Archiv für den Monat: August 2019

OWi II: Beweisbehauptung, ein anderer war Fahrer, oder: Achtung bei der Formulierung

Die zweite Entscheidung des Tages behandelt auch eine verfahrensrechtliche Problematik aus dem Owi-Verfahren, die allerdings auch in einem Strafverfahren von Bedeutung sein kann. Der BayObLG, Beschl. v. 28.05.2019 – 201 ObOWi 758/19 – nimmt nämlich (noch einmal) zu der Beweisbehauptung in einem (Beweis)Antrag Stellung, ein anderer – als der Betroffene – habe das Fahrzeug geführt.

Dazu hat das BayObLG wie folgt ausgeführt:

„Außerhalb der durch das Rechtsmittel veranlassten Sachprüfung bemerkt der Senat ergänzend:

Soweit die Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. insoweit die Versagung rechtlichen Gehörs beanstandet wird, ist die Rüge unbeschadet ihrer am Maßstab der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu messenden zulässigen Erhebung unbegründet. Denn auch mit dem positiv formulierten Beweisbegehren auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens „zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei dem Fahrer zur Tatzeit um eine andere Person als den Betroffenen […] handelt“, wird allenfalls das von der Beweiserhebung erhoffte Beweisziel ‚unter Beweis‘ gestellt. Dies genügt regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Beweisbehauptung. Zwar ergibt sich aus dem Beweisbegehren die Minimalbehauptung, dass mit der Beweiserhebung unter Beweis gestellt werden soll, dass nicht der Betroffene, sondern eben „eine andere Person“ zur Tatzeit verantwortlicher Führer des Tatfahrzeugs gewesen ist. Diesen Schluss hätte und hat indes gerade nicht der beantragte (anthropologische) Sachverständige, sondern allein das Gericht auf der Grundlage der erhobenen Beweise zu ziehen. Es fehlen aber insoweit jegliche Angaben entweder dazu, welche bestimmte (‚verwechselungsgeeignete‘) Person anstelle des Betroffenen das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat bzw. auf dem Beweisfoto abgebildet ist oder aber wenigstens dazu, welche bestimmten morphologischen oder sonstigen Merkmale des Erscheinungsbilds, die eine Identität des Betroffenen mit der auf dem Messfoto abgebildeten Person ausschließen, durch das beantragte Gutachten ermittelt werden sollen (vgl. neben BGH, Beschl. v. 24.01.2017 – 2 StR 509/16 = NStZ 2017, 300 = StV 2017, 787 u.a. auch OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2009 – 3 Ss OWi 689/09 und 17.02.2009 – 4 Ss OWi 86/09 [jeweils bei juris] sowie OLG Bamberg, Beschluss v. 17.03.2017 – 3 Ss OWi 264/17 = StraFo 2017, 156 = OLGSt StPO § 244 Nr 25, jeweils m.w.N.).“

Wie man an den zitierten Entscheidungen sieht. Ein alter Hut, der aber die Praxis immer wieder beschäftigt. Also Augen auf bei diesen Beweisbehuaptungen. Dann kann/sollte nichts schief gehen.

OWi I: Vertretungsvollmacht für den abwesenden Betroffenen, oder: Rechtsmittelfristen

© Coloures-pic – Fotolia.com

Da sich bei mir einiges an OWi-Entscheidungen angesammelt hat, heute dann noch einmal ein OWi-Tag.

Und als erstes weise ich dann auf den KG, Beschl. v. 22.07.2019 – 3 Ws (B) 178-179/19 – zur Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG hin. Es geht aber nicht etwa um die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG, sondern um einen Fristenproblem und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

In dem Zusammenhang spielt die Frage der Vertretung des Betