Archiv der Kategorie: Strafrecht

KCanG I: Gesetzesänderung nach Berufungs-Urteil, oder: Schuldspruchänderung und mildere Strafe

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Und heute dann mal wieder KCanG. Es haben sich einige Entscheidungen angesammelt, nichts Besonderes, aber ich stelle sie der Vollständigkeite halber dann doch vor.

Hier kommt dann zunächst der KG, Beschl. v. 17.05.2024 – 3 ORs 32/24 – schon etwas älter, aber er ist jetzt erst „geliefert“ worden. Es geh noch einmal um eine Schuldspruchänderung bei Gesetzesänderung nach Berufungsentscheidung.

Das AG hat den Angeklagten mit Urteil vom 30.11.2022 unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen gemäß §§ 1 Abs. 3, 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG, 53 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf die vom Angeklagten eingelegte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Urteil vom 28.08.2023 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte pp. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Dagegen nun die Revision, über die dann das KG entschieden hat. Das KG hat das angefochtene Urteil im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen (§§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, 53 StGB) verurteilt ist, und im Strafausspruch aufgehoben und dann zurückverwiesen.

Hier reichen nur die Leitsätze zu der Entscheidung, nämlich:

1. Im Verhältnis zu § 29 Abs. 3 BtMG ist § 34 Abs. 3 BtMG das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB.

2. Eine Gesetzesänderung ist in jeder Lage des Verfahrens – vom Revisionsgericht jedenfalls auf die allgemeine Sachrüge – zu berücksichtigen.

3. Ist eine den Angeklagten im anzuwendenden Strafrahmen begünstigende Rechtsänderung nach Erlass des Berufungsurteils eingetreten, führt dies zur Aufhebung der Rechtsfolgenentscheidung.

4. Da das mildere Gesetz als Ganzes anzuwenden ist, führt dies – auch im Falle einer an sich nach § 318 StPO wirksamen Beschränkung der Berufung – zur Aufhebung Schuldspruchs.

5. Im Falle einer wirksamen Berufungsbeschränkung kann der Schuldspruch durch das Revisionsgericht neu gefasst werden.

Strafe III: Einbeziehung der Gerichtshilfe „vergessen“, oder: Kein schwerer Verfahrensfehler?

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Und als dritte Entscheidung stelle ich den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 02.07.2024 – 18 Qs 22/24 – vor, und zwar noch einmal. Über den Beschluss habe ich bereits wegen der auch angesprochenen Zustellungsproblemati berichtet (vgl. hier: StPO III: Immer wieder Zustellungsproblematik, oder: Vollmacht, ZU-Bevollmächtigter, Ersatzzustellung).

Jetzt stelle ich die Entscheidung vor wegen der Ausführungen des LG zur vom AG unterlassenen Einbeziehung der Gerichtshilfe nach § 463d Satz 2 Nr. 1 StPO:

„Zwar hat das Amtsgericht entgegen der seit dem 01.10.2023 geltenden Fassung des § 463d Satz 2 Nr. 1 StPO eine Einbeziehung der Gerichtshilfe vor seiner Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung nicht erkennbar erwogen. Eine Aufhebung und Rückverweisung der Sache war gleichwohl ebenso wenig veranlasst wie eine Nachholung der Einbeziehung der Gerichtshilfe durch die Beschwerdekammer.

1.a) § 463d StPO hatte bis zum 30.09.2023 folgenden Wortlaut:

„Zur Vorbereitung der nach den §§ 453 bis 461 zu treffenden Entscheidungen kann sich das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde der Gerichtshilfe bedienen; dies kommt insbesondere vor einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder der Aussetzung des Strafrestes in Betracht, sofern nicht ein Bewährungshelfer bestellt ist.“

Seit dem 01.10.2023 hat § 463d StPO folgenden Wortlaut:

„Zur Vorbereitung der nach den §§ 453 bis 461 zu treffenden Entscheidungen kann sich das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde der Gerichtshilfe bedienen. Die Gerichtshilfe soll einbezogen werden vor einer Entscheidung
1. über den Widerruf der Strafaussetzung oder der Aussetzung eines Strafrestes, sofern nicht ein Bewährungshelfer bestellt ist,
2. über die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, um die Abwendung der Anordnung oder Vollstreckung durch Zahlungserleichterungen oder durch freie Arbeit zu fördern.“

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 30.12.2022 (Drucksache 687/22) bzw. vom 06.03.2023 (Drucksache 20/5913) war folgende Formulierung vorgeschlagen:

„Zur Vorbereitung der nach den §§ 453 bis 461 zu treffenden Entscheidungen kann sich das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde der Gerichtshilfe bedienen. Dies kommt insbesondere in Betracht vor einer Entscheidung
1. über den Widerruf der Strafaussetzung oder der Aussetzung eines Strafrestes, sofern nicht ein Bewährungshelfer bestellt ist,
2. über die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, um die Abwendung der Anordnung oder Vollstreckung durch Zahlungserleichterungen oder durch freie Arbeit zu fördern.“

In der Begründung hierzu heißt es (Seiten 86/87 bzw. 75/76):

„Derzeit enthält § 463d StPO eine konkretisierende Regelung zur Einschaltung der Gerichtshilfe nur für den Fall des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung. Dieser Regelungsgehalt soll beibehalten und in den neuen Satz 2 Nummer 1 überführt werden.

Durch die neue Nummer 2 soll der Vollstreckungsbehörde ausdrücklich nahegelegt werden, die Gerichtshilfe auch vor der Entscheidung über die Anordnung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe einzuschalten, um die Bereitschaft der verurteilten Person zu Ratenzahlungen oder gemeinnützigen Arbeitsleistungen zu fördern und so die Anordnung oder Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe so weit wie möglich zu vermeiden. Die Einschaltung der Gerichtshilfe, mit der zugleich die Hinweispflicht des neuen § 459e Absatz 2 Satz 2 StPO-E erfüllt werden kann, soll aber im Ermessen der Vollstreckungsbehörde stehen und kann unterbleiben, etwa, wenn die verurteilte Person das Angebot von Zahlungserleichterungen oder der Ableistung freier Arbeit bereits endgültig abgelehnt hat. In Fällen, in denen beispielsweise ein freier Träger die Beratung der verurteilten Person im Wege der aufsuchenden Sozialarbeit übernommen hat, wie dies derzeit bereits in einigen Ländern praktiziert wird, kann sich die Einschaltung der Gerichtshilfe auch darauf beschränken, die dafür notwendigen personenbezogenen Daten an den freien Träger zu übermitteln (siehe vorstehend zu Nummer 3 Buchstabe b). Im Übrigen wird zu Hintergrund und Zweck der Regelung auf die Ausführungen im Allgemeinen Teil unter I. 1. Buchstabe c und II. 1. vor Buchstabe a verwiesen.“

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 26.05.2023 (Drucksache 20/7026) schlugen jedoch folgenden Wortlaut vor (Hervorhebung durch das Gericht):

„Zur Vorbereitung der nach den §§ 453 bis 461 zu treffenden Entscheidungen kann sich das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde der Gerichtshilfe bedienen. Die Gerichtshilfe soll einbezogen werden vor einer Entscheidung
1. über den Widerruf der Strafaussetzung oder der Aussetzung eines Strafrestes, sofern nicht ein Bewährungshelfer bestellt ist,
2. über die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, um die Abwendung der Anordnung oder Vollstreckung durch Zahlungserleichterungen oder durch freie Arbeit zu fördern.“

Die Fraktion der SPD hatte zur Begründung wie folgt ausgeführt:

„Mit der im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Anpassung des § 463d Satz 2 StPO soll ein intendiertes Ermessen festgeschrieben werden, damit die Gerichtshilfe in den Fällen des § 463d Satz 2 Nr. 1 und 2 StPO-E im Regelfall einbezogen werde.“

Die Fraktion der CDU/CSU hatte dem entgegnet:

„Auch im Hinblick auf die vorgeschlagene Änderung des § 463d StPO komme ein gewisses Misstrauen gegenüber den Gerichten zum Ausdruck, weil der Entscheidungsspielraum zur Frage der Einbindung der Gerichtshilfe eingeschränkt werde.“

Am 22.06.2023 wurde der Gesetzentwurf in der in Kraft getretenen Form mit den Stimmen der Regierungskoalition unter Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der AfD-Fraktion angenommen und im Bundesgesetzblatt vom 02.08.2023 veröffentlicht.

b) § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO enthält eine gleichgelagerte Sollvorschrift für die Form der Anhörung des Verurteilten:

„Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben.“

Die mündliche Anhörung ist dort zwingend, wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhalts möglich erscheint und ihr keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen (vgl. KK-StPO/Appl, 9. Aufl. 2023, StPO § 453 Rn. 7; MüKoStPO/Nestler, 1. Aufl. 2019, StPO § 453 Rn. 11; BeckOK StPO/Coen, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 453 Rn. 7; Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 453 StPO, Rn. 16). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Verurteilte beachtenswerte Gründe für die Nichterfüllung haben kann, aber nicht in der Lage ist, diese Gründe in einer das Gericht überzeugenden Weise schriftlich darzustellen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf des 23. StrÄndG – BT-Drucksache 370/84 vom 24.08.1984). Das Gesetz will dort damit von vornherein der Gefahr begegnen, dass schwerwiegende Widerrufsentscheidungen ohne zureichende Tatsachengrundlage ergehen. Die Ausgestaltung als Sollvorschrift eröffnet dem Gericht lediglich die Möglichkeit, von der grundsätzlich zwingend gebotenen mündlichen Anhörung aus schwerwiegenden Gründen abzusehen, anderenfalls ein schwerwiegender Verfahrensmangel vorliegt, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung führt (statt vieler Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 15.12.2008 – 1 Ws 212/08).

c) aa) Die Einführung dieser Soll-Regelung in § 463d Satz 2 StPO macht die Einbeziehung der Gerichtshilfe für die dort genannten Fälle – insbesondere bei Entscheidungen der nach § 462a Abs. 2 StPO zuständigen Gerichte, wo in der Mehrzahl kein Bewährungshelfer bestellt ist – bei einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung seit dem 01.10.2023 zum Regelfall und zwingend. Die Nichteinbeziehung der Gerichtshilfe ist in den dort genannten Fällen nun begründungsbedürftig und damit implizit justiziabel (Pollähne in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 463d StPO, Rn. 2). Sie kann jedoch unterbleiben, wenn sie keinerlei zusätzlichen Erkenntnisse oder Erfolgsaussichten verspricht oder ihr zwingende Gründe entgegenstehen. Vertreten wird, dass die Nichteinschaltung der Gerichtshilfe – wie bei § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO – aber ermessensfehlerhaft sei und einen Verfahrensfehler begründen könne, der in Abweichung von § 309 Abs. 2 StPO eine Aufhebung und Rückverweisung rechtfertigen könne (BeckOK StPO/Coen, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 463d Rn. 4; KK-StPO/Appl, 9. Aufl. 2023, StPO § 463d Rn. 3).

bb) Eine dahingehende Differenzierung zwischen einem Widerruf der Strafaussetzung wegen der in § 56f Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 StGB genannten Verstöße, bei denen die Einbeziehung der Gerichtshilfe zu erfolgen hätte, und solchen der Begehung einer Straftat in der Bewährungszeit nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, bei der von ihrer Einbeziehung abgesehen werden könnte, ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht zulässig, der nur von „Widerruf der Strafaussetzung“ spricht und gerade nicht differenziert. Aus dem Umstand, dass die Sätze 2 und 4 in § 453 Abs. 1 StPO ausdrücklich differenzieren und die mündliche Anhörung nur im Fall eines „Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen“ vorsehen, hingegen die Neufassung in § 463d Satz 2 Nr. 1 StPO nicht in gleicher Weise verfährt, ist zu schließen, dass der Gesetzgeber dort eine entsprechende Differenzierung gerade nicht anstrebte, sondern die Einbeziehung der Gerichtshilfe in allen Fällen eines Widerrufes der Strafaussetzung wollte. Dass die konsequente Befolgung der durch den Gesetzgeber ausdrücklich so gewollten Anordnung des § 463d Satz 2 StPO in der Form, grundsätzlich in allen Fällen die Gerichtshilfe einzubeziehen, in denen bei Fehlen eines Bewährungshelfers – aus welchem Grund auch immer – über den Widerruf der Strafaussetzung oder die Aussetzung eines Strafrestes entschieden werden muss, zu einer erheblichen Mehrbelastung der Gerichtshilfestellen führen wird, der diese in der gegenwärtigen personellen Ausstattung kaum standhalten können, hat für die nach § 462a StPO und im Beschwerdeverfahren zuständigen Gerichte ebenso wenig entscheidungserheblich zu sein wie die Frage der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit dieser in § 463d Satz 2 StPO getroffenen Regelung.

