Nachträgliche Aufhebung der „Pflichti“-Bestellung, oder: Kein Gebührenverlust

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Und dann habe ich hier eine „richtige“ Entscheidung zu den Folgen der Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung auf die anwaltlichen Gebühren. Dazu hat das LG Braunschweig im LG Braunschweig, Beschl. v. 17.07.2025 – 4 Qs 178/25 – Stellung genommen.

Der Verteidiger war in dem Verfahren vom AG rückwirkend zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Die Bestellung hatte das LG im Beschwerdeverfahren dann aufgehoben. Gestritten wurde dann um die Pflichtverteidigergebühren, die zunächst festgesetzt worden sind. Gegen die Vergütungsfestsetzung hat dann der Bezirksrevisor gemäß § 56 RVG Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hatte er ausgeführt, dass die Aufhebung der Beiordnung durch das Rechtsmittelgericht zu Folge habe, dass die Beiordnung seit dem Zeitpunkt ihres Erlasses, also rückwirkend, keine Wirkung entfalte. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung daraufhin abgeholfen und den Vergütungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Erinnerung des Rechtsanwalts hat das AG zurückgewiesen. Beim LG hatte er dann aber Erfolg:

„Der Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit aus der Landeskasse aus § 45 Abs. 3 S. 1 RVG in Höhe von 584,29 €. Gemäß § 48 Abs. 6 S. 1 RVG ist ihm auch die Tätigkeit vor der Bestellung zu vergüten.

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 05.02.2025 im Sinne des § 45 Abs. 3 S. 1 RVG wirksam als Pflichtverteidiger gemäß § 142 Abs. 2 StPO bestellt. Wird die Bestellung wie hier durch Beschluss angeordnet, ist diese, jedenfalls zunächst, wirksam. Für die Wirksamkeit der Bestellung kommt es nicht darauf an, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung vorliegen. Denn die Bestellung begründet eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Verteidigers, unabhängig davon, ob die Entscheidung rechtskräftig wird, zur sachgerechten Mitwirkung am Strafverfahren. Auch § 307 Abs. 1 StPO ordnet an, dass durch Einlegung der Beschwerde der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt wird.

Die vorliegend am 19.02.2025 durch den hiesigen Spruchkörper erfolgte spätere Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt jedoch nicht dazu, dass die Bestellung von Anfang an entfällt. Diese Wirkung tritt erst zu dem Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ein. Der wirksame, aber nicht rechtskräftig bestellte Pflichtverteidiger wird erst zu dem Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung durch das Beschwerdegericht entpflichtet.

Dies ist auch sachgerecht, damit einerseits zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Wirksamkeit der bis dahin vorgenommenen Handlungen des Pflichtverteidigers besteht. Andererseits wird das Vertrauen des Pflichtverteidigers in seine Bestellung und damit die Begründung eines Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse geschützt. Der Pflichtverteidiger darf darauf vertrauen, dass er für seine Tätigkeit auch vergütet wird (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss v. 18.07.2023 – Ws 133/23, NJW 2023, 2737; BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt RVG § 48 Rn. 47a; Mayer, NJW 2023, 3401).“

Dem ist nichts hinzu zu fügen, außer dass die Entscheidung zutreffend ist. Sie entspricht der zu der Frage vorliegenden überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. außer der zitierten Entscheidung des OLG Nürnberg, a.a.O., noch LG Kaiserslautern RVGreport 2019, 135 = JurBüro 2019, 245 und AG Osnabrück (Beschl. v. 11.10.2021 – 202 Ds (211 Js 11318/21) 235/21, AGS 2021, 548. Anderer Auffassung sind zwar das AG Amberg (AGS 2022, 506) und das LG Amberg (AGS 2023, 116) gewesen, deren Entscheidungen sind aber vom OLG Nürnberg (a.a.O.)  aufgehoben worden. Die infolge der Bestellung einmal angefallenen Gebühren fallen nicht einfach so aufgrund der Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung weg. Eine Blick in § 15 Abs. 4 RVG hätte dem Bezirksrevisor geholfen.

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