Archiv für den Monat: April 2021

StGB I: Raub in (sukzessiver) Mittäterschaft, oder: Nicht mehr nach Beendigung der Tat

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Heute dann Entscheidungen zum StGB, also materielles Recht.

Und aus dem Bereich stelle ich zunächst den BGH, Beschl. v. 18.02.2021 – 4 StR 314/20 – vor.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Raubes verurteilt. Dagegen die Revision, die insoweit Erfolg hatte. Nach Auffassung des BGH tragen die Feststellungen des LG nicht die Annahme eines mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten:

„a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass sich der Angeklagte mit vier weiteren Männern auf einer Autofahrt befand, als seine Mitfahrer den Entschluss fassten, gemeinsam den Geschädigten in dessen Wohnung zu überfallen und unter Anwendung von Gewalt und Drohungen Geld und andere Wertgegenstände zu erbeuten. Bei dem Wohnhaus des Geschädigten angekommen, begaben sich die vier Männer zu der Wohnung, während der Angeklagte im Fahrzeug blieb. Nachdem der Geschädigte seine Wohnungstür geöffnet hatte, betraten die Täter die Wohnung und brachten ihn mit Schlägen und Tritten zu Boden. Sie durchsuchten die Wohnung, in der sich auch die Lebensgefährtin des Geschädigten, die Zeugin W. , aufhielt, und nahmen Bargeld und Schmuck an sich. Einer der Täter entnahm aus der Hosentasche des Geschädigten dessen Portemonnaie, welchem er Bargeld und eine ec-Karte entnahm. Auf Verlangen gab der Geschädigte aus Angst vor weiteren körperlichen Übergriffen die zu der Karte gehörende PIN-Nummer preis. Danach wurde auch die Zeugin W. zur Herausgabe ihrer ec-Karte samt PIN-Nummer aufgefordert und kam der Aufforderung aus Angst ebenfalls nach. Der gesondert Verfolgte J. begab sich sodann zu dem Angeklagten, der sich noch immer in dem Fahrzeug aufhielt, und übergab ihm die ec-Karte des Geschädigten sowie einen Zettel, auf dem die PIN-Nummer notiert war. Dem Angeklagten war bewusst, dass die ec-Karte und die PIN-Nummer durch Gewalt und Drohungen erlangt worden waren; dies war ihm gleichgültig. Er wollte sich spätestens jetzt den übrigen Tätern bei der Tatausführung anschließen und einen Teil der Beute zueignen. Auf Geheiß J. s hob der Angeklagte an einem Geldautomaten 1.000,00 € vom Girokonto des Geschädigten ab. Er gab das Geld dem J. und erhielt von diesem nun die ec-Karte samt PIN-Nummer der Geschädigten W. . Damit hob er am Geldautomaten 740,00 € ab. Auch diesen Betrag übergab er J. . Die Täter verließen schließlich nach mehr als einer Stunde die Wohnung des Geschädigten. Der Angeklagte erhielt für seinen Tatbeitrag 200,00 €.

b) Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als mittäterschaftlich begangenen Raub gemäß § 249, § 25 2 StGB bewertet. Der ebenfalls verwirklichte Computerbetrug gemäß § 263a StGB trete als mitbestrafte Nachtat dahinter zurück.

2. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den Tatbestand des Computerbetrugs in zwei Fällen verwirklicht. Eine Beteiligung des Angeklagten an einem durch die anderen Täter begangenen Raub ist durch die Feststellungen hingegen nicht belegt. Hiernach wurde der gemeinsame Tatentschluss auf der Fahrt zur Wohnung des Geschädigten ohne Beteiligung des Angeklagten durch die anderen vier Insassen des Fahrzeugs gefasst. Der Angeklagte beteiligte sich nicht an der Erlangung der ec-Karten. Die Feststellungen tragen auch nicht die Annahme einer sukzessiven Beteiligung des Angeklagten an der Raubtat. Dies gilt ebenso, soweit die Herausgabeverlangen hinsichtlich der PIN-Nummern sowie der ec-Karte der Geschädigten W. – was naheliegt – rechtlich als räuberische Erpressungen gemäß § 253, § 255 StGB bewertet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2004 – 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 334 f.).

a) Sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen – auch wenn dies von einem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eingetreten wird. Das Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass diese strafrechtlich zugerechnet wird. Ein die Mittäterschaft begründender Eintritt ist auch noch nach der strafrechtlichen Tatvollendung möglich, solange noch keine Beendigung eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2020 – 4 StR 14/20; Beschluss vom 18. Juli 2000 ‒ 5 StR 245/00; krit. dazu Murmann in SSW-StGB, 5. Aufl., § 25 Rn. 39 f. mwN). Entsprechendes gilt für eine Beteiligung in Form der Beihilfe (§ 27 StGB); auch sie kann nur geleistet werden, solange das Haupttatgeschehen noch nicht vollständig abgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 8. November 2011 – 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264 mwN).

b) Danach konnte sich der Angeklagte durch die Entgegennahme der ecKarten weder als Täter noch als Gehilfe an dem Raub bzw. der räuberischen Erpressung beteiligen.

aa) Ein Raub und ebenso eine räuberische Erpressung sind beendet, wenn der Täter ausreichend sichere Verfügungsgewalt über die Beute erlangt hat. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2015 – 2 StR 139/14, juris Rn. 28 [zum Raub]; vom 12. November 2003 – 2 StR 294/03, juris Rn. 4 [zur räuberischen Erpressung]).

bb) Als der gesondert Verfolgte J. dem Angeklagten die ec-Karte des Geschädigten außerhalb des Wohnhauses des Geschädigten übergab, war der Raub bzw. die räuberische Erpressung beendet. Die ec-Karte war dem Zugriff des Berechtigten zu diesem Zeitpunkt endgültig entzogen und der durch die Wegnahme erlangte Gewahrsam der Täter bereits gesichert. Entsprechendes gilt für die ec-Karte der Geschädigten W. und die PIN-Nummern. Eine Beteiligung des Angeklagten an einer auf die Erlangung der Karte bzw. der PIN-Nummern gerichteten Tat nach § 249 StGB bzw. nach § 253, § 255 StGB kam deshalb nicht mehr in Betracht.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie bewahre ich meinen Mandanten vor den Kosten des Sachverständigengutachtens?

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Am Freitag hatte ich gefragt: Ich habe da mal eine Frage: Wie bewahre ich meinen Mandanten vor den Kosten des Sachverständigengutachtens?

Die – abeschließende – Antwort auf die Frage habe ich – so leid es mir tut – nicht geben können.

Denn: Ich hatte bei dem Fragesteller rückgefragt:

„Moin,

warum will die RSV nicht übernehmen?

Wird die Mandantin identifiziert, wird der BGB erlassen und die Mandatin trägt die Kosten. Was soll denn ein besonderer Kostenfestsetzungsbescheid sein? Wird die Mandantin verurteilt, handelt es sich um Kosten des Verfahrens.“

Eine Antwort habe ich darauf nicht bekommen. Warum auch immer. Aber aus meiner Rückfrage kann man schon ersehen, in welche Richtung es geht. Fraglich ist, warum die RSV nicht übernehmen will – m.E. muss sie. Und: Wenn es zu einer „Verurteilung“ kommt, trägt die Betroffene die Kosten des Verfahrens. Was da ein besonderer Kostenfestsetzungsbeschei soll, erschließt sich mir nicht. Denn wird die Betroffene frei gesprochen, trägt die Landeskasse die Kosten.

Bei der Gelegenheit: Ich beantworte ja gerne Fragen. Aber ich erwarte dann auch, dass man auf Rückfragen antwortet. Einfach hängen lassen ist unfein.

Corona II: Corona-VO Ba-Wü verfassungsgemäß, oder: Gemeinsamer Aufenthalt nur mit Mindestabstand

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Bei der zweiten Entscheidung aus dem „Corona-Komplex“, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.03.2021 – 2 Rb 34 Ss 2/21. Es geht um die Verfassungsmäßigkeit und Auslegung des Aufenthaltsverbots im öffentlichen Raum in der baden-württembergischen Corona-Verordnung von Frühjahr 2020.

Das AG Heidelberg hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum zu der Geldbuße von 100 € und wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum zu der Geldbuße von 500 € verurteilt.

Nach den im Urteil getroffenen Feststellungen stand der Betroffene am 05.04.2020 zunächst um 16:20 Uhr mit zwei und dann um 18:00 Uhr mit drei anderen jeweils nicht zu seinem Hausstand gehörenden Personen an zwei verschiedenen Örtlichkeiten im öffentlichen Raum zusammen, mit denen er sich unterhielt, wobei die Kommunikation über das Mindestmaß der gebotenen Höflichkeit im Sinn eines „Hallo, wie geht’s“ hinausging. Der Abstand zwischen den Personen betrug bei dem ersten Vorkommnis etwa einen Meter, bei dem späteren Vorkommnis etwa anderthalb Meter.

Die Verurteilung ist auf §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO) vom 17.03.2020 in der vom 29.03.2020 bis 09.04.2020 geltenden Fassung gestützt.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und eine Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG angeregt:

Es nimmt zunächst zur Verfassungsmäßigkeit der Corona-VA Stellung und bejahr diese. Dazu hier nur der Leitsatz, das man das auch alles schon mal gelesen hat:

Das Infektionsschutzgesetz ermächtigte in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Landesregierungen zu Regelungen durch Rechtsverordnung, im Frühjahr 2020 aus Anlass der Corona-Pandemie den Aufenthalt im öffentlichen Raum zu beschränken und Verstöße hiergegen als Ordnungswidrigkeit auszugestalten.

„Zur Sache“ führt das OLG dann aus:

„bb) Der § 3 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO vom 17.03.2020 in der zur Tatzeit geltenden Fassung zukommende Regelungsgehalt ist dabei durch Auslegung zu ermitteln.

(1) Bei der Auslegung einer Norm bildet der Wortlaut zugleich Ausgangspunkt und Grenze (BVerfGE 71, 108; 92, 1). Mit dem Begriff „Aufenthalt“ wird dabei nicht mehr als die zeitlich begrenzte Anwesenheit an einem Ort umschrieben (vgl. nur https://www.duden.de/rechtschreibung/Aufenthalt). Soweit § 3 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO vom 17.03.2020 an den Aufenthalt mit anderen Personen anknüpft, ergibt sich daraus nicht ohne Weiteres, wie die Verbindung zwischen den beteiligten Personen sein muss, um diese Voraussetzung zu erfüllen. Denn dies erlaubt sowohl ein Verständnis, bei dem es auf eine räumliche Nähe und/oder aber eine innere Verbindung der Personen (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2020 – 19 K 1816/20 = BeckRS 2020, 5775) ankommt. Insoweit gibt auch die Zusammenschau mit § 3 Abs. 1 Satz 2 Corona-VO, der zu anderen Personen einen Mindestabstand von 1,5 Metern vorschrieb, keinen Aufschluss, weil sich dem Text – anders als etwa bei der Regelung der Abstands- und Kontaktregelungen in §§ 2, 9 der Corona-VO vom 23.06.2020 – kein eindeutiger Bestimmungsgehalt im Sinn eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses entnehmen lässt.

(2) Dem Amtsgericht ist danach beizupflichten, dass dem Gesetzeszweck entscheidende Bedeutung für die Bestimmung des Regelungsgehalts zukommt. Allerdings führt dies zu einem von der Bewertung des Amtsgerichts abweichenden Auslegungsergebnis.

