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StGB II: Positive Legalprognose trotz Bewährungsbruch, oder: Ja, das geht

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In der zweiten Entscheidung, dem BayObLG, Urt. v. 01.04.2022 – 202 StRR 35/22 – nimmt das BayObLG noch einmal zu den Voraussetzungen einer positiven Legalprognose trotz Bewährungsbruchs Stellung.

Das AG hat den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Berufung der Staatsanwaltschaft  hat das LG verworfen. Dagegen die Revision der StA, die keinen Erfolg hatte:

„Die wegen der wirksamen Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Frage der Aussetzung der Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung nur noch diese Frage betreffende Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, weil es zu einer günstigen Legalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gelangt ist und auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nicht nach § 56 Abs. 3 StGB gebietet, ist frei von Rechtsfehlern.

1. Wie die Strafzumessung ist auch die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm steht bei der Beantwortung der Frage, ob die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen ist, weil zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), ein weiter Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat. Das Revisionsgericht kann die Einschätzung des Tatrichters grundsätzlich nur auf Ermessensfehler und Rechtsirrtümer überprüfen (vgl. nur BGH, Urt. v. 22.07.2010 – 5 StR 204/10 = NStZ-RR 2010, 306; BayObLG, Urt. v. 24.09.2021 – 202 StRR 98/21 bei juris). Selbst wenn das Revisionsgericht die Prognoseentscheidung des Tatgerichts für fragwürdig und die Auffassung der Anklagebehörde für überzeugender hält, hat es deshalb die subjektive Wertung der Strafkammer, soweit sie vertretbar ist und deshalb neben anderen abweichenden Meinungen als gleich richtig zu bestehen vermag, auch dann zu respektieren, wenn eine zum gegenteiligen Ergebnis führende Würdigung ebenfalls rechtlich möglich gewesen wäre. Die Entscheidung des Tatrichters, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, ist mithin vom Revisionsgericht, sofern keine Rechtsfehler vorliegen, bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, weil allein der Tatrichter sich aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung und der Würdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten eine Überzeugung davon verschaffen kann, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte in Zukunft auch ohne Strafverbüßung straffrei führen wird (stRspr., vgl. nur BayObLG a.a.O.).

2. Ein sachlich-rechtlicher Mangel liegt nur dann vor, wenn der Bewährungsentscheidung ein im Gesetz nicht vorgesehener Maßstab zugrunde gelegt wird, die Anforderungen an eine günstige Täterprognose nach § 56 Abs. 1 StGB verkannt werden oder sich die Würdigung des Tatgerichts deshalb als unvollständig und damit als rechtsfehlerhaft erweist, weil sie nicht alle für die Prognoseentscheidung bedeutsamen Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen hat oder die Begründung der Strafaussetzung nicht nachprüfbar dargestellt ist.

