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Corona I: OLG Jena hebt AG-Weimar-Masken-Beschluss auf, oder: „Familienrichter bleib bei deinen Leisten“

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Es ist heute zwar Pfingstmontag und damit Feiertag, aber ich lasse hier dann mal das „normale Programm“ laufen. Und das heißt heute wieder: Corona bzw. Entscheidungen, die mit Corona zu tun haben.

Und zunächst will ich dann auf einen Beschluss des OLG Jena zu dem Thema hinweisen, und zwar auf den OLG Jena, Beschl. v. 14.05.2021 – 1 UF 136/21. Das ist die „Rechtsmittelentscheidung“ zu dem – in meinen Augen falschen und nicht nachvollziehbaren – AG Weimar, Beschl. v. 08.04.2021 – 9 WF 148/21 (vgl. dazu hier: Corona I: AG Weimar und AG Wuppertal melden sich, oder: Zwei etwas “ungewöhnliche” Entscheidungen).

Das OLG hat – wie m.E. nicht anders zu erwarten – den AG Weimar-Beschluss aufgehoben. Leider liegt der Volltext zu der Entscheidung noch nicht vor. Daher muss ich mich hier auf die PM des OLG beschränken. Tue ich ja nur selten, aber in dieser Sache mache ich dann mal wieder eine Ausnahme. In der PM heißt es:

„Keine Zuständigkeit der Familiengerichte zur Überprüfung von Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen

Das OLG Jena hatte sich mit einer Beschwerde des Freistaates Thüringen gegen einen Beschluss des AG Weimar zu befassen.

Die Eltern von zwei Kindern, die in Weimar zur Schule gehen, hatten beim Familiengericht Weimar angeregt, von Amts wegen zu deren Schutz ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung einzuleiten. Sie vertreten die Ansicht, das körperliche, seelische und geistige Wohl der Kinder und aller weiteren Kinder, die die gleichen Schulen wie ihre Söhne besuchen, sei aufgrund der Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes und zur Wahrung räumlicher Distanz gefährdet. Deshalb haben sie eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften, insbesondere der Dritten Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, gültig ab 15.12.2020, zuletzt geändert am 12.3.2021, angeregt.

In dem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren hat das Familiengericht den Lehrern, den Schulleitungen sowie deren Vorgesetzten einstweilen untersagt, das Maskentragen, die Einhaltung von Mindestabständen und die Teilnahme an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 anzuordnen oder vorzuschreiben. Weiter gebot es den Leitungen und den Lehrern der von den beteiligten Kindern besuchten Schulen, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Das Familiengericht ist bei seiner Entscheidung von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen und hat seine Anordnungen mit einer gegenwärtigen Kindeswohlgefährdung durch die von den Eltern kritisierten Maßnahmen und dem Unvermögen der Eltern, diese Gefahr von den Kindern abzuwenden, begründet.

Auf die sofortige Beschwerde des Freistaates Thüringen hat das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14.05.2021 den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Weimar vom 09.04.2021 aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt.

Zur Begründung führt das Oberlandesgericht aus, dass das Amtsgericht vor einer Sachentscheidung gehalten gewesen wäre, vorab über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Für das mit der Anregung der Eltern verfolgte Ziel, zum Schutz der Kinder schulinterne Maßnahmen, wie die Anordnung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Abstandsregeln, außer Kraft zu setzen und die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften zu überprüfen, fehle es an einer Regelungskompetenz des Familiengerichtes. Im Rahmen des schulrechtlichen Sonderstatusverhältnisses seien die zuständigen Behörden an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns – auch hinsichtlich von Gesundheitsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen – obliege allein den Verwaltungsgerichten.

Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden bzw. Beamten dieser Behörden folge insbesondere nicht aus § 1666 Abs. 4 BGB. Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt seien nämlich keine „Dritte“ im Sinne der Vorschrift, gegen die in Angelegenheiten der Personensorge Maßnahmen getroffen werden könnten.

