OWi II: Umfang der Akteneinsicht des Verteidigers, oder: AG Gotha topp, AG Mainz hopp

Bild von kalhh auf Pixabay

Und dann habe ich hier mal wieder zwei AG-Entscheidungen zur Einsicht bzw. zum Umfang der Einsicht in Messunterlagen durch den Verteidiger. Man sollte ja glauben, dass die Problematik erledigt ist. Ist sie aber, wie die veröffentlichten Entscheidungen immer wieder zeigen, leider nicht.

Es geht um folgende zwei Entscheidungen:

AG Gotha, Beschl. v. 09.04.2025 – 9 AR 13/25 OWi: Das AG Gotha hat in der Entscheidung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 12.11.2020 – 2 11/R 1616/18) und des OLG Jena (OLG Jena, Beschl. v.  17.03.2021 – 1 OLG 331 SsBs 23/20) aus dem Recht auf faire Verfahrensgestaltung im Bußgeldverfahren einen grundsätzlichen Anspruch des Betroffenen gegenüber der Bußgeldbehörde auf Zugang zu den bei ihr vorhandenen, nicht zur Akte gelangten Informationen, die aus Sicht des Betroffenen für die Beurteilung der Erfolgsaussichten seiner Verteidigung bedeutsam sein können, bejaht. Allerdings sollen Rohmessdaten davon nicht erfasst werden.

AG Mainz, Beschl. v. 19.05.2025 – 409 OWi 370/25: Das AG Mainz meint demgegenüber, dass es dem fairen Verfahren entspreche, wenn der Verteidigung alle Unterlagen vorliegen, die auch dem Gericht vorliegen und die von dem Gericht für die Entscheidung herangezogen werden. Das faire Verfahren soll nicht voraussetzen, dass der Verteidigung Dateien und Unterlagen zur Verfügung stehen, die für die gerichtliche Entscheidungsfindung nicht nötig seien.

Zur Bewertung: Die Entscheidung des AG Gotha ist weitgehend zutreffend. Ob das auch wegen der Rohmessdaten gilt, wird sich zeigen, wenn der BGH über die Divergenzvorlage des OLG Saarbrücken im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.04.2025 – 1 Ss (OWi) 112/24 – entschieden hat.

Über die Entscheidung des AG Mainz kann man nur den Kopf schütteln. Wenn man die liest, hat man den Eindruck, dass die Rechtsprechung der Obergerichte aus den letzten Jahren um Mainz einen Bogen gemacht hat. Denn es ist einhellige Meinung, dass der Betroffene eben auch einen Anspruch auf die Unterlagen hat, die aus seiner Sicht für die Beurteilung der Erfolgsaussichten seiner Verteidigung bedeutsam sein können. Das BVerfG lässt grüßen. Allerdings: Wenn man so manche Entscheidung des „übergeordneten“ OLG Koblenz oder des OLG Frankfurt am Main liest, wundert die Entscheidung dann nicht mehr so sehr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert