Archiv für den Monat: August 2022

StPO I: Wenn man im Strafbefehl die Strafe vergisst, oder: Neuer Strafbefehl ist unzulässig

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Heute stelle ich dann StPO-Entscheidungen vor, alle drei haben Fragen in Zusammenhang mit dem Strafbefehl zum Gegenstand.

Zum Auftakt hier zunächst der LG Karlsruhe, Beschl. v. 25.07.2022 – 16 Qs 55/22 – zu einer Frage, die in der Praxis immer wieder von Bedeutung ist. Nämlich die Frage nach der (Un)Zulässigkeit der nachträglichen Ergänzung eines Strafbefehls, durch den einen (Geld)Strafe nicht festgesetzt worden ist.

Das AG hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen einer Trunkenheitsfahrt gegen den Angeklagten am 05.04.2022 einen Strafbefehl erlassen, der am 16.04.2022 zugestellt worden ist. Der Strafbefehl enthielt in der Rechtsfolge lediglich den Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperrfrist. Das AG vermerkte am 03.05.2022 die Rechtskraft des ursprünglichen Strafbefehls.

Im Vollstreckungsverfahren bemerkt die Staatsanwaltschaft dann, dass die Geldstrafe fehlt und beantragt durch (deklaratorischen) Beschluss festzustellen, dass der Strafbefehl vom 05.04.2022 unwirksam ist und einenum eine Geldstrafe ergänzten Strafbefehl zu erlassen.

Das lehnt das AG ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte beim LG keinen Erfolg. Das führt (umfangreich) aus:

„2. Die sofortige Beschwerde ist indes unbegründet. Das Amtsgericht Pforzheim hat den Erlass des Strafbefehls nach § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO zu Recht abgelehnt.

Dem Erlass des beantragten Strafbefehls steht ein von Amts wegen zu beachtender Strafklageverbrauch im Sinne von Art. 103 Abs. 3 GG entgegen (ne bis in idem). Der ursprüngliche Strafbefehl war wirksam und ist nach Ablauf der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen.

Der Tatbestand des Art. 103 Abs. 3 GG ist hier maßgebliche Entscheidungsgrundlage des Gerichts (unter a). Der weitere beantragte Strafbefehl bezieht sich auf dieselbe Tat wie der vom Amtsgericht Pforzheim ursprünglich erlassene Strafbefehl (unter b). Der ursprüngliche Strafbefehl ist aufgrund der allgemeinen Strafgesetze ergangen (unter c). Der Angeschuldigte ist durch den ursprünglichen Strafbefehl bereits wegen derselben Tat strafrechtlich verfolgt worden (unter d).

a) Der Tatbestand des Art. 103 Abs. 3 GG ist auch für das Strafbefehlsverfahren maßgeblich, um zu bestimmen, ob ein Strafklageverbrauch anzunehmen ist.

…….

b) Der weitere beantragte Strafbefehl bezieht sich auf dieselbe Tat, auf die sich der ursprüngliche Strafbefehl bezogen hatte.

Die für die Bestimmung der Rechtskraft maßgebliche Frage, ob es sich um „dieselbe Tat“ handelt, ist entlang des strafprozessrechtlichen Tatbegriffs der §§ 155 Abs. 1, 264 StPO zu bestimmen. Im Strafbefehlsverfahren sichert § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO eine hinreichende Konkretisierung der strafprozessualen Tat ab. Von derselben Tat ist auszugehen, wenn mehrere Vorgänge derart eng miteinander verknüpft sind, dass ihre getrennte Würdigung in verschiedenen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges erscheinen würde (BGHSt 41, 385 (388); BGHSt 43, 252 (255)). Der dem Angeschuldigten in beiden Strafbefehlen zur Last gelegte Lebensvorgang ist identisch, sodass es sich unproblematisch um dieselbe Tat handelt.

c) Es handelt sich bei dem ursprünglichen Strafbefehl um eine Sanktion aufgrund der allgemeinen Strafgesetze. Darunter fällt das gesamte Kern- und Nebenstrafrecht (BVerfGE 27, 180 (185)). Ausgeschlossen werden sollen Sanktionen des Ordnungswidrigkeitenrechts (BVerfGE 21, 391 (401)), des Berufsstrafrechts (BVerfGE 66, 337 (357)) und des Disziplinarrechts (BVerfGE 27, 180 (184 ff.)). Jedenfalls nach diesen Maßstäben ist der Strafbefehl aufgrund der allgemeinen Strafgesetze ergangen.

d) Der Angeschuldigte ist bereits wegen derselben Tat strafrechtlich verfolgt worden.

Dem steht nicht entgegen, dass das ursprüngliche Strafverfahren nur mit der gegenständlichen Maßregel der Besserung und Sicherung endete (unter aa). Eine strafrechtliche Verfolgung i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG ausschließende Verfahrensfehler hafteten dem Strafbefehlsverfahren nicht an (unter bb).

aa) Der Rechtskraft steht nicht entgegen, dass die letztlich verhängte Rechtsfolge im ursprünglichen Strafbefehl keine Strafe im engeren Sinn beinhaltet:

(i) Als Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist jede staatliche Maßnahme anzusehen, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten darstellt (BVerfGE 128, 326 (392 f.); BVerfGE 26, 186 (204)). Dies soll aber auf Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht zutreffen, welche in erster Linie die Individualprävention durch Einwirkung auf den Täter bezwecken (BVerfGE 109, 133 (187)).

Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die im ursprünglich erlassenen Strafbefehl verhängte Rechtsfolge der entzogenen Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nebst Sperre für eine erneute Erteilung nach § 69a StGB keine Strafe im Sinne einer missbilligenden hoheitlichen Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten sei. Es handelt sich um eine Maßregel der Besserung und Sicherung sowie eine Nebenmaßnahme hierzu (vgl. BGHSt 50, 93; MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg/Huber, 4. Aufl. 2020, StGB § 69a Rn. 1). Hierdurch verhängte Rechtsfolgen haben präventiven Charakter und dienen der Sicherung der Allgemeinheit vor den Gefahren, die sich aus der Teilnahme von ungeeigneten Kraftfahrern am Straßenverkehr ergeben (MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg/Huber a.a.O.). Dies unterscheidet die verhängte Rechtsfolge etwa von einem befristeten Fahrverbot nach § 44 Abs.1 StGB, das als Nebenstrafe einzuordnen ist (vgl. BT-Drs. IV/651, dort S. 13).

Art. 103 Abs. 3 GG erfasst indes nicht nur eine erneute Bestrafung im engeren Sinne wegen derselben Tat, sondern jede erneute Verfolgung derselben Tat; bereits die erneute Einleitung eines Strafverfahrens ist ausgeschlossen (BVerfGE 12, 62 (66); BGHSt 5, 323 (328 ff.)). Entscheidend ist, ob durch die Entscheidung ein Mindestmaß an sachlicher Klärung hinsichtlich des staatlichen Strafanspruchs durch das Gericht erfolgt ist (BVerfGE 65, 377 (383 f.); BVerfGE 3, 248 (253 f.)).

Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 3 GG enthält indes kein umfassendes Verbot, aus Anlass eines Sachverhalts verschiedene Sanktionen zu verhängen, sondern verbietet nur die wiederholte strafrechtliche Ahndung ein und derselben Tat. (BVerfG NStZ-RR 1996, 122 (123); BVerfGE 21, 391 (400)).

(ii) Auch wenn der ursprüngliche Strafbefehl eine Rechtsfolge ohne Strafe im engeren Sinne enthält, ist die wiederholte Verfolgung in einem Strafverfahren vom Schutzbereich des Art. 103 Abs. 3 GG erfasst. Die von der Rechtsprechung anerkannten Fälle, in denen der Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 3 GG als nicht eröffnet angesehen wird, betreffen Sachverhalte, in denen nach oder neben einer Strafe zusätzlich eine Maßregel der Besserung und Sicherung verhängt wurde. Dies betrifft etwa den Führerscheinentzug nach einer rechtskräftigen Strafe oder die nachträgliche Sicherungsverwahrung.

Im vorliegenden Fall verhält es sich aber genau umgekehrt. Vorliegend endete das Strafverfahren durch den ursprünglichen Strafbefehl mit einer Maßregel der Besserung und Sicherung, der jetzt eine Strafe folgen soll. Die vorliegende Fallgestaltung fällt daher in den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 3 GG.

bb) Ein die strafrechtliche Verfolgung i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG ausschließender Verfahrensfehler haftet dem Strafbefehlsverfahren nicht an. Im Gegenteil wäre auch eine im ursprünglichen Strafbefehl tatsächlich beabsichtige Beschränkung der Rechtsfolge auf den enthaltenen Führerscheinentzug nebst Fahrerlaubnissperre rechtmäßig gewesen:

(i) Anders als die Staatsanwaltschaft meint, handelt es sich vorliegend nicht um die Fallgruppe unwirksamer Strafbefehle wegen einer versehentlich überhaupt nicht festgesetzten Rechtsfolge (für die Unwirksamkeit in diesen Fällen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.1984 – 2 Ss 109/84 – 47/84 III; KK-StPO/Maur StPO § 409 Rn. 24; HK-GS/Jan Andrejtschitsch, 5. Aufl. 2022, StPO § 409 BeckOK StPO/Temming, 43. Ed. 01.04.2022, StPO § 409 Rn. 7; dagegen auch dort mit bejahtem Strafklageverbrauch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 409 Rn. 7).