Da eine Verweisung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens an das Verwaltungsgericht nicht in Betracht kam, war die Entscheidung nach Ansicht des Thüringer Oberlandesgerichts aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.“

Wahrscheinlich werden jetzt wieder viele den Untergang des Rechtsstaats vorhersagen und ihn sogar schon sehen. Aber: Nein, gerade nicht. Die Frage durchläuft das dafür vorgesehene rechtsstaatliche Verfahren der Überpüfung durch höhere Instanzen. Und wenn die gesprochen/entschieden haben, sollte man das Ergebnis dann auch akzeptieren. Auch wenn es schwer fallen mag.

Edit 28.05.2021: Inzwischen ist der Volltext des Beschlusses veröffentlicht, und zwar hier.

Corona I: AG Weimar und AG Wuppertal melden sich, oder: Zwei etwas „ungewöhnliche“ Entscheidungen

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Heute dann der Start in  die 15. KW.

Und ich beginne diese Woche dann mal wieder mit „Corona“, dem Monothema der letzten Monate. Zunächst werde/will ich eine AG-Entscheidung erwähnen.

Nein, es ist nicht der AG Weimar, Beschl. v. 08.04.2021 – 9 WF 148/21, der gestern durch das Netzt gegeistert ist und die Wogen hat hoch schlagen lassen. Der Beschluss – das sieht man als Kundiger gleich am Aktenzeichen – das „F“ steht beim AG für „Familiengericht“ – ist im familiengerichtlichen Verfahren in Form einer einstweiligen Anordnung (eA) nach §§ 49 ff. FamFG) ergangen, wohl auf einen Antrag nach § 1666 BGB. Jedenfalls habe ich das so verstanden, wobei ich einräume: Die 178 Seiten, die der Beschluss lang ist, habe ich nur überflogen.

Denn: Der Beschluss untersagt zwei Schulen in Weimar, die Maskenpflicht anzuordnen, weil damit das Kindeswohl von zwei Schülern gefährdet sei. Spätestens da merkt man, dass etwas nicht stimmen kann. Denn:

  • Das Familiengericht überprüft die Maskenpflicht, die auf den Regelungen der Corona-VO in Thüringen beruht? Dafür ist wohl kaum das AG im familiengerichtlichen Verfahren zuständig. M.E. hat hier jemand eine Bühne gesucht und, wenn man die Kommentare unter den den diversen Veröffetlichungen sieht, auch gefunden.
  • Dafür sprechen die 178 Seiten, dafür spricht der in meinen Augen unsinnige Tenor des Beschlussen, der m.E. nocht vollstreckbar ist.
  • Dafür sprechen die „gehörten“ (?) Sachverständigen, die alle – gelinde ausgedrückt – Corona, wenn nicht leugnen, dann aber zumindest relativieren.
  • Dafür spricht der Veröffentlichungszeitpunkt: Auf einem Samstag im Internet. Da dauern Reaktionen der Fachbehörden lange – m.E. haben sie zu lange gedauert.

Daher: Ich werde den Beschluss – es handelt sich nicht um ein „Urteil“, wie an einigen Stellen zu lesen war – hier nicht verlinken. Sondern ich warte mal ab, was passiert. Ob Rechtsmittel möglich sind, bin ich mir gar nicht so sicher, wenn ich den § 57 FamFG sehe – aber ich bin kein Familienrechtler. Und wer soll es  einlegen? Wer war am Verfahren beteiligt? Das Land Thüringen offenbar nicht, denn das ist laut Beschluss ja nur angehört worden. Also so einfach ist das vielleicht gar nicht, wie das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in seiner gestrigen PM meint.

Nun zur eigentlichen Sache – wobei: Dafür, dass ich zu dem AG Weimar-Beschluss nicht bloggen woltte, ist es nun doch ein wenig mehr geworden. Aber egal.