3. Die Darlegungen des Landgerichts für seine Erwartung, der Angeklagte werde sich schon allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB), halten unter Berücksichtigung dieses Maßstabs einer rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Für eine günstige Legalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB kommt es auf die im Zeitpunkt der tatrichterlichen Verhandlung zu bejahende Erwartung künftiger straffreier Lebensführung an, wobei für diese Erwartung eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit sprechen muss. Hierzu hat der Tatrichter eine erschöpfende individuelle Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, die Rückschlüsse auf das künftige Verhalten des Täters zulassen. Bei einem Angeklagten, der trotz bewilligter Strafaussetzung zur Bewährung erneut straffällig geworden ist, kann vor allem dann, wenn er zeitnah nach solchen Entscheidungen und während offener Bewährung weitere Straftaten begeht, in der Regel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er sich anders als in der Vergangenheit verhalten wird (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1988 – 1 StR 138/88 = StV 1989, 15 = NStE Nr 22 zu § 56 StGB = BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 9; BayObLG a.a.O.). Der Bewährungsbruch belegt vielmehr, dass die frühere Prognose falsch war, weshalb eine erneute günstige Prognose nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Gesichtspunkte infrage kommen kann (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 6. Aufl. Rn. 212). Zwar ist in solchen Fällen eine erneute Bewährung nicht von vornherein ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 22.07.2010 – 5 StR 204/10 = NStZ-RR 2010, 306; 10.11.2004 – 1 StR 339/04 = NStZ-RR 2005, 38; Beschl. vom 04.01.1991 – 5 StR 573/90 = BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 15; BayObLG a.a.O.). Indes muss es sich bei den Umständen, die der Tatrichter zum Beleg seiner Erwartung einer straffreien Lebensführung des Angeklagten in Zukunft heranzieht, um solche handeln, die zeitlich der Tatbegehung nachfolgten. Lagen die Gesichtspunkte, die bei isolierter Betrachtung für eine günstige Legalprognose sprechen können, dagegen schon im Zeitpunkt der Verwirklichung der abzuurteilenden Taten vor, sind diese grundsätzlich nicht geeignet, die durch das frühere Bewährungsversagen und die Begehung der neuen Taten trotz langjährigen Strafvollzugs indizierte negative Kriminalprognose zu entkräften (BayObLG a.a.O.).

b) Derartige nachträgliche Umstände, die trotz des Bewährungsversagens gleichwohl die Erwartung rechtfertigen, dass sich der Angeklagte nunmehr die jetzige Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten begehen wird, hat das Landgericht mit sorgfältigen Erwägungen, die insbesondere die Ursachen für die bisherige Delinquenz des Angeklagten, nämlich seinen jahrelangen Alkoholabusus und seine persönliche Überforderung im Umgang damit, akribisch herausarbeiten, rechtsfehlerfrei angenommen.

aa) Das Landgericht hat dabei zunächst in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zutreffend erkannt, dass der zwar bei isolierter Betrachtung auch für die anzustellende Kriminalprognose an sich günstige Gesichtspunkt der beruflichen und sozialen Einordnung des Angeklagten deshalb nicht ausschlaggebend für eine nochmalige Strafaussetzung zur Bewährung sein kann, weil es sich insoweit nicht um neu hervorgetretene Umstände handelt. Vielmehr hat sich der Angeklagte in der Vergangenheit wiederholt strafbar gemacht, obwohl er ständig einer Erwerbstätigkeit nachging.

bb) Allerdings hat das Landgericht nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten hervorgetretene und unter Berücksichtigung der Feststellungen im Berufungsurteil für die Legalprognose durchaus relevante Aspekte herausgearbeitet und ist im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise trotz des Bewährungsbruchs zu einer günstigen Kriminalprognose gelangt.

(1) Das Landgericht hat insbesondere den vom Angeklagten in der Vergangenheit langjährig praktizierten Alkoholmissbrauch als ursächlich für seine bisherigen Straftaten in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt, was durch die Schilderung der den Vorstrafen zugrunde liegenden Sachverhalte auch für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargetan wird.

(2) Bei dieser Ausgangssituation hat die Berufungskammer rechtsfehlerfrei dem Gesichtspunkt, dass sich der Angeklagte einsichtig und sogar „therapiewillig“ zeigt, besondere Bedeutung beigemessen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen seit der Tatbegehung keinen Alkohol mehr konsumiert hat. Soweit die Revision dies mit der Sachrüge anzugreifen versucht, kann sie damit nicht durchdringen, zumal entgegen der Revision nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Tatrichter „ungeprüft“ die „eigenen Angaben“ des Angeklagten übernommen habe. Immerhin hat das Landgericht in diesem Zusammenhang auch darauf abgehoben, dass der Angeklagte sei Tatbegehung strafrechtlich unauffällig geblieben ist, sodass die Revision einen diesbezüglichen sachlich-rechtlichen Mangel der Beweiswürdigung nicht aufzeigt.