§ 407 Abs. 1 Satz 3 StPO verlangt lediglich, dass der Strafbefehl „eine bestimmte Rechtsfolge“ vorsehe. § 407 Abs. 2 StPO sieht vor, dass die zulässigen Rechtsfolgen „allein oder nebeneinander“ festzusetzen sind. Der Wortlaut zu den zulässigen Rechtsfolgen sieht somit bereits vor, dass ein Strafbefehl „allein“ eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperre von nicht mehr als zwei Jahren festsetzt (Nr. 2). Auch § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StPO verlangt in einem Strafbefehl nur die „Festsetzung der Rechtsfolgen“, nicht jedoch, dass die Rechtsfolgen auch Strafen im engeren Sinne sein müssen und ansonsten der Strafbefehl unwirksam wäre. Im Gegenteil bezieht sich der dritte Abschnitt des StGB bei den „Rechtsfolgen der Tat“ auf die in diesem Abschnitt in §§ 38 bis 76 a StGB (das heißt einschließlich des Führerscheinentzugs nebst Sperre) aufgeführten Rechtsfolgen.

Selbst das alleinige Absehen von Strafe in § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ließe sich durchaus als Rechtsfolge qualifizieren. In der Folge wäre der Strafbefehl selbst ohne jede weitere Rechtsfolge wirksam (in diesem Sinne BayObLG 9.12.1965 – RReg. 4b St 79/65; MüKoStPO/Eckstein, 1. Aufl. 2019, StPO § 409 Rn. 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 409 Rn. 7).

(ii) Ebenfalls anders als die Staatsanwaltschaft meint, handelt es sich im Übrigen auch nicht um die Fallgruppe einer originär unzulässigen Rechtsfolge, bei welcher nach teilweiser Ansicht der Strafbefehl ebenfalls als unwirksam anzusehen ist (HK-GS/Jan Andrejtschitsch, 5. Aufl. 2022, StPO § 409 Rn. 9; KK-StPO/Maur StPO § 409 Rn. 25).

……“

OWi III: Erlass eines zweiten Bußgeldbescheides, oder: Verjährung und Aufenthaltsermittlung

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Und zum Tagesschluss dann noch der AG Landstuhl, Beschl. v. 26.07.2022 – 2 OWi 4211 Js 8465/22, der sich mit Verjährungsfragen befasst.

Gegen den Betroffenen war wegen einer am 03.12.2021 begangenen Ordnungswidrigkeit ein Bußgeldverfahren anhängig. Das AG hat das Verfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist. In der Akte haben sich zwei Bußgeldbescheide gegen denselben Betroffenen, die sich auf dieselbe Tat bezogen und die beide auf den 20.01.2022 datiert waren, jedoch teilweise einen unterschiedlichen Inhalt hatten (Anschrift des Betroffenen, Höhe der Auslagen und der Gesamtforderung), befunden.

Das AG hat das Verfahren eingestellt:

„1. Das Verfahren ist gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil ein unbehebbares Verfahrenshindernis vorliegt. Der Verfolgung der Tat steht die eingetretene Verfolgungsverjährung entgegen.

1.1 Tattag laut Bußgeldbescheid war der 03.12.2021.

Fraglich ist bereits, ob mit der am 18.01.2022 erfolgten Anhörung des Betroffenen überhaupt eine Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG bewirkt wurde. Denn die Verwaltungsbehörde erließ bereits am 20.01.2022, also zwei Tage nach Versendung der Anhörung an den Betroffenen (und damit deutlich vor Ablauf der diesem gesetzten Stellungnahmefrist von einer Woche), einen Bußgeldbescheid gegen ihn, sodass einiges dafür spricht, dass es sich bei der Anhörung, deren Ergebnis von der Verwaltungsbehörde nicht abgewartet wurde, um eine Scheinmaßnahme handelte, durch die die Verjährung nicht unterbrochen werden konnte (vgl. KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, § 33 Rn. 10a m.w.N.).

