Archiv für den Monat: August 2023

beA I: Sich selbst verteidigender Rechtsanwalt, oder: Revision usw. bitte per beA

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Nach längerer Zeit heute dann im „Kessel Buntes“ mal wieder zwei Entscheidungen zum beA.

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 20.07.2023 – 4 ORs 62/23 – zur Frage der Anwendung des § 32d Satz 2 StPO gilt auch in dem Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist.

Hier hatte das AG den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteitl. Dagegen die Revision des Angeklagten, die er nicht per beA übermittelt, sondern nur per Fax. Das OLG hat die Revision auf Antrag der StA als unzulässig verworfen:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 05. Juni 2023, die dem Angeklagten zur Stellungnahme übersandt worden ist, zu dem Rechtsmittel des Angeklagten Folgendes ausgeführt:

„I.

Das Amtsgericht Münster hat den Angeklagten durch Urteil vom 09.03.2023 (37 Ds 214/22) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt (Bl. 39 ff. d. A.). Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten verkündete (Bl. 33 ff. d. A.) und auf Anordnung des Vorsitzenden vom 17.03.2023 (Bl. 41 d. A.) dem Angeklagten am 25.03.2023 zugestellte (Bl. 41, 41R d. A.) Urteil hat der Angeklagte mit am 15.03.2023 bei dem Amtsgericht Münster eingegangenem Schreiben vom 15.03.2023 (Bl. 38 d. A.) Rechtsmittel eingelegt und dieses mit weiteren, am 25.04.2023 eingegangenem Schreiben vom selben Tag (Bl. 46 d. A.) als Revision bezeichnet und mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.

II.

Die Revision ist bereits nicht wirksam eingelegt (zu vgl. BGH, Beschl. v. 08.09.2022 – 3 StR 251/22 – (LG Kleve)).

Nach den seit dem 01. Januar 2022 geltenden § 32d S. 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte unter anderem die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt sich ein Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung. Ihre Nichteinhaltung bewirkt die Unwirksamkeit der Erklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 24.05.2022 – 2 StR 110/22 -, Rdnr. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 32d Rdnr. 2 m. w. N.).

Diesen Anforderungen genügen die Revisionseinlegung und die Revisions-begründung nicht. Denn der Angeklagte hat seine Revision lediglich mit einem per Fax übermitteltetn bzw. im Briefkasten des Amtsgerichts hinterlegt.

Anhaltspunkte dafür, dass eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war (§ 32d, S. 3 StPO) sind nicht dargetan.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt der Senat sich nach eigener Sachprüfung an. Ergänzend führt der Senat Folgendes aus: Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Revisionsschrift und Revisionsbegründungsschrift gilt auch in dem – hier vorliegenden – Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist. Der Begriff „Rechtsanwälte“ in § 32d StPO ist insoweit statusrechtlich zu verstehen und erfasst Personen, die als Rechtsanwalt zugelassen sind und für die als solche durch die Bundesrechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eingerichtet worden ist, § 31a Abs. 1 BRAO. Die Verpflichtung zur elektronischen Einreichung schließt nicht die Möglichkeit des Rechtsanwalts aus, die in Rede stehenden Erklärungen mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben (vgl. Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 66. Auflage 2023, § 32d StPO Rn. 1 m.w.N.). Von dieser Möglichkeit hat der Angeklagte keinen Gebrauch gemacht.“

Ebenso bzw. ähnlich hat bereits das OLG Brandenburg im OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.06.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22 – entschieden.

Ich habe da mal eine Frage: Nach „Verzicht“ keine Einziehungsgebühr?

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Heute mal wieder etwas aus der Facebook-Gruppe „Strafverteidiger“.

Dort hatte neulich ein Kollege die Beanstandung einer Rechtspflegerin zur Diskussion gestellt. Die hatte gegenüber der von ihm geltend gemachten „Einziehungsgebühr“ Nr. 4142 VV RVG geltend gemacht, dass die nicht entstanden sei, da ja der Angeklagte in der Hauptverhandlugn auf Rückgabe der betroffenen Gegenstände verzichtet habe.

Zur Stützung dieser Ansicht hieß es dann:

„Gem. Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG 25. Auflage 2021, Nr. 4142 Rnr. 6 muss es sich um eine Maßnahme handeln, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entzog und es da­durch zu einem eindeutigen Vermögensverlust kommen musste.