2. Die entgegen § 463d Satz 2 StPO gewählte Vorgehensweise des Amtsgerichts rechtfertigt jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation, in der die Beschwerdekammer angesichts des ausführlichen Beschwerdevorbringens im Schriftsatz vom 02.05.2024, des psychiatrischen Gutachtens vom 15.02.2024, des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.04.2024 und der Stellungnahme des Hauses [ ] vom 02.05.2024 über alle zur Entscheidung notwendigen Informationen mit aktuellem Stand verfügt, weder eine Rückverweisung an das Amtsgericht zur Nachholung der Einbeziehung der Gerichtshilfe noch deren Nachholung durch die Beschwerdekammer selbst.

a) Anders als im Falle des § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO und unterbliebener mündlicher Anhörung des Verurteilten durch das Beschwerdegericht rechtfertigt der Verstoß gegen § 463d Satz 2 StPO durch Nichteinbeziehung der Gerichtshilfe – entgegen der insoweit bereits geäußerten Rechtsmeinung – keine Aufhebung und Zurückverweisung.

Eine Zurückverweisung der Akten an die erste Instanz zum Zwecke der weiteren Aufklärung ist nicht zulässig. Lediglich in Ausnahmefällen kann das Beschwerdegericht aus rechtlichen Gründen die Sache an die Vorinstanz zurückverweisen (MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl. 2024, StPO § 309 Rn. 10; BeckOK StPO/Cirener, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 309 Rn. 10, KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl. 2023, StPO § 309 Rn. 7). Solche liegen nur dann vor, wenn die Entscheidung des Erstgerichts an einem schweren Mangel leidet und von einer ordnungsgemäßen Justizgewährung nicht mehr auszugehen ist, bspw. wenn das Erstgericht eine gesetzlich vorgeschriebene mündliche Anhörung nicht durchgeführt hat (MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl. 2024, StPO § 309 Rn. 36; BeckOK StPO/Cirener, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 309 Rn. 17 m. w. N.).

Ein derart schwerwiegender Verfahrensmangel liegt jedenfalls nicht im Verstoß des Erstgerichts gegen § 463d Satz 2 StPO. Insbesondere wurden keine (mündlichen) Anhörungsrechte der Beschwerdeführerin verletzt. Eine Rückverweisung in dieser Konstellation wäre unzulässig, weil sie letztlich auf eine weitere Aufklärung durch das Erstgericht durch Einbeziehung der Gerichtshilfe gerichtet wäre.

b) Eine Nachholung der Einbeziehung der Gerichtshilfe durch die Beschwerdekammer war nicht veranlasst. Über die Inhalte der oben zitierten Fundstellen hinaus könnten durch die Einbeziehung der Gerichtshilfe keine weiteren für die Entscheidung wesentlichen Informationen erlangt werden, über die die Beschwerdekammer nicht schon verfügt.“

Strafe II: Strafaussetzung beim „Bewährungsversager“, oder: Günstige Sozialprognose nicht ausgeschlossen

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Als zweite Entscheidung des Tages kommt hier der der OLG Rostock, Beschl. v. 23.07.2024 – 1 Ss 35/24 – zur günstigen Sozialprognose beim sog. Bewährungsversager.

Der Angeklagte ist vom AG Rostock wegen vorsätzlicher Körperverletzung  zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Dagegen die Berufung, die beim LG keinen Erfolg hatte. Das OLG hat dann aber auf die Revision die Entscheidung betreffend die Bewährung aufgehoben und zurückverwiesen:

„Allerdings ist die Entscheidung der Berufungskammer hinsichtlich der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung rechtsfehlerhaft ergangen.

Die Begründung der Strafkammer genügt den rechtlichen Anforderungen des § 56 Abs. 1 StGB nicht in vollem Umfang.

Nach § 56 Abs. 1 StGB ist eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung selbst zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Grundlage der Prognose des Tatgerichts müssen dabei sämtliche Umstände sein, die Rückschlüsse auf die künftige Straflosigkeit des Angeklagten ohne Einwirkung des Strafvollzugs zulassen, insbesondere die in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB „namentlich“ aufgeführten. Dabei ist für die günstige Prognose keine sichere Erwartung eines straffreien Lebens erforderlich. Es reicht schon die durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit aus, dass der Angeklagte künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 22. März 2023 —1 Ss 40/22 —, Rn. 39 – 40, m.w.N.- juris).