Vorstellen wollte ich hier eine andere amtsgerichtliche Entscheidung, nämlich das AG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2021 – 82 OWi-923 Js 192/21-2/21. Mit dem Urteil hat das AG Wuppertal vier Betroffene von einem Verstoß gegen die Kontaktbeschränkungen des § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 CoronaschutzVO NRW vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung frei gesprochen. Die vier Betroffenen sollen sich am 15.11.2020 gegen 0:22 Uhr mit Angehörigen von mehr als dem eigenen und einem weiteren Hausstand getroffen haben.

Das AG spricht frei mit der Begründung:

§ 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung scheidet als taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Bußgeldbescheide aus, weil die Norm gegen höherrangiges Recht verstößt. Sie ist nicht mit Art. 20 Abs. 3 bzw. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar.

Die Begründung stelle ich nicht näher ein. Das hat man m.E. alles schon mal gelesen.

Was mich an dem Urteil erstaunt: Die Argumentation des AG ist nicht neu – das AG nimmt ja auch selbst auf „AG Dortmund, Urteil vom 02. November 2020, 733 OWi – 127 Js 75/20, 64/20, Rn. 29 ff.; AG Ludwigsburg, Urteil vom 29. Januar 2021, 7 OWi 170 Js 112950/20, Rn. 23 ff.; AG Reutlingen, Beschluss vom 09. Dezember 2020, 4 OWi 23 Js 16246/20, Rn. 4 ff.; AG Weimar, Urteil vom 11. Januar 2021, 6 OWi – 523 Js 202518/20, Rn.10 ff.“ – über die Entscheidungen habe ich hier zum Teil ja auch berichtet. Von der abweichenden obergerichtlichen Rechtsprechung werden nur das OVG Münster (Beschl. v. 30.11.2020 – 13 B 1675/20.NE) und das OLG Hamm (Beschl. v. 08.02.2021, 1 RBs 4-5/21)  erwähnt: Deren Argumentation kann aber “ nicht verfangen“ bzw. es wird die „zugrundeliegende Wertung …. nicht geteilt.“ Kann man so machen, ist aber in meinen Augen nicht ganz sauber, wenn man zuvor den Sachverständigen und deren Auffassung breiten Raum eingeräumt hat.

Was mich dann erstaunt hat, ist das „obiter Dictum“ des AG, in dem es heißt:

„8)  Obiter Dictum

Der Unterzeichner erlaubt sich das Urteil mit den folgenden Anmerkungen zu beschließen:

Gerichtliche Entscheidungen stellen keine rein mathematische Subsumtion unter einen Tatbestand dar, sondern werden im Kontext politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder auch pandemischer Entwicklungen getroffen. Sie lassen sich auch in der Entscheidungsfindung nicht von ihren – gegebenenfalls weitreichenden – Konsequenzen entkoppeln. Dies kenntlich zu machen kann zu einer ehrlichen Auseinandersetzung über die gegenständlichen Einschränkungen und die sie betreffenden gerichtlichen Entscheidungen beitragen.

Bei der Lektüre einer Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen das Regelungsregime in der Pandemie betreffend konnte sich der Unterzeichner nicht des Eindrucks erwehren, dass diese oft weniger von inhaltlicher Überzeugung als von dem Wunsch getragen zu sein schienen, die effektive Bekämpfung einer unbestritten gefährlichen Pandemie nicht zu erschweren. Auch die auffällige Diskrepanz in der verfassungsrechtlichen Bewertung zwischen Rechtsprechung und Lehre zeigt in diese Richtung.

