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Strafe II: Strafaussetzung beim „Bewährungsversager“, oder: Günstige Sozialprognose nicht ausgeschlossen

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Als zweite Entscheidung des Tages kommt hier der der OLG Rostock, Beschl. v. 23.07.2024 – 1 Ss 35/24 – zur günstigen Sozialprognose beim sog. Bewährungsversager.

Der Angeklagte ist vom AG Rostock wegen vorsätzlicher Körperverletzung  zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Dagegen die Berufung, die beim LG keinen Erfolg hatte. Das OLG hat dann aber auf die Revision die Entscheidung betreffend die Bewährung aufgehoben und zurückverwiesen:

„Allerdings ist die Entscheidung der Berufungskammer hinsichtlich der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung rechtsfehlerhaft ergangen.

Die Begründung der Strafkammer genügt den rechtlichen Anforderungen des § 56 Abs. 1 StGB nicht in vollem Umfang.

Nach § 56 Abs. 1 StGB ist eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung selbst zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Grundlage der Prognose des Tatgerichts müssen dabei sämtliche Umstände sein, die Rückschlüsse auf die künftige Straflosigkeit des Angeklagten ohne Einwirkung des Strafvollzugs zulassen, insbesondere die in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB „namentlich“ aufgeführten. Dabei ist für die günstige Prognose keine sichere Erwartung eines straffreien Lebens erforderlich. Es reicht schon die durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit aus, dass der Angeklagte künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 22. März 2023 —1 Ss 40/22 —, Rn. 39 – 40, m.w.N.- juris).

Der Umstand, dass der Angeklagte die abgeurteilte Tat während laufender Bewährung, die eine nicht einschlägige Straftat betraf, begangen hat, steht einer günstigen Sozialprognose nicht ohne Weiteres entgegen. Auch die Tatbegehung während des Laufs einer Bewährungszeit schließt die erneute Strafaussetzung zur Bewährung nicht grundsätzlich aus (BGH, Urteil vom 10. November 2004 -1 StR 339/04, NStZ-RR 2005, 38). Vielmehr ist jedoch bei der zu treffenden Prognoseentscheidung eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der namentlich die Persönlichkeit des Täters, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafaussetzung für ihn zu erwarten sind (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH Beschl. v. 10.7.2014 — 3 StR 232/14, BeckRS 2014, 17004 Rn. 5, 6, beck-online). Dem Urteil kann indes nicht entnommen werden, ob das Landgericht nach der gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen negativen sowie positiven Prognosekriterien eine günstige Sozialprognose verneint hat. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass auch die aktuellen Lebensverhältnisse – hierbei insbesondere die Umstände, dass sich der Angeklagte nach dem Tod seiner Mutter um den Haushalt seines Vaters kümmert, in einem Arbeitsverhältnis steht und trotz der Vielzahl der begangenen Straßenverkehrsdelikte nunmehr offenbar wieder über einen Führerschein verfügt – in die Gesamtabwägung Eingang gefunden haben und es diese Umstände bei der getroffenen Prognoseentscheidung berücksichtigt hat. Zudem ist bei der Entscheidung in die Abwägung einzustellen, dass die letzte (nicht einschlägige) Tat des Angeklagten bereits mehr als 4,5 Jahre vor der gegenständlichen Tat begangen wurde und der Angeklagte innerhalb dieser Zeit nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil auch.

Der Senat konnte über die Strafaussetzung zur Bewährung nicht selbst entscheiden. Hierfür müssen die Feststellungen des angefochtenen Urteils zur Rechtsfolgenseite vollständig sein und ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Bewährung zweifelsfrei vorliegen, der Ermessenspielraum des Tatrichters mithin auf die Bewilligung der Strafaussetzung reduziert war (BGH NStZ-RR 2012, 357; StV 1996, 265 (266); 1992, 13; BeckRS 1993, 31105781; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 354, Rn. 26d). Zugleich muss es als ausgeschlossen erscheinen, dass bei einer Neuverhandlung Tatsachen festgestellt werden, die eine Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnten (vgl. BeckOK StPO/Wiedner, 51. Ed. 1.1.2024, StPO § 354 Rn. 64 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend auch aufgrund des Zeitablaufs nicht gegeben.“

Strafe I: Besitz kinderpornographischer Inhalte, oder: Neufassung des § 184b StGB milderes Gesetz

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Heute dann drei Posting zu Strafzumessung, also auch zur Bewährung usw.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 6 StR 398/24. Das ist einer von inzwischen mehreren, die sich mit den Auswirkungen der Änderung des Strafrahmens bei § 184b Abs. 3 StGB befassen. Ich weise – als „Reminder“ – ausdrücklich hier nur auf diesen hin. Der BGh führt aus:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

Das Landgericht hat die Strafe dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB a.F. (in der Fassung vom ) entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsah. Dabei konnte es nicht berücksichtigen, dass § 184b Abs. 3 StGB durch das am in Kraft getretene „Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ vom (BGBl. I 2024 Nr. 213) als Vergehen mit erhöhter Mindeststrafe von drei Monaten neugefasst worden ist; die Strafrahmenobergrenze hat der Gesetzgeber unverändert gelassen. Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren zu berücksichtigen hat (§ 354a StPO).