Nach den bei Erlass der Verordnung bestehenden noch eingeschränkten wissenschaftlichen Erkenntnissen kam dem Einhalten eines räumlichen Abstandes zwischen den Menschen entscheidende Bedeutung zu, um eine Übertragung des Virus im Weg der Tröpfcheninfektion zu verhindern, wobei ein Abstand von 1,5 Metern als ausreichend erachtet wurde (und wird). Diesem Zweck diente nicht nur die Abstandsregel des § 3 Abs. 1 Satz 2 Corona-VO, sondern letztlich auch die mit der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO angestrebte Kontaktbeschränkung. Dem wird ein Verständnis, wonach es für den Aufenthalt mit einer anderen nicht dem eigenen Haushalt zugehörigen Person allein auf eine innere Verbindung zwischen den Personen (im Sinn eines nicht nur zufälligen Zusammentreffens, VG Karlsruhe a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.) ohne Berücksichtigung des räumlichen Abstands ankommt, nicht gerecht.

Zwar wäre nach dem Wortlaut und dem systematischen Verhältnis zu § 3 Abs. 1 Satz 2 Corona-VO auch ein Verständnis möglich, wonach der Verordnungsgeber das Zusammenkommen mehrerer Personen allein deshalb verhindern wollte, weil dabei die Gefahr besteht, dass hinreichende Mindestabstände – wenngleich auch häufig unbeabsichtigt – gerade nicht verlässlich eingehalten werden. Als Hinweis auf einen entsprechenden Willen des Verordnungsgebers kann gesehen werden, dass in der ab dem 04.05.2020 geltenden Fassung der Corona-Verordnung durch § 9 Nr. 1 CoronaVO nicht mehr wie zuvor der Verstoß sowohl gegen die Aufenthaltsbeschränkung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO als auch gegen das Abstandsgebot nach § 3 Abs. 1 Satz 2 CoronaVO, sondern nurmehr der Verstoß gegen die Aufenthaltsbeschränkung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO bußgeldbewehrt war.

Unabhängig davon, ob dies im Text der zum Tatzeitpunkt geltenden Verordnungsfassung hinreichend zum Ausdruck kommt, kann jedoch auch dann nicht auf eine räumliche Komponente verzichtet werden, da sonst auch Fallgestaltungen erfasst würden, bei denen keine Infektionsgefahr bestand, zum Beispiel, wenn sich zwei für sich genommen erlaubte Personengruppen auf der Straße begegneten und mit mehreren Metern Abstand zueinander (z.B. von einer Straßenseite zur anderen) unterhielten. Denn im Falle der verlässlichen Wahrung eines eine Übertragung der Krankheit ausschließenden Mindestabstands ist das Verbot einer Ansammlung nicht mehr zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich und damit nicht mehr von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt (OLG Hamm a.a.O.). Auch unter dem Gesichtspunkt der an eine Norm zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen (dazu OLG Oldenburg NdsRpfl 2021, 66) ist es nach Auffassung des Senats geboten, zur Bestimmung des Maßes der räumlichen Komponente auf die in § 3 Abs. 1 Satz 2 Corona-VO getroffene Bestimmung zurückzugreifen, der die wissenschaftliche Erkenntnis zugrunde liegt, dass das Übertragungsrisiko bei Einhaltung eines Mindestabstandes von 1,5 Metern minimiert ist (ebenso AG Reutlingen COVuR 2020, 611; vgl. auch OLG Koblenz a.a.O.).

(3) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis nicht zuletzt dadurch, dass der Verordnungsgeber in späteren Fassungen der Corona-Verordnung – so auch in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung – den gesetzestechnisch missglückten Regelungstext in diesem Sinn umgestaltet hat, ohne dass damit ersichtlich eine inhaltliche Änderung einhergehen sollte.

Diese Rechtsauffassung wird auch vom 1. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 04.02.2021 (1 Rb 21 Ss 833/20) – allerdings nicht tragend – geteilt.