Bei allem Verständnis für diese Beweggründe sei hier der Hinweis erlaubt, dass so das Bewusstsein für ein grundlegendes Problem getrübt werden könnte. Gerade in Krisenzeiten dürfen die demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes keine Aufweichung erfahren. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung selbst ist der wirksamste Schutz gegen autoritäre und antidemokratische Strömungen, welche oft in Krisenzeiten und den mit ihnen verbundenen Unsicherheiten an Einfluss gewinnen. Parlamentarische Entscheidungen tendieren dazu, differenzierter auszufallen und erreichen so ein höheres Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz, die einer krisenbedingten Polarisierung und Radikalisierung entgegenwirken kann. Auch die friedensstiftende Wirkung parlamentarisch-demokratischer Entscheidung streitet somit für den vorliegenden Versuch, von grundgesetzlichen Standards auch in Pandemiezeiten nicht abzuweichen.“

Da schießt das AG m.E. über das Ziel hinaus. Es hat in seinem Urteil die Frage zu beantworten, ob den Betroffenen ein Verstoß gegen die CoronaschutzVO NRW zur Last gelegt werden kann. Die hat es verneint. Und damit ist es dann m.E. auch gut (oder nicht). Über die Begründung kann man streiten und sie wird sicherlich vom OLG Düsseldorf überprüft werden. Alles andere/danach ist m.E. überflüssig.

Zum Schluss: Da ich heute andere Dinge zu tun habe, als ggf. Kommentare zu moderieren, habe ich die Kommentarfunktion geschlossen.

Corona I: FFP2-Masken-Pflicht, touristische Ausflüge, Abfuhr für das AG Weimar, oder: 3 x VGH Bayern

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Zum Start in den neuen Monat und in die 5. KW. ein bisschen Corona. Wen mir vor einem Jahr jemand vorausgesagt hätte, dass das in einem Jahr noch eine Thema ist: Ich hätte es nicht geglaubt.

Ich stelle hier zunächst drei Entscheidungen des BayVGH vor, und zwar.

  • BayVGH, Beschl. v. 26.01.2021 – 20 NE 21.171: Ergangen ist die Entscheidung im Verfahren über den Erlass einer einsteweiligen Anordnung. Der BayVGH hat es abgelehnt, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in FFP2-Qualität beim Einkaufen oder bei der Benutzung von Verkehrsmitteln des Öffentlichen Personennahverkehrs vorläufig außer Vollzug zu setzen. FFP2-Masken böten voraussichtlich gegenüber medizinischen oder sogenannten Community-Masken einen erhöhten Selbst- und Fremdschutz. Deshalb bestünden gegen ihre Eignung und Erforderlichkeit zur Bekämpfung der Corona-Pandemie keine Bedenken. Gesundheitsgefährdungen seien insbesondere wegen der regelmäßig begrenzten zeitlichen Tragedauer nicht zu erwarten. Auch seien grundsätzlich die Aufwendungen für die Anschaffung der Masken zumutbar.

  • BayVGH, Beschl. v. 26.01.2021 – 20 NE 21.162Ergangen ist die Entscheidung ebenfalls im einstweiligen Verfahren. In dem Beschluss hat der VGH das Verbot touristischer Tagesausflüge für Bewohner von sog. Hotspots (§ 25 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV) vorläufig außer Vollzug gesetzt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Verbot aller Voraussicht nach gegen den Grundsatz der Normenklarheit verstoße. Für die Betroffenen sei der räumliche Geltungsbereich des Verbots touristischer Tagesausflüge über einen Umkreis von 15 km um die Wohnortgemeinde hinaus nicht hinreichend erkennbar. Die textliche Festlegung eines 15-km-Umkreises sei nicht deutlich und anschaulich genug. Im Hinblick ebenfalls angegriffene Befugnis der betroffenen Kommunen, eine Einreisesperre für touristische Tagesausflüge anzuordnen (§ 25 Abs. 1 Satz 4 11. BayIfSMV) hat der Senat den Eilantrag dagegen abgelehnt.

Die Beschlüsse haben zwar nur Wirkung für Bayern, sie werden aber sicherlich bei den anderen Landesverfassungsgerichten auch noch gelesen.

