Archiv für den Monat: Januar 2024

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Kann ich bei der Nr. 4141 VV den Höchstrahmen ansetzen?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

Am Freitag hatte ich folgende Frage zur Diskussion gestellt: Ich habe da mal eine Frage: Kann ich bei der Nr. 4141 VV den Höchstrahmen ansetzen?

Darauf hatte es folgende Antwort gegeben:

„Moin,

wenn man davon ausgeht, dass die Nr. 4141 VV RVG eine Festgebühr ist, dann kannst du nur von der Rahmenmitte ausgehen und die 4 x ansetzen.

Aber wieso die Rahmenmitte von Nr. 4104 VV RVG. Bei Einstellung im Ermittlungsverfahren kommt es doch darauf an, welcher Rechtszug bzw. Gerichtsordnung eingeleitet worden wäre, wenn angeklagt worden wäre (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 91). Warum also nicht die Nr. 4106 VV RVG oder die Nr. 4112 VV RVG?“

StPO II: Erkennungsdienstliches bei einem Ausländer, oder: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung dann etwas zu § 81b StPO, also erkennungsdienstliche Behandlung. Allerdings nicht eine der üblichen Entscheidungen, sondern etwas zu der Neuregelung in § 81b Abs. 2 StPo. Na ja, gut. So neu ist die Regelung nicht mehr. Aber: Entscheidungen dazu kenne ich nicht. Und der AG Limburg, Beschl. 22.12.2023 – 56 Cs 6 Js 13372/22 (42/23) – wäre auch nicht nötig gewesen, wenn die StA die Vorschrift mal richtig gelesen hätte,

Das AG hatte über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu entscheiden. Denn hatte ein türkischer Antragsteller gestellt. Der war durch einen Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Ungallort zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 4 Monaten auferlegt.

Die Staatsanwaltschaft hat das zum Anlass genommen, die zuständige Polizeidienststelle Limburg dazu aufzufordern, die erkennungsdienstliche Behandlung – in Form der Aufnahme der Fingerabdrücke und Lichtbilder – durchzuführen. Der Antragsteller hat dann über seinen Verteidiger die beabsichtigte erkennungsdienstliche Behandlung mit der Begründung der Unverhältnismäßigkeit gerügt und den Antrag auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung gestellt.

Und der hatte beim AG Erfolg.

„Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 StPO analog hat in der Sache Erfolg.

Die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers ist rechtwidrig. Der Antragsteller ist nicht erkennungsdienstlich im Sinne des § 81 b Abs. 2 StPO zu behandeln.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung im Nachverfahren liegen nicht vor. Die in § 81 b Abs. 2 unter Ziff. 1 bis 4 aufgelisteten Voraussetzungen haben kumulativ vorzuliegen (BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81b Rn. 18b).

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und erfüllt damit – als Drittstaatenangehöriger – die Voraussetzung des § 81 b Abs. 2 Nr. 1 StPO.

Es mangelt an dem Vorliegen der Voraussetzung des § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO.

Der Antragsteller wurde lediglich zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätze zu 30,00 EUR rechtskräftig verurteilt. § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO verlangt neben dem Vorliegen der Drittstaatenangehörigkeit die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe, dies liegt hier nicht vor.

Zwar wurde dem Antragsteller der Führerschein gemäß § 69 StGB entzogen und ebenfalls eine Sperrfrist von 4 Monaten gemäß § 69a StGB ausgesprochen, dies genügt jedoch den Voraussetzungen des § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht.

Es handelt sich sowohl bei § 69 StGB als auch bei § 69a StGB um Maßnahmen, welche dem sechsten Titel des Strafgesetzbuches zu entnehmen sind und damit dem Oberbegriff der Maßregeln der Besserung und Sicherung zugeordnet werden können, dies genügt jedoch nicht, da § 81 .13 Abs. 2 Nr. 2 StPO – dem Wortlaut deutlich zu entnehmen – verlangt, dass es sich um eine freiheitsentziehende Maßregel der. Besserung und Sicherung handeln muss. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des Nr. 2, da im Rahmen von Alt. 1 ebenfalls ausschließlich auf die Freiheit entziehende Maßnahmen abgestellt wird.“

Wie gesagt. Einfach mal lesen. In § 81b Abs. 2 Nr. 2 StPO heißt es nämlich:

„der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,“

Es gilt der Satz: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

StPO I: Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung, oder: Jugendtümliche Tat eines Jugendlichen

Bild von Andy auf Pixabay

Und dann Start in die 4. KW, und zwar mit zwei Entscheidungen zu Ermittlungsmaßnahmen, also mal wieder StPO.

Ich beginne mit dem LG Essen, Beschl. v. 08.01.2024 – 64 Qs 26/23, der sich zur Anordnung einer Maßnahme nach § 81g StPO äußert. Dem Beschuldigten, einem Jugendlichen, wird vorgworfen, zusammen mit vier Mittätern, bei einem „Drogenankauf“ den Verkäufer überfallen une beraubt zu haben. Deswegen ist ein Verfahren wegen schweren Raubes gegen den Beschuldigten anhängig. In dem Verfahren ist vom AG auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Entnahme von Körperzellen bei dem Beschuldigten gemäß § 81g StPO sowie die Untersuchung molekulargenetischen Materials bei dem Beschuldigten gemäß § 81g StPO für zukünftige Identitätsfeststellungen angeordnet worden. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, die Erfolg hatte.

Das LG stellt zunächst fest, dass der Beschuldigte vor der Anordnung nicht ausreichend angehört worden ist. Das hat das LG aber im Beschwerdeverfahren nachgeholt und es entscheidet dann in der Sache:

„3. Die Voraussetzungen für die Anordnung der beantragten Maßnahmen liegen jedoch nicht vor.

Die Entnahme und die Untersuchung der Körperzellen sind grundsätzlich auch im anhängigen Strafverfahren zulässig. Zum Schutz des Betroffenen stellt § 81 g StPO strengere Voraussetzungen auf, die unterlaufen würden, ließe man die Einbindung in eine auf der Grundlage des § 81b Alt. 2 StPO angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung zu. Auf den Verdachtsgrad kommt es nicht an, so dass ein Anfangsverdacht ausreicht. Die Anordnung einer DNA-Identitätsfeststellung setzt damit lediglich einen einfachen Tatverdacht (Anfangsverdacht) zum Zeitpunkt der Anordnung der Entnahme und der Untersuchungsanordnung nach § 81 f StPO voraus (vgl. BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81g Rn. 1 m. w. N.). Weil der Gesetzeswortlaut von künftigen Strafverfahren und nicht von künftigen Straftaten spricht, sind die Maßnahmen auch dann zulässig, wenn es um den Nachweis einer bereits begangenen, noch nicht aufgeklärten Straftat geht (vgl. BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81g Rn. 6).

Der Beschuldigte ist zwar wegen einer Straftat von grundsätzlich erheblicher Bedeutung, vorliegend wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB, angeklagt, denn dabei handelt es sich um eine Straftat, welche mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stören kann und welche geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Sollte der Beschuldigte eine ähnliche Tat – erneut – verüben, so könnten dabei grundsätzlich auch Körperzellen abgesondert werden (vgl. (BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81g Rn. 3).

Jedoch besteht entgegen der weiteren Voraussetzung des § 81g Abs. 1 S. 1 StPO derzeit aufgrund der Ausführung der Tat und der Persönlichkeit des Beschuldigten kein Grund zur Annahme, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Denn die bisherige strafrechtliche Entwicklung des Beschuldigten spricht nicht dafür, dass er auch zukünftig gleich gelagerte Taten begehen wird.

Die Prognose künftiger Strafverfahren muss nach den Erkenntnissen bei der vorliegenden Straftat beurteilt werden. Insoweit sind konkretisierbare Anhaltspunkte für künftige gleichgelagerte Fälle erforderlich. Die künftigen Straftaten müssen Straftaten von erheblicher Bedeutung zum Gegenstand haben. Bei Jugendlichen bzw. Heranwachsenden kann der Umstand, dass es sich um eine jugendtypische Verfehlung handelt, die Prognoseentscheidung maßgeblich beeinflussen. Auch wenn anzunehmen ist, dass sich der Angeklagte vom Drogenmilieu gelöst hat, kann dieser Umstand einer Anordnung entgegenstehen. Bei der Art oder Ausführung der Tat spielen die Tatschwere, die kriminelle Energie und das Nachtatverhalten eine Rolle.

Bei der Persönlichkeit des Beschuldigten sind seine kriminelle Karriere, seine Vorstrafen, sein soziales Umfeld, seine psychiatrischen Erkrankungen zu berücksichtigen. Bei den sonstigen Erkenntnissen sind kriminalistische oder kriminologisch anerkannte Erfahrungsgrundsätze heranzuziehen (vgl. BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81g Rn. 6ff. m. w. N.)

Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft. Darüber hinaus ist zu berücksichtigten, dass die ihm vorgeworfene Tat bereits länger als dreieinhalb Jahre zurückliegt und der Beschuldigte seitdem nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Darüber hinaus handelt es sich bei der Tat um eine jugendtypische Verfehlung im Rahmen eines gruppendynamischen Prozesses, auch wenn die Kammer nicht verkennt, dass es sich um eine Straftat von jedenfalls mittlerer Kriminalität handelt.

Die Anordnung wäre vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen sowie unter Berücksichtigung dessen, dass der Beschuldigte bei der ihm vorgeworfenen Tat erst 19 Jahre alt war, auch unverhältnismäßig. Denn bei Jugendlichen bzw. Heranwachsenden ist zu berücksichtigen, dass der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts auf eine möglichst weitgehende soziale Integration abzielt. Deshalb ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob durch die Speicherung des Identifizierungsmusters dem Jugendlichen eine Brandmarkung droht, die seiner sozialen Integration entgegenstehen kann (BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81g Rn. 3). Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind bei Jugendlichen bzw. Heranwachsenden besonders restriktiv zu handhaben. So unterliegen jugendliche Straftäter im pubertären Alter – wie hier der zur Tatzeit 19-jährige Beschuldigte – anlässlich des natürlichen Selbstfindungsprozesses erheblichen Integrations- und Anpassungskonflikten, die sich vielfach in Verhaltensunsicherheit und gesteigertem Abweichungspotenzial ausdrücken. Die Verhaltensunsicherheit des Jugendlichen bzw. des Heranwachsenden kann dazu führen, dass er unfähig ist, Aggressionen und Bedürfnissen sozialadäquat Ausdruck zu verleihen, so dass die Ausübung körperlicher Gewalt oft zur einzigen Möglichkeit wird, diese zu artikulieren. Dies lässt sich dann als Mittel deuten, dem jugendlichen Streben nach Anerkennung und Selbstbehauptung – zumindest physisch – gerecht zu werden. Folglich werden beispielsweise Körperverletzungsdelikte als „jugendtypisch“ beschrieben. Das subjektive Bedürfnis nach Anbindung an eine Gruppe ist – im Vergleich zu Erwachsenen – bei Jugendlichen und Heranwachsenden gesteigert. In der Gruppe verringern sich Hemmungen gegenüber delinquentem Verhalten und Verantwortungsgefühl gegenüber Dritten, und die Begehung einer Straftat unterliegt vermehrt dem Einfluss gruppendynamischer Prozesse. Dies führt dazu, dass jugendliche Delinquenz typischerweise vorübergehend ist, die Mehrzahl jugendlicher Täter mithin lediglich einmal bzw. innerhalb einer bestimmten Lebensphase mehrfach bis zum effektiven Eingreifen der staatlichen Sanktionen strafrechtlich in Erscheinung tritt (vgl. LG Hannover, Beschluss vom 3. Juli 2014 – 31 Qs 3/14 –, Rn. 19, juris). Von einem solchen lediglich vorübergehend auftretenden delinquenten Verhalten ist nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall des bisher noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getretenen Beschuldigten aus den oben bereits genannten Gründen auszugehen.“

Sonntagswitz, heute passend zum winterlichen Wetter Winterwitze

© Teamarbeit – Fotolia.com

Es ist Sonntagnachmittag und damit „Sonntagswitz-Time“. Und da gibt es heute passend zum winterlichen Wetter Witze zum Winter, und zwar:

„Warum bauen Sie eigentlich nicht im Winter weiter?“ will der Bauherr wissen.

„Na hören Sie mal, bei der Kälte würden uns ja alle Bierflaschen platzen!“


Häschen zum Schneemann: „Möhre her oder ich föhn dich!“


Ein Bauer hat drei Schweine. Da der Winter kommt und er die Tiere vor der Kälte schützen will, fragt er seine Frau, ob sie etwas dagegen hätte, wenn die Schweine mit im Haus wohnen würden.

Sie ist dagegen: „Sie sollen hier mit uns wohnen? Das geht auf keinen Fall. Denk doch an den Gestank!“

Darauf der Bauer: „Ach, die Tiere werden sich schon daran gewöhnen!“


Fritzchen kommt von der Schule nach Hause und jubelt: „Heute haben wir hitzefrei!“

Vater verwundert: „Was? Mitten im Winter?“

Fritzchen: „Ja, die Schule brennt.“

Wochenspiegel für die 3. KW, mit Coronakündigung, Online-Gesetze, Liegen am Pool und Messreihe

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Und dann der Wochenspiegel für die 3. KW mit folgenden Hinweisen:

  1. Kündigungen wegen gefälschter Corona-Bescheinigungen rechtmäßig

  2. Juristische Organisationen verurteilen rechtsextreme Deportationspläne aufs Schärfste

  3. IT-Forensik und die Identifikation gelöschter Daten

  4. Ein Überblick über das Datenschutzstrafrecht

  5. EuGH: Parlamentarischer Untersuchungsausschuss muss Vorgaben der DSGVO einhalten es sei denn die nationale Sicherheit ist betroffen
  6. Mit dem Online-Gesetzbuch effektiv und digital juristisch Arbeiten

  7. OLG Hamm: Kontrollverlust über personenbezogene Daten bei unrechtmäßiger Datenverarbeitung begründet allein keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO
  8. Schmerzensgeld: Kniefraktur nach Rodelunfall
  9. Dauerhaft reservierte Liegen am Pool können Reisemangel sein