2. Auf Grundlage dieser vom amtsgerichtlichen Urteil abweichenden Beurteilung der rechtlichen Grundlage kann das Urteil schon auf die Sachrüge keinen Bestand haben, so dass es auf die daneben erhobenen verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht mehr ankommt.

a) Bezüglich der Tat II. 2. des Urteils (angenommener vorsätzlicher Verstoß um 18:00 Uhr) ergibt sich schon aus den getroffenen Feststellungen nicht zweifelsfrei, dass es zu einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern gekommen ist.

b) Hinsichtlich der weiteren Tat II. 1. (angenommener fahrlässiger Verstoß um 16:20 Uhr) soll der Abstand nach den getroffenen Feststellungen zwar bei nur etwa einem Meter gelegen haben. Doch bestehen erhebliche Bedenken, ob diese Feststellung von der dazu vorgenommenen Beweiswürdigung getragen wird. Mit der Feststellung hat das Amtsgericht die Entfernungsangabe des Zeugen Bender übernommen, der diese jedoch ausdrücklich als Schätzung bezeichnet hat. Dies lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres mit den von ihm auf einem Lichtbild (AS. II 97) eingetragenen Standorten der beteiligten Personen in Einklang bringen, die dem Senat wegen der hierauf erfolgten Verweisung gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zugänglich sind. Nach Auffassung des Senats hätte es deshalb näherer Feststellungen zu den räumlichen Verhältnissen am Tatort bedurft. Jedenfalls bei einer im Grenzbereich liegenden Unterschreitung des nach der Rechtsauffassung des Senats maßgeblichen Mindestabstandes kann dies zudem Einfluss auf die Beurteilung des Schuldgehalts haben und sich damit auf die Bemessung des Bußgeldes auswirken.

Da es zweifelhaft erscheint, dass in einer neuen Hauptverhandlung überhaupt noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Unterschreitung des Mindestabstandes von 1,5 Metern als Voraussetzung für eine Verurteilung belegen, und auf der Grundlage des Akteninhalts jedenfalls eine klare Unterschreitung des Mindestabstandes jeweils nicht vorgelegen haben dürfte, erscheint eine Fortsetzung des Verfahrens nicht sachdienlich. Bei dieser Sachlage könnte das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG (mit der Kostenfolge gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO) beendet werden.“

Corona I: AG Weimar und AG Wuppertal melden sich, oder: Zwei etwas „ungewöhnliche“ Entscheidungen

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Heute dann der Start in  die 15. KW.

Und ich beginne diese Woche dann mal wieder mit „Corona“, dem Monothema der letzten Monate. Zunächst werde/will ich eine AG-Entscheidung erwähnen.

Nein, es ist nicht der AG Weimar, Beschl. v. 08.04.2021 – 9 WF 148/21, der gestern durch das Netzt gegeistert ist und die Wogen hat hoch schlagen lassen. Der Beschluss – das sieht man als Kundiger gleich am Aktenzeichen – das „F“ steht beim AG für „Familiengericht“ – ist im familiengerichtlichen Verfahren in Form einer einstweiligen Anordnung (eA) nach §§ 49 ff. FamFG) ergangen, wohl auf einen Antrag nach § 1666 BGB. Jedenfalls habe ich das so verstanden, wobei ich einräume: Die 178 Seiten, die der Beschluss lang ist, habe ich nur überflogen.

