Im zweiten Posting dann etwas zur Fahrerlaubnis auf Probe.
Gestriiten wird in einem Verfahren, das mit dem BayVGH, Beschl. v. 22.04.2025 – 11 CS 25.327 – geendet hat, um die die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Am 09.09.2022 erteilte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller eine Fahrerlaubnis auf Probe der Klassen AM, B, und L. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 13.10.2023, dem Antragsteller zugestellt am 18.10.2023, forderte sie ihn auf, innerhalb von drei Monaten ab Zustellung der Anordnung an einem Aufbauseminar für Fahranfänger teilzunehmen und nach erfolgreichem Abschluss eine Teilnahmebestätigung vorzulegen. Zu Grunde lag dem ein rechtkräftiger Bußgeldbescheid wegen einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 40 km/h innerhalb einer geschlossenen Ortschaft am 03.02.2023.
Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 19.03.2024 an die Vorlage der Teilnahmebescheinigung erinnert und zur Entziehung der Fahrerlaubnis angehört hatte, wandte sich der Antragsteller erstmals mit E-Mail vom 28.03.2024 an die Behörde. Ihm sei die Teilnahme an einem Aufbauseminar bisher aus persönlichen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Bei der für ihn nächstgelegenen Fahrschule gebe es kein Seminar bis Ende April/Anfang Mai 2024. Er werde sich unverzüglich melden, sobald der Termin feststehe.
Mit E-Mail vom 02.04.2024 lehnte die Antragsgegnerin die begehrte Fristverlängerung ab. Die gesetzte Frist sei bereits am 18.01.2024 verstrichen, eine Rückmeldung erst nun erfolgt. Am selben Tag übersandte der Antragsteller eine Bestätigung über die Anmeldung zu einem Aufbauseminar bei einer anderen Fahrschule mit Terminen vom 29.04. bis 16.05.2024.
Mit Bescheid vom 23.04. 2024 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Anordnung des Sofortvollzugs, seinen Führerschein unverzüglich abzugeben. Dagegen die Klage und zugleich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das VG abgelehnt hat. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die keinen Erfolg hatte.
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Ferner hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Frist zur Vorlage der Teilnahmebescheinigung nicht zu verlängern, nicht zu beanstanden ist. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen dringt nicht durch.
a) Der angegriffene Beschluss hat zutreffend zu Grunde gelegt, dass von einer Behörde gesetzte Fristen nach Ermessen, dessen Ausübung gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO), verlängert werden können (Art. 37 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG). Sind solche Fristen – wie hier – bereits abgelaufen, können sie auch rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolgen bestehen zu lassen (Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG). Folglich hat das Verwaltungsgericht zu Recht in den Blick genommen, ob die Nichtverlängerung unter Berücksichtigung persönlicher und sachlicher Gründe unbillig wäre (vgl. dazu auch BayVGH, B. v, 28.6.2024 – 11 CS 24.454 – juris Rn. 22; Mattes in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 48; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 31 VwVfG Rn. 31 f.). So kann es im Fall der unverschuldeten Versäumung einer Frist zur Teilnahme an einem Aufbauseminar liegen, wenn der Betroffene rechtzeitig eine Fristverlängerung beantragt, gleichzeitig substantiiert die Hinderungsgründe darlegt sowie erkennbar den Willen äußert, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren. Für die nachträgliche Verlängerung der Frist ist darüber hinaus darzulegen, weshalb der Fahranfänger an einer vorherigen Mitteilung der Hinderungsgründe innerhalb der Frist gehindert war (vgl. OVG SH, B. v, 31.3.2021 – 5 MB 39/20 – NJW 2021, 1771 = juris Rn. 13; Trésoret in Freymann/Wellner, jurisPK-StVR, Stand 14.4.2025, § 2a StVG Rn. 209 ff.; Derpa in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl. 2025, § 2a StVG Rn. 42). Liegen diese Voraussetzungen vor und wird die Fahrerlaubnis auf Probe gleichwohl unter Ablehnung der Fristverlängerung entzogen, kann dies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (vgl. OVG SH a.a.O.; Trésoret a.a.O. Rn. 210). Wirtschaftliches Unvermögen zur Finanzierung des Aufbauseminars ist insoweit dabei allerdings grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. Trésoret a.a.O. Rn. 209; Derpa a.a.O.).
b) Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Verweigerung einer Fristverlängerung hier nicht unbillig und die Entziehung der Fahrerlaubnis folglich nicht unverhältnismäßig ist. Die dreimonatige Frist zur Teilnahme an dem Aufbauseminar erscheint üblich und nicht von vornherein zu kurz bemessen (vgl. zu einem Richtwert von 2 bis 3 Monaten auch Trésoret, a.a.O. § 34 FeV Rn. 40). Der Antragsteller hat ferner, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm die fristgerechte Teilnahme an einem Aufbauseminar aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen wäre. Insbesondere ein Mangel an Seminarangeboten ist nicht dargetan worden. Dazu hätte er substantiiert vortragen müssen, sich bei allen geeigneten Seminarstellen im Umkreis, wozu hier jedenfalls die gesamte Landeshauptstadt München als örtlicher Zuständigkeitsbereich der handelnden Fahrerlaubnisbehörde gehört, erfolglos um eine Teilnahme bemüht zu haben (vgl. OVG LSA, B. v, 3.6.2022 – 3 M 48/22 – juris Rn. 6; Trésoret a.a.O. § 2a StVG Rn. 210.1). Ein derart substantiiertes Vorbringen ist innerhalb der gesetzten Frist, abgesehen davon aber auch im gerichtlichen Verfahren nicht erfolgt. Wenn die Beschwerde einwendet, die Anbieter der Seminare müssten abwarten, bis sich eine ausreichende Anzahl von Teilnehmern angemeldet habe (vgl. dazu auch § 34 Abs. 1 Satz 1 FeV), genügt dies den genannten Anforderungen offensichtlich nicht. Sofern sie auf Schwierigkeiten aufgrund fehlender Kenntnisse der deutschen Sprache hinweist, ist kein Bezug zu der Situation des Antragstellers erkennbar und kommt es darauf schon deswegen nicht an. Ferner fehlt jeglicher Vortrag dazu, warum der Antragsteller etwaige Hinderungsgründe nicht innerhalb der gesetzten Frist geltend gemacht, sondern erst mehr als zwei Monate nach deren Ablauf und auf die Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis hin.
c) Ebenfalls ohne Erfolg wirft der Antragsteller ein, die Fristsetzung habe keinen tiefgreifenden inneren Sinn. Das Gesetz geht davon aus, dass sich ein Fahranfänger bereits bei einer der in § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG genannten Zuwiderhandlungen in der Probezeit nicht bewährt hat und die weitere Teilnahme am fahrerlaubnispflichtigen Straßenverkehr in diesem Fall die vorherige Korrektur der Fehlverhaltensweisen voraussetzt (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 14, 19; VG Karlsruhe, B. v, 13.2.2008 – 9 K 4351/07 – juris Rn. 6; Trésoret a.a.O. § 2a StVG Rn. 201). Ferner hält es der Gesetzgeber für notwendig, bei Fahranfängern, die durch Verkehrsverstöße auffällig geworden sind, die darin zum Ausdruck kommende mangelnde Erfahrungsbildung bzw. Risikobereitschaft alsbald zu korrigieren. Dies ergibt sich auch aus der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar (§ 2a Abs. 6 StVG) sowie der Gesetzesbegründung dazu. Ein möglichst enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Verkehrsverstoß und Aufbauseminar ist nach seiner Vorstellung von erheblicher Bedeutung für deren Wirksamkeit (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 20). Demnach erscheint es hier zwar nicht zwingend, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nach Vorlage der Anmeldung zu dem (nach Bescheiderlass erfolgreich absolvierten) Aufbauseminar keine weitere Frist eingeräumt hat. Ihre Entscheidung dagegen ist jedoch auch nach dem vorgenannten Zweck der Fristsetzung nicht unbillig und gerichtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als die Anmeldung zu einem Aufbauseminar noch nichts darüber besagt, dass dieses auch zeitnah erfolgreich abgeschlossen wird (vgl. dazu auch § 37 Abs. 2 FeV; Koehl in Hentschel/König, § 37 FeV Rn. 1).
d) Weiter geht der Vorwurf fehl, die Entziehung der Fahrerlaubnis habe den Charakter eines „Racheaktes“ bzw. einer Ahndung. Die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar ist nicht gegen den Willen des Fahranfängers vollstreckbar. § 2a Abs. 3 StVG sieht daher als verfahrensrechtliche Konsequenz aus der Nichtbefolgung der Anordnung die (zwingende) Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde vor (vgl. Trésoret, a.a.O. § 2a StVG Rn. 201). Dies verleiht der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar den erforderlichen Nachdruck und ist Ausdruck davon, dass die Probezeit für den Fahranfänger eine Zeit der Bewährung ist, in der besondere Anforderungen an sein Verkehrsverhalten und auch an seine aktive Teilnahme an behördlich angeordneten Maßnahmen gestellt werden (vgl. BT-Drs. 10/4490 S. 20). Sie dient folglich nicht der Vergeltung, sondern verfolgt als Maßnahme der Gefahrenabwehr den Zweck, künftigen Verkehrsverstößen vorzubeugen (vgl. VG Göttingen, U.v. 3.4.2013 – 1 A 92/11 – NJW 2013, 2697 = juris Rn. 18)….“