Und dann noch ein Nachtrag: Ich hatte in der vorigen Woche über das AG Weimar, Urt. v. 11.01.2021 – 6 OWi – 523 Js 202518/20 berichtet (vgl. dazu Corona I: Kontakt-, Alkohol- und Ausgangsverbot, oder: Was sagen Gerichte zur Wirksamkeit von Corona-VO?). Dazu hatte mich ein Blogleser auf den BayVGH, Beschl. v. 24.01.2021 – 10 CS 21.249 – hingewiesen, der mir beim Erstellen des Beitrags nicht bekannt war. Darin hat der BayVGH zum AG Weimar – Urteil Stellung genommen. In der Sache ging es um Beschränkungen für eine für den 24.01.2021 „angemeldeten Versammlung mit dem Thema: „Wir fordern, dass der 10. Senat des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt wird, weil dieser sich gem. § 7 Abs. 1 Nr. 10 des Völkerstrafgesetzbuches für eine unerwünschte politische Gruppierung („Querdenker“), u.a. Demonstration in Stein bei Nürnberg am 17.01.2021, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar gemacht hat“ verfügt hat. Das Versammlungsmotto wurde im Beschwerdeverfahren dahingehend ergänzt, dass auch die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts München in die Anklage mit aufgenommen werden soll.“

Zu dem Versammlungsthema verkneife ich mir jetzt einen Kommentar, die Passage betreffend AG Weimar stelle ich aber ein. Der BayVGH meint dazu:

„Das Urteil des Amtsgerichts Weimar (U.v. 11.01.2021 – 6 OWi – 523 Js 202518/20), auf das sich der Antragsteller bezieht, um weiter zu begründen, dass eine „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ nicht vorliege, ändert hieran ebenfalls nichts. Abgesehen davon, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist und Rechtsmittel insofern schon angekündigt sind (https://www.mdr.de/thueringen/mitte-westthueringen/ weimar/corona-urteil-kontaktbeschraenkung-weimar-100.html), hält es der Senat für eine methodisch höchst fragwürdige Einzelentscheidung, die hinsichtlich der Gefahren der Corona-Pandemie im Widerspruch zur (vom Amtsgericht nicht ansatzweise berücksichtigten) ganz überwiegenden Rechtsprechung der deutschen Gerichte steht (vgl. statt aller aus dem Zeitraum April/Mai 2020 BVerfG, B.v. 9.4.2020 – 1 BvQ 29/20 – juris; HessVGH, B.v. 1.4.2020 – 2 B 925/20 – juris; BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 20 NE 20.735 – juris; OVG LSA, B.v. 30.4.2020 – 3 R 69/20 – juris; ThürOVG, B.v. 7.5.2020 – 3 EN 311/20 – juris; OVG Bremen, U.v. 12.5.2020 – 1 B 140/20 – juris). Wenn das Amtsgericht Weimar meint, dass „am 18.04.2020, dem Tag des Erlasses der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO“ keine epidemische Lage nationaler Tragweite vorgelegen habe, setzt es seine eigene Auffassung an die Stelle der Einschätzung des Bundestages und des Thüringer Verordnungsgebers, ohne sich auch nur ansatzweise mit den wissenschaftlichen und tatsächlichen Grundlagen auseinanderzusetzen, die zu deren Einschätzung geführt haben und maßt sich gleichzeitig eine Sachkunde zu infektiologischen und epidemiologischen Sachverhalten an, die ihm angesichts der hochkomplexen Situtation ersichtlich nicht zukommt (vgl. zu den Grenzen einer Beurteilung komplexer Sachverhalte durch den Richter ohne Hinzuziehung von Sachverständigen etwa BGH, B.v. 9.4.2019 – VI ZR 377/17 – juris Rn. 9; BVerwG, U.v. 10.11.1983 – 3 C 56/82BVerwGE 68, 177 – juris Rn. 30 jeweils m.w.N.). Das Amtsgericht führt einzelne von ihm für maßgeblich gehaltene Kriterien und Belege an und blendet dabei gegenteilige Hinweise und Quellen systematisch aus. So ist die von ihm zentral herangezogene „Metastudie des Medizinwissenschaftlers und Statistikers John Ioannidis“ zur Infentionssterblichkeitsrate (IFR) bestenfalls umstritten, spätere Studien (die der Senat noch während des vorliegenden Eilverfahrens auffinden konnte) gehen von einer deutlich höheren IFR insbesondere bei älteren Menschen aus (vgl. etwa Levin et al., Assessing the Age Specificity of Infection Fatality Rates for COVID-19: Systematic Review, Meta-Analysis, and Public Policy Implications vom 8. Dezember 2020, abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007/s10654-020-00698-1). Im Übrigen vermengt das Amtsgericht die im Gefahrabwehrrecht maßgebliche ex-ante-Betrachtung (stRspr, vgl. etwa BayVGH, U.v. 22.5.2017 – 10 B 17.83 – juris Rn. 25 m.w.N.) mit Elementen einer ex-post-Betrachtug und stellt vielfach keine Überlegungen zu Kausalitäteten bzw. Koinzidenzien ab. Die naheliegende Annahme etwa, dass gerade die vom Amtsgericht als unverhältnismäßig angesehenen Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2020 dazu geführten haben könten, dass es im ersten Halbjahr 2020 zu einer vergleichsweise niederigen Übersterblichkeit und zu einer vergleichsweise geringen Auslastung der Intensivbettenkapazitäten kam, spart das Amtsgericht soweit ersichtlich vollkommen aus.