Da der Angeklagte auf die Rückgabe der Gegenstände verzichtet hat, liegt hier weder eine Maß­nahme des Gerichts vor, noch ein angeordneter Entzug vor. Damit sind die Voraussetzungen für die Entstehung der Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht erfullt. Die Gebühr ist nicht entstanden und auch nicht erstattungsfähig.

Die MwSt verringerte sich entsprechend.“

Auslagenerstattung nach dem Bußgeldverfahren II, oder: Einstellung wegen Verjährung

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Und die zweite Entscheidung, der LG Berlin, Beschl. v. 20.07.2023 – 510 Qs 60/23, behandelt ebenfalls die Problematik der Auslagenerstattung nach einem für die Betroffene „erfolgreich beendeten“ Bußgeldverfahren.

Gegen die Betroffene war durch Bußgeldbescheid wegen der Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführerin eine Geldbuße festgesetzt worden. Hiergegen hat die Betroffene Einspruch eingelegt. Mit Verfügung vom 24.01.2022 hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren an das AG abgegeben worden. Jedoch hat die Amtsanwaltschaft das Verfahren erst mit Verfügung vom 05.12.2022 dem AG erstmals vorlegt. Am 09.12.2022 hat das AG einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Nach Hinweis der Verteidigung auf die Verfolgungsverjährung hat das Amtsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 08. 06.2023 nach § 206a StPO eingestellt, weil Verfolgungsverjährung am 19.05.2022) eingetreten ist. Zugleich hat es die Kosten des Verfahrens, nicht aber die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse auferlegt.

Gegen die Auslagenentscheidung wendet sich die Betroffene mit ihrer sofortigen Beschwerde. Diese hatte Erfolg:

„Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Wird das Verfahren wie vorliegend wegen eines dauernden Verfahrenshindernisses nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, fallen gemäß § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse zur Last. Abweichungen von dieser Regel lässt das Gesetz nur für wenige Ausnahmefälle zu. So kann das Gericht gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG davon absehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn sie wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Das Ermessen ist dabei jedoch erst dann eröffnet, wenn das Gericht überzeugt ist, dass die Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre (vgl. KG, Beschluss vom 26. Oktober 2020 —1 Ws 57/20). Vorliegend hat die Betroffene bereits am Tattag eingeräumt ihr Mobiltelefon genutzt zu haben, wobei sie darauf hinwies, dass sie nicht gewusst habe, dass man das Mobiltelefon während einer Rotphase nicht benutzen dürfe. Die spätere Einlassung, dass sie den Motor ausgeschaltet habe, ist als Schutzbehauptung zu werten. Mithin wäre es zu einer Verurteilung gekommen.

Da das Ermessen allerdings nur dann eröffnet ist, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass die Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre, müssen zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem Verurteilungshindernis besondere Umstände hinzutreten, welche es billig erscheinen lassen, der Betroffenen die Auslagenentscheidung zu versagen (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2016, 159f. m.w.N.). Die Umstände dürfen allerdings nicht in der voraussichtlichen Verurteilung der Betroffenen und der ihr zugrundeliegenden Tat oder der Schwere der Schuld gefunden werden. Sondern es müssen andere Gründe — insbesondere ein der Betroffenen vorwerfbares Fehlverhalten — hinzutreten, die eine Abweichung von der Regel des § 467 Abs. 1 StPO unbillig erscheinen lassen (vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019, StPO § 467 Rn. 10b m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Auflage 2022, § 467 Rn. 18 m.w.N.). Solche Gründe sind vorliegend nicht gegeben. Insbesondere weist die Kammer darauf hin, dass die Verfolgungsverjährung bereits mehr als sechs Monate vor Abgabe an das Amtsgericht Tiergarten eingetreten ist und der Zeitpunkt des Eintritts der Verfolgungsverjährung durch die Polizei Berlin in der Akte vermerkt worden ist. Für das Amtsgericht war das Verfahrenshindernis daher von vornherein erkennbar. Folglich bleibt es bei der Grundregel des § 467 Abs. 1 StPO (vgl. KK-StPO/Gieg, 9. Auflage 2023, StPO § 467 Rn. 10b m.w.N.).“

 

Auslagenerstattung nach dem Bußgeldverfahren I, oder: Mittelgebühr, privates SV-Gutachten, USt

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Heute ist Gebührenfreitag, und zwar mit zwei LG-Entscheidungen zur Auslagenerstattung im bzw. nach einem Bußgeldverfahren.

Den Opener mache ich mit dem LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 04.05.2023 – 6 Qs 394 Js 26340/21 (56/23).