Die Frage des Vorliegens einer Scheinmaßnahme kann aber im Ergebnis dahinstehen, da ungeachtet dessen in der Folge ohnehin Verjährung eingetreten ist.

1.2 Eine Verjährungsunterbrechung wurde nämlich nicht durch den Erlass oder die Zustellung eines Bußgeldbescheids bewirkt.

In der Akte finden sich zwei Bußgeldbescheide gegen denselben Betroffenen (Bl. 47 f. u. Bl. 69 f. d.A.), die sich auf dieselbe Tat beziehen und die ? was sich dem Gericht bereits im Ansatz nicht erschließt ? beide auf den 20.01.2022 datiert sind, jedoch teilweise einen unterschiedlichen Inhalt haben (Anschrift des Betroffenen, Höhe der Auslagen und der Gesamtforderung).

Mangels Zustellung des ersten Bußgeldbescheids (Bl. 47 f. d.A.) trat indes weder durch dessen Erlass noch durch dessen Zustellung eine Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG ein. Ebenso verlängerte sich die Verfolgungsverjährungsfrist durch den Erlass des Bußgeldbescheids nicht gem. § 26 Abs. 3 S. 1 2. Alt. StVG von drei auf sechs Monate, da die Fristverlängerung erst mit (wirksamer) Zustellung des Bußgeldbescheids eintritt (BGH, NZV 2000, 131 f.; OLG Bamberg, NJW 2006, 1078 (1079); OLG Brandenburg, Beschl. v. 04.12.2008, Az. 2 Ss (OWi) 121 Z/08 ? juris, Rn. 22), was vorliegend jedoch nicht erfolgte.

1.3 Der Verfahrensübersicht (Bl. 9 d.A.) ist zwar zu entnehmen, dass die Verjährung sodann am 02.02.2022 durch eine „vorläufige Verfahrenseinstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen gemäß § 33 OWiG und Aufenthaltsermittlung oder weitere Aufenthaltsermittlung nach vorläufiger Einstellung (Entscheidung Aufenthaltsermittlung vom 02.02.2022)“ unterbrochen worden sein soll, dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall.

Der Klammerzusatz „Entscheidung Aufenthaltsermittlung vom 02.02.2022“ lässt besorgen, dass die Verwaltungsbehörde rechtsirrig davon ausging, dass bereits in der bloßen Veranlassung einer Aufenthaltsermittlung eine vorläufige Einstellung des Verfahrens i.S.d. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 205 StPO mit verjährungsunterbrechender Wirkung zu erblicken sei. Indes kann eine Anordnung der Aufenthaltsermittlung durch die Verwaltungsbehörde nur dann zur Verjährungsunterbrechung führen, wenn sie nach vorläufiger Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen erfolgt. Aus dem Erfordernis, dass die vorläufige Einstellung des Verfahrens der Aufenthaltsermittlung vorangegangen sein muss, also im Zeitpunkt der Anordnung der Aufenthaltsermittlung noch andauern muss, folgt, dass es sich hierbei um eigenständige Entscheidungen handelt; namentlich impliziert die bloße Veranlassung einer Aufenthaltsermittlung nicht auch die vorläufige Einstellung des Verfahrens. Im Gegenteil verhält es sich sogar so, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Einstellung nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 205 StPO nicht vorliegen, wenn die Behörde davon ausgeht, den Aufenthalt zeitnah ermitteln zu können, da es dann an einer länger andauernden Abwesenheit des Betroffenen fehlt, wie sie § 205 StPO jedoch voraussetzt (vgl. KK-StPO/Schneider, 8. Aufl. 2019, § 205 Rn. 8; BeckOK-StPO/Ritscher, 43. Edition 2022, § 205 Rn. 4)). Die bloße Veranlassung von Aufenthaltsermittlungen ohne vorangegangene Einstellungsentscheidung reicht jedenfalls zur Verjährungsunterbrechung nicht aus (BayObLG VRS 62, 288; OLG Celle, BeckRS 2015, 17625 (Rn. 10 f.).

1.4 Selbst wenn man davon ausginge, dass in der entsprechenden Eintragung in der Übersicht über den Verfahrenslauf eine Einstellung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 205 StPO zu erblicken wäre, wogegen allerdings neben dem Wortlaut des Klammerzusatzes auch der Umstand spricht, dass der geäußerte Wille der Unterbrechungshandlung durch die Sachbearbeiterin mit der erforderlichen Gewissheit aus der Akte ersichtlich sein muss (KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, § 33 Rn. 11), sodass jedenfalls zweifelhaft ist, ob eine Eintragung in der Übersicht über den Verfahrenslauf diese Voraussetzung überhaupt erfüllen kann, wäre gleichwohl zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung eingetreten.

