblichen Urteilsgründe keine Umstände aufscheinen, die ein solches Erörterungserfordernis begründen würden. Vielmehr zeigen sie gewichtige Beweisanzeichen auf, die für die Richtigkeit der früheren Angaben des S. sprechen. Hinweise, die auf eine frühere Falschbelastung des Angeklagten durch S. hindeuteten, sind ihnen nicht zu entnehmen. Zudem enthalten die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht tatsächlich mit der vorgenannten Behauptung für sich in Anspruch genommen hat und sich eine solche Begründung gerade auf vermeintlich falsche frühere Angaben zum Nachteil des Angeklagten bezog.“

Einziehung II: Einziehung es PKW im BtM-Verfahren, oder: Einziehung ist eine Ermessensentscheidung

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In der zweiten Entscheidung zur Einziehung, dem BGH, Beschl. v. 07.12.2021 – 2 StR 273/21 – geht es u.a. um die Einziehung eines Pkw nebst Fahrzeugschlüssel und Zulassungsbescheinigung in einem Verfahren, in dem der Angeklagte u.a. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Diese Einziehung hat dem BGH missfallen:

„Die vom Landgericht auf §§ 74 Abs. 1, 74a Nr. 1 StGB gestützte Einziehung des Pkw nebst Fahrzeugschlüssel und Zulassungsbescheinigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Ausführungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, dass der Strafkammer bewusst war, dass es sich bei der Einziehung um eine Ermessensentscheidung handelt, und dass sie von diesem Ermessen Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Januar 1994 – 4 StR 718/93, BGHR § 74 Abs. 1 StGB Ermessensentscheidung 1). Über die Einziehung des Pkw nebst Fahrzeugschlüssel und Zulassungsbescheinigung ist daher neu zu entscheiden. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es dagegen nicht.

Auch eine Aufhebung des Strafausspruchs ist nicht geboten. Die Strafkammer hat die Einziehungsanordnung – obwohl sie den Gegenstand eines Dritten betrifft – bei der Strafzumessung ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt.“