Das Höchstmaß der Geldbuße, oder: Die Begründung des OLG Stuttgart lässt das Arbeiten mit altem Gesetzestext besorgen..

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Dieses ist das erste Arbeitsposting des Jahres 2019. Daher noch einmal allen Lesern ein frohes und erfolgreiches neues Jahr.

Und ich eröffne dann heute mit einem kleinen Schmankerl, nämlich dem OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.11.2018 – 4 Rb 25 Ss 1007/18, der mir vor einigen Tagen übersandt worden ist mit der Frage, ob in unserem OWi-HB bei den Rn. 1732 ff. die Rechtslage nicht richtig dargestellt werde? Bei solchen Fragen ist man als Herausgeber natürlich gleich „alarmiert“ und prüft und schaut sich die Sache an.

Worum geht es? Dem OLG Stuttgart-Beschluss liegt ein Verfahren beim AG Reutlingen zugrunde, in dem gegen den Betroffenen „wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen eine Vorschrift über die Vorfahrt in Tateinheit mit einem fahrlässigen Verstoß gegen eine Vorschrift über das allgemeine Verhalten im Straßenverkehr eine Geldbuße von 145 € verhängt“ worden ist. Das AG ist wohl davon ausgegangen, dass es sich dabei um die Regelbuße gehandelt hat.

Gegen das Urteil wird Rechtsbeschwerde eingelegt, die wegen der geringen Geldbuße der Zulassung bedarf (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 OWig). Das OLG lässt dann durch den Einzelrichter nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zu. Begründung: „Das Amtsgericht geht im angefochtenen Urteil bei der Bemessung der Geldbuße für die festgestellte Ordnungswidrigkeit von einem nach Tabelle 4 im Anhang zu § 3 Abs. 3 BKatV unzutreffenden Regelsatz aus. Die Begründung lässt besorgen, dass es sich dabei nicht nur um einen Rechtsfehler im Einzelfall handelt.“ Und: „Weil hier die Nachprüfung des Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, ist die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.“

Und dann ändert das OLG durch den Senat – also in Dreierbesetzung –  den Rechtsfolgenausspruch. Das begründet es u.a. mit folgenden Ausführungen:

„2. Der Rechtsfolgenausspruch kann auch nach dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Rechtsbeschwerdegerichts keinen Bestand haben.

Rechtsfehlerhaft ist bereits der angegebene Bußgeldrahmen von 5 € bis zu 1.000 €. Bei den hier in Rede stehenden fahrlässigen Ordnungswidrigkeiten beträgt gemäß § 17 Abs. 2 OWiG das Höchstmaß der Geldbuße 500 €, weil dem Betroffenen lediglich fahrlässiges Handeln zur Last fällt und § 24 Abs. 2 StVG für das Höchstmaß der Geldbuße von 1.000 € nicht zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln unterscheidet.“

Wer findet den Fehler? Nun m.E. nicht ganz so schwer. Denn diese Begründung lässt besorgen 🙂 , dass das OLG entweder keinen gültigen Gesetzestext zur Verfügung hatte (davon kann man aber wohl im „reichen“ Baden-Württemberg“ nicht ausgehen) oder eben einen alten Gesetzestext herangezogen hat. Denn die o.a. Passage ist nicht zutreffend. In § 24 Abs. 2 StVG heißt es nämlich schon seit 2009: „Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden.“ Und kombiniert man das mit § 17 Abs. 2 OWiG, in dem es heißt: „Droht das Gesetz für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Geldbuße an, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden, so kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden.“, dann kommt man aus den Ausgangspunkt des Amtsrichters für die Bemessung der Geldbuße, nämlich „Bußgeldrahmen von 5 € bis zu 1.000 €„.

Und nun? Nichts weiter. Der Amtsrichter wird diebische Freude haben über den Fehler des OLG, das ihn wahrscheinlich in anderen Fällen auch gerne immer mal wieder belehrt, und dem OLG die „virtuelle Zunge herausstrecken“. Der Fehler ist ja nicht schlimm. Oder doch? Nun, schlimm nicht, aber man fragt sich schon, warum eigentlich sechs Augen – ich erinnere Dreierbesetzung – die insgesamt mit R 7 (R 3 und 2 x R 2) bezahlt werden, das überlesen. Und: Man hat sogar die Rechtsbeschwerde zugelassen. Na ja, kann man passieren, darf/sollte aber nicht…

Wen es interessiert, wie es in der Sache weiter gegangen ist: Das OLG hat eine Geldbuße von nur 50 € festgesetzt:

„Das Amtsgericht geht bei seiner Rechtsfolgenentscheidung von einem unzutreffenden Regelsatz von 145 € aus, obwohl dieser gemäß Lfd. Nr. 34 BKat in Verbindung mit § 3 Abs. 3 BKatV in Ver-bindung mit Tabelle 4 lediglich 120 € beträgt. Gemäß § 3 Abs. 3 BKatV erhöhen sich die Regelsätze des Bußgeldkatalogs bei Vorliegen einer Gefährdung oder Sachbeschädigung nach Tabelle 4, soweit diese Merkmale oder eines dieser Merkmale nicht bereits im Tatbestand des Bußgeldkatalogs enthalten sind. Lfd. Nr. 34 BKat umschreibt den hier einschlägigen Tatbestand wie folgt: „Vorfahrt nicht beachtet und dadurch eine vorfahrtsberechtigte Person gefährdet“. Der Bußgeldkatalog enthält demnach eine Gefährdung, nicht aber eine Sachbeschädigung. Für diesen Fall sieht die Tabelle 4 (in ihrem zweiten Teil) eine Erhöhung des Regelsatzes von 100 € auf 120 € vor. Da das Amtsgericht ausdrücklich die „Regelbuße“ festsetzen wollte, beruht die Rechtsfolgenentscheidung auf diesem Rechtsfehler.

3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden und verhängt eine Geldbuße von 50 €. Den vorfahrtsberechtigten Verletzten trifft am Unfallgeschehen und der eingetretenen Gefährdung ein nicht unerhebliches Mitverschulden, da er nach den getroffenen Feststellungen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 24 km/h überschritten hat. Für die Rechtsfolgenentscheidung ist zu Gunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass sich dieses verkehrswidrige Verhalten des Verletzten auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hat; der Senat schließt aus, dass bei einer erneuten tatrichterlichen Verhandlung — jedenfalls unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes — für den Betroffenen nachteilige Feststellungen getroffen werden können. Die durch das Mitverschulden des Verletzten begründete Abweichung von den gewöhnlichen Tatumständen, von denen der Regelsatz ausgeht (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV), rechtfertigt die Verhängung einer geringeren Geldbuße. Nach Auffassung des Senats ist unter Berücksichtigung der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Vorwurfs, der den Betroffenen trifft, eine Geldbuße von 50 € angemessen.“

Insofern: Fehlerfrei :-).

Für mich Entwarnung beim OWi-Handbuch. Und das führt dann gleich <<Werbemodus an>> zum ersten Werbehinweis 2019: Man kann das OWi-Handbuch, das in 5. Auflage vorliegt, hier bestellen <<Werbemodus>> aus.

Ein Gedanke zu „Das Höchstmaß der Geldbuße, oder: Die Begründung des OLG Stuttgart lässt das Arbeiten mit altem Gesetzestext besorgen..

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