Archiv der Kategorie: Straßenverkehrsrecht

Fahreignung wieder da nach Genuss harter Drogen?, oder: Anforderungen an positive Prognose

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Author Orlan

Und heute dann am „Vorabend“ des 2. Advents noch der Kessel Buntes, und zwar mit zwei verkehrsverwaltungsrechtlichen Entscheidungen aus Bayern.

Als erste gibt es hier den BayVGH, Beschl. v. 05.10.2023 – 11 CS 23.1413. Ergangen ist er in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO mit folgendem Sachverhalt:

„….. Im Januar 2023 erhielt das Landratsamt Kulmbach (Fahrerlaubnisbehörde) Kenntnis von Ermittlungen der Kriminalpolizeiinspektion Bayreuth gegen die Antragstellerin wegen eines Vergehens nach dem Betäubungsmittelgesetz. In dem Schlussvermerk der Polizei heißt es, die Antragstellerin habe mit der anderweitig verfolgten T Diskotheken und Raves besucht, bei denen Betäubungsmittel konsumiert würden. T habe in der Beschuldigtenvernehmung angegeben, in zwei Fällen je 1 g Amphetamin an die Antragstellerin abgegeben und einmal zusammen mit dieser einen Lieferanten aufgesucht zu haben, wo die Antragstellerin 1 g Amphetamin erworben habe. Aus dem Chatverlauf zwischen der Antragstellerin und T ergebe sich u.a. Folgendes: „Anfrage und Bestellung 1 g Amphetamin am 16.11.2022; Sprachnachrichten – Technoclub nur, wenn sie was einwirft; Anfrage BtM am 11.11.2022; 21.10.2022 – Anfrage nach Feenstaub/Amphetamin.“ Das Amtsgericht Kulmbach stellte das Strafverfahren, soweit aus den Akten ersichtlich, gegen eine Arbeitsauflage ein.

Nach einem Aktenvermerk sprach die Antragstellerin vom 3. März 2023 auf Aufforderung des Landratsamts dort zusammen mit ihrer Mutter vor und bestätigte dabei den Erwerb von Betäubungsmitteln.

Nach Anordnung durch das Landratsamt legte die Antragstellerin ein ärztliches Gutachten der TÜV SÜD Life Service GmbH vom 25. Mai 2023 vor. Dieses kommt zu dem Ergebnis, die Antragstellerin nehme aktuell keine Betäubungsmittel ein, die die Fahreignung in Frage stellten. Ihren Angaben nach liege jedoch ein Probierkonsum mit Amphetamin im September 2022 vor. Die Antragstellerin habe angegeben, eine ihrer Freundinnen habe Beziehungen zu diesem Milieu gehabt, sie habe das mal probieren wollen. Im September 2022 habe sie zwei Mal Amphetamin in geringen Mengen geschnupft. Sie habe jedoch keine Wirkung verspürt und daher wieder Abstand davon genommen. Weiter heißt es, nach dem Ergebnis der Haarprobe könne Drogenabstinenz für einen Zeitraum von 6 Monaten als belegt angesehen werden.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2023 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis und forderte sie unter Androhung eines Zwangsgelds auf, ihren Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Die Antragstellerin sei wegen des zumindest zweimaligen Konsums von Amphetamin, den sie dem ärztlichen Gutachter gegenüber eingeräumt habe, ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Am 17. Juli 2023 ließ die Antragstellerin Klage erheben und gleichzeitig einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 1. August 2023 ablehnte. Bei summarischer Prüfung erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig. Bereits der einmalige Konsum harter Drogen schließe im Regelfall die Kraftfahreignung aus. Von einem solchen sei hier auszugehen. Die Antragstellerin müsse sich an ihrer Aussage, Amphetamin eingenommen zu haben, festhalten lassen. Sie habe die Fahreignung auch nicht wiedererlangt, da zwischen dem Betäubungsmittelkonsum im September 2022 und dem maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung keine einjährige Abstinenz i.S.d. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV liege.“

Gegen den VG-Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die keinen Erfolg hatte. Denn:

Materiell-rechtlich verlangt die Wiedererlangung der Fahreignung nach dem Konsum harter Drogen – also der Nachweis, dass kein Konsum mehr besteht – eine Abstinenz über einen ausreichend langen Zeitraum sowie einen motivational gefestigten Verhaltens- und Einstellungswandel. Für eine positive Verkehrsprognose ist wesentlich, dass zur positiven Veränderung der körperlichen Befunde einschließlich der Laborbefunde ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene die notwendige Abstinenz auch in Zukunft einhält.