Entgegen der Auffassung der Verwaltungsbehörde unterbrachen nämlich weder der Erlass noch die Zustellung des zweiten Bußgeldbescheids (Bl. 69 f.d.A.) die Verjährung, da dieser nichtig ist und somit keine Rechtswirkungen entfalten kann. Grundsätzlich kann, solange ein Bußgeldbescheid existiert, aufgrund des Grundsatzes ne bis in idem wegen derselben Tat kein zweiter Bußgeldbescheid erlassen werden (KK-OWiG/Kurz, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 24). Im vorliegenden Fall existierte, in Gestalt des (ersten) Bescheids vom 20.01.2022 (Bl. 47 f. d.A.), bereits ein Bußgeldbescheid in gleicher Sache, sodass die Verwaltungsbehörde am Erlass eines weiteren Bußgeldbescheids wegen derselben Tat gegen denselben Betroffenen gehindert war. Der erste Bußgeldbescheid war insbesondere auch nicht durch die fehlgeschlagene Zustellung unwirksam. Denn ein Bußgeldbescheid erlangt bereits mit seinem Erlass, nicht erst mit seiner Zustellung, Rechtswirksamkeit. Erlassen ist ein Bußgeldbescheid, wenn er vollinhaltlich aktenmäßig zur Kenntnis von Personen außerhalb der Verwaltungsbehörde niedergelegt ist und entweder unterschrieben ist oder aus den Umständen erkennbar ist, dass die in den Akten befindliche Entscheidung auf dem Willen des zuständigen Behördenbediensteten beruht (KK-OWiG/Kurz, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 10 f. m.w.N.). Spätestens mit dem (wenn auch erfolglosen) Versuch der Zustellung des Bescheids an den Betroffenen ist der Wille der Sachbearbeiterin, den Bescheid zur Kenntnis von Personen außerhalb der Verwaltungsbehörde zu geben, aktenersichtlich zum Ausdruck gekommen, sodass der Bußgeldbescheid im Rechtssinne erlassen wurde.

Sofern die Behörde, wofür die Angaben in der Verfahrensübersicht sprechen könnten, davon ausgegangen sein sollte, dass es sich bei dem inhaltlich abgeänderten Bußgeldbescheid (Bl. 69 f. d.A.) nicht um einen Neuerlass, sondern lediglich um eine Art Modifizierung, Berichtigung oder Ergänzung des Ursprungsbescheids handelt, würde auch dies nichts am Eintritt der Verfolgungsverjährung ändern. Ein einmal erlassener Bußgeldbescheid kann, auch wenn er dem Betroffenen nicht (wirksam) zugestellt wurde, nachträglich nicht mehr abgeändert werden; Änderungen sind dann nur noch über eine Rücknahme und einen Neuerlass möglich. Hält die Behörde einen früheren Bußgeldbescheid für fehlerhaft oder möchte sie ihn ergänzen, so steht es ihr frei, diesen, so lange das Verfahren noch bei ihr anhängig und der Bußgeldbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, diesen zurückzunehmen und einen neuen, inhaltlich abweichenden, Bußgeldbescheid zu erlassen (vgl. etwa OLG Stuttgart, VRS 68, 128 ff.; OLG Düsseldorf, NJW 1986, 1505; OLG Köln, NStZ-RR 1998, 375 f.). Hierzu bedarf es jedoch zweier, ggf. auch in einer Urkunde zusammenzufassender, Entscheidungen der Verwaltungsbehörde, nämlich der Rücknahme des früheren Bescheids und des Erlasses eines neuen Bescheids (freilich dann auch nicht unter dem Datum des früheren Bescheids, sondern unter dem Datum des Tages des Neuerlasses). Indes wäre es im vorliegenden Fall auch möglich gewesen, den ursprünglichen Bußgeldbescheid (Bl. 47 f. d.A.) unter der ermittelten Anschrift neu zuzustellen. Dass in dem Bescheid dann eine mit der Zustellanschrift des Betroffenen nicht (vollständig) identische Anschrift enthalten gewesen wäre, wäre unschädlich gewesen, da eine Zuordnung zum Betroffenen anhand der übrigen Angaben im Bescheid (insb. Geburtsdatum und Geburtsort) ohne Weiteres möglich geblieben wäre. Sofern die Behörde allerdings auch die weiteren Zustellkosten dem Betroffenen auferlegen will oder der Auffassung ist, die Identifizierbarkeit des Betroffenen sei aufgrund der fehlerhaften Anschrift nicht mehr gegeben (was vorliegend angesichts eines bloßen Schreibfehlers im Straßennamen jedoch fernliegt), verbleibt nur der Weg über eine Rücknahme des alten Bescheids und einen Neuerlass.