Dem Betroffenen war eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer BAB zur Last gelegt worden. Es wurde deshalb eine Geldbuße von i.H.v. 100,00 EUR gegen ihn festgesetzt. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz Einspruch ein. Der Betroffene beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der durchgeführten Messung. In dem sodann erstellten und dem Amtsgericht vorgelegten Gutachten kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Messserie im Hinblick auf die Fotopositionen Auffälligkeiten aufweise. Das AG hob daraufhin einen zuvor bereits bestimmten Hauptverhandlungstermin auf und beauftragte seinerseits einen Sachverständigen mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens. Der gerichtliche Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die einwandfreie elektronische Funktion der Messanlage für den Messzeitraum nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden könne. Der Betroffene wurde daraufhin im Beschlusswege §§ 72 OWiG) freigesprochen und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse auferlegt.

Der Betroffene hat dann beantragt, seine notwendigen Auslagen gegen die Landeskasse festzusetzen. Dabei hat er bei den anwaltlichen Gebühren jeweils von der Mittelgebühr ausgegangen. Die Bezirksrevisorin hat das teilweise, u.a. bei der Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG, beanstandet. Zudem hat sie der Festsetzung der Kosten für den privat durch den Betroffenen beauftragten Sachverständigen widersprochen. Eine Verwendung des privaten Sachverständigengutachtens sei im Verfahren nicht erfolgt. Zudem sei es Aufgabe der Verteidigung anhand von Rechtsprechung und Literatur selbst zu prüfen, ob es Anhaltspunkte für Messfehler und sonstige Ungenauigkeiten gegeben habe.

Das AG hat die Auslagen unter Berücksichtigung der Ausführungen der Bezirksrevisorin festgesetzt. Eine Festsetzung der Umsatzsteuer erfolgte ebenfalls nicht, da der Betroffene vorsteuerabzugsberechtigt sei. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hatte Erfolg:

„Die gemäß § 464b S. 3 und 4 StPO, 1 1 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie wurde fristgerecht innerhalb von zwei Wochen eingelegt. Der Beschwerdegegenstand übersteigt entsprechend den Vorgaben des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 Abs. 3 StPO einen Wert von 200,00 EUR.

Die sofortige Beschwerde ist darüber hinaus auch begründet.

Die von dem Verteidiger geltend gemachten Gebühren entsprechen billigem Ermessen und sind daher verbindlich (§ 14 Abs. 1 S. 1, 4 RVG). Die von dem Rechtspfleger vorgenommene Kürzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 VV RVG hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auch die Ablehnung der beantragten Erstattung der außergerichtlichen Sachverständigenkosten und der Umsatzsteuer ist rechtsfehlerhaft.

Die Bemessung von Rahmengebühren hat der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen. Unbillig und damit nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unverbindlich ist der Gebührenansatz dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Gebühr liegt, da einem Rechtsanwalt insoweit eine Toleranzgrenze eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420, 421 m.w.N.). Maßgebliche Kriterien für die Bemessung von Rahmengebühren sind u.a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers. Die sog. Mittelgebühr ist anzusetzen, wenn der „Normalfall“ vorliegt, also ein Fall in dem sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, durchschnittlicher Art sind (Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG § 14 Rn. 10). Aus Sicht der Kammer ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen des RVG kein Grund dafür, in den Fällen straßenverkehrsrechtlicher Bußgeldverfahren grundsätzlich davon auszugehen, dass der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt nicht gerechtfertigt ist (so auch Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., Rn. 54 m.w.N.). Vielmehr ist stets der konkrete Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts zu bemessen.

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 VV RVG entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information durch den Rechtsanwalt, Dazu gehören insbesondere auch die Tätigkeiten im gerichtlichen Zwischenverfahren oder in Zusammenhang mit Rechtsbehelfen betreffend Akteneinsicht (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., RVG W 5101 Rn. 4). Der Verteidiger hat vorliegend nicht nur den Einspruch eingelegt, sondern im Rahmen des Zwischenverfahrens nach vorheriger Besprechung mit dem Betroffenen ein privates Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben (vgl. BI. 54 der Akte). Insofern war bereits zu diesem Zeitpunkt eine Auseinandersetzung mit den technischen Voraussetzungen der Messung erforderlich. Daher hat die Kammer keine Anhaltspunkte für einen unterdurchschnittlichen Arbeitsaufwand des Verteidigers im Hinblick auf vergleichbare Verfahren in diesem Verfahrensstadium.