Soweit das Amtsgericht Weimar darüber hinaus der Auffassung ist, dass § 28 IfSG am 18. April 2020 im Hinblick auf die Wesentlichkeitslehre keine taugliche Rechtsgrundlage für die 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO gewesen sei und insofern auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 20 NE 20.2360 – juris) verweist, hat der 20. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs diese Bedenken für die nach der Einfügung von § 28a IfSG geltende Rechtslage nicht mehr wiederholt (vgl. etwa BavGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 21). Der erkennende Senat war bereits zuvor der Auffassung, dass Einschränkungen der Versammlungsfreiheit durch Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 IfSG grundsätzlich zulässig waren (BayVGH, B.v. 7.11.2020 – 10 CS 20.2583 – juris Rn. 4 m.w.N.).“

Der deutlichen Abfuhr schließe ich mich gern an und erspare mir jedes weitere Wort, außer: Kommentarfunktion habe ich lieber mal wieder geschlossen.

Mal wieder eine Vollmachtsfrage, oder: Manche Bußgeldbehörden lernen es nie

© Alex White - Fotolia.com

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Mal wieder eine Vollmachtsfrage betreffend eine „Blankovollmacht“. Wahrscheinlich kommen jetzt wieder Kommentare mit „Vollmachtstrick“. Kann man sich sparen, denn das „Recht ist für die Hellen“ 🙂 – so schon der alte Harry Westermann Ende der 60-ziger Jahre in seinen Anfängervorlesungen. Im Übrigen: Man kann auch sagen: Manche Bußgeldbehörden lernen es nie.

Ganz einfacher Sachverhalt: Der Rechtsanwalt hat nur eine Vollmacht vorgelegt, in der nur die Rechtsanwaltskanzlei aufgeführt war, der er angehört und in der mehrere Rechtsanwälte tätig waren. Zugestellt wird dann ihm. Das AG Weimar stellt im AG Weimar, Beschl. v.14.01.2015 – 622 Js 201549/14 8 OWi – ein – war nichts mit Verjährungsunterbrechung:

„Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen gemäß § 206a StPO. Es ist Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger die Verjährung nicht unterbrochen hat. Aus der sich in der Akte befindlichen Vollmachtsurkunde ist nur der Name der Kanzlei benannt, aber nicht der Name des bevollmächtigen Rechtanwalts. Nach Internetrecherchen sind unter der in der Vollmacht genannten Anschrift mehrere Rechtsanwälte tätig. Die Vollmacht erfüllt demnach nicht die Voraussetzungen des § 145a StPO. Die Zustellung des Bußgeldbescheides lediglich an den Verteidiger konnte daher die Verfolgungsverjährung nicht gem. § 33 OWiG unterbrechen.“