Da die Strafkammer die verhängte Strafe dem unteren Bereich des von ihr angewendeten Strafrahmens entnommen hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Anwendung des nunmehr geltenden deutlich geringeren Strafrahmens eine niedrigere Strafe verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).“

OWi III: Nochmals Urteilgründe beim Fahrverbot, oder: Einlassung, Härtefall, wirtschaftliche Verhältnisse

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Und im dritten Posting dann nochmals etwas zu den Urteilsgründen beim Fahrverbot. Es handelt sich um den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.08.2024 – 2 ORbs 83/24.

Das AG hatte den Betroffenen – nach zuvor erfolgter Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgenentscheidung – zu einer Geldbuße von 445 EUR sowie zu einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die Erfolg hatte:

“ 2. Der aufgrund der wirksamen Beschränkung allein zu überprüfende Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Urteil leidet hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen, insbesondere mit Blick auf seine wirtschafltichen Einkommensverhältnissen, an einem Darstellungsmangel.

Auch in Bußgeldverfahren müssen die schriftlichen Urteilsgründe in aller Regel nicht nur die erwiesenen Tatsachen angeben, sondern neben anderem auch erkennen lassen, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene zur Sache eingelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2019 – KRB 10/18; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. Januar 2023 – 4 Orbs 31 SsBs 17/23; KG, Beschluss vom 12. Januar 2022 – 3 Ws (B) 8/22; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2020 – 4 RBs 42/20; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 3 Ss OWi 263/07). Ohne diese Angaben kann das Rechtsbeschwerdegericht regelmäßig nicht überprüfen, ob das Tatgericht die Bedeutung der Angaben des Betroffenen zutreffend erkannt und bewertet hat und damit den Feststellungen eine erschöpfende Würdigung des Sachverhalts zugrundeliegt (vgl. BGH, a.a.O.). Hat sich der Betroffene zur Sache eingelassen, so bedarf es in aller Regel einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge seiner Einlassung, damit das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfen kann, ob sich das Tatgericht unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewandt hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Februar 2017 – 2 (10) SsBs 740/16-AK 265/16; OLG Koblenz, a.a.O.). Nur in sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen von geringer Bedeutung kann unter Umständen ohne Verstoß gegen die sachlichrechtliche Begründungspflicht auf die Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen verzichtet werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Januar 1985 – 5 Ss (Owi) 6/85-8/85; OLG Koblenz, Beschluss vom 22. November 2021 – 2 OWi 32 SsBs 240/21). Dies ist indes dann nicht der Fall, wenn – wie hier – ein Fahrverbot verhängt worden ist (OLG Koblenz, a.a.O.).

Den schriftlichen Gründen des angefochtenen Urteils ist unter Ziffer IV. im Rahmen der Prüfung der Verhängung eines Fahrverbots zu entnehmen, dass der Betroffene vorgetragen habe, er sei schwerbehindert und müsse verschiedene Ärzte aufsuchen. Darüber hinaus lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob der Betroffene weitere Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht oder dazu geschwiegen hat. Mangels hinreichender Angaben in den Urteilsgründen ist weder die Möglichkeit auszuschließen, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung weitere Erklärungen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgegeben hat, die für den Rechtsfolgenausspruch relevant sind, noch vermag der Senat zu überprüfen, ob sich das Tatgericht unter vollständiger Berücksichtigung einer solchen (etwaigen) Einlassung des Betroffenen eine tragfähige Grundlage für seine Rechtsfolgenentscheidung verschafft hat. Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, ob das Tatgericht eine etwaige weitergehende Einlassung des Betroffenen in ihrer Bedeutung richtig eingeschätzt und rechtsfehlerfrei gewürdigt hat.