Hinzu kommt, dass dem Betroffenen ausweislich des rechtlichen Hinweises des Amtsgerichts BI. 67 ff. der Akte – die Verhängung eines Fahrverbotes drohte. Die ausgesprochene Geldbuße i.H.v. 100,00 EUR lag zudem zwar am unteren, jedoch nicht am untersten Rand innerhalb des Gebührenrahmens von 60,00 EUR – 5.000,00 EUR. Daher ist auch die Bedeutung der Sache nicht als unterdurchschnittlich anzusehen.

Vielmehr entspricht die Schwierigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hier einem durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Jedenfalls aber liegt die angemessene Gebühr innerhalb der Toleranzgrenze von 20 % ausgehend von der Mittelgebühr,

Darüber hinaus sind dem Betroffenen die Auslagen für das durch seinen Verteidiger in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten zu erstatten. Es handelt sich dabei in dem vorliegenden Fall um notwendige Auslagen im Sinne des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 467 Abs. 1, 464a Abs. 2 StPO.

Notwendige Auslagen sind die einem Beteiligten erwachsenen, in Geld messbaren Aufwendungen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder zur Geltendmachung prozessualer Rechte erforderlich waren (LG Aachen Beschl. v. 12.7.2018 66 Qs-509 Js-OWi 2524/16-31/18 BeckRS 2018, 16186, Rn. 3). Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen sind in der Regel nicht notwendig, weil Ermittlungsbehörden (§ 160 Abs. 1 u. 2 StPO) und Gericht (§ 244 Abs. 2 StPO) von Amts wegen zur Sachaufklärung und zur Beachtung des Zweifelssatzes verpflichtet sind und die Betroffenen daneben regelmäßig durch Initiativanträge, insbesondere Beweisanträge, das Gericht zu der begehrten Beweisaufnahme bestimmen können und werden (KK-StPO/Gieg, 9. Aufl. 2023, § 464a Rn. 7 m.w.N.).

Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens sind jedoch unter anderem dann ausnahmsweise als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre (LG Göttingen Beschl. v. 4.7.2022 – 1 Qs 13/22 -, BeckRS 2022, 17434, Rn. 14 m.w.N.). Unabhängig von der subjektiven Bewertung der Prozesslage durch den Betroffenen sind die Kosten eines durch ihn in dem Bußgeldverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens nach einem Freispruch von dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit aber jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn das eingeholte Privatgutachten zu dem Freispruch beigetragen hat (vgl. LG Aachen Beschl. v. 12.7.2018, a.a.O., 7; LG Aachen Beschl. v. 30.9.2019 – 66 Qs 58/19 BeckRS 2019, 35426).

Die vorgenannten Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Sachverständigenkosten sind hier gegeben. Das durch den Verteidiger des Betroffenen beauftragte Sachverständigengutachten hat erkennbar zu dem Freispruch des Betroffenen beigetragen.

Das wird schon daran deutlich, dass das Amtsgericht nach dem Eingang des Verfahrens bereits Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und im Rahmen der Ladung explizit darauf hingewiesen hatte, dass aus seiner Sicht Anhaltspunkte für einen Messfehler derzeit nicht ersichtlich seien, Allein das sodann durch den Verteidiger vorgelegte Sachverständigengutachten führte dazu, dass das Amtsgericht den Termin zur Hauptverhandlung aufhob und seinerseits einen Sachverständigen mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zu der Frage, ob das Ergebnis der Messung am Tattag zur Tatzeit am Tatort mit der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs nicht übereinstimme, beauftragte.

Ohne die Anbringung konkreter Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung wäre daher damit zu rechnen gewesen, dass das Gericht in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter den erleichterten Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sowie § 244 Abs. 4 S. 2 StPO ablehnen würde. zur Überprüfung auf solche Zweifel war angesichts der technisch komplizierten Materie aber die Überprüfung durch einen Sachverständigen notwendig (so auch LG Oldenburg Beschl. v. 28.3.2022 – 5 Qs 108/20, BeckRS 2022 8935, Rn. 6).

Hinzu kommt, dass in dem durch das Gericht eingeholten Sachverständigengutachten ausdrücklich auf das Privatgutachten des Betroffenen Bezug genommen und weitgehend Übereinstimmung in den festgestellten Ergebnissen konstatiert wurde.

