In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 23.10.2024 ? 2 StR 471/23 -, der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist, geht es um eine Problematik in Zusammenhang mit der Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 229 StPO). Stichwort: Anwendbarkeit der „Sonderhemmungsvorschrift des § 10 EGStPO.
Der Angeklagte hat mit seiner Revision einen Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 10 EGStPO gerügt. Fem lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Hauptverhandlung in dem anfänglich gegen fünf Angeklagte geführten Verfahren, die am 13.11.2019 begonnen hatte, wurde – nach vorangegangenem Hauptverhandlungstermin vom 18.11.2021 – am 25.11.2021, dem 106. Hauptverhandlungstag, unterbrochen. Das gegen die Angeklagte gerichtete Verfahren wurde am selben Tage abgetrennt, weil die sachverständig beratene Strafkammer die Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten unter anderem wegen einer akuten schweren depressiven Erkrankung mit ungewissem Ausgang festgestellt hatte. Obwohl die Angeklagte am 13.01.2022 wieder verhandlungsfähig war, wurden die in der Folge für den 24. und 25.01.2022 bestimmten Hauptverhandlungstermine aufgehoben, da sich die Angeklagte vom 20.01.2022 bis zum 31.01.2022 aufgrund eines Kontakts mit Personen, die mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert waren, in Quarantäne befand. Ein weiterer für den 09.02.2022 anberaumter Hauptverhandlungstermin entfiel ebenfalls, weil ein Mitglied der Strafkammer in der Zeit vom 06.02.2022 bis zum 13.02.2022 wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen konnte. Die Hauptverhandlung wurde sodann am 23.02.2022 fortgesetzt.
Das Landgericht stellte am 04.03.2022 durch Beschluss fest, dass der Lauf der Unterbrechungsfrist gemäß § 229 Abs. 1 StPO in der Zeit vom 18.11.2021 bis zum 13.01.2022 wegen der Erkrankung der Angeklagten gehemmt gewesen sei; zudem sei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO die Frist des § 229 Abs. 1 StPO in der Zeit vom 20.012022 bis zum 31.012022 und vom 06.02.2022 bis zum 13.02.2022 gehemmt gewesen, weil in diesen Zeiträumen eine Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie nicht habe stattfinden können.
Die Revision hatte einen Rechtsfehler darin gesehen, dass das LG neben dem Hemmungstatbestand des § 229 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO weitere Hemmungszeiträume auf § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO gestützt habe, da weder eine mehrfache Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO ohne dazwischen liegenden Verhandlungstag noch eine kumulative Anwendung beider Vorschriften in Betracht komme.
Der BGH sieht das anders. Ich stelle hier dann nur den Leitsatz des BGH ein, und zwar:
1. Innerhalb eines Unterbrechungszeitraumes konnte § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO in der Fassung vom 27. März 2020 mehrfach greifen, ohne dass zwischen den Hemmungszeiträumen zur Sache verhandelt worden sein musste.
2. § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO trat als weiterer Hemmungstatbestand neben § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO, so dass beide Vorschriften kumulativ zur Anwendung kommen konnten.
Rest bitte selbst lesen. Entscheidung muss man sich merken, wenn solche Fragen mal wieder – hoffentlich nicht – eine Rolle spielen.