(3) Die mit dem Bewährungsbeschluss angeordnete Unterstellung des Angeklagten unter die Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers konnte die Strafkammer, die einen unmittelbaren Eindruck vom Angeklagten gewonnen hat, unter Berücksichtigung der im Berufungsurteil genau dargestellten Analyse der Persönlichkeit des Angeklagten durchaus als weiteren erheblichen Umstand einstufen, der die im Rahmen der gebotenen Gesamtschau dem Tatrichter obliegende Legalprognose trotz des Bewährungsversagens zu stützen vermag. Die Wertung der Berufungskammer, der Angeklagte wirke im Umgang mit seinem „punktuell übermäßigen Alkoholkonsum“, den er aber nach den tatrichterlichen Feststellungen gleichwohl steuern konnte, „hilflos und überfordert“, hat das Revisionsgericht hinzunehmen. Bei dieser Einschätzung hat das Landgericht der Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers, der nach § 56d Abs. 3 Satz 1 StGB dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite zu stehen hat, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise maßgebliche Relevanz beigemessen.

(4) Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung, in die auch die gegen eine günstige Legalprognose sprechenden Gesichtspunkte eingestellt und zutreffend gewichtet wurden, hat die Berufungskammer die erteilten Weisungen zur Alkoholabstinenz und zur Wahrnehmung von Suchberatungsgesprächen, die in § 56c Abs. 1 Satz 1 StGB ihre Grundlage haben, mit Blick auf die Ursachen der bisherigen Delinquenz des Angeklagten rechtsfehlerfrei als zusätzliche konstellative Faktoren für die positive Kriminalprognose berücksichtigt.

4. Ohne Rechtsfehler ist die Berufungskammer schließlich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe nicht nach § 56 Abs. 3 StGB gebietet. Strafaussetzung zur Bewährung kann nach dieser Vorschrift nur versagt werden, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16 = NJW 2017, 3011 = VRS 132, 22 [2017] = NStZ 2018, 29 = BGHR StGB § 56 Abs 3 Verteidigung 23 = Fundstelle StV 2018, 411 m.w.N.). Auch dies hat das Landgericht unter nicht zu beanstandender Bezugnahme auf die im Zusammenhang mit der Bejahung der günstigen Legalprognose vorgenommene Abwägung rechtsfehlerfrei verneint. Der Umstand, dass der Verurteilung der Straftatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB zugrunde liegt, stellt die Einschätzung der Berufungskammer nicht infrage, zumal es nicht zulässig wäre, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung von vornherein auszuschließen (BGH a.a.O.; OLG Bamberg, Urt. v. 14.03.2017 – 3 OLG 6 Ss 22/17 = OLGSt StPO § 318 Nr 30 = StV 2018, 276, jew. m.w.N.).“

StGB I: Strafbefreiender Rücktritt vom Versuch, oder: Urteilsgründe

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Und heute dann ein wenig StGB, und zwar zunächst mit dem BayObLG, Beschl. v.  23.03.2022 – 202 StRR 27/22, zu den Urteilsgründen bei einem potentiellen Rücktritts.

Das AG hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung verurteilt. Auf die hiergegen seitens der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung hat das LG das AG-Urteil dahin abgeändert, dass es den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Erpressung“ in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung schuldig gesprochen hat.

