Ich stelle dann heute am Gebührentag zwei Entscheidungen vor, die in der letzten Zeit zur Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) veröffentlicht worden sind.
Zunächst kommt hier das BGH, Urt. v. 08.05.2025 – IX ZR 90/23. Es geht um die Frage, ob ein zwischen den Parteien vereinbartes Zeithonorar (für zivilrechtliche Streitigkeiten) unangemessen ist/war und wie man damit umgehen muss.
Kläger war/ist ein auf öffentliches und privates Baurecht spezialisierter Rechtsanwalt. Er übernahm die Beratung und Vertretung des Beklagten und seiner Ehefrau in mehreren Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Neubau eines Einfamilienhauses. Am 01.03.2011 schlossen die Parteien eine Vergütungsvereinbarung, wonach sich der Beklagte und seine Ehefrau zur Zahlung eines nach Zeitaufwand berechneten Honorars unter Zugrundelegung eines Stundensatzes in Höhe von 250 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer, mindestens aber zur Zahlung der gesetzlichen Gebühren verpflichteten. Daneben sollten die im Rahmen der Tätigkeit tatsächlich entstandenen Auslagen erstattet werden. Aufgrund der Vergütungsvereinbarung stellte der Kläger dem Beklagten und seiner Ehefrau Rechnungen, die teilweise vollständig bezahlt wurden. Zum Teil bezahlten der Beklagte und seine Ehefrau aber nur teilweise. Am 08.06.2017 hat der Kläger das Mandat gekündigt.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten und seiner Ehefrau u.a. Zahlung von (nach erklärter Aufrechnung noch offenen) 42.415,07 EUR und die Feststellung, dass dem Beklagten und seiner Ehefrau kein Anspruch auf Auszahlung eines auf ein Fremdgeldkonto des Klägers gezahlten Betrags von 24.506,54 EUR zusteht. Das LG hat den Beklagten und seine Ehefrau antragsgemäß verurteilt.
Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG (vgl. OLG Köln, Urt. v. 12.04.2023 – 11 U 218/19) durch Teilurteil die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 13.401,26 EUR nebst Zinsen und Kosten und die Feststellung, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Auszahlung des auf dem Fremdgeldkonto des Klägers befindlichen Betrags von 24.506,54 EUR zusteht, bestätigt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass dem Kläger auf der Grundlage der Vergütungsvereinbarung vom 01.03.2011 ein Honoraranspruch in Höhe von insgesamt 100.000 EUR zustehe, der indes größtenteils durch bereits geleistete Zahlungen des Beklagten und seiner Ehefrau erfüllt sei. Die Vergütungsvereinbarung sei nicht deswegen nach § 138 BGB nichtig, weil die abgerechneten Gebühren um mehr als das Fünffache höher seien als die abrechenbaren gesetzlichen Gebühren. Auch das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren reiche für sich genommen nicht aus, um den Schluss auf ein auffälliges oder besonderes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ziehen zu können. Die ersichtlich formularmäßige Vergütungsvereinbarung halte auch einer AGB-rechtlichen Prüfung stand. Zwar enthalte die Vergütungsvereinbarung weder Angaben, anhand derer die Gesamtvergütung der Größenordnung nach einzuschätzen gewesen sei, noch die Verpflichtung des Anwalts, in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, in denen die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausgewiesen sei. Die Vergütungsvereinbarung habe aber vorgesehen, dass wenigstens die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG zu zahlen seien, so dass für den Verbraucher bereits vor Vertragsschluss eine eindeutige Kostenuntergrenze bestanden habe, die ihm zumindest der Größenordnung nach eine erste, wenngleich grobe Orientierung gegeben habe. Der vereinbarte Stundensatz von 250 EUR sei für sich genommen nicht zu beanstanden. Die vereinbarte Vergütung sei allerdings unangemessen hoch und nach § 3a Abs. 2 S. 1 RVG herabzusetzen. Auch bei Vereinbarung eines reinen Zeithonorars spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das vereinbarte Honorar unangemessen hoch sei, wenn das Honorar die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteige. Die aus der erforderlichen Vergleichsbetrachtung folgende tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit des vereinbarten Honorars habe der Kläger nicht widerlegt. Als Rechtsfolge sei das Honorar unter Berücksichtigung eines fiktiven gesetzlichen Honoraranspruchs von rund 25.000 EUR und aller übrigen Umstände auf 100.000 EUR zu reduzieren.
Mit seiner vom BGH zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, der Beklagte hat Anschlussrevision eingelegt und begehrt die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Beim BGH hatten Revision und Anschlussrevision Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.
