„Zwar kann, wie hier geschehen, eine präventiven Zwecken dienende Sicherstellung nach § 22 Nr. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG – grundsätzlich neben einer Sicherstellung bzw. Beschlagnahme nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (sog. doppelfunktionale Maßnahme) angeordnet werden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16 –, juris Rn. 21, 25 ff.; OVG RP, Beschluss vom 20. April 2022 – 7 B 10279/22.OVG –, n.v.).
Die Voraussetzungen für eine präventive Sicherstellung des Motorrades des Klägers lagen hier indes nicht vor.
1. Nach § 22 Nr. 1 POG können die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Unter einer polizeilichen Gefahr ist eine Lage zu verstehen, in der bei ungehindertem Ablauf des Geschehens ein Zustand oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung führen würde. Dabei sind vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit nicht nur die Individualrechtsgüter, wie Leib, Leben und Eigentum anderer erfasst, sondern auch die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 – 6 C 21/07 –, juris Rn. 13; OVG RP, Urteil vom 10. Februar 2010 – 7 A 11095/09 –, juris Rn. 27; Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht Rheinland-Pfalz, 9. Aufl. 2023, § 3 Rn. 2 ff.). § 22 Nr. 1 POG enthält mit dem Erfordernis einer gegenwärtigen Gefahr eine zusätzliche Qualifizierung der Eingriffsvoraussetzungen. Der Begriff der gegenwärtigen Gefahr stellt strengere Anforderungen an die zeitliche Nähe und den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31/72 –, juris Rn. 32; OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 –, juris Rn. 40; Beschluss vom 24. März 2021 – 5 B 1884/20 –, juris Rn. 9; VGH BW, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 1 S 1401/11 –, juris Rn. 58). Gegenwärtig ist eine Gefahr dann, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar bzw. in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 25. März 2009 – 1 A 10632/08.OVG –, juris Rn. 26; Beschluss vom 30. Oktober 2009 – 7 A 10723/09.OVG –, juris Rn. 28; Beschluss vom 26. August 2011 – 7 E 10858/11.OVG –, ESOVGRP; Beschluss vom 8. Mai 2015 – 7 B 10383/15 –, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 –, juris Rn. 40 f. m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 17. September 2015 – 10 CS 15.1435 u.a. –, juris Rn. 21; OVG Bremen, Urteil vom 24. Juni 2014 – 1 A 255/12 –, juris Rn. 25). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31/72 –, juris Rn. 41).
Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31/72 –, juris Rn. 33; OVG RP, Urteil vom 10. Februar 2010 – 7 A 11095/09 –, juris Rn. 35; OVG Nds., Urteil vom 25. Juni 2015 – 11 LB 34/14 –, juris Rn. 34). Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff grundsätzlich die ex-ante-Sicht entscheidend (vgl. etwa VGH BW, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 1 S 1401/11 –, juris Rn. 59). Auch für die der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsanordnung zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage ist maßgeblicher Zeitpunkt der bei Vornahme der Sicherstellungsanordnung (stRspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 4. September 2018 – 7 B 10912/18.OVG –, ESOVGRP; so auch OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2007 – 5 A 1056/06 –, juris Rn. 2 ff.; BayVGH, Urteil vom 23. Februar 2016 – 10 BV 14/2353 –, juris Rn. 16; HessVGH, Beschluss vom 25. April 2018 – 8 B 538/18 –, juris Rn. 21; OVG Bremen, Beschluss vom 4. Juni 2019 – 1 LB 225/18 –, juris Rn. 40).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen war die zum Zeitpunkt der Sicherstellung des Motorrades des Klägers getroffene Gefahrenprognose der Polizeibeamten nicht gerechtfertigt…..“
Rest dann bitte im verlinkten Volltext nachlesen.