Archiv für den Monat: November 2024

Überall sieht man wieder Black-Friday-Werbung, oder: Aber bei Burhoff-Online ist immer „Black-Friday“

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Seit Tagen, wenn nicht seit Wochen, liest man – egal, ob man möchte oder nicht – überall Hinweise auf „Black-Friday“. Und wenn man die liest, weiß man: Es ist Ende November, die Adventszeit und Weihnachten steht vor der Tür. Und das ist dann die Zeit für die „besten Deals“, die „besten Preise“ und „große Rabatte“.

Ich habe es natürlich auch gelesen und mir dabei gedacht: Was soll das „Getue“? Denn bei mir und meinen Büchern ist doch immer „Black-Friday“. Es gibt doch immer gute Angebote und Aktionen. Dafür brauche ich keinen Sondertag und/oder Sonderverkauf, sondern: Das ist Alltagsgeschäft.

Aber: Ich will und muss dann doch mal darauf hinweisen und daher gibt es hier heute zum Tagesbeginn diesen Sonderbeitrag – ja, ein reines Werbeposting, was es sonst ja nur selten gibt. Also:

Zunächst hier Hinweise auf Sonderaktionen in Zusammenhang mit meinen Handbüchern

Die sind ja jetzt gerade im Herbst neu erscheinen. Jedes Werk für 129,00 EUR, was m.E. schon günstig ist.

Aber: Es geht noch besser/günstiger – und zwar immer, nicht nur zu Black-Friday. Denn:
Es gibt zu den Werken wieder ein „Burhoff-Paket„, das aus dem „Ermittlungsverfahren“ und der „Hauptverhandlung“ besteht. Dieses Paket ist natürlich erheblich preisreduziert, so dass sich die Sammelbestellung auf jeden Fall lohnt. Das „Burhoff-Paket“ gibt es für 209 €, also mit einem Rabatt von 49 EUR.

Aus Anlass des Neuerscheinens der drei Handbücher Ermittlungsverfahren, Hauptverhandlung und Rechtsmittelverfahren gibt es auch wieder ein weiteres Paket, und zwar die „Burhoff-Trilogie“ 2024. Die besteht aus den drei neu erschienenen Handbüchern. Preis der Trilogie: 269 EUR. Das ist eine Ersparnis gegenüber dem Einzelbezug der Werke von insgesamt mehr als 30 %.

Aber das ist noch nicht alles, denn es gibt noch ein weiteres Spar-Paket, und zwar das „Verkehrsrechtspaket“. Das besteht aus:

Also: Geballtes aktuelles Wissen im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Recht. Und das für nur 209,00 EUR. Damit spart man gegenüber dem Einzelbezug der Werke mehr als 40,00 EUR.

Und schließlich: Auch der RVG-Kommentar Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, ist kostengünstig zu beziehen. Das Werk gibt es inzwischen nämlich als sog. Mängelexemplar zu einem reduzierten Preis von 99 EUR – das sind 30 EUR Ersparnis.

Der RVG-Kommentar ist zwar schon im März 2021 erschienen, er enthält alle Änderungen durch das KostRÄG 2021 und ist immer noch aktuell. Und bei der Gelegenheit: Er wird auch noch weiter lieferbar bleiben, denn es wird m.E. auf absehbare Zeit keine RVG-Änderungen geben. Die angekündigten RVG-Änderungen bzw. – Erhöhungen haben sich durch das Scheitern der Ampelkoalition in Wohlgefallen aufgelöst. Ich vermute, dass es vor Ende 2025/Anfang 2026 keine Änderungen geben wird. So lange wollen wir warten, stehen aber Gewehr bei Fuß, um dann ganz schnell neu da sein zu können.

Und? Geschmack bekommen und Interesse eins der o.a. Pakete/Werke zu bestellen? Das geht ganz einfach auf der Bestellseite meiner Homepage. Einfach hier klicken und man kann bestellen. Danach muss man dann nichts mehr tun. Die Werke werden vom Verlag geliefert, die Rechnung kommt von mir. Bestellen kann man da übrigens nicht nur die o.a. Pakete, sondern natürlich auch die einzelnen Werke.

So. Das war das Wort zum „Black-Friday“. 🙂

StGB III: Bezahlung mit einer gefundenen EC-Karte, oder: Eine Reise durch das StGB mit dem BayObLG

entnommen openclipart.org

Und dann als dritte StGB-Entscheidung der BayObLG, Beschl. v. 29.07.2024 – 201 StRR 49/24. Es geht um die Bezahlung von Kleinbeträgen mit einer gefundenen EC-Karte durch einen Nichtberechtigten.

Das AG hatte den Angeklagten wegen Computerbetrugs in vier Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Computerbetrug verurteilt. Das LG hat die Berufung als unbegründet verworfen. Dagegen die Revision, die Erfolg hatte:

„Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache. Das Urteil leidet an einem durchgreifenden Darstellungsmangel, der dem Senat weder die Nachprüfung erlaubt, ob der Angeklagte zu Recht wegen Computerbetrugs und versuchten Computerbetrugs verurteilt wurde, noch ob er sich wegen (versuchter) Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB) schuldig gemacht hat.

1. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben, weil die getroffenen Urteilsfeststellungen lückenhaft (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) sind:

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte eine von ihm aufgefundene EC-Karte für das Konto von M. bei der S-Bank aufgrund jeweils neu gefasster Tatentschlüsse im Juli 2023 in jeweils zwei Fällen bei den Discountern Aldi und Netto in X zur Bezahlung von Einkäufen in Höhe von 16,40 Euro, 16,56 Euro, 7,67 Euro und 9,45 Euro verwendet. In einem weiteren Fall am 27.07.2023 versuchte er, mit der inzwischen gesperrten Karte bei der genannten Filiale der Firma Aldi einen Einkauf in Höhe von 23,40 Euro zu bezahlen, was jedoch nicht gelang.

b) Das Landgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Angeklagte die EC-Karte unter Eingabe einer PIN verwendet hat oder ob die Bezahlung beim Einkauf jeweils kontaktlos erfolgte. Auch in einer Gesamtschau der Urteilsgründe sind die genauen Zahlungsmodalitäten nicht erkennbar, sodass dem Senat die rechtliche Überprüfung anhand der Urteilsfeststellungen nicht möglich ist.

aa) Sollte der Angeklagte die aufgefundene EC-Karte bzw. Girocard bei der elektronischen Bezahlung von Waren mit Eingabe der dazugehörigen PIN benutzt haben, ist der Tatbestand des § 263a Abs. 1 StGB in der Variante der unbefugten Verwendung von Daten erfüllt. Das POS-System („Point of Sale“) ermöglicht das elektronische Bezahlen von Waren oder Dienstleistungen an automatisierten Kassen mittels der Girocard bzw. Debitkarte. An einem Zahlungsvorgang über ein POS-System nehmen der Karteninhaber, das am System angeschlossene Vertragsunternehmen (etwa ein Händler) sowie der Kartenemittent teil. Der Karteninhaber autorisiert einen Zahlungsvorgang durch das Einführen der Karte am POS-Terminal und die Eingabe der dazugehörigen PIN. Das kartenausgebende Institut überprüft die Korrektheit der Daten und die Wahrung des Verfügungsrahmens. Bei einem wirksam autorisierten Zahlungsvorgang übernimmt der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen (z.B. Händler) ein Zahlungsversprechen, das überwiegend als abstraktes Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB qualifiziert wird. Aufgrund des vertraglichen Verbots der Weitergabe der Geheimzahl (PIN) kann eine wirksame Autorisierung des Zahlungsvorgangs nur durch den berechtigten Karteninhaber persönlich erfolgen. Eine Strafbarkeit ist demnach zu bejahen, wenn der Täter im Rahmen eines POS-Zahlungsvorgangs eine gefälschte bzw. manipulierte Karte verwendet oder wenn er die Karte (nebst PIN) vom Karteninhaber im Wege der verbotenen Eigenmacht erlangt hat (vgl. zum Ganzen MüKo/Hefendehl/Noll StGB 4. Aufl. § 263a Rn. 107f.; Schumann/Mosbacher/König/Nadeborn Medienstrafrecht 1. Aufl § 263a StGB Rn. 24, LK/Tiedemann/Valerius StGB 12. Aufl. § 263a Rn. 52; LG Heilbronn StraFo 2022, 120).

bb) Wurde die gefundene EC-Karte bzw. Girocard beim Einkaufen durch den Angeklagten ohne PIN mittels NFC (Near Field Communication) verwendet, also kontaktlos bezahlt, kommt eine Verurteilung wegen Computerbetrugs nach § 263a Abs. 1, 3. Variante StGB (unbefugte Verwendung von Daten) nicht in Betracht. Beim kontaktlosen Bezahlen werden die auf der Karte gespeicherten Daten, der Rechnungsbetrag und Daten zum Zahlungsempfänger an die Autorisierungszentrale des kartenausgegebenen Kreditinstituts übermittelt, wo ein Computer überprüft, ob die Girocard in keine Sperrdatei eingetragen ist, der Verfügungsrahmen nicht überschritten wird und ob die Voraussetzungen für das Absehen von einer PIN-Abfrage im konkreten Fall vorliegen (Göhler, Kontaktloses Bezahlen mit der Girocard (k)eine Herausforderung für das Strafrecht, JR 2021, 6, 8). Anders als in den Fällen, in denen der Bankcomputer die PIN vom Kartenverwender anfordert, wird hierbei die Berechtigung desjenigen, der den elektronischen Zahlungsvorgang durch Vorhalten der Karte vor das Lesegerät auslöst, gerade nicht durch Anwendung einer starken Kundenauthentifizierung i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 ZAG überprüft, so dass eine Strafbarkeit nach § 263a StGB regelmäßig nicht gegeben ist. Eine Verwendung von Daten ist nach der vorzunehmenden betrugsspezifischen Auslegung nämlich nur dann „unbefugt“, wenn sie gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte (OLG Hamm, Beschl. v. 07.04.2020 – 4 RVs 12/20 = WM 2020, 1674 = wistra 2021, 84 = ZIP 2021, 342 = NStZ 2020, 673, 674 m. Anm. Kudlich JA 2020, 710 und Christoph/Dorn-Haag NStZ 2020, 676). Da aber bei einer derartigen Zahlungsabwicklung das Kassenpersonal durch den Angeklagten nicht getäuscht wird (vergleiche hierzu nachfolgend IV. 1.), kommt auch eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nicht in Betracht.