Der Umstand, dass der Angeklagte die abgeurteilte Tat während laufender Bewährung, die eine nicht einschlägige Straftat betraf, begangen hat, steht einer günstigen Sozialprognose nicht ohne Weiteres entgegen. Auch die Tatbegehung während des Laufs einer Bewährungszeit schließt die erneute Strafaussetzung zur Bewährung nicht grundsätzlich aus (BGH, Urteil vom 10. November 2004 -1 StR 339/04, NStZ-RR 2005, 38). Vielmehr ist jedoch bei der zu treffenden Prognoseentscheidung eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der namentlich die Persönlichkeit des Täters, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafaussetzung für ihn zu erwarten sind (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH Beschl. v. 10.7.2014 — 3 StR 232/14, BeckRS 2014, 17004 Rn. 5, 6, beck-online). Dem Urteil kann indes nicht entnommen werden, ob das Landgericht nach der gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen negativen sowie positiven Prognosekriterien eine günstige Sozialprognose verneint hat. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass auch die aktuellen Lebensverhältnisse – hierbei insbesondere die Umstände, dass sich der Angeklagte nach dem Tod seiner Mutter um den Haushalt seines Vaters kümmert, in einem Arbeitsverhältnis steht und trotz der Vielzahl der begangenen Straßenverkehrsdelikte nunmehr offenbar wieder über einen Führerschein verfügt – in die Gesamtabwägung Eingang gefunden haben und es diese Umstände bei der getroffenen Prognoseentscheidung berücksichtigt hat. Zudem ist bei der Entscheidung in die Abwägung einzustellen, dass die letzte (nicht einschlägige) Tat des Angeklagten bereits mehr als 4,5 Jahre vor der gegenständlichen Tat begangen wurde und der Angeklagte innerhalb dieser Zeit nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil auch.

Der Senat konnte über die Strafaussetzung zur Bewährung nicht selbst entscheiden. Hierfür müssen die Feststellungen des angefochtenen Urteils zur Rechtsfolgenseite vollständig sein und ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Bewährung zweifelsfrei vorliegen, der Ermessenspielraum des Tatrichters mithin auf die Bewilligung der Strafaussetzung reduziert war (BGH NStZ-RR 2012, 357; StV 1996, 265 (266); 1992, 13; BeckRS 1993, 31105781; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 354, Rn. 26d). Zugleich muss es als ausgeschlossen erscheinen, dass bei einer Neuverhandlung Tatsachen festgestellt werden, die eine Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnten (vgl. BeckOK StPO/Wiedner, 51. Ed. 1.1.2024, StPO § 354 Rn. 64 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend auch aufgrund des Zeitablaufs nicht gegeben.“

Strafe I: Besitz kinderpornographischer Inhalte, oder: Neufassung des § 184b StGB milderes Gesetz

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Heute dann drei Posting zu Strafzumessung, also auch zur Bewährung usw.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 6 StR 398/24. Das ist einer von inzwischen mehreren, die sich mit den Auswirkungen der Änderung des Strafrahmens bei § 184b Abs. 3 StGB befassen. Ich weise – als „Reminder“ – ausdrücklich hier nur auf diesen hin. Der BGh führt aus:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

Das Landgericht hat die Strafe dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB a.F. (in der Fassung vom ) entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsah. Dabei konnte es nicht berücksichtigen, dass § 184b Abs. 3 StGB durch das am in Kraft getretene „Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ vom (BGBl. I 2024 Nr. 213) als Vergehen mit erhöhter Mindeststrafe von drei Monaten neugefasst worden ist; die Strafrahmenobergrenze hat der Gesetzgeber unverändert gelassen. Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren zu berücksichtigen hat (§ 354a StPO).

Da die Strafkammer die verhängte Strafe dem unteren Bereich des von ihr angewendeten Strafrahmens entnommen hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Anwendung des nunmehr geltenden deutlich geringeren Strafrahmens eine niedrigere Strafe verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).“

StGB III: Ausreichende Feststellungen beim Diebstahl, oder: Wenn im Urteil nichts drin steht

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Und dann habe ich hier noch etwas vom BayObLG.

Das hat im  BayObLG, Beschl. v. 03.06.2024 – 203 StRR 172/24 – zu den erforderlichen Feststellungen beim Diebstahl (§ 242 StGB) Stellung genommen, und zwar wie folgt:

Beschränkt sich die Feststellung des erstinstanzlichen Tatrichters darauf, dass der Angeklagte am Tattag in den Geschäftsräumen eines Verbrauchermarkts Lebensmittel im Wert von 34.00 Euro entwendete, um diese ohne Bezahlung für sich zu behalten, erweist sich in der Revision die Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen als unwirksam, sofern nicht das Berufungsgericht eigene weitere Feststellungen zum Tatablauf getroffen hat.