Im zweiten Posting dann etwas zum Beweisantrag, und zwar der BGH, Beschl. v. 06.05.2025 – 4 StR 474/24.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Mit ihrer Verfahrensrüge beanstanden die Angeklagten im Rahmen der Revision die Ablehnung eines auf Vernehmung eine Zeugen N. gerichteten Beweisantrags. Dessen Vernehmung hatte der Angeklagte P. mit der Begründung beantragt, der Zeuge werde bekunden, den Geschädigten am 01.01.2023 gemeinsam mit dem Angeklagten P. gesehen zu haben. Dieser habe dem Geschädigten mitgeteilt, seine Sachen von der Sparkasse mitgenommen zu haben, damit diese nicht wegkämen. Der Geschädigte sei aufgefordert worden, seine Jacke und sein Portemonnaie bei dem Angeklagten abzuholen, da seitens der Angeklagten kein Interesse an den Gegenständen bestanden habe noch bestehe.
Die Strafkammer hat den Beweisantrag abgelehnt, da die zum Beweis gestellte Tatsachenbehauptung, soweit hierdurch Rückschlüsse auf den Vorsatz bei der Tat gezogen werden sollten, bedeutungslos sei und im Übrigen als wahr unterstellt werden könne. Hierzu hat es ausgeführt, dass es sich bei dem Umstand, dass der Angeklagte P. die entwendete Jacke am Vormittag nach der Tat zurückgeben wollte, bezogen auf den behaupteten Vorsatz, in der Tatnacht die Jacke lediglich sicherzustellen, um eine reine Indiztatsache handele. Der als erwiesen unterstellte Umstand, dass der Angeklagte P. Bemühungen unternommen habe, dem Geschädigten seine Jacke zurückzugeben, führe aber nicht dazu, dass die Strafkammer bei vorläufiger Würdigung eine bis zur Beendigung der Raubtat bestehende Zueignungsabsicht nicht festzustellen vermöge, zu der es mit dem sich aus der Videoaufnahme ergebenden Verjagen des Geschädigten aus dem Tatortbereich gekommen sei. Dass der Angeklagte P. die Jacke zu einem späteren Zeitpunkt zurückgeben wollte, sei daher kein Indiz, dass eine Zueignungsabsicht bis zur Tatbeendigung – die die Strafkammer im Verjagen des Geschädigten aus dem Tatortbereich erblickt – nicht vorgelegen habe. Soweit der Zeuge wahrgenommen habe, dass der Angeklagte P. den Geschädigten erfolgreich gesucht und diesem gegenüber geäußert habe, dass er seine Sachen mitgenommen habe, damit diese nicht wegkämen, erlange dies für sich betrachtet Bedeutung im Zuge der Strafzumessung und unterstelle die Kammer diese Tatsachen als wahr.
Die Verfahrensrüge hatte keinen Erfolg:
„a) Im Ausgangspunkt zu Recht weist die Revision des Angeklagten P. allerdings darauf hin, dass das Gericht, das einen Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen ablehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache wie eine erwiesene Tatsache in das bisherige Beweisergebnis einzustellen hat. Die hypothetische Beweiswürdigung darf keine Abstriche an der Beweisbehauptung vornehmen, sie darf diese nicht entgegen ihrem Sinn auslegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 1993 – 5 StR 639/93 Rn. 3; Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1 StR 141/15 Rn. 6; Beschluss vom 3. Dezember 2015 – 2 StR 177/15 Rn. 7; Beschluss vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18 Rn. 12; für den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen auch BGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 – 4 StR 102/23 Rn. 12). Zutreffend ist überdies, dass eine Beweistatsache nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 244 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 StPO nur dann als wahr unterstellt werden darf, wenn sie erheblich ist, d.h. für die Entscheidungsfindung Bedeutung erlangen kann, und dass es hiermit nicht vereinbar ist, wenn das Gericht Beweistatsachen einerseits als wahr unterstellt und andererseits ausführt, sie seien bedeutungslos, weil der vom Antragsteller gewünschte Schluss nicht zwingend sei und vom Gericht nicht gezogen werde (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02 Rn. 9, juris).
b) Ob die Strafkammer die aufgestellte Beweisbehauptung unter Verkennung diese Grundsätze sowohl als bedeutungslos behandelt wie zugleich als wahr unterstellt hat, kann dahinstehen, da ein etwaig hierin liegender Rechtsfehler die Angeklagten jedenfalls nicht beschwert. Denn auch den Urteilsgründen ist hinlänglich klar zu entnehmen, dass sich die Strafkammer mit dem vollen Umfang der aufgestellten Beweisbehauptung befasst hat und lediglich nicht bereit war, die hiermit erstrebte Schlussfolgerung zu ziehen, da sie sich an einer solchen durch das – maßgeblich auf Überwachungsaufnahmen gestützte – äußere Tatgeschehen gehindert sah. War die Strafkammer insbesondere auch für den Fall der Wahrunterstellung nicht gehalten, die gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2011 – 1 StR 633/10 Rn. 76), werden die Angeklagten allein dadurch, dass die Strafkammer das von ihnen behauptete Rückgabebemühen im Rahmen der Strafzumessung zu ihren Gunsten gewertet hat, nicht beschwert.“