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StPO II: Erkennungsdienstliches bei einem Ausländer, oder: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

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Und als zweite Entscheidung dann etwas zu § 81b StPO, also erkennungsdienstliche Behandlung. Allerdings nicht eine der üblichen Entscheidungen, sondern etwas zu der Neuregelung in § 81b Abs. 2 StPo. Na ja, gut. So neu ist die Regelung nicht mehr. Aber: Entscheidungen dazu kenne ich nicht. Und der AG Limburg, Beschl. 22.12.2023 – 56 Cs 6 Js 13372/22 (42/23) – wäre auch nicht nötig gewesen, wenn die StA die Vorschrift mal richtig gelesen hätte,

Das AG hatte über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu entscheiden. Denn hatte ein türkischer Antragsteller gestellt. Der war durch einen Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Ungallort zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 4 Monaten auferlegt.

Die Staatsanwaltschaft hat das zum Anlass genommen, die zuständige Polizeidienststelle Limburg dazu aufzufordern, die erkennungsdienstliche Behandlung – in Form der Aufnahme der Fingerabdrücke und Lichtbilder – durchzuführen. Der Antragsteller hat dann über seinen Verteidiger die beabsichtigte erkennungsdienstliche Behandlung mit der Begründung der Unverhältnismäßigkeit gerügt und den Antrag auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung gestellt.

Und der hatte beim AG Erfolg.

„Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 StPO analog hat in der Sache Erfolg.

Die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers ist rechtwidrig. Der Antragsteller ist nicht erkennungsdienstlich im Sinne des § 81 b Abs. 2 StPO zu behandeln.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung im Nachverfahren liegen nicht vor. Die in § 81 b Abs. 2 unter Ziff. 1 bis 4 aufgelisteten Voraussetzungen haben kumulativ vorzuliegen (BeckOK StPO/Goers, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 81b Rn. 18b).

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und erfüllt damit – als Drittstaatenangehöriger – die Voraussetzung des § 81 b Abs. 2 Nr. 1 StPO.

Es mangelt an dem Vorliegen der Voraussetzung des § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO.

Der Antragsteller wurde lediglich zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätze zu 30,00 EUR rechtskräftig verurteilt. § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO verlangt neben dem Vorliegen der Drittstaatenangehörigkeit die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe, dies liegt hier nicht vor.

Zwar wurde dem Antragsteller der Führerschein gemäß § 69 StGB entzogen und ebenfalls eine Sperrfrist von 4 Monaten gemäß § 69a StGB ausgesprochen, dies genügt jedoch den Voraussetzungen des § 81 b Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht.

Es handelt sich sowohl bei § 69 StGB als auch bei § 69a StGB um Maßnahmen, welche dem sechsten Titel des Strafgesetzbuches zu entnehmen sind und damit dem Oberbegriff der Maßregeln der Besserung und Sicherung zugeordnet werden können, dies genügt jedoch nicht, da § 81 .13 Abs. 2 Nr. 2 StPO – dem Wortlaut deutlich zu entnehmen – verlangt, dass es sich um eine freiheitsentziehende Maßregel der. Besserung und Sicherung handeln muss. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des Nr. 2, da im Rahmen von Alt. 1 ebenfalls ausschließlich auf die Freiheit entziehende Maßnahmen abgestellt wird.“

Wie gesagt. Einfach mal lesen. In § 81b Abs. 2 Nr. 2 StPO heißt es nämlich:

„der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,“

Es gilt der Satz: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen FahrPersonalG, oder Wirksamkeitsvoraussetzungen

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Urheber Erkaha

Es schließt dann eine „kleine“ OWi-Entscheidung an, und zwar der AG Limburg, Beschl. v. 09.11.2017 – 1 OWI – 6 Js 11243/17. Es geht noch einmal um die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides in einem Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem Fahrpersonalgesetz. Über die Problematik habe ich in der letzten Zeit ja aufgrund einiger Entscheidungen, die mir Kollegen übersandt hatten, häufiger berichten können. So dann jetzt der von der Kollegin A. Merrath, Bebra, übersandte Beschluss.

„Der Vorwurf lt. Bußgeldbescheid vom 27.03.2017, Az. 266.014451.2, richtet sich gegen den Betroffenen, als Verantwortlicher einem Fahrer keinen Nachweis über berücksichtigungsfreie Tage ausgestellt zu haben, ohne dass freilich der Name des Fahrers angegeben ist. Dabei handelt es sich im Bereich des Fahrpersonalrechts — Sozialrecht zum Schutz der Fahrer — um eine wesentliche, zur Umgrenzung des zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Lebenssachverhalts unerlässliche Angabe.

Mit BGHSt 23, 336 juris Rz. 7) ist nämlich maßgeblich auf eine mögliche Verwechslungsgefahr abzustellen, weil der Betroffene zu der angegebenen Zeit weitere gleichartige Ordnungswidrigkeiten begangen haben kann. Von einer derartigen Gefahr ist im Bereich des Fahrpersonalrechts bei der hier in Rede stehenden Fallgestaltung regelmäßig auszugehen, weil auf Untemehmensseite in aller Regel mehr als nur ein Fahrer beschäftigt wird.

Wegen des o.g. — von seiner Rechtsnatur her personenbezogenen — Schutzzwecks ist es nach hier vertretener Ansicht auch nicht etwa bedeutungslos, für welchen Fahrer der „Verantwortliche für das Fahrpersonal“ es unterlassen hat, die Bescheinigung auszustellen, vgl. die gleichartige Idealkonkurrenz im Strafrecht bei Delikten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter. Da die Ausstellung von Bescheinigungen u.a. gerade dem Nachweis der „Freizeit” des Fahrers und diese wiederum dessen Erholung dient, sind hier gleichfalls die Rechtsgüter Freiheit und Gesundheit der Fahrer betroffen. Der gegenteiligen Rechtsauffassung, wie sie z.B. im Bußgeldkatalog LV 48 vertreten wird — nur ein Verstoß des Unternehmers, wenn mehrere Fahrer betroffen sind, s. Ziffer 4) Beispiel 2 — kann daher nicht gefolgt werden. Der geringeren Eingriffsintensität, d.h. dem Umstand, dass die genannten Rechtsgüter gegenüber den klassischen Straftaten hier in geringerem Maße betroffen sind, wird schließlich gerade dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass ein Verstoß nicht als Straftat sondern „nur“ als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, kann aber rechtssystematisch gesehen nichts daran ändern, dass die Fahrer — jeder für sich — in ihrer Individualität betroffen sind.

Der Name des Fahrers ergibt sich zwar bei einem Rückgriff auf den Akteninhalt, was jedoch mit BGH a.a.O. abzulehnen ist; da der Bußgeldbescheid ohne Einspruch in Rechtskraft erwachsen würde, muss er selbst die notwendigen Wirksamkeitsvoraussetzungen mitbringen. Der Verweis der Gegenansicht auf das Beschlussverfahren (Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 66 Rz. 39a)stützt vielmehr umgekehrt gerade die auch hier vertretene Auffassung des BGH, wie das Beispiel des nicht verteidigten Betroffenen ohne Kenntnis vom Akteninhalt zeigt.

Diese Entscheidung hindert die Verwaltungsbehörde freilich nicht daran, das festgestellte Verfahrenshindernis zu beseitigen und das eingestellte Verfahren anschließend fortzusetzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 206a Rz. 11).“

Letzteres geht aber nur, wenn noch keine Verjährung eingetreten ist.