Das LG ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„a) Der erst am Tattag aus der Strafhaft entlassene Angeklagte begab sich am Vormittag des 05.02.2021 zur Asylbewerberunterkunft in S., wo er ein Zimmer beziehen sollte. Dort traf er den ihm von früher bekannten Geschädigten, mit dem er am Abend in einem Lebensmittelmarkt Whiskey einkaufte und sich dann etwa zwischen 20.25 und 20.45 Uhr im Bereich eines gegenüber dem Markt gelegenen Skaterparks aufhielt. Obwohl der Angeklagte wusste, dass ihm gegenüber dem Geschädigten keine Zahlungsansprüche zustanden, forderte er dort vom Geschädigten erstmals eine (noch) nicht bezifferte Geldzahlung. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, bewegte er dabei ein von ihm mitgeführtes Küchenmesser mit einer Klingenlänge von ca. 11 cm und einer Klingenbreite von ca. 4 cm vor dem Körper des Geschädigten hin und her. Nachdem der Geschädigte erklärt hatte, dass er nur ca. 10-12 Euro bei sich habe, erklärte der Angeklagte, dass dies nicht reiche. Der Geschädigte flüchtete daraufhin in sein Zimmer in der Asylbewerberunterkunft, wo er kurz vor 21.00 Uhr eintraf. Ca. 5-6 Minuten später betrat der Angeklagte das Zimmer des Geschädigten und forderte dort vom Geschädigten, dass dieser ihm sein gesamtes Geld überlassen oder monatlich 200 Euro zahlen solle, wobei er wiederum das Messer vor dem Körper des Geschädigten hin und her schwenkte, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Nachdem der Geschädigte dem Angeklagten jedoch kein Geld gab, fügte sich der Angeklagte mit dem Messer an der rechten Kopfseite selbst eine blutende Schnittwunde zu. Als der Geschädigten dem Angeklagten ein Tuch zur Blutstillung reichte, schubste der Angeklagte den Geschädigten von sich weg und erklärte diesem, dass er sich selber verletzt habe, damit der Geschädigte sehe, dass er keinen Spaß mache und der Geschädigte ihm Geld geben solle. Der Geschädigte griff in diesem Augenblick mit einer Hand nach dem vom Angeklagten weiterhin gehaltenen Messer und zog an der Klinge, um den Angeklagten zu entwaffnen. Die nur locker mit dem Griff verbunden Klinge löste sich daraufhin aus dem Messergriff. Der Geschädigte warf die Klinge hinter einen im Zimmer befindlichen Schrank, woraufhin der Angeklagte den Geschädigten in den ‚Schwitzkasten‘ nahm und ihn auf dessen Bett drückte, wodurch dem Geschädigten für etwa 1 Minute nur noch wenig Luft blieb, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Zudem erlitt der Geschädigte, wie vom Angeklagten vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen, Schmerzen am Hals und am Rücken, sowie zwei etwa handgroße Hämatome am linken Oberschenkel. Während der Angeklagte den Geschädigten würgte, versuchte dieser um Hilfe zu rufen. Nachdem der Angeklagte den Geschädigten aufgefordert hatte, ruhig zu sein, dann werde er ihn loslassen, verhielt sich der Geschädigte still. Der Angeklagte ließ den Geschädigten daraufhin los, verließ den Raum, schloss die Zimmertür und hielt diese zu, wodurch es dem Geschädigten, wie vom Angeklagten beabsichtigt, über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten nicht möglich war, den Raum zu verlassen. Erst nach dem Eintreffen einer von zwei anderen Zeugen alarmierten Polizeistreife konnte der Geschädigte sein Zimmer wieder verlassen.“

Das gefällt dem BayObLG nicht:

„2. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung i.S.d. § 24 Abs. 1 StGB gar nicht in Erwägung gezogen und demgemäß auch keine Feststellungen getroffen, die dem Senat die Prüfung erlauben würden, ob die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung zu Recht erfolgt ist. Das Urteil würde nur dann nicht auf dem Erörterungsmangel beruhen, wenn der Versuch zweifelsfrei fehlgeschlagen wäre, weil in einem solchen Fall ein strafbefreiender Rücktritt von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 15.01.2020 – 4 StR 587/19 = NStZ-RR 2020, 102; 09.01.2020 – 4 StR 324/19 = DAR 2020, 342 = NStZ 2020, 402 = StV 2020, 598 = BGHR StGB § 315c Abs 1 Nr 2a Vorfahrt 2; 27.11.2019 – 2 StR 609/18, bei juris Urt. v. 16.01.2019 – 2 StR 312/18 = StV 2020, 114). Allerdings kann davon aufgrund der lückenhaften Feststellungen des Landgerichts nicht ausgegangen werden. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 24.11.2021 – 4 StR 345/21 = NStZ-RR 2022, 39 m.w.N.). Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung. Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH a.a.O. m.w.N).