Die Einzelheiten in dem umfangreich begründeten Beschluss bitte selbst nachlesen.

Verkehrsrecht III: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Bei Unfall Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und dann zum Tagesschluss noch einmal – oder auch: schon wieder – etwas zur Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, ein weiterer verkehrsrechtlicher Dauerbrenner. Dazu habe ich noch einmal eine Entscheidung, die sich mit den Rechtsfolgen einer E-Scooter-Trunkenheitsfahrt befasst.

Es handelt sich um das AG Dortmund, Urt. v. 02.11.2023 – 729 Ds-124 Js 946/23-114/23 – zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verhängung eines Fahrverbotes, wenn es bei der Trunkenheitsfahrt zu einem Unfall gekommen ist. Der Angeklagte war bei einer nächtlichen Fahrt mit seinem E-Scooter mit einem Pkw kollidiert.

In einem solchen Fall ist nach Auffassung des AG die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 69 StGB) und ein Fahrverbot (§ 44 StGB) zu verhängen:

Auch wenn weiterhin in Fällen folgenloser nächtlicher Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern davon auszugehen ist, dass nicht eine Regelfahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 1 u. 2 StGB stattfinden muss, ist bei einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs im Rahmen einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter und einem tatsächlichen erheblichen Schadenseintritt von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Zudem ist in einem solchen Fall ein Fahrverbot nach § 44 StGB zu verhängen, um Fahrten mit gleichartigen (fahrerlaubnisfreien) Kraftfahrzeugen zu verhindern und hierdurch eine entsprechende Denkzettelwirkung zu entfalten.

Verkehrsrecht II: Schon wieder „verbotenes Rennen“, oder: Gefährdungsvorsatz? und „nur kurze Strecke“

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen zum Dauerbrenner „verbotenes Rennen“, also § 315d StGB, und zwar einmal BGH und einmal KG. Von beiden gibt es nur die Leitsätze.

Bei der BGH-Entscheidung handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – 4 StR 132/23 – noch einmal zum Gefährdungsvorsatz – Lebensgefährdungs- oder Tötungsvorsatz? – beim Kraftfahrzeugrennen/Alleinrennen, und zwar:

Die Voraussetzungen des (bedingten) Gefährdungsvorsatz i.S. des von § 315d Abs. 2 StGB sind gegeben, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet.

Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um den auch nicht mehr taufrischen KG, Beschl. v. 12.06.2023 – 3 ORs 30/23 – 161 Ss 74/23 – zur Frage des Vorliegens eines „Einzelrennens“ nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB bei nur kurzer tatsächlich gefahrener Strecke. Dazu das KG:

Vor dem Hintergrund einer tatsächlich sehr kurzen gefahrenen Strecke ist allein die Absicht des Angeklagten maßgeblich, die nach seinen Vorstellungen unter den konkreten situativen Gegebenheiten (Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnisse) maximal mögliche Geschwindigkeit auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke zu erreichen.

Verkehrsrecht I: Fahren ohne Fahrerlaubnis und BtM, oder: Mehrere Taten verklammern bei BtM-Besitz

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Heute dann seit längerem mal wieder ein wenig Verkehrsrecht.

Hier kommt dann erst mal der – schon etwas ältere, aber jetzt erst veröffentlichte – BGH, Beschl. v. 04.07.2023 – 2 StR 178/23. Den hätte ich auch an einem BtM-Tag vorstellen können, denn es geht um die Verklammerung zweier Fahrten ohne Fahrerlaubnis durch BtM-Besitz.