Vor dem Hintergrund dieser objektiven Umstände ist es hier nicht entscheidungserheblich, dass das Amtsgericht in seiner Entscheidungsbegründung in dem Beschluss vom 14.06.2022 nicht ausdrücklich auch auf das Privatgutachten des Betroffenen verwiesen hat. Der Beitrag des durch den Betroffenen eingeholten Sachverständigengutachtens zu seinem Freispruch ergibt sich vielmehr aus dem tatsächlichen Verfahrensverlauf.

Die beantragten Sachverständigenkosten sind darüber hinaus auch in der Höhe plausibel und daher erstattungsfähig.

Schließlich ist auch die beantragte Umsatzsteuer dem Betroffenen in dem vorliegenden Fall zu erstatten. Für die Frage, ob einem Freigesprochenen die von seinem Verteidiger in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erstattet werden kann, kommt es nach § 464b S. 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht darauf an, ob der Freigesprochene generell vorsteuerabzugsberechtigt ist, sondern ob er die von seinem Verteidiger in Rechnung gestellten Beträge tatsächlich als Vorsteuer abziehen kann (LG Berlin, Beschluss vom 8. Januar 1996 519 Qs 463/95 juris). Für das Strafverfahren kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Vorsteuer auf Verteidigerkosten nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden kann, weil es sich bei der Verteidigertätigkeit nicht um eine Leistung für das Unternehmen des Freigesprochenen im Sinne des § 15 UStG handelt (ebd.; vgl. auch BFH, Urteil vom 1 1. April 2013 – V R 29/10 -, BFHE 241, 438, BStBl Il 2013, 840, juris). Diese Grundsätze müssen evident auch für das ebenfalls von einem Sanktionscharakter geprägten Ordnungswidrigkeitenrecht gelten. In dem vorliegenden Fall gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es dem Betroffenen möglich war, die Kosten der Verteidigung aufgrund seiner unternehmerischen Tätigkeit als Maschinentechniker als Vorsteuer abzuziehen.“

In allen drei Punkten richtig 🙂 .

Rechtsfolgen III: Doppelverwertungsverbot bei OWi’s, oder: Eine „Gesamtgeldbuße“ gibt es nicht

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Und als letzte Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 18.08.2023 – 3 ORbs 172/23 – 122 Ss 40/23, also Bußgeldverfahren. Das AG hat die Betroffene wegen vier tateinheitlich begangener Verstöße gegen das ProstSchG zu einer Geldbuße von 1.000 EUR und wegen eines weiteren Verstoßes gegen die GewO zu einer Geldbuße von 200 EUR verurteilt und daraus eine „Gesamtgeldbuße“ von 1.200 EUR gebildet. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

Das KK moniert zunächst nicht ausreichende Feststellungen des AG und beanstandet die amtsgerichtliche Beweiswürdigung. Insoweit verweise ich auf den verlinkten Volltext. Zu den Rechtsfolgen führt es dann aus:

„3. Schließlich ist auch die Rechtsfolgenbemessung zu beanstanden.

a) Indem das Amtsgericht ausführt, der Verstoß sei „als erheblich einzustufen, da mit der Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe und den dafür bestehenden Schutzvorschriften der illegalen Prostitution und sexuell übertragbaren Krankheiten vorgebeugt werden soll“ (UA S. 5), bewertet es einen Umstand als belastend, der nicht die Tatausführung betrifft, sondern bereits Grundlage der Bußgeldnorm ist. Dies stellt einen Verstoß gegen den auch im Bußgeldverfahren anzuwendenden Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB dar (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 und 01.02.2017 – 3 Ss OWi 80/17 [beide juris]; Mitsch in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 17 Rn. 36). Das Doppelverwertungsverbot soll verhindern, dass Umstände, die bereits zum Tatbestand der Bußgeldnorm gehören oder, wie hier, das generelle gesetzgeberische Motiv für die Bußgelddrohung darstellen, bei der Bemessung der Geldbuße noch einmal herangezogen werden.

b) Als problematisch muss auch der im Tenor benutzte Terminus der „Gesamtgeldbuße“ gelten. Nach dem im Bußgeldrecht geltenden Kumulationsprinzip ist keine „Gesamtgeldbuße“ festzusetzen (vgl. OLG Karlsruhe VRS 108, 63; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 20 Rn. 2). Jedenfalls fehlerhaft ist vor diesem Hintergrund die Begründung der Bildung einer einheitlichen „Gesamtgeldbuße“, nach der „die Geldbuße … in der Höhe für fünf begangene Verstöße, davon vier in Tateinheit, angemessen und sachgerecht“ erschien (UA S. 5).“