Wird allerdings, wie vorliegend, in derselben Sache ein neuer Bescheid erlassen, ohne dass sich in diesem ein Hinweis auf die Rücknahme des alten Bescheids befindet, ist der neue Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen den Grundsatz ne bis in idem nichtig und damit unwirksam (OLG Zweibrücken, NZV 1993, 451 f.). Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltungsbehörde rechtsirrig davon ausgeht, keinen neuen Bescheid zu erlassen, sondern lediglich einen alten Bescheid inhaltlich abzuändern. Maßgeblich bleibt, da dies rechtlich nicht möglich ist, nämlich auch in diesem Fall der Bußgeldbescheid in der Form, wie er ursprünglich erlassen wurde. Der zweite Bescheid (Bl. 69 f. d.A.) stellt ein rechtliches nullum dar, das nicht geeignet ist, wie auch immer geartete Rechtswirkungen zu entfalten. Somit waren weder dessen Erlass noch dessen Zustellung dazu geeignet, die verjährungsunterbrechende Wirkung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG herbeizuführen.

1.5 Demnach ist, selbst wenn man von Unterbrechungen am 18.01.2022 (oben 1.1) sowie am 02.02.2022 (oben 1.3) ausginge, spätestens am 02.05.2022 Verfolgungsverjährung eingetreten.“

Und: Das AG ist not amused:

„2. Das Gericht hat die Verwaltungsbehörde bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass der Erlass eines inhaltlich vom Ursprungsbescheid abweichenden neuen Bußgeldbescheids unter dem Datum des Ursprungsbescheids untunlich ist und zu erheblichen rechtlichen Friktionen führen kann, was sich im vorliegenden Verfahren nunmehr bewahrheitet hat.

Das Gericht wird zukünftig Verfahren, in denen sich in der Akte mehrere Bußgeldbescheide unter identischem Datum, jedoch mit unterschiedlichem Inhalt, finden, gem. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurückverweisen, sofern die Staatsanwaltschaft zustimmt und nicht ? wie vorliegend ? ohnehin bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Anderenfalls wird das Gericht zu prüfen haben, ob die fehlerhafte Vorgehensweise der Verwaltungsbehörde zur Folge hat, dass eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit nicht geboten und das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen ist.“

OWi II: Feststellungen zur Bemessung der Geldbuße, oder: Wenn der Betroffene nicht anwesend ist

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Im zweiten Posting des Tages stelle ich den OLG Köln, Beschl. v. 15.07.2022 – 1 RBs 198/22 – vor. Der nimmt noch einmal zu den Anforderungen an die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bie höheren Geldbußen Stellung. Das AG hatte die Regelbuße von 160 EUR wegen Vorbelastungen des Betroffenen auf 320 EUR erhöht, ohne nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen. Das hat das OLG nicht beanstandet:

„Den Bestand des Urteils gefährdet namentlich nicht der Umstand, dass das Tatgericht hier, ohne Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen zu haben, eine – vom Regelsatz nach oben abweichende – Geldbuße in Höhe von 320,- EUR verhängt hat. Maßgeblich ist insoweit, dass das Amtsgericht die Bemessung der Geldbuße nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern, insoweit rechtsfehlerfrei, auf die in den Urteilsgründen dargestellten Vorbelastungen des Betroffenen gestützt hat und eine Pflicht zur Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nicht – auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit – bestand. Im Einzelnen:

Bei höheren Geldbußen (vgl. dazu unten näher) sind die wirtschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich ein Bemessungsfaktor. Hierunter fallen Umstände, die geeignet sind, die Fähigkeit des Betroffenen zu beeinflussen, eine bestimmte Geldbuße zu erbringen. Maßgeblich ist, ob die sich nach Bedeutung der Tat und Schwere des Vorwurfs ergebende Geldbuße auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, mithin im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Betroffenen nicht übermäßig hoch, aber auch nicht unangemessen niedrig ist (vgl. dazu nur SenE v. 13.11.2003 – Ss 447/03). Von der Leistungsfähigkeit hängt es ab, wie empfindlich und damit nachhaltig die Geldbuße den Täter trifft (vgl. Göhler, OWiG, 18. Auflage, § 17 Rn. 21 ff.).