Da sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob die Tatvollendung endgültig gescheitert war und welches Vorstellungsbild der Angeklagte spätestens nach dem Ablassen von dem Geschädigten im Anschluss an die verübten Würgehandlungen und damit an die nach Sachlage mit Blick auf den Tatvorwurf der versuchten besonders schweren Erpressung mögliche letzte Ausführungshandlung hatte, sind die Urteilsgründe lückenhaft und halten deshalb einer sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand (st.Rspr.; vgl.  neben BGH a.a.O. u.a. BGH, Beschl. v. 09.01.2020 – 4 StR 324/19 = NStZ 2020, 402 = StV 2020, 598 = BGHR StGB § 315c Abs 1 Nr 2a = DAR 2020, 342 = BeckRS 2020, 3848 und 11.01.2022 – 6 StR 431/21 bei juris, jeweils m.w.N.).“

OWI III: Die Einlassung gehört auch ins Bußgeldurteil, oder: Mal wieder die Dauerbrennerproblematik

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Und als dritte Entscheidung dann der (auch schon etwas ältere) KG, Beschl. v. 12.01.2022 – 3 Ws (B) 8/22 – mit einer Dauerbrennerproblematik, nämlich: Die im Bußgeldurteil fehlende Einlassung des Betroffenen.

Die OLG sind in den Fällen streng/rigoros: Sie heben die tatrichterlichen Entscheidungen auf. So auch das KG. Ich frage mich immer: Wenn man das als Amtsrichter weiß, warum achtet man dann nicht auf das Erfordernis.

Hier dann die Begründung des KG:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer an den Senat gerichteten Zuschrift Folgendes ausgeführt:

„Das angefochtene Urteil leidet jedoch an einem sachlich-rechtlichen Mangel der Beweiswürdigung: Diese genügt nicht den Mindestanforderungen des § 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit §§ 261, 267 StPO.

Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die schriftlichen Urteilsgründe nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der ordnungswidrigen Handlung gefunden werden. Vielmehr  müssen hinsichtlich der Beweiswürdigung die Urteilsgründe regelmäßig auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung für widerlegt ansieht (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 9. Juli 2009 – 3 Ss OWi 290/09; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Oktober 2006 – 1 Ss 55/06; OLG Rostock, Beschluss vom 1. April 2005 – 2 Ss (OWi) 389/04 1 246/04 –, jeweils bei juris, sowie Senge in KK-OWiG, 5. Aufl., § 71 Rdnr. 107 und Krenberger in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl., § 71 Rdnr. 15, alle mit weiteren Nachweisen).

Dem angefochtenen Urteil ist demgegenüber nichts dahingehend zu entnehmen, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene in der Hauptverhandlung geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Es bleibt zudem unklar, ob das Tatgericht eine etwaige bestreitende Einlassung des Betroffenen aufgrund der benannten Beweismittel, insbesondere der verlesenen Unterlagen und der zeugenschaftlichen Vernehmung des Bruders des Betroffenen, als widerlegt erachtet oder wie es sich sonst im Rahmen der Beweiswürdigung mit einer eventuellen Äußerung auseinandergesetzt hat.

Das Fehlen einer Darstellung der Einlassung in den Urteilsgründen begründet auch im Bußgeldverfahren regelmäßig (vgl. OLG Bamberg und OLG Rostock a.a.O.) bzw. jedenfalls dann einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils, wenn – wie hier – die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).“

Diesen zutreffenden Ausführungen folgt der Senat, so dass das Urteil ungeachtet ansonsten nachvollziehbarer Ausführungen und einer – jedenfalls auf der Grundlage des Schuldspruchs – moderat erscheinenden Rechtsfolgenbemessung aufzuheben ist.

