Und im zweiten Posting dann noch einmal etwas vom BGH zur Wiedereinsetzung, und zwar den BGH, Beschl. v. 08.05.2025 – V ZB 44/24 – zur „ungewünschten“ Wiedereinsetzung.
Folgender Verfahrensablauf: Die Klägerin hat gegen das ihr am 12.10.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 12.01.2024 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 11.01.2024 hat der Vertreter des Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Antrag übermittelt, die Berufungsbegründungsfrist erneut bis zum 26.01.2024 zu verlängern, weil der Prozessbevollmächtigte als alleiniger Sachbearbeiter erkrankt sei. Die Beklagte hat am selben Tag kurz zuvor einer weiteren Fristverlängerung nicht zugestimmt.
Die Berufungsbegründungsschrift ist am 25.01.2024 bei dem Berufungsgericht eingegangen. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden vom 12.02.2024, dass eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist nicht gewährt worden sei und die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.03.2024 geltend gemacht, über den Verlängerungsantrag sei noch nicht entschieden worden, weshalb eine Verwerfung der Berufung nicht in Betracht komme. Dem nach Ablehnung der Fristverlängerung zu stellenden Antrag auf Wiedereinsetzung werde stattzugeben sein, da der erkrankungsbedingte Ausfall ihres Prozessbevollmächtigten unvorhersehbar gewesen sei und dieser als Einzelanwalt den grundsätzlich vertretungsbereiten Kollegen nicht in zumutbarer Weise mit der Fertigung der Berufungsbegründung habe beauftragen können. Mit Verfügung vom 15.04.2024 hat der Vorsitzende des Berufungssenats mitgeteilt, es sei bereits deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht gewährt werden könne. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.05.i 2024 wiederholt, dass über den Antrag auf Fristverlängerung durch mit Gründen versehenen Beschluss entschieden werden müsse. Demzufolge sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand noch nicht angebracht. Für den Fall der Ablehnung der Fristverlängerung hat sie angekündigt darzulegen, dass ihr Prozessbevollmächtigter mit einem grippalen Infekt bis zum 22. Januar 2024 ans Bett gefesselt gewesen sei.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. Der BGh hat die Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig zuückgewesien, weil es an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehle:
„…..
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt (§ 233 Satz 1 ZPO).
a) Einen Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) wurde mit dem Wegfall der eine Erstellung der Berufungsbegründung hindernden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, also mit Ablauf des 22. Januar 2024 in Gang gesetzt (§ 234 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2011 – VIII ZB 81/10, NJW 2011, 1601 Rn. 9, 11), und endete mit Ablauf des 22. Februar 2024 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB). Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin Wiedereinsetzung nicht beantragt. Das sieht die Rechtsbeschwerde nicht anders.
b) Das Berufungsgericht war entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht gehalten, der Klägerin von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
aa) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass die Gründe für die unverschuldete Fristversäumnis innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO offenkundig sind oder nach einem erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig geworden wären (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 – V ZB 187/13, NJW-RR 2015, 628 Rn. 12; BGH Beschluss vom 21. Februar 2023 – VIII ZB 17/22, MDR 2023, 861 Rn. 29, jeweils mwN).
bb) Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt aber nicht in Betracht, wenn die Partei ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Wiedereinsetzung werde nicht beantragt, und daran nach einem Hinweis des Gerichts festhält. Die Vorschrift des § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO soll lediglich verhindern, dass die Partei einen unverschuldeten Rechtsverlust allein deshalb erleidet, weil sie keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 – III ZR 168/12, NJW-RR 2013, 692 Rn. 19). Erklärt die Partei, nachdem sie von dem Gericht auf die Fristversäumung hingewiesen worden ist, sie stelle keinen Wiedereinsetzungsantrag, darf ihr über § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Wiedereinsetzung nicht gegen ihren Willen aufgedrängt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 – III ZR 168/12, aaO; MüKoZPO/Stackmann, 7. Aufl., § 236 Rn. 22 mwN). So wäre es hier. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat, auch nach mehreren Hinweisen des Berufungsgerichts auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, erklärt, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (noch) nicht zu stellen. Er hat die Wiedereinsetzung auch nicht vorsorglich oder hilfsweise beantragt. Im Gegenteil hat er auf seiner mit den prozessualen Vorgaben offenkundig unvereinbaren Rechtsauffassung beharrt, das Gericht müsse die Fristverlängerung durch begründeten Beschluss ablehnen und er sei erst im Anschluss daran gehalten, Wiedereinsetzung zu beantragen. Daran muss er sich festhalten lassen und kann nicht mit der Rechtsbeschwerde geltend machen, das Berufungsgericht hätte von Amts wegen Wiedereinsetzung gewähren müssen.“