Nach Maßgabe dessen hat das Tatgericht im Hinblick auf § 17 Abs. 3 OWiG grundsätzlich Feststellungen zu treffen, die dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung ermöglichen, ob es von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt jedoch einige Einschränkungen dieses Grundsatzes zu. So ist zwischenzeitlich anerkannt, dass im Hinblick auf den in § 79 Abs. 1 Nr. 1 normierten Schwellenwert von 250,- EUR – zu dem vorliegend offen bleiben kann, ob er im Lichte der seit seiner Festschreibung gewachsenen Kaufkraft noch angemessen ist – eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse entbehrlich ist, wenn das Bußgeld diesen Betrag nicht übersteigt und keine Besonderheiten vorliegen (vgl. dazu SenE v. 09.11.2012 – III-1 RBs 276/12 -; SenE v. 08.04.2014 – III-1 RBs 73/14 -; SenE v. 22.05.2020 – III-1 RBs 144/20 -; SenE v. 13.11.2020 – III-1 RBs 322/20 –; sowie etwa OLG Braunschweig, Beschluss vom 8.12.2015, 1 Ss (OWi) 163/15, m.w.N., juris; OLG Hamm, Beschluss v. 08.01.2015, III-3 RBs 354/14, juris). Nichts anderes gilt nach Auffassung des Senats bei Geldbußen über 250,- EUR, solange die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße verhängt wird und sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen außergewöhnlich gut oder schlecht sind (vgl. nur SenE v. 25.06.1999 – Ss 264/99 B – m. w. Nachw. = VRS 97, 381 [383]; SenE v. 21.10.2011 – III-1 RBs 298/11 -; SenE v. 13.11.2020 – III-1 RBs 322/20) und zwar auch dann, wenn auf den für eine vorsätzliche Begehungsweise nach § 3 Abs. 4a BKatV vorgesehenen Regelsatz erkannt wird (vgl. dazu jüngst SenE v. 06.07.2021, III-1RBs 169/21).

Aber auch in dem vorliegenden Fall der Erhöhung der Regelgeldbuße auf Grund von Eintragungen über den Betrag von 250,- EUR hinaus war das Amtsgericht nicht zu Feststellungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gehalten, denn dieser hat, von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden, ausweislich der Urteilsgründe – auch über seinen Verteidiger – zu seinen diesbezüglichen Verhältnissen keine Angaben gemacht. Dabei ist maßgeblich in den Blick zu nehmen, dass sich der Betroffene in Kenntnis des Vorwurfes und der im Bußgeldbescheid vorgesehenen (hier nicht unerheblichen) Rechtsfolgen mit seinem Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG bewusst die Möglichkeit genommen hat, Umstände vorzutragen, die eine abweichende Beurteilung hätten begründen können und sei es nur deshalb, weil der Verteidiger nicht entsprechend instruiert worden ist.

Soweit der Senat wiederholt entschieden hat, das Tatgericht müsse in dem Zusammenhang bereits den Entbindungsantrag gemäß § 73 Abs. 2 OWiG unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts (und insoweit der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) näher überprüfen (vgl. etwa SenE v. 1.12.2020, III-1 RBs 341/20; SenE v. 13.11.2020, III-1 RBs 322/20), ist zu differenzieren: Eine entsprechende Prüfung dürfte regelmäßig nur (noch) bei höheren Geldbußen, namentlich solchen im vierstelligen Bereich, veranlasst sein.

Im Übrigen geht der Senat – für die hier vorliegende Konstellation der Entbindung des Betroffenen und des Fehlens von Anzeichen hinsichtlich seines sozialen Status – davon aus, dass die Amtsaufklärungspflicht des Tatrichters bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse regelmäßig erst durch eigenen Sachvortrag des Betroffenen ausgelöst wird (vgl. dazu auch – weitergehend – KG Berlin, Beschluss vom 27. 04.2020 – 3 Ws (B) 49/20 m.w.N., juris; OLG Bremen, Beschluss v. 27.10.2020, 1 SsBs 43/20, juris).“

Fazit: Als Verteidiger muss man diese Fragen im Blick haben und dem Mandanten ggf. von einem Entbindungsantrag abraten bzw. darauf achten, dass man selbst vom Mandanten genügend Informationen erhält, um in der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Mandanten zu dessen wirtschaftlichen Verhältnissen vortragen zu können.