2. Die Feststellungen des Landgerichts tragen auch keine Änderung des Schuldspruchs dahingehend, dass sich der Angeklagte der (versuchten) Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB) schuldig gemacht hat.

Auch wenn man insoweit anhand der getroffenen Feststellungen den objektiven Tatbestand bejaht (vgl. OLG Hamm a.a.O.), erlauben diese nicht den erforderlichen Rückschluss auf eine beim Angeklagten vorhandene Nachteilszufügungsabsicht. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands der Urkundenunterdrückung muss der Kartenverwender nicht nur die Vorgänge der kontaktlosen Karten-Zahlung in seiner Laiensphäre nachvollziehen und insoweit vorsätzlich handeln, sondern er muss auch in der Absicht handeln, einem anderen Nachteil zuzufügen. Diese Absicht, die den tatrichterlichen Feststellungen nicht zu entnehmen und schon gar nicht beweiswürdigend unterlegt ist, erfordert das Bewusstsein, dass notwendige Folge der Tat der Nachteil des Berechtigten ist, mit der Datenurkunde keinen Beweis mehr führen zu können (Göhler a.a.O. S. 21f.). Konkret muss der Kartenverwender also wissen, dass der Karte bzw. ihrem Einsatz in Bezug auf die genannten Daten eine potentielle Beweisbedeutung zukommt, die sich jederzeit realisieren kann, und er muss die Beeinträchtigung eines sich darauf beziehenden Beweisführungsrechts des berechtigten Karteninhabers bzw. der Bank als notwendige Folge seines Handelns erkennen (OLG Hamm a.a.O.; Schönke/Schröder/Heine/Schuster StGB 30. Aufl. § 274 Rn. 15). Die Erkenntnis, dass durch den Einsatz der Karte irgendeinem Beteiligten ein Vermögensschaden entsteht, reicht nicht aus.“

Und das ist noch nicht alles. Denn das BayObLG gibt eine „Segelanweisung“:

„Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass bei den jeweiligen Bezahlvorgängen eine PIN-Abfrage nicht erfolgt ist, wird eine Strafbarkeit wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB regelmäßig nicht in Betracht kommen. Der Händler erlangt im Fall des kontaktlosen Bezahlens unmittelbar eine einredefreie Forderung gegen die Bank in Höhe des autorisierten Betrags, gerade auch dann, wenn ein Nichtberechtigter die Karte verwendet und die kartenausgebende Bank auf die Abfrage der PIN verzichtet hat. Es fehlt damit schon mangels Täuschung des Angeklagten über seine Berechtigung zur Verwendung der Karte und mangels damit korrespondierenden Irrtums des Kassenpersonals an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 Abs. 1 StGB (OLG Hamm a.a.O.; Göhler a.a.O. S. 9ff.).

2. Der neue Tatrichter wird, sollten keine Feststellungen dahingehend möglich sein, dass der Angeklagte das Beweisführungsrecht der Karteninhaberin beeinträchtigen wollte, zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte wegen folgender Delikte strafbar gemacht hat:

a) Es kommt eine Strafbarkeit nach § 303a Abs. 1 StGB in Betracht. Für den Datenbegriff im Sinne von § 303a StGB ist es unerheblich, ob die Daten besonders gesichert oder beweiserheblich sind (BeckOK/Weidemann StGB 61. Ed. 01.05.2024 § 303a Rn. 3). Für das Unterdrücken von Daten reicht es aus, wenn diese vorübergehend dem Zugriff des Berechtigten entzogen werden (BeckOK a.a.O. Rn. 10). Zudem führt die Nutzung der Girocard beim kontaktlosen Bezahlen zur Ergänzung der gespeicherten Informationen zum Verfügungsrahmen und zum vorherigen Einsatz der Karte im NFC-System, womit diese Daten verändert werden (vgl. Göhler a.a.O. S. 22). § 303a Abs. 1 StGB verlangt in subjektiver Hinsicht lediglich dolus eventualis, wobei sich der Vorsatz des Täters im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre auch darauf beziehen muss, dass ein anderer das Nutzungsrecht an den Daten innehat (SK/Hoyer StGB 9. Aufl. 303a Rn. 13).

b) Möglicherweise kann sich der Angeklagte auch wegen Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Dies setzt voraus, dass der Täter die von ihm aufgefundene Karte nicht an den Eigentümer zurückgelangen lassen will. In der (erstmaligen) Verwendung im Bezahlvorgang kann möglicherweise die Manifestation des Zueignungswillens des unberechtigten Kartennutzers nach außen gesehen werden. Es handelt sich auch nicht nur um eine straflose Gebrauchsanmaßung (furtum usus – vgl. BGHSt 35, 152 = NJW 1988, 979), denn es bedarf beim kontaktlosen Bezahlen mit der Karte keiner Eingabe der PIN, sodass sie einen Vermögenswert in sich trägt. Das Wesen der Zueignung besteht darin, dass die Sache oder der in ihr verkörperte Wert dem Eigentümer dauernd entzogen wird, was grundsätzlich auch bei einem elektronischen Datenträger in Betracht kommen kann (vgl. BayObLGSt 1991, 147, 150 = NJW 1992, 1777, 1778).

Ist eine Urkundenunterdrückung durch die Nutzung der Karte erfüllt, tritt § 246 Abs. 1 StGB zurück, da sich die formelle Subsidiarität der Unterschlagung nicht nur auf Eigentums- und Vermögensdelikte bezieht (vgl. BGHSt 47, 243).

3. Hinsichtlich der Strafantragsberechtigung (§§ 246 Abs. 1, 248a, 303a Abs. 1, 303c StGB) wird ggf. zu prüfen sein, wer Geschädigter ist, sofern nicht die Staatsanwaltschaft das besondere öffentlich Interesse an der Strafverfolgung bejahen sollte. Im Falle der kontaktlosen Zahlung dürfen für den Kunden, der den Verlust der Karte oder die missbräuchliche Verwendung unverzüglich anzeigt und die Karte sperren lässt, keine nachteiligen finanziellen Folgen eintreten. Vielmehr hat dann die Bank dafür Sorge zu tragen, dass die Karte nicht mehr missbräuchlich verwendet werden kann. Ansonsten haftet sie für den entstandenen Schaden (§ 675v Abs 5 BGB).“

Man kommt sich vor, wie im Examen 🙂 .

StGB II: K.O.-Tropfen gibt es mittels einer Pipette, oder: K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug

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Als zweite Entscheidung dann der zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmte BGH, Beschl. v. 08.10.2024 – 5 StR 382/24.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt (u.a. § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB). Nach den Feststelllungen des LG besuchten am Vorabend eines Konzertes besuchten die Nebenklägerin und ihre Freundin den Angeklagten und dessen Verlobte, um bei ihnen zu übernachten. Der Austausch sexueller Handlungen war nicht vorgesehen. Im Laufe des Abends entschloss sich der Angeklagte gleichwohl, der bereits stark angetrunkenen Nebenklägerin heimlich Gamma-Butyrolacton (GBL) zu verabreichen. Er wollte sie dadurch sexuell enthemmen, um dann mit und an ihr sexuelle Handlungen zu vollziehen. Er tropfte das GBL mittels einer Pipette in ein nicht alkoholisches Getränk, das er der Nebenklägerin gab, die es nichtsahnend austrank. Dabei erkannte er und nahm billigend in Kauf, dass die Frau in einen Bewusstseinszustand bis zur Bewusstlosigkeit versetzt werden könnte, in dem sie sich gegen solche Handlungen nicht würden wehren können. Ihm war bewusst, dass die Verabreichung der Tropfen, insbesondere in Verbindung mit Alkohol, erhebliche gesundheitliche Risiken bis hin zu einer Todesgefahr in sich barg. Das GBL zeigte die vom Angeklagten erwünschte Wirkung. Es kam zu sexuellen Handlungen. Der Angeklagte erkannte, dass die Nebenklägerin aufgrund der Wirkung des GBL nicht mehr in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu äußern. Ohne die heimliche Gabe der GBL-Tropfen hätte die Nebenklägerin sich nicht auf den erheblich älteren und ihr erst seit kurzer Zeit bekannten Angeklagten eingelassen. Die Revision des Angeklagten war teilweise erfolgreich:

„2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Verurteilung wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB keinen Bestand.

a) Zu Recht hat die Strafkammer allerdings angenommen, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 177 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklichte. Ebenso wenig bestehen rechtliche Bedenken dagegen, dass sie das heimliche Verabreichen von GBL-Tropfen als Anwendung von Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB gewertet hat (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 1991 – 5 StR 498/90, BGHR StGB § 177 Abs.1 Gewalt 9 [zum unbemerkten Beibringen von LSD]; vom 15. September 1998 – 5 StR 173/98 [zur Verabreichung bewusstseinstrübender Mittel]).

b) Es hält aber der materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand, dass die Strafkammer das Verabreichen von GBL mittels einer Pipette als ein Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB gewertet hat.

aa) GBL-Tropfen stellen für sich genommen kein Werkzeug dar. Eine solche Auslegung lässt sich mit dem Wortlaut der Norm nicht in Einklang bringen (vgl. zur Bedeutung der Wortlautgrenze BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 2 BvL 1/20, BVerfGE Band 160, 284, NJW 2022, 1160 Rn. 96 ff.); auf die Frage der konkreten Dosierung oder der Gefährlichkeit des Mittels kann es daher nicht maßgeblich ankommen (in diesem Sinne aber möglicherweise BGH, Beschlüsse vom 6. März 2018 – 2 StR 65/18, NStZ-RR 2018, 141; vom 15. Juli 1998 – 1 StR 309/98). Insoweit gilt:.

(1) Bei einem Werkzeug handelt es sich nach allgemeinem Sprachgebrauch um einen für bestimmte Zwecke geformten Gegenstand, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet wird (Duden Band 10, Das Bedeutungswörterbuch, 5. Aufl., Stichwort „Werkzeug“ unter 1.a, S. 1121). Unter einem Gegenstand versteht man gemeinhin nur feste Körper. Da Flüssigkeiten, wie hier die GBL-Tropfen, aber auch Gase keine feste Form haben, sind sie keine Gegenstände und ihnen kann damit auch keine Werkzeugqualität zukommen. GBL-Tropfen können mithin ohne eine Verletzung der sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Wortlautgrenze nicht als Werkzeug im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften bewertet werden (vgl. zu alldem MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 15 mwN; ebenso LK/Grünewald, StGB, 13. Aufl., § 224 Rn. 20).

(2) Dies wird von systematischen Erwägungen gestützt. …. „

bb) Dass der Angeklagte die GBL-Tropfen mittels eines Gegenstandes, hier einer Pipette, in ein für die Nebenklägerin bestimmtes Getränk träufelte, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.

(1) Für § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, an den die Vorschrift des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB angelehnt ist, gilt:

Eine Körperverletzung wird „mittels“ einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs begangen, wenn sie unmittelbar durch ein von außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes potentiell gefährliches Tatmittel verursacht wird (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Urteil vom 14. Juni 2018 – 3 StR 585/17, BGHSt 63, 138, 153; Beschluss vom 15. August 2023 – 4 StR 514/22 Rn. 17; jeweils mwN). Ein Gegenstand ist danach gefährlich, wenn er nach Art seiner konkreten Anwendung im Einzelfall geeignet ist, unmittelbar eine erhebliche Verletzung herbeizuführen. Dies kann beim Einsatz von Flüssigkeiten, Gasen oder auch Strahlen der Fall sein, wenn sie durch einen Gegenstand auf den Körper gerichtet und mit diesem in Verbindung gebracht werden. Voraussetzung ist indes, dass durch den Gegenstand unmittelbar von außen auf den Körper eingewirkt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308; Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 15; LK/Grünewald, StGB, 13. Aufl., § 224 Rn. 20; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 224 Rn. 6 mwN).

Daran fehlt es hier. Denn der Angeklagte verwendete die Pipette lediglich als Dosierungshilfe und brachte mit ihr die Tropfen weder unmittelbar dem Körper der Nebenklägerin bei, noch hatte dieses – für sich genommen in der konkreten Verwendungsart ungefährliche – Instrument (insoweit möglicherweise weitergehend zur besonderen Form der Verabreichung eines Narkosemittels per Infusion: BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 418/18, NStZ 2019, 273) selbst Kontakt zum Körper der Nebenklägerin. Die Pipette war hier lediglich ein Mittel, um die GBL-Tropfen mit dem Körper der Nebenklägerin mittelbar in Verbindung zu bringen, die ihre gesundheitsschädliche Wirkung – nach Konsum des Getränks über einen Stoffwechselprozess – erst noch entfalten mussten. Sie war daher nicht geeignet, unmittelbar und von außen einwirkend eine Körperverletzung zu verursachen; ihr haftete die erforderliche potentielle Gefährlichkeit nicht an. Die Pipette war danach kein gefährliches Werkzeug, sondern lediglich Mittel der Beibringung eines gesundheitsgefährdenden Stoffes; Handlungen unter Verwendung solcher Art Tatmittel unterfallen aber § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. LK/Grünewald, StGB, 13. Aufl., § 224 Rn. 11 mwN). Für die Tasse als bloßes Trinkgefäß, aus der die Nebenklägerin den mit GBL versetzten Apfelsaft selbständig trank, gilt erst recht nichts anderes……

(3) Für die Auslegung des Merkmals des gefährlichen Werkzeugs in § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB kann nichts anderes gelten.

Die von der Strafkammer angestellten teleologischen Erwägungen, nach der angesichts vergleichbarer Gefährlichkeit die Gleichbehandlung der Verwendung von sedierend wirkenden Substanzen und beispielsweise „Holzknüppeln“ geboten sei, negieren die aufgezeigten Ergebnisse der grammatikalischen, historischen und systematischen Auslegung; allein auf Gerechtigkeitserwägungen gestützt kann insbesondere nicht die Wortlautgrenze und damit letztlich der Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG außer Acht gelassen werden (in diesem Sinne auch MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 18). Soweit sich das Landgericht mit dem Vergleich zu Holzknüppeln auf das oben erwähnte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. November 1950 (4 StR 20/50, BGHSt 1, 1) bezogen haben sollte, in dem diese ebenfalls genannt werden, hätte es verkannt, dass der damalige Angeklagte dem Raubopfer Salzsäure aus einem Topf unmittelbar ins Gesicht schüttete und damit den Tatbestand der Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs erfüllte.

Ungeachtet dessen bedürfte es der von der Strafkammer vorgenommenen Auslegung des Werkzeugbegriffs auch nicht, um zu einer schuldangemessenen Ahndung von Fällen der Verabreichung sedierender Substanzen im Rahmen des § 177 StGB zu kommen. Denn es ist dem Tatgericht unbenommen, solche Taten, in denen der Täter – wie hier – ein sehr gefährliches und in seiner konkreten Wirkungsweise, gerade in Kombination mit erheblichen Mengen Alkohol, kaum zu kontrollierendes Mittel im Sinne des § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB bei sich führt und sogar für die Tatbegehung einsetzt, bei der Strafzumessung entsprechend zu würdigen. Der Gesetzgeber hat bei den Strafobergrenzen in den Strafrahmen des § 177 Abs. 7 und 8 StGB keinen Unterschied gemacht (§ 38 Abs. 2 StGB).

c) Obschon der Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen durch das Verwenden des K.O.-Mittels zugleich § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit § 224 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 StGB verwirklichte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24. Mai 2016 – 5 StR 163/16 Rn. 3), sieht sich der Senat daran gehindert, den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst abzuändern. Denn nach den Feststellungen liegt es jedenfalls nicht fern, dass der Angeklagte auch die Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 2b StGB (Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr für das Opfer) verwirklichte.

Zwar hat das Landgericht in der Beweiswürdigung ausgeführt, dass es nur von einer „jedenfalls“ abstrakten Lebensgefahr ausgegangen ist. Dies steht aber in einem Spannungsverhältnis zu den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Auffindesituation. Danach bestand bei der Nebenklägerin „aufgrund der starken Bewusstseinseintrübung und der Übelkeit das Risiko des Erstickens durch Bewusstlosigkeit wie das Rutschen der Zunge in den Schlund oder durch das Aspirieren von Fremdkörpern infolge Erbrechens“. Es erscheint danach nicht ausgeschlossen, dass dieses Risiko im zweiten Rechtsgang als eine konkrete Todesgefahr bewertet werden kann. Dies gilt auch in subjektiver Hinsicht: Denn nach den Feststellungen war dem Angeklagten bewusst, dass die Verabreichung der Tropfen, insbesondere in Verbindung mit Alkohol, erhebliche gesundheitliche Risiken bis hin zu einer Todesgefahr in sich barg. Das Verböserungsverbot steht einem Austausch des Qualifikationsmerkmals – gegebenenfalls nach entsprechenden Hinweisen (§ 265 Abs. 1 StPO) – nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 StR 519/19 Rn. 7 mwN).“

Als Verteidiger wird man sich für den zweiten Rechtsgang wegen der Ausführungen des BGh unter c) Sorgen machen müssen.

StGB I: Voraussetzung für räuberische Erpressung, oder: (Objektbezogener) Erzwungener Gewahrsamswechsel

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Wir beginnen den heutigen StGB-Tag zum Warmwerden mit einem (kleinen) BGH-Beschluss, und zwar dem BGH, Beschl. v. 2 StR 139/24.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Die Revision hatte teilweise Erfolg:

1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das Landgericht des Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung für schuldig befunden hat. Dagegen hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II.4. der Urteilsgründe wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt hat.

a) Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts betrat der Angeklagte auf der Suche nach Geld oder anderen stehlenswerten Gegenständen am Morgen des durch die unverschlossene Tür ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnetes Restaurant in Frankfurt-Sachsenhausen. Dabei war er auch bereit, im Restaurant anwesenden Personen Bargeld oder andere Wertgegenstände wegzunehmen oder diese gewaltsam zur Herausgabe solcher Gegenstände zu veranlassen. Im Restaurant durchsuchte der Angeklagte zunächst erfolglos den Gastraum, bevor er sich in Richtung der Sanitärräume begab, wo er auf die als Reinigungskraft tätige Geschädigte traf. Er forderte diese auf, ihm ihr Geld auszuhändigen, und schlug ihr, um seine Forderung zu unterstreichen, mit der flachen Hand ins Gesicht. Nachdem der Geschädigten – ohne dass es zu einer Herausgabe von Geld gekommen wäre – die Flucht gelungen war, verließ der Angeklagte das Restaurant durch den Gastraum. Dort entdeckte er auf dem Tresen ein zum Inventar des Restaurants gehörendes Mobiltelefon im Wert von 400 €, das er an sich nahm.

