Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG, oder: Austausch der Rechtsgrundlage durch das Gericht?

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Und dann der samstägliche „Kessel-Buntes“, und zwar mit zwei verwaltungsrechtlichen Entscheidungen.

Zunächst etwas zur Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar zur Frage der Zulässigkeit des Austausches der Rechtsgrundlage (durch das Gericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren).

Das OVG Nordrhein-Westfalen sagt im OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2025 – 16 B 668/24 -, dass das zulässig ist:

Das Verwaltungsgericht hat die Ordnungsverfügung vom 17. Mai 2024, durch die dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen wurde, bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig angesehen. Es hat ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Entziehungsverfügung sei § 2a Abs. 3 StVG, wonach dem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe, der einer vollziehbaren Anordnung der zuständigen Behörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG nicht nachgekommen sei, die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, ohne dass der Behörde dabei Ermessen zustehe. Der Antragsteller habe nach einer entsprechenden Aufforderung des Antragsgegners in der Verfügung vom 28. Juli 2022 nicht innerhalb der gesetzten Frist an einem Aufbauseminar teilgenommen. Auf die Nichtvorlage des vom Antragsgegner ebenfalls angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens komme es daher nicht mehr an.

Die dagegen gerichteten Einwände des Antragstellers bleiben ohne Erfolg.

Der Antragsteller macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 28. Juli 2022 auf die Nichtvorlage der Bescheinigung über die Teilnahme an einem besonderen Aufbauseminar gestützt worden sei; Gegenstand dieses Bescheides sei ausdrücklich die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung gewesen.

Dieses Vorbringen berücksichtigt nicht, dass der Antragsgegner unter dem 28. Juli 2022 zwei verschiedene Anordnungen in jeweils einem eigenen Schreiben erlassen hat. Zum einen ordnete er die Vorlage eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung an und setzte zur Vorlage des Gutachtens eine Frist bis zum 31. Oktober 2022 (Blatt 24 ff. des Verwaltungsvorgangs). Zum anderen forderte er den Antragsteller zur Teilnahme an einem Aufbauseminar für alkoholauffällige Fahranfänger auf und setzte zur Vorlage einer entsprechenden Teilnahmebescheinigung eine Frist bis zum 28. Oktober 2022 (Blatt 36 ff. des Verwaltungsvorgangs). Diese zweite Anordnung war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Nach Aktenlage ist der Antragsteller dagegen nicht vorgegangen. An einem besonderen Aufbauseminar hat er erst lange nach Ablauf der gesetzten Frist, nämlich im Juli und August 2024, teilgenommen.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17. Mai 2024 ist zwar (nur) auf § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. den §§ 46, 11 Abs. 8 FeV wegen der Nichtvorlage des Gutachtens gestützt, auch wenn zuvor ausgeführt wird, dass der Antragsteller weder ein Gutachten noch eine Teilnahmebescheinigung vorgelegt habe. Es stellt allerdings keinen Rechtsfehler dar, dass das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis mit § 2a Abs. 3 StVG und dem Hinweis auf die nicht fristgerecht erfolgte Teilnahme des Antragstellers an einem Aufbauseminar begründet hat.

Denn Gerichte sind in ihrer Bewertung der Rechtslage unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung. Ist ein Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt, ist das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm und die dadurch geänderte Begründung nicht in seinem Wesen verändert wird. Bei gebundenen Verwaltungsakten schadet eine inhaltlich fehlerhafte Begründung (auch) zur zugrunde liegenden Rechtsgrundlage daher grundsätzlich nicht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2010 – 8 C 12.09 -, juris, Rn. 16, und Beschluss vom 29. Juli 2019 – 2 B 19.18 -, juris, Rn. 24, jeweils m. w. N.

Entsprechendes gilt bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO.

Ausgehend davon durfte das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung mit § 2a Abs. 3 StVG begründen, welcher der Behörde keinen Ermessensspielraum einräumt. Unabhängig von der Frage, ob sich die in Rede stehende Entziehung der Fahrerlaubnis (auch) auf § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. den §§ 46, 11 Abs. 8 FeV stützen lässt, wird die Ordnungsverfügung nicht dadurch in ihrem Wesen geändert, dass § 2a Abs. 3 StVG als Rechtsgrundlage für dieselbe Rechtsfolge herangezogen wird, zumal in der Begründung der Ordnungsverfügung die für diese Vorschrift erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen angeführt werden.

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