Der BGH hat das Urteil umfangreich begründet. Die Begründung kann man hier nicht einstellen, dafür ist sie zu lang. Insoweit ist also „Selbstlesen“ angesagt. Hier stelle ich nur die Leitsätze (des BGH) ein, und zwar:
1. Die Vergütungsvereinbarung bestimmt, auf welche Tätigkeiten und welche Angelegenheiten die Prüfung der unangemessenen Höhe der Vergütung zu beziehen ist. Danach richtet sich, ob von einer einheitlichen Vergütungsvereinbarung erfasste anwaltliche Tätigkeiten, die jeweils den Gegenstand eines selbständigen Anwaltsdienstvertrags bilden können, für die Prüfung der Angemessenheit der Vergütung getrennt von anderen nach der Vergütungsvereinbarung erfassten Aufträgen zu betrachten sind. Wurde der Rechtsanwalt mit anwaltlichen Tätigkeiten betraut, die üblicherweise den Gegenstand eines selbständigen Anwaltsdienstvertrags bilden, ist grundsätzlich auf die hierfür ausgeübten Tätigkeiten, den darauf entfallenden Teil der Vergütung nach der Vergütungsvereinbarung sowie die hierfür fiktiv anfallenden gesetzlichen Gebühren abzustellen.
2. Die tatsächliche Vermutung, dass ein vereinbartes Honorar unangemessen hoch ist, welches die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt, gilt auch bei Vereinbarung eines Zeithonorars für zivilrechtliche Streitigkeiten.
3. Bei der Herabsetzung einer unangemessen hohen Vergütung auf den angemessenen Betrag ist dem von den Parteien gewählten Vergütungsmodell Rechnung zu tragen. Ein von den Parteien vereinbartes Zeithonorar kann nicht durch Kappung des Honoraranspruchs auf einen Pauschalbetrag der Sache nach in ein Pauschalhonorar umgestaltet werden.
Die Entscheidung hat m.-E. für die Praxis erhebliche Bedeutung, auch in anderen Sachen als Zivilsachen.
Das gilt einmal hinsichtlich der Ausführungen des BGH zu der Frage, ob die Vereinbarung des Zeithonorars gemäß § 3a RVG rechtmäßig war. Das hat der BGH auf der Grundlage seiner dazu vorliegenden Rechtsprechung bejaht. Auch die Höhe des konkret vereinbarten Stundensatzes von 250 EUR hat er erneut nicht beanstandet.
Ebenso hatte er keiner Bedenken im Hinblick auf die Transparenz der formularmäßigen Vereinbarung nach § 307 BGB. Von Bedeutung ist zudem, dass der BGH anders als noch in seinem Urt. v. 12.9.2024 – IX ZR 65/23), über das ich hier ja auch berichtet habe, die dort recht hoch gestellten Anforderungen an die Darlegung der tatsächlich erforderlichen Stunden durch den Rechtsanwalt ein wenig reduziert hat und den mit der Überprüfung der Angemessenheit befassten Gerichten das Recht einräumt, selbst zu überprüfen, wieviel Zeit für eine Mandat angemessen ist/war. Allerdings trifft den Rechtsanwalt an der Stelle im Zweifel eine Darlegungslast. Er kann nicht nur pauschale Angaben machen, sondern muss schlüssig und konkret die von ihm geltend gemachten Stunden darlegen.
Darüber hinaus schreibt der BGH fest, dass auch bei einer Rahmenvereinbarung, wie sie hier abgeschlossen worden ist, für die Unangemessenheit jedes einzelne Mandat betrachtet und bewertet werden, wenn es nicht Gegenstand eines Dauermandats ist. Das bedeutete hier, dass jedes einzelne Mandat eine gesonderte Prüfung vorzunehmen ist/war, ob die dafür geltend gemachte Stundenzahl angemessen war. Wenn das OLG in einem oder mehreren Mandaten zur einer unangemessenen Vergütung kommt, muss es dann in jedem Fall eine Herabsetzung prüfen werden.
Und: Der BGH geht jetzt davon aus, dass sein „Fünf-Quotienten-Rechtsprechung“ nicht nur für das Strafverfahren und das Familienrecht gilt, sondern eben auch in allgemeinen Zivilsachen. Alles in allem handelt es sich also um eine Entscheidung, mit der sich Rechtsanwälte sowohl im Hinblick auf die Wirksamkeit eines vereinbarten Zeithonorars als auch bei dessen Abrechnung werden befassen und die sie beachten müssen.