Der Entscheidung liegt etwa folgender Sachverhalt zugrunde: Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt. Der Angeklagte war mit einem Kfz im öffentlichen Verkehr gefahren, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein. In seiner rech­ten Hosentasche führte er 1,33 Gramm Kokainzubereitung mit einem Wirkstoff­gehalt von 82,1% mit sich. Die Fahrt unternahm er jedenfalls auch zum Zwecke des Transports der Betäubungsmittel. Nach einer ei­nige Minuten dauernden Unterbrechung der Fahrt, zu der er das Auto verlassen hatte, entschloss er sich erneut zu einer Fahrt. Er be­stieg ein anderes Auto und fuhr damit davon, bevor er von der Polizei gestellt wurde.

Dagegen die Revision des Angeklagten, die zu einer Schuldspruchberichtigung dahingehend geführt hat, dass der Angeklagte wegen uner­laubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei tatein­heitlichen Fällen strafbar ist:

2. Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG in zwei tatmehrheitlichen Fällen verwirklicht hat. Es hat weiter zu Recht angenommen, dass der Angeklagte während beider Taten durch das Beisichführen des Kokains (zum Eigengebrauch) jeweils tateinheitlich unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln ausübte (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG). Allerdings hat die Strafkammer zu Unrecht von einer Verklammerung der Taten nach § 21 Abs. 1 StVG durch § 29 BtMG abgesehen.

a) Zwischen zwei eigentlich selbständigen Delikten kann durch das Vorliegen eines dritten Delikts Tateinheit hergestellt werden, wenn mit diesem jedes der beiden Delikte ideal konkurriert. Eine solche Klammerwirkung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn zwischen dem dritten und zumindest einem der beiden verbundenen Delikte „annähernde Wertgleichheit“ besteht (vgl. dazu Fischer, StGB, 70. Aufl., vor § 52 Rn. 30 mN zur Rspr.). Dabei ist der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierten Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen; minder schwere Fälle oder wegen vertypter Milderungsgründe vorzunehmende Strafrahmenverschiebungen sind mithin zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 7; Urteil vom 28. Oktober 2004 – 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262; Beschluss vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692; Urteil vom 13. Dezember 2012 ‒ 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 149).

b) Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für eine Verklammerung vor. Die von dem Angeklagten begangenen Straßenverkehrsdelikte wiegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht „maßgeblich schwerer als der Besitz einer geringen Menge Betäubungsmittel, die ausschließlich zum Eigenkonsum bestimmt war“.

Der vorzunehmende Wertevergleich ergibt ‒ auch bei konkreter Gewichtung der Taten ‒ vielmehr, dass der Unrechtsgehalt des Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG jedenfalls nicht hinter demjenigen des Straßenverkehrsdelikts zurückbleibt. Dies folgt schon aus dem Vergleich der Strafrahmen, der deutlich macht, dass § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG im Ausgangspunkt weit größeres Unrecht erfasst als § 21 Abs. 1 StVG, und gilt hier auch unter Berücksichtigung von § 29 Abs. 5 StGB, der ein Absehen von Strafe beim Besitz einer geringen Menge zum Eigenverbrauch ermöglicht. Denn ein solcher Fall ist nicht gegeben, weswegen das Landgericht § 29 Abs. 5 BtMG in seine „konkrete“ Betrachtung gar nicht hätte aufnehmen dürfen.