Zu einer entsprechenden Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse hätte hier auch mit Blick auf § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG Anlass bestanden. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG ist Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeiten und der Vorwurf, der den Täter trifft; dabei sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt. Bei Geldbußen von jedenfalls mehr als 250 Euro sind jedoch wegen Überschreitens dieser Geringfügigkeitsgrenze in der Regel nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich (vgl. Göhler, OWiG, 19. Auflage, § 17 Rn 24). Wenn auch die Anforderungen an die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht überspannt werden dürfen, so müssen durch das Tatgericht doch zumindest derart hinreichende Angaben zum Einkommen gemacht werden, dass dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung möglich ist, ob die Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG beachtet worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 7. Mai 2018 – 2 RBs 61/18). Unabhängig davon, ob Einschränkung dieses Grundsatzes bei Geldbußen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten anzuerkennen sind, die den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung entsprechen (vgl. dazu (vgl. Göhler, OWiG, 19. Auflage, § 17, Rn 24; KK-OWiG/Mitsch, 5. Auflage 2018, OWiG § 17 Rn 92), sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen jedenfalls dann zu treffen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Verhältnisse außerordentlich gut oder schlecht sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014 – 2 Ss (Owi) 278/14; OLG Hamm, Beschluss vom Beschluss vom 20. März 2012 – 3 RBs 441/11; KK-OWIG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, OWiG § 17 Rn 92 m. w. N.). Vor dem Hintergrund des Vortrags des Betroffenen, er sei schwerbehindert, bestehen Anhaltspunkte für das Vorliegen von schlechten Einommensverhältnissen. Auch hätte die Möglichkeit der Prüfung von Zahlungserleichterungen gemäß § 18 OWiG berücksichtigt werden müssen.

Das angefochtene Urteil, welches infolge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nur diesen betrifft, ist mithin schon auf die Sachrüge gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 OWiG in Verbindung mit den §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht zurückzuverweisen, sodass die vom Betroffenen erhobene Verfahrensrüge keiner Erörterung mehr bedarf.

Wegen der Lückenhaftigkeit der Feststellungen kam eine eigene abschließende Prüfung und Entscheidung des Senats nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass-in-einer-neuen-Hauptverhandlung weitere-Feststellungen getroffen werden können, die für die Bemessung der Höhe der Geldbuße von Bedeutung sind. Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot betrifft die Aufhebung das gesamte Urteil.“

OWi II: Urteilsgründe beim Absehen vom Fahrverbot, oder: Augenblicksversagen, Härtefall, höhere Geldbuße

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Und im zweiten Posting dann eine weitere Entscheidung des OLG Brandenburg zurm Fahrverbot, und zwar der OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.07.2024 – 2 ORbs 107/24 -, in dem das OLG zu den Anforderungen an die Urteilsgründe Stellung nimmt.

Gegen den Betroffenen ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 640 EUR verhängt worden. Von der Anordnung eines Fahrverbots hat das AG abgesehen, weil eine außergewöhnliche Härte vorliege. Der Betroffene und sein Verteidiger hätten in der Hauptverhandlung erklärt, dass der Betroffene die Geschwindigkeit aufgrund eines Augenblickversagens überschritten habe. Er habe mit seiner Familie im Fahrzeug gesessen und das geschwindigkeitsbegrenzende Schild schlicht übersehen. Auch seine Familie habe das Schild nicht wahrgenommen. Darüber hinaus sei er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Kundenberater im Außendienst für die gesamte Region O. auf seinen Pkw angewiesen. Bei seinem Tätigkeitsbereich handelt es sich um eine ländliche Region, die ein Ausweichen auf öffentliche Verkehrsmittel nicht ermögliche. Weder aus dem familiären noch dem beruflichen Umfeld stehe jemand als Fahrer zur Verfügung. Er sei in seiner Filiale der einzige Außendienstmitarbeiter. Seine Ehefrau sei beruflich selbst „stark eingeschränkt“ und fahre außerdem wegen eines tödlichen Verkehrsunfalls des gemeinsamen Sohnes nur in notwendigen Situationen selbst Auto. Darüber hinaus fahre der Betroffene seine minderjährigen Kinder in ländlicher Region täglich zur Schule oder jedenfalls zum nächstgelegenen Bahnhof. Das Fahreignungsregister des Betroffenen weise keine Eintragungen auf, was den Schluss zulasse, dass er „üblicherweise ein ordentlicher und vorschriftsmäßiger Fahrzeugführer“ sei.