Verkehrsrecht III: Verheimlichen von Vorschäden, oder: Betrug beim Gebrauchtwagen(ver)kauf

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Und dann am  Ende der Berichterstattung noch einen OLG-Beschluss, und zwar den OLG Hamm, Beschl. v. 07.04.2022 – 5 RVs 35/22. Es handelt sich nicht um Verkehrsrecht i.e.S., aber immerhin um Verkehrsrecht i.w.S. Das OLG nommt nämlich Stellung zum Umfang der Feststellungen betreffend den Vermögenschaden bei einer Verurteilung wegen Betruges (§ 263 StGB) aufgrund Verheimlichens von Vorschäden beim Gebrauchtwagenkauf.

AG und LG haben den Angeklagten wegen Betruges verurteilt.  Dem OLG reichen die Feststellungen nicht und es hebt auf:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift wie folgt ausgeführt:

„Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils der Kammer deckt Rechtsfehler im Bereich der Urteilsfeststellungen auf, da diese den Schuldspruch wegen Betruges gemäß § 263 Absatz 1 StGB nicht tragen.

Es fehlt insbesondere an der Feststellung eines Vermögensschadens des Geschädigten. Der Betrug ist kein bloßes Vergehen gegen die Wahrheit und das Vertrauen im Geschäftsverkehr, sondern eine Vermögensstraftat. Nicht die Täuschung an und für sich, sondern die vermögensschädigende Täuschung ist strafbar. Demgemäß erleidet der Kunde, der beim Kauf eines Gebrauchtwagens über Umstände, die den Verkehrswert (Marktwert) des Fahrzeugs maßgeblich mitbestimmen, getäuscht und dadurch zum Kaufabschluss bewogen wird, einen Schaden regelmäßig nur dann, wenn das Fahrzeug objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist (Senatsbeschluss vom 05.05.2020 – III-5 RVs 31/20 -, zitiert nach juris). Für die Schadensbewertung ist grundsätzlich die objektive Sicht eines sachlichen Beurteilers maßgebend, die sich nicht an der Schadensbewertung des Getäuschten, sondern an den Marktverhältnissen auszurichten hat. Für einen Vermögensschaden reicht es nicht aus, dass der Käufer ohne die Täuschung durch den Verkäufer den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Durch den Betrugstatbestand wird lediglich das Vermögen, nicht aber die Verfügungsfreiheit geschützt (Senatsbeschluss, a.a.O.).

Die hiernach gebotenen tatsächlichen Feststellungen enthält das angefochtene Urteil nicht. Das Urteil führt nicht aus, welchen objektiven Wert das von dem Angeklagten verkaufte Fahrzeug hatte. Somit ist nicht feststellbar, dass der von dem Geschädigten gezahlte Kaufpreis objektiv nicht marktgerecht war. So ergibt sich aus den Feststellungen lediglich, dass das Fahrzeug zunächst einen gutachterlich festgestellten Restwert von 9.900,00 Euro hatte und schließlich zu diesem Preis weiter veräußert wurde, bis der Angeklagte das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 10.500,00 Euro erwarb. Aus den Feststellungen ergibt sich ferner, dass der Angeklagte das Fahrzeug reparieren ließ und schließlich zu einem Kaufpreis in Höhe von 17.250,00 Euro an den Zeugen Z veräußerte. Nach den Feststellungen zur Beweiswürdigung hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, dass er Ersatzteile für 3.500,00 Euro bis 4.000,00 Euro erworben und sein Bruder das Fahrzeug innerhalb von drei Wochen repariert habe (UA S. 7). Es erscheint daher nicht fernliegend, dass das Fahrzeug den geleisteten Kaufpreis nach Vornahme der Reparaturen wert war.