In der Sache nimmt die Strafkammer bei ihrem Vergleich der verwirklichten Delikte auch keine „konkrete Gewichtung“ der von dem Angeklagten begangenen Taten vor, denn dann hätte sie einerseits etwa Art und Menge des Betäubungsmittels sowie Dauer des Besitzes und andererseits Länge der Fahrstrecke und damit einhergehende Gefährdung von Verkehrsteilnehmern in den Blick nehmen und daran den Unrechtsgehalt der Taten bestimmen müssen. Sie gewichtet letztlich den abstrakten Unrechtsgehalt der vom Angeklagten begangenen Straftaten, dies allerdings unter Missachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen nach eigenen Maßstäben. Dass dieser Betrachtung eine abstrakte Sichtweise zugrunde liegt, wird schließlich auch in der konkreten Strafzumessung zu den Taten II. 2 und 3 der Urteilsgründe deutlich, die die Wertung des Landgerichts bei der Konkurrenzfrage nicht aufnimmt. Dort entnimmt das Landgericht die Strafen jeweils dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG, ohne – was ansonsten nahe gelegen hätte – darauf hinzuweisen, dass der Besitz der Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erfolgt ist und deshalb am unteren Rand des von § 29 Abs. 1 BtMG erfassten Unrechtsgehalts liegt. Ebenso wenig wird strafschärfend auf die tateinheitliche Begehung des nach Ansicht des Landgerichts in seinem Unrechtsgehalt maßgeblich schwerer wiegenden Straßenverkehrsdelikts hingewiesen.

c) Mit der Annahme einer Verklammerung liegt insoweit nur eine statt zwei Taten vor. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da der geständige Angeklagte dadurch nicht in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt wird.“

Und zur Strafzumessung wird der BGH dann selbst tätig, und zwar wie folgt:

„d) Die Annahme von Tateinheit führt zum Wegfall der Einzelstrafen für die Taten II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe. Der Senat setzt für die nunmehr abgeurteilte Tat die bisherige Einzelstrafe von 90 Tagesätzen für Tat II. 2 der Urteilsgründe als neue Strafe fest. Er kann damit auch ausschließen, dass eine möglicherweise falsch gewichtete Bemessung der vom Landgericht verhängten Einzelstrafen sich bei der neuen Strafbemessung zu Lasten des Angeklagten (noch) auswirkt.

e) Der Wegfall einer Einzelstrafe von 60 Tagessätzen lässt den Gesamtstrafenausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne diese Strafe eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

f) Das Landgericht hat es versäumt, hinsichtlich der verhängten Einzelgeldstrafen eine Tagessatzhöhe festzusetzen. Der Senat holt dies nach und setzt den Tagessatz auf das gesetzliche Mindestmaß auf ein Euro fest, um damit jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen.“

Noch einmal zur unzulässigen Abschalteinrichtung, oder: Kühlmittelsolltemperatur-Regelung

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Und dann habe ich noch etwas ganz anderes. Mal wieder unzulässige Abschalteinrichtung und dazu dann das OLG Hamm, Urt. v. 13.9.2023 – 30 U 81/21.

Das ist recht umfangreich. Daher stelle ich nur die Leitsätze ein. Den Rest dann bitte selbst lesen.

Die Leitsätze lauten:

1. Die Kühlmittelsolltemperatur-Regelung stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, wegen derer den Fahrzeughersteller in der Regel zumindest eine Schadensersatzhaftung wegen fahrlässigen Verhaltens trifft.
2. Demgegenüber vermag sich dieser nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass entgegen der Annahme des BGH für eine Fahrlässigkeitshaftung im deutschen Recht kein Bedürfnis bestehe, da ausreichende andere Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
3. Der Annahme der Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung steht auch nicht entgegen, dass durch ihre Abschaltung zwar die ausgestoßene Stickoxidmenge erhöht, die anderer Emissionen jedoch verringert werde (sog. Trade off). Das europäische Emissionsrecht sieht eine solche Kompensationsmöglichkeit nicht vor. Diesbezüglich ist auch trotz der Vorlage dieser Frage an den Europäischen Gerichtshof durch das LG Duisburg (Beschl. v. 6.6.2023 – 1 O 55/19) eine Aussetzung des Verfahrens nicht geboten.
4. Eine vollständige Vorteilsausgleichung kommt auch bei einem Software-Update, das die unzulässige Abschalteinrichtung vollständig beseitigt, für gewöhnlich nicht in Betracht, sofern der Kläger einen nicht geringen Zeitraum seit dem Erwerb des Fahrzeugs der latenten Gefahr der Stilllegung desselben durch das Kraftfahrt-Bundesamt ausgesetzt war.