Dagegen (natürlich) die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die (ebenso natürlich) beim OLG Erfolg hatte. Dem OLG gefallen die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht:

„2. Die Entscheidung des Amtsgerichts, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Nach den Vorgaben des Verordnungsgebers ist grundsätzlich – soweit wie hier der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 1 BKatV erfüllt ist – das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG indiziert, so dass es in diesen Fällen regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Das Tatgericht ist in diesen Fällen – auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung – gehalten, die Maßnahme anzuordnen und darf hiervon nur in besonderen Ausnahmefällen absehen, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich von dem normierten Regelfall abweicht, dass er als Ausnahme zu werten ist und auf ihn das Regelbeispiel gemäß dem Bußgeldkatalog nicht mehr zutrifft, oder wenn die Maßnahme für den Betroffenen eine außergewöhnliche Härte darstellt; dem tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum sind insoweit enge Grenzen gesetzt sind; das Absehen vom Fahrverbot muss auf einer eingehenden und nachvollziehbaren, auf Tatsachen gestützten Begründung beruhen (vgl. KG, Beschl. v. 15. Dezember 2020 – 3 Ws [B] 289 – 290/20 m.w.N.).

Diesen Begründungsanforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

a) Dass das Amtsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, dass der Verkehrsverstoß nicht auf einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers, sondern lediglich auf einer augenblicklichen, auf lediglich einfache Fahrlässigkeit zurückzuführenden Unaufmerksamkeit beruhte, lässt sich den Urteilsgründen nicht in hinreichendem Maße entnehmen. Diese verweisen lediglich auf die nicht näher gewürdigte Einlassung des Betroffenen, er habe „das geschwindigkeitsbegrenzende Schild schlicht übersehen“.

b) Auch im Übrigen beschränken sich die Urteilsausführungen weitgehend auf eine nicht näher gewürdigte Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen zu vorliegenden Härtegründen. Von einem Fahrverbot darf insoweit nur abgesehen werden, wenn unter Anlegung strenger Maßstäbe das Fahrverbot eine Härte ganz ungewöhnlicher Art darstellt. Dass der Betroffene im Straßenverkehr noch nicht auffällig geworden ist, genügt hierfür nicht.

Eine „besondere Härte“ in diesem Sinne liegt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht schon dann vor, wenn der Betroffene bei seiner beruflichen Tätigkeit und im privaten Bereich „in einem exorbitanten Maß auf seine Fahrerlaubnis angewiesen“ ist. Berufliche Nachteile, auch schwerwiegender Art, sind mit einem Fahrverbot nicht nur in Ausnahmefällen, sondern häufig verbunden. Der Umstand, beruflich besonders auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, muss für den Betroffenen ein besonderer Grund sein, sich verantwortungsbewusst zu verhalten (vgl. OLG Bamberg DAR 2010, 332). Nur wenn das Fahrverbot zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art, beispielsweise zum Verlust des Arbeitsplatzes oder dem Existenzverlust eines Selbstständigen, führen würde, kann von der Verhängung des Fahrverbotes unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden (std. Rspr. der Senate des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, vgl. Senat, Beschluss vom 19. November 2008 – 2 Ss (OWi) 194 B/08 – m.w.N.). Es ist einem Betroffenen auch grundsätzlich zuzumuten, durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen die Zeit des Fahrverbots zu überbrücken, wie z.B. durch Inanspruchnahme von – gegebenenfalls unbezahlten – Urlaub, die Anstellung eines bezahlten Fahrers oder die Hinzuziehung von Fahrdiensten. Die hierdurch auftretenden finanziellen Belastungen hat der Betroffene hinzunehmen, notfalls durch Aufnahme eines Kredits, zumal sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer des Fahrverbots eventuelle finanzielle Einbußen ohnehin regelmäßig in einem überschaubaren und grundsätzlich zumutbaren Rahmen bewegen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. Januar 2009 – 2 Ss OWiG 39/09, zit. nach Juris).

Insoweit fehlt es abgesehen von der nicht hinreichend gewürdigten Einlassung des Betroffenen an ausreichenden Feststellungen, die eine derartige besondere Härte für ihn, seine Familienangehörigen oder seinen Arbeitgeber begründen könnten. Die Urteilsgründe verhalten sich weder zu den finanziellen Verhältnissen des Betroffenen und den Möglichkeiten, die Zeit des Fahrverbotes jedenfalls teilweise durch Urlaub zu überbrücken, noch zur Berufstätigkeit der Ehefrau und dem genauen Schulweg der Kinder.

3. Da zwischen der Festsetzung der Geldbuße und dem Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes ein innerer Zusammenhang besteht, unterliegt das angefochtene Urteil, dessen Gegenstand wegen der Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid allein die Rechtsfolgenentscheidung ist, insgesamt der Aufhebung.