Denn: Der Beschluss untersagt zwei Schulen in Weimar, die Maskenpflicht anzuordnen, weil damit das Kindeswohl von zwei Schülern gefährdet sei. Spätestens da merkt man, dass etwas nicht stimmen kann. Denn:

  • Das Familiengericht überprüft die Maskenpflicht, die auf den Regelungen der Corona-VO in Thüringen beruht? Dafür ist wohl kaum das AG im familiengerichtlichen Verfahren zuständig. M.E. hat hier jemand eine Bühne gesucht und, wenn man die Kommentare unter den den diversen Veröffetlichungen sieht, auch gefunden.
  • Dafür sprechen die 178 Seiten, dafür spricht der in meinen Augen unsinnige Tenor des Beschlussen, der m.E. nocht vollstreckbar ist.
  • Dafür sprechen die „gehörten“ (?) Sachverständigen, die alle – gelinde ausgedrückt – Corona, wenn nicht leugnen, dann aber zumindest relativieren.
  • Dafür spricht der Veröffentlichungszeitpunkt: Auf einem Samstag im Internet. Da dauern Reaktionen der Fachbehörden lange – m.E. haben sie zu lange gedauert.

Daher: Ich werde den Beschluss – es handelt sich nicht um ein „Urteil“, wie an einigen Stellen zu lesen war – hier nicht verlinken. Sondern ich warte mal ab, was passiert. Ob Rechtsmittel möglich sind, bin ich mir gar nicht so sicher, wenn ich den § 57 FamFG sehe – aber ich bin kein Familienrechtler. Und wer soll es  einlegen? Wer war am Verfahren beteiligt? Das Land Thüringen offenbar nicht, denn das ist laut Beschluss ja nur angehört worden. Also so einfach ist das vielleicht gar nicht, wie das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in seiner gestrigen PM meint.

Nun zur eigentlichen Sache – wobei: Dafür, dass ich zu dem AG Weimar-Beschluss nicht bloggen woltte, ist es nun doch ein wenig mehr geworden. Aber egal.

Vorstellen wollte ich hier eine andere amtsgerichtliche Entscheidung, nämlich das AG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2021 – 82 OWi-923 Js 192/21-2/21. Mit dem Urteil hat das AG Wuppertal vier Betroffene von einem Verstoß gegen die Kontaktbeschränkungen des § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 CoronaschutzVO NRW vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung frei gesprochen. Die vier Betroffenen sollen sich am 15.11.2020 gegen 0:22 Uhr mit Angehörigen von mehr als dem eigenen und einem weiteren Hausstand getroffen haben.

Das AG spricht frei mit der Begründung:

§ 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung scheidet als taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Bußgeldbescheide aus, weil die Norm gegen höherrangiges Recht verstößt. Sie ist nicht mit Art. 20 Abs. 3 bzw. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar.

Die Begründung stelle ich nicht näher ein. Das hat man m.E. alles schon mal gelesen.

Was mich an dem Urteil erstaunt: Die Argumentation des AG ist nicht neu – das AG nimmt ja auch selbst auf „AG Dortmund, Urteil vom 02. November 2020, 733 OWi – 127 Js 75/20, 64/20, Rn. 29 ff.; AG Ludwigsburg, Urteil vom 29. Januar 2021, 7 OWi 170 Js 112950/20, Rn. 23 ff.; AG Reutlingen, Beschluss vom 09. Dezember 2020, 4 OWi 23 Js 16246/20, Rn. 4 ff.; AG Weimar, Urteil vom 11. Januar 2021, 6 OWi – 523 Js 202518/20, Rn.10 ff.“ – über die Entscheidungen habe ich hier zum Teil ja auch berichtet. Von der abweichenden obergerichtlichen Rechtsprechung werden nur das OVG Münster (Beschl. v. 30.11.2020 – 13 B 1675/20.NE) und das OLG Hamm (Beschl. v. 08.02.2021, 1 RBs 4-5/21)  erwähnt: Deren Argumentation kann aber “ nicht verfangen“ bzw. es wird die „zugrundeliegende Wertung …. nicht geteilt.“ Kann man so machen, ist aber in meinen Augen nicht ganz sauber, wenn man zuvor den Sachverständigen und deren Auffassung breiten Raum eingeräumt hat.