OWi I: Nichtspeicherung von Rohmessdaten, oder: Trotzdem faires Verfahren meint der VerfGH

Heute dann ein Tag mit OWi-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.07.2022 – VGH B 30/21, auf den ich ja neulich schon hingewiesen hatte. Dem Verfahren lag eine Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde. Gemessen worden ist mit dem Messgerät Poliscan Speed M1. Der Betroffene hatte die Unverwertbarkeit der Messung wegen der Nichtspeicherung der Rohmessdaten geltend gemacht. Das OLG Koblenz hat seine Rechtsbeschwerde gegen die Verurteilung durch das AG verworfen. Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die keinen Erfolg hatte.

Der VerfGH begründet umfangreich – und m.E. unzutreffend. Die Verwertung eines Messergebnisses, dessen der Messung zugrundeliegende Rohmessdaten nicht zum Zwecke der nachträglichen Überprüfbarkeit gespeichert worden sind, verstößt nach seiner Auffassung nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren.

Ich versuche mal, die umfangreiche Begründung zusammen zu fassen: Der VerfGH meint, die Gewährleistung eines fairen Verfahrens stelle (nur) verfassungsrechtliche Mindestanforderungen auf. Es bestünden „Spielräume“, die durch die Gerichte auszufüllen sind. Der Nutzen der nicht gespeicherten Rohmessdaten für eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses sei im technisch-fachwissenschaftlichen Schrifttum ohnehin „umstritten“. Gleiches gelte für die obergerichtliche Rechtsprechung. Es könne mit ihnen „nur die rechnerische Richtigkeit des Messergebnisses plausibilisiert werden“. Zudem sei die Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung durch das Zulassungsverfahren des jeweiligen Messgerätes vorverlagert. Dies werde flankiert durch gesetzlich vorgegebene Eichfristen, die eine regelmäßige, wiederkehrende Prüfung der Funktionsfähigkeit des Messgerätes gewährleisteten. Dem Betroffenen stehe zudem ein Antrag auf Befundprüfung gem. § 39 Abs. 1 MessEG i.V.m. § 39 MessEV offen. Auch wenn hierdurch der verfahrensgegenständliche Messvorgang nicht wiederholt werden könne und der Messvorgang damit im Nachhinein nicht nachprüfbar werde, lassen diese Prüfungen nach Auffassung des VerfGH den Schluss zu, dass bei dem Messgerät keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind. Außerdem werde die fehlende Überprüfbarkeit zusätzlich durch den Toleranzwert kompensiert.

Anders in der Frage das VerfGH Saarland, Urt. v. 05.07.2019 – Lv 7/17. Nach seiner Auffassung ist der Umstand der Nichtspeicherung der Rohmessdaten unvereinbar mit dem Recht auf ein faires Verfahren und führt zur Unverwertbarkeit. Das steht m.E. auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18), wonach es für die Frage der Erforderlichkeit der Daten entscheidend auf die Sichtweise des Betroffenen und der Verteidigung ankommt, nicht auf diejenige der Bußgeldbehörde oder des Gerichts.

Das letzte Wort in dieser Frage ist aber noch nicht gesprochen. Denn es steht noch immer die Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 1167/20 aus, das auch einen „Rohmessdatenfall“ zum Gegenstand hat. Es bleibt also spannend.

Im Übrigen: Der Volltext der Entscheidung ist auch deshalb lesenswert, weil der VerfGH Stellung nimmt zur der Frage, welche Rechtsmittel der Betroffene ggf. im vorbereitenden Verfahren erheben muss. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) gegen die Nichtgewährung der Einsicht in die Rohmessdaten darf auf keinen Fall versäumt werden.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Entsteht noch einmal eine Verfahrensgebühr?

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Am Freitag hatte ich die kurze Frage: Ich habe da mal eine Frage: Entsteht noch einmal eine Verfahrensgebühr?, zur Diskussion gestellt. Hier meine – ebenso kurze – Antwort:

„Es bleibt dieselbe Angelegenheit i-S. des § 15 RVG. Daher entsteht die VG nicht erneut.“

Zu den Angelegenheit – und zu mehr – kann man nachlesen bei <<Werbemodus an>> Burhoff/Volpert, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, den man hier bestellen kann 🙂 <<Werbemodus aus>>.