Das Amtsgericht wird bei der erneut zu treffenden Entscheidung u.a. einen – dann kompensationslosen, eine Erhöhung der Geldbuße regelmäßig nicht rechtfertigenden – Wegfall des Fahrverbotes im Hinblick auf einen lediglich einfach fahrlässigen Pflichtenverstoß näher zu prüfen haben. Insoweit gilt, dass für die Anordnung eines Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers auch bei einer die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BKatV erfüllenden Geschwindigkeitsüberschreitung dann kein Raum ist, wenn diese darauf beruht, dass der Betroffene infolge lediglich einfacher Fahrlässigkeit das die Geschwindigkeit begrenzendes Verkehrszeichen übersehen hat, und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschränkung aufdrängen musste (vgl. BGHSt 43, 241ff.).

Einem Kraftfahrzeugführer kann das für ein Fahrverbot erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund für die von ihm begangene erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, dass er das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruhe ihrerseits auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit; für die Bewertung seines Verschuldens ist es, solange er die ohne das Vorschriftszeichen geltende Höchstgeschwindigkeit einhält, unerheblich, ob er die durch das Vorschriftszeichen angeordnete Geschwindigkeit weniger oder mehr überschreitet. Das Maß der Pflichtverletzung hängt nur davon ab, wie sehr ihm das Übersehen des Schildes zum Vorwurf gereicht; das erhebliche Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, auf das die Regelbeispielsfälle abstellen, lässt insofern keinen Schluss darauf zu, dass der Fahrzeugführer das Vorschriftszeichen wahrgenommen oder grob pflichtwidrig nicht wahrgenommen hat (BGH, aaO.).

Mit Rücksicht darauf bedarf es zunächst einer näheren tatgerichtlichen Würdigung, ob die Einlassung des Betroffenen, er habe die – nach den Feststellungen beidseits der Fahrbahn auf 100 km/h angeordnete – Geschwindigkeitsbeschränkung nicht wahrgenommen, als glaubhaft zu bewerten ist. Gegebenenfalls ist sodann zu prüfen, ob diese Fehlleistung aufgrund der konkreten Umstände wie der Anordnung der Beschilderung und der Tatsituation (vgl. hierzu BGH, aaO.) die Annahme einer lediglich augenblicklichen Unaufmerksamkeit gebietet, die für sich genommen noch nicht als grob fahrlässig zu bewerten ist, sondern jedem sorgfältigen und pflichtbewussten Verkehrsteilnehmer einmal unterlaufen kann.“

Strafe III: Verfahrensverzögerung in der Revision, oder: LG bummelt, GBA arbeitet schnell

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas zur Verfahrensverzögerung und zur Berücksichtigung bei der Strafzumessung – oder auch nicht. Dazu der BGH im BGH, Beschl. v. 13.08.2024 – 5 StR 388/24:

„Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen besonders schwerer Vergewaltigung und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision führt lediglich zur Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung des Revisionsverfahrens und erweist sich im Übrigen als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Es ist im Revisionsverfahren zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG) gekommen. Dem liegt Folgendes zugrunde: Gegen das nach sieben Hauptverhandlungstagen in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Urteil vom 1. August 2023 hat der Beschwerdeführer mit am 2. August 2023 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt, den Antrag auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer gestellt und dies mit der Rüge einer Verletzung materiellen Rechts begründet. Nach Urteilszustellung am 17. Oktober 2023 und zweimaliger Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft Berlin ist dieser die Revisionsbegründung erst am 25. Juni 2024 nach § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO zugestellt worden. Eine Förderung des Revisionsverfahrens fand in der Zwischenzeit nicht statt. Der Beschwerdeführer befand sich – mit zweitägiger Unterbrechung wegen Erzwingungshaft – aufgrund des Haftbefehls der Kammer vom 1. August 2023 während der gesamten Dauer des Revisionsverfahrens in Untersuchungshaft.

Damit ist das Revisionsverfahren nach Ablauf der einmonatigen Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht hinreichend gefördert worden, obwohl es sich um eine Haftsache handelte. Der Senat hat diese Verzögerung auf die Sachrüge hin zu berücksichtigen, weil sie nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2023 – 5 StR 349/23 mwN). Rechtfertigende Gründe für die eingetretene Verzögerung sind aus den Akten nicht ersichtlich. Soweit über die Voraussetzungen einer möglichen Haftverschonung verhandelt wurde, hätte dies gegebenenfalls anhand zu fertigender Doppelakten geschehen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 – 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208).

Zur Kompensation genügt hier deren Anerkennung durch eine entsprechende Feststellung, weil das Ausmaß der Verzögerung durch die ausgesprochen zügige Bearbeitung der Revisionssache beim Generalbundesanwalt deutlich gemildert worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2023 – 5 StR 349/23 mwN) und der Verteidiger des Angeklagten selbst um eine zweiwöchige Verfristung gebeten hatte, um die Frage einer möglichen Revisionsrücknahme zu klären.“