Was mich dann erstaunt hat, ist das „obiter Dictum“ des AG, in dem es heißt:

„8)  Obiter Dictum

Der Unterzeichner erlaubt sich das Urteil mit den folgenden Anmerkungen zu beschließen:

Gerichtliche Entscheidungen stellen keine rein mathematische Subsumtion unter einen Tatbestand dar, sondern werden im Kontext politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder auch pandemischer Entwicklungen getroffen. Sie lassen sich auch in der Entscheidungsfindung nicht von ihren – gegebenenfalls weitreichenden – Konsequenzen entkoppeln. Dies kenntlich zu machen kann zu einer ehrlichen Auseinandersetzung über die gegenständlichen Einschränkungen und die sie betreffenden gerichtlichen Entscheidungen beitragen.

Bei der Lektüre einer Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen das Regelungsregime in der Pandemie betreffend konnte sich der Unterzeichner nicht des Eindrucks erwehren, dass diese oft weniger von inhaltlicher Überzeugung als von dem Wunsch getragen zu sein schienen, die effektive Bekämpfung einer unbestritten gefährlichen Pandemie nicht zu erschweren. Auch die auffällige Diskrepanz in der verfassungsrechtlichen Bewertung zwischen Rechtsprechung und Lehre zeigt in diese Richtung.

Bei allem Verständnis für diese Beweggründe sei hier der Hinweis erlaubt, dass so das Bewusstsein für ein grundlegendes Problem getrübt werden könnte. Gerade in Krisenzeiten dürfen die demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes keine Aufweichung erfahren. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung selbst ist der wirksamste Schutz gegen autoritäre und antidemokratische Strömungen, welche oft in Krisenzeiten und den mit ihnen verbundenen Unsicherheiten an Einfluss gewinnen. Parlamentarische Entscheidungen tendieren dazu, differenzierter auszufallen und erreichen so ein höheres Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz, die einer krisenbedingten Polarisierung und Radikalisierung entgegenwirken kann. Auch die friedensstiftende Wirkung parlamentarisch-demokratischer Entscheidung streitet somit für den vorliegenden Versuch, von grundgesetzlichen Standards auch in Pandemiezeiten nicht abzuweichen.“

Da schießt das AG m.E. über das Ziel hinaus. Es hat in seinem Urteil die Frage zu beantworten, ob den Betroffenen ein Verstoß gegen die CoronaschutzVO NRW zur Last gelegt werden kann. Die hat es verneint. Und damit ist es dann m.E. auch gut (oder nicht). Über die Begründung kann man streiten und sie wird sicherlich vom OLG Düsseldorf überprüft werden. Alles andere/danach ist m.E. überflüssig.

Zum Schluss: Da ich heute andere Dinge zu tun habe, als ggf. Kommentare zu moderieren, habe ich die Kommentarfunktion geschlossen.

Sonntagswitz, heute zum Frühling/Frühjahr, vielleicht wird das Wetter dann ja besser

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Im Sonntagswitz heute dann Witze zum Frühling – ja, zum Frühling – nach dem Kalender passt das ja. Nach den Temperaturen aber nicht. Aber vielleicht kann man ihn ja damit locken….. Und da sind dann:

„Papa,wie lange brütet die Vogelmutter noch?“

„Bis die Jungen schlüpfen.“

„Hm.Und was ist mit den Mädchen?“


Sagt der eine Pinguin mit einem Thermometer zum anderen Pinguin: “Schau mal auf das Thermometer, 30 Grad unter Null.”

Freut sich der zweite: “Das ist ja klasse! Endlich wird es Frühling.”


Frühling. Die ersten Regenwürmer kriechen verliebt ans Tageslicht und singen:

„Chanson, d’amour…“

Kommt ein Rasenmäher: „Ratatatata…“


und dann war da noch:

Zwei Opas sitzen im Frühling auf der Parkbank.

Eine junge Frau im Supermini mit toller Figur schlendert vorbei!

“Man müßte noch mal 20 sein“ seufzt der eine.

Der andere reagiert sofort:“Schön dämlich,wegen 5 Minuten noch mal 45 Jahre arbeiten-“