Und dann am Samstagnachmittag das AG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2025 – 31 C 159/24. Das AG hat in seiner Entscheidung über den Regress einer Haftpflichtversicherung gegen einen Versicherungsnehmer wegen einer Obliegenheitsverletzung entschieden. Stichwort: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die klagende Kfz-Haftpflichtversicherung nimmt den Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls vom 04.07.2021 in Regress. Für den Pkw vom Typ Mercedes-Benz C 180 mit dem amtlichen Kennzeichen: pp. bestand bei der Klägerin eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Diesem Vertrag lagen unstreitig die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung der Klägerin zu Grunde. Versicherungsnehmerin der Klägerin war die eine Firma.
Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte am 04.07.2021 mit diesem Pkw als berechtigter Fahrer unterwegs gewesen sei und diesen gefahren habe. Gegen 14:00 Uhr habe der Beklagte mit dem bei ihr versicherten Pkw auf einer gewendet. Hierbei sei er rückwärtsfahrend mit einem am Fahrbahnrand abgestellten Kraftfahrzeug vom Typ BMW X3 kollidiert.
Dieser Unfall sei auch durch zwei Zeugen beobachtet worden. Diese beiden Zeugen hätten den Beklagten auch auf den Unfall hin angesprochen. Der Beklagte sei daraufhin ausgestiegen und habe Lichtbilder von den Schäden an den Fahrzeugen gefertigt. Anschließend sei der Beklagte aber wieder eingestiegen und habe sich von der Unfallstelle entfernt, und zwar ohne die Wartezeit einzuhalten und ohne die Feststellung seiner Identität zu ermöglichen. Die Zeugen hätten dies bemerkt und ihre Kontaktdaten an dem beschädigten Kraftfahrzeug vom Typ BMW X3 mit dem amtlichen Kennzeichen hinterlassen.
Die Klägerin wurdei sodann als zuständiger Haftpflichtversicherer von der Geschädigten ermittelt und auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Beklagte hat der Klägerin gegenüber hierauf hin behauptet, dass es keine Unfallbeteiligung des bei ihr versicherten Pkws vom Typ Mercedes-Benz C 180 eingetreten sei. Er habe behauptet, dass dieser Pkw zum Unfallzeitpunkt gar nicht am Unfallort gewesen sei.
Aufgrund dieser (wahrheitswidrigen Angaben) gegenüber der Klägerin zu der angeblich nicht bestehenden Unfallbeteiligung hat die Klägerin zunächst die Regulierung des Haftpflichtschadens gegenüber der Geschädigten zurückgewiesen. Dies hat dazu geführt, dass die Geschädigte im Wege der Zivilklage die nunmehrige Klägerin in Anspruch genommen hat. Nachdem die Klägerin dann nach Klagezustellung die Ermittlungsakte erhalten und von der Verurteilung des Beklagten Kenntnis erlangt hat, hat sie die Klageforderung anerkannt.
Die Klägerin nimmt nun den Beklagten aufgrund ihrer allgemeinen Versicherungsbedingungen in Anspruch. Die Klägerin meint:
Gemäß Absatz E.1.3 AKB ihrer allgemeinen und mit der Versicherungsnehmerin vereinbarten Versicherungsbedingungen sei geregelt, dass der Versicherungsnehmer alles zu tun habe, was zur Aufklärung des Versicherungsfalles und des Umfanges ihrer Leistungspflicht erforderlich sei. Insbesondere werde dort auch darauf hingewiesen, dass der Unfallort nicht unerlaubt verlassen werden darf und gestellte Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses etc. wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten sind. Da ein berechtigter Fahrer – wie hier der Beklagte – von dem Versicherungsschutz des Haftpflichtvertrages mit umfasst sei, würden die im Versicherungsvertrag geltenden Obliegenheiten genauso auch für den berechtigten Fahrer gelten. Dies sei unter F.1 AKB ihrer allgemeinen und mit der Versicherungsnehmerin vereinbarten Versicherungsbedingungen so geregelt. Ebenso würden die Folgen einer Verletzung von Obliegenheiten genauso für den berechtigten/mitversicherten Fahrer gemäß Absatz F.3 AKB ihrer allgemeinen und mit der Versicherungsnehmerin vereinbarten Versicherungsbedingungen gelten. Sowohl gegen das Verbot sich unerlaubt vom Unfallort zu entfernen als auch gegen das Gebot, ihr – der Klägerin – gegenüber vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, habe der Beklagte somit vorsätzlich verstoßen.
Rechtsfolge dieser Verstöße nach einem Schadensfall sei aber gemäß der Regelungen in Absatz E.7.1 in Verbindung mit Absatz E.7.3 AKB ihrer allgemeinen und mit der Versicherungsnehmerin vereinbarten Versicherungsbedingungen dass ihre Leistungspflicht im Schadensfall bis zu einem Höchstbetrag in Höhe von 2.500,00 EUR beschränkt sei. Bis zu dieser Höhe sei sie – die Klägerin – somit gegenüber dem Beklagten also von der Leistung frei. Eigentlich wäre hier sogar von einer Leistungsfreiheit bis zu einem Betrag in Höhe von 5.000,00 EUR auszugehen, da es sich um vorsätzliche Obliegenheitsverletzungen des Beklagten gemäß Absatz E.7.4 AKB gehandelt habe. Sie – die Klägerin – belasse es allerdings hier bei der Geltendmachung einer Leistungsfreiheit bis zu einem Betrag in Höhe von 2.500,00 EUR, d.h. wie bei einem nur fahrlässigen Verstoß. Bis zu dem vorgenannten Betrag der Leistungsfreiheit in Höhe von 2.500,00 EUR könne sie – die Klägerin – den auf den Schadensfall erbrachten Regulierungsaufwand daher von dem Beklagten hier erstattet verlangen.
Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Tja, und nun wird es schwierig. Denn das Urteil des AG Brandenburg ist, was häufig bei Entscheidungen, die von dort kommen, der Fall ist, sehr lang, und zwar insgesamt 23 Seiten. Die kann ich hier nicht vollständig einstellen. Ich beschränke mich daher auf die knappen 🙂 Leitsätze und überlasse den Rest/die Urteilsbegründung dem Selbstleseverfahren. Morgen ist ja Sonntag und da ist Zeit genug:
Hier also die Leitsätze:
1. Der § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) ist als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen.
2. Rechtskräftige Strafurteile dürfen im Wege des Urkundenbeweises in den Zivilprozess eingeführt werden (§§ 286, 432 ZPO).