b) Diese Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen räuberischer Erpressung nicht. Zwar ermöglichte die Flucht der Geschädigten dem Angeklagten, das im Gastraum des Restaurants liegende Mobiltelefon an sich zu nehmen. Allerdings belegen die Feststellungen der Strafkammer nicht, dass die Gewaltanwendung des Angeklagten gegenüber der Geschädigten (auch) der erstrebten Überlassung des zum Inventar des Restaurants gehörenden Mobiltelefons diente. Der Angeklagte wollte die Geschädigte vielmehr zur Herausgabe von Bargeld nötigen, was ihm jedoch durch deren Flucht misslang. Den konkreten Tatentschluss zur Wegnahme des sich im Gastraum befindlichen Mobiltelefons fasste der Angeklagte erst nach der Flucht der Geschädigten, sodass es – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – an der notwendigen Verknüpfung zwischen Raubmittel und Wegnahme fehlt (vgl. MüKo-StGB/Sander, 4. Aufl., § 249 Rn. 8). Feststellungen zu einem erzwungenen Gewahrsamswechsel gerade im Hinblick auf das entwendete Mobiltelefon hat die Strafkammer nicht getroffen. Die Tat stellt sich daher als versuchte räuberische Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung (in Bezug auf das Handeln des Angeklagten gegenüber der Geschädigten) und mit Diebstahl (durch Wegnahme des Mobiltelefons) dar.“

StPO III: Abgelehnte Terminverlegung ==> Befangen?, oder: Ja, wenn die Richterin unverständlich stur ist

Smiley

Und als drittes dann der – wenigstens für mich – Aufreger des Tages. Es handelt sich um den AG Wuppertal, Beschl. v. 21.11.2024 – 24 Cs 224/24. Allerdings ist nicht der Beschluss, durch den einem Befangenheitsantrag eines Verteidiger statt gegeben worden ist, der Aufreger, sondern das Verhalten der im Verfahren agierenden Amtsrichterin.

Es geht um die Frage der Besorgnis der Befangenheit wegen Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags. In dem Verfahren, in dem dem Angeklagten unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) zur Last gelegt wird, hat der Verteidiger im Namen des Angeklagten die zuständige Amtsrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dies hat er u.a. damit begründet, dass eine abgelehnte Terminverlegung gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoße, die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus der Beschlussbegründung.

Das Ablehnungsgesuch hatte Erfolg:

„Allgemein sind Gründe für ein solches Misstrauen gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter oder die Richterin nicht unvoreingenommen entscheiden werde, mithin eine innere Haltung eingenommen hat, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte. Dabei kommt es darauf an, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung dieses objektiven Maßstabs Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten. Dementsprechend dient das Verfahren allein dazu, die Beteiligten vor der Unsachlichkeit der Richterin oder des Richters aus einem in seiner Person liegenden Grund zu bewahren.

Die Ablehnung einer beantragten Terminverlegung, um die es hier geht, begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders liegt es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (OLG Brandenburg, 07. Juli 2017, 10 WF 34/14 in Juris m.w.N., OLG Rostock, Beschluss vom 20.05.2022, NJOZ 2022, 978)

So liegt der Fall hier.

Mit Verfügung der Abteilungsrichterin vom 23.10.2024 ist Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung auf Dienstag, den 12.11.2024 bestimmt worden. Hierbei hat die Abteilungsrichterin das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet. Erst am 04.11.2024 ist ihm auf seinem Antrag vom 23.09.2024 Akteneinsicht in die seinerzeit über 250-seitige Akte gewährt worden. Mit Schriftsatz vom 04. November hat der Verteidiger sodann beantragt, den Termin zu verlegen. Zur Begründung hat er vorgetragen und anwaltlich versichert, die Ehefrau des Angeklagten habe ihm mitgeteilt, Ihr Mann befinde sich seit dem 03.11.2024 im Klinikum in stationärer Behandlung. Wann er entlassen werde, sei unklar. Zugleich wies der Verteidiger darauf hin, dass eine angemessene Vorbereitung der Akte und eine Besprechung mit dem Mandanten vor dem Termin nicht möglich sei. Dem Schriftsatz war eine Bescheinigung des Krankenhauses über die stationäre Aufnahme des Angeklagten zum 03.11.2024 beigefügt.

Mit Verfügung der Abteilungsrichterin vom 05.11.2024 wurde dem Verteidiger mitgeteilt, dass der Termin bestehen bleibe. Eine Verlegung könne nur erfolgen bei Vorlage eines Attestes über die Verhandlungsfähigkeit am Terminstage.

Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle vom 06.11.2024 hat der Verteidiger mitgeteilt, dass die Klinik auf seine Anfrage mitgeteilt habe, dass diese keine Bescheinigung über die Verhandlungsunfähigkeit ausstellen würde. Eine vom Verteidiger angekündigte Rücksprache kam in der Folge nicht zustande, da die Abteilungsrichterin nicht erreichbar war.

Mit weiterem Schriftsatz des Verteidigers vom 08.11.2024 bat er um Aufhebung des Termins mit dem Hinweis, dass eine Entlassung des Angeklagten bis zum Terminstage nicht erfolgen könne. Hierzu reichte er eine weitere Bescheinigung des Heliosklinikums ein, aus der sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass eine rechtzeitige Entlassung vor dem Termin nicht erfolge. Auch wies er in diesem Schriftsatz auf den Grundsatz des fairen Verfahrens hin, da er den Sachverhalt mit dem Mandanten vor dem Termin nicht besprechen könne. Mit Beschluss der Abteilungsrichterin vom 08.11.2024 wies die Abteilungsrichterin den Verlegungsantrag zurück. Im Wesentlichen erfolgte die Begründung dahingehend, es liege immer noch kein Attest für den Terminstag vor.

Mit weiterem Schriftsatz des Verteidigers vom 11.11.2024 lehnte dieser sodann im Namen des Angeklagten die zuständige Abteilungsrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Nachdem er den bereits skizzierten Sachverhalt erneut zusammenfassend vorträgt, führt er umfangreich und sachlich aus, dass die abgelehnte Terminverlegung gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoße. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorbezeichneten Schriftsatz sowie die weitere Verteidigerschrift vom 13.11.2024 Bezug genommen. Die dienstliche Äußerung der Abteilungsrichterin vom 12.11.2024, in der keine Stellungnahme zur Frage der Besorgnis der Befangenheit formuliert worden ist, ist dem Angeklagten übermittelt worden.

Bei einer Gesamtbetrachtung und Gesamtwürdigung dieses Sachverhaltes liegt ein oben beschriebener Ausnahmefall vor, bei dem wegen verweigerter Terminverlegung die Besorgnis der Befangenheit der Abteilungsrichterin zu bejahen ist.

Der Verteidiger hat erhebliche und nachvollziehbare Gründe für seinen Terminverlegungsantrag vorgetragen und die Tatsachen anwaltlich versichert. Es ist nach Akteninhalt zweifelsfrei, dass der Angeklagte ab dem 03.11.2024 in stationärer Behandlung im Krankenhaus lag. Auch hat die Klinik mitgeteilt, dass eine rechtzeitige Entlassung nicht erfolgen könne. Hinzukommt, dass der Verteidiger erst nach über 6 Wochen am 04.11.2024 Akteneinsicht bekommen hat. Eine Besprechung mit dem Mandanten, dessen persönliches Erscheinen durch die Abteilungsrichterin angeordnet war, war vor dem Termin daher nicht möglich. Unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens und des Rechts des Betroffenen, sich von einem Verteidiger sachgemäß vertreten zu lassen, war die Zurückweisung des – erstmaligen – Antrags auf Terminverlegung für den Angeklagten schlechthin unzumutbar, wodurch sein Grundrecht auf rechtliches Gehör und das auf ein faires Verfahren verletzt worden ist.

Dies begründet die Besorgnis der Befangenheit der zuständigen Abteilungsrichterin.“

Was soll man dazu sagen? Besser schweigt man zu einem so unverständlichen Richterverhalten und schüttelt nur den Kopf über so viel Unverständnis und Gezerre um das Attest, und zwar auch noch, nachdem die Klinik erklärt hatte, dass sie ein Attest über die Verhandlungsfähigkeit nicht ausstellen werde. Und das alles, nachdem der Verteidiger auf eine 250 Blatt starke Akte sechs Wochen hat warten müssen bei einem erstmaligen Terminsverlegungsantrag. Gründe, die die Amtsrichterin zu diesem sturen Verhalten nachvollziehbar veranlasst haben könnten, sind nicht erkennbar und sind von ihr offenbar auch nicht geltend gemacht worden.

Es wäre sicherlich zu begrüßen gewesen, wenn die Amtsrichterin mal in einen gängigen Kommentar geschaut und sich über die Rechtsprechung zu den Terminsverlegungsfragen informiert hätte (vgl. dazu die Nachweise bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, Rn 43 u. 4597 ff. und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl., 2025, Rn 107 u. 3159 ff.). Dann hätte sie unschwer festgestellt, dass die Rechtsprechung gerade bei erstmaligen Terminsverlegungsanträgen „großzügig“ ist, vor allem, wenn eine Terminsabsprache nicht erfolgt ist (s. LG Wuppertal, Beschl.- v. 24.11.2023 – 23 Qs 130/23). Das gepaart mit der hier viel zu späten Übersendung der 250 Blatt starken Akte hätte dann dazu führen müssen, dem Antrag aus Fairnessgründen statt zu geben. Von daher ist zu Recht Besorgnis der Befangenheit angenommen worden.