Sind bei objektiv-abstrakter Betrachtung Leistung und Gegenleistung gleichwertig, so kann im Sinne des sog. persönlichen Schadenseinschlages ein Schaden im Sinne des Betrugstatbestandes nur vorliegen, wenn die Leistung für den Getäuschten bei objektiver Beurteilung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 02. Juni 1992 – 3 Ss 203/92 -, zitiert nach juris). Solche speziellen individuellen Bedürfnisse des Zeugen Z sind jedoch nach den Urteilsfeststellungen nicht ersichtlich. Das bei jedem Gebrauchtwagenverkäufer vorhandene allgemeine Interesse, ein möglichst unfallfreies Fahrzeug zu erwerben, reicht für die Annahme eines persönlichen Schadeneinschlages nicht aus. Darüber hinausgehende Feststellungen hat das Landgericht jedenfalls nicht getroffen.

Die für die Annahme eines Vermögensschadens gebotenen tatsächlichen Feststellungen enthält das angefochtene Urteil daher nicht. Das Urteil führt nicht aus, welchen objektiven Wert das von dem Angeklagten verkaufte Fahrzeug hatte. Somit ist nicht feststellbar, dass der von dem Geschädigten gezahlten Kaufpreis objektiv nicht marktgerecht war. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall eine Vermögensschädigung entsprechend den obigen Ausführungen auch unabhängig von dem Marktwert des Fahrzeugs für den Geschädigten gegeben war, liegen nach den bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht vor.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.“

Strafzumessung III: Doppelverwertungsverbotsverstoß, oder: Aber noch milder geht es kaum

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Und zum Schluß des Tages dann – aller guten Dinge sind Drei – noch einmal der OLG Hamm, Beschl. v. 10.03.2022 – 4 RVs 2/22 . Über den hatte ich ja schon zweimal berichtet, u.a. in der letzten Woche unter StGB II: (Kurze) Behinderung von Hilfsleistenden, oder: Bei schweren Verletzungen genügt bereits eine Minute. Hier kommz der Beschluss dann noch einmal, und zwar wegen der Ausführungen des OLG zur Strafzumessung.

Wegen des zugrunde liegenden Sachverhalt verweise ich auf das Posting aus der vorigen Woche. Das AG hatte den Angeklagten danach wegen Widerstands gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, in Tatmehrheit mit Beleidigung und in Tatmehrheit mit falscher Verdächtigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 65,00 Euro verurteilt worden. Daneben hatte das AG als Nebenstrafe ein viermonatiges Fahrverbot verhängt. Die Revision hatte auch wegen der Strafzumessung keinen Erfolg.

Zum Fahrverbot hatte ich ja auch schon gepostet, und zwar hier: Auto I: Viermonatiges StGB-Fahrverbot als Nebenstrafe, oder: Auch noch nach Zeitablauf von zwei Jahren? Zur eigentlichen Strafzumessung führt das OLG dann aus:

„b) Der Strafausspruch ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.

aa) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des tatrichterlichen Ermessens und daher vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (vgl. nur BGH NStZ 1990, 334). Das Revisionsgericht darf daher nur dann eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des Urteils in sich rechtsfehlerhaft sind, wenn der Tatrichter die nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt oder die Strafe bei Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unvertretbar hoch oder niedrig ist (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 337 Rn. 34). In Zweifelsfällen muss daher in der Regel die Strafzumessung des Tatrichters hingenommen werden, da eine exakte Richtigkeitskontrolle schon wegen des Ermessensspielraums gar nicht durchführbar ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320).

Hieran gemessen sind die Strafzumessungserwägungen für die Einzelstrafen und auch für die daraus gebildete Gesamtstrafe nicht zu beanstanden.

(1) Soweit die Revision rügt, das Amtsgericht habe bei der Strafabwägung zu § 115 Abs. 3 StGB rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass „sein Verhalten (…) weder ethisch, moralisch oder rechtlich gerechtfertigt“ sei, ist dem im Ausgangspunkt zu folgen. Die vorgenannte Formulierung lässt auf einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsgebot (§ 46 Abs. 3 StGB) schließen. Die seit dem 05. November 2011 geltende Vorschrift des § 115 Abs. 3 StGB sanktioniert gerade ein Verhalten, das gesellschaftlich als unethisch und unmoralisch und in keiner Weise gerechtfertigt angesehen wird, nämlich das gewaltsame Behindern oder gar Angreifen von Rettungskräften bei ihrem Bemühen um Hilfeleistung in Notlagen. Gerade wegen der Verwerflichkeit dieser Handlungen hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, den Schutz des § 113 StGB auch auf Mitarbeiter von Rettungsdiensten auszudehnen. Dem Gesetzgeber ging es namentlich darum, den Respekt und die Wertschätzung für Hilfskräfte zu unterstreichen (vgl. hierzu BT-Drs. 17/4143, S. 6; BT-Drs. 18/11161, S. 9). Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht mit seiner Bewertung gleichsam strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Tat überhaupt begangen und hierbei ohne Rechtfertigungsgrund gehandelt hat. Auf diesem Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB beruht das Urteil jedoch nicht. § 115 Abs. 3 StGB sieht in Verbindung mit § 113 StGB Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Unter Berücksichtigung der übrigen Strafzumessungserwägungen, namentlich der Beharrlichkeit des Angeklagten, der die Rettungshandlung gleich durch mehrere aufeinander folgende Handlungen verzögert hat – zuerst mit dem Blockieren der Zufahrt und dann noch zusätzlich mit dem Öffnen der Fahrzeugtür – kann der Senat sicher ausschließen, dass das Tatgericht zu einer für den Angeklagten noch günstigeren Einzelstrafe als den ausgeurteilten 90 Tagessätzen hätte gelangen können. Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner gesonderten Entscheidung über die angemessene Strafe nach § 354 Abs. 1a StPO.

(2) Soweit mit der Revision vorgetragen wird, das Tatgericht habe im Rahmen der Strafzumessung zu § 185 StGB rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er durch sein beleidigendes Verhalten auch den Ersthelfer gestört habe, stellt dies keine unzulässige Doppelverwertung dar. Denn die Beleidigung richtete sich gegen den Zeugen L und nicht gegen die – bereits durch § 115 Abs. 3 StGB geschützten – Rettungssanitäter.

(3) Ebenso wenig liegt ein sachlich rechtlicher Mangel darin, dass das Tatgericht im Rahmen der Strafzumessung zu § 164 StGB nicht berücksichtigt hat, dass der Angeklagte von dem Zeugen O, den er später der Beleidigung bezichtigte, provoziert worden sein könnte. Die vom Amtsgericht diesbezüglich festgestellten Worte des Zeugen O („Haben Sie sie noch alle? Fahren Sie weiter“) stellt ersichtlich eine von der Hektik getragene Spontanäußerung des Zeugen dar, die den Angeklagten, der bis dahin bereits durch sein Verhalten die Durchfahrt des Rettungswagens behindert hatte, nachdrücklich zur Ordnung und Besinnung rufen sollte. Insbesondere in der bereits stark emotional geprägten Situation konnte die vorbeschriebene Äußerung vernünftigerweise nicht als Kränkung oder Provokation gewertet werden und musste daher vom Tatrichter auch nicht strafmildernd berücksichtigt werden. Hierbei hat der Senat auch bedacht, dass zwischen der Äußerung des Polizeibeamten und der Falschverdächtigung durch den Angeklagten ein nicht unerheblicher Zeitraum lag, so dass jedenfalls ein zu berücksichtigender Provokationszusammenhang nicht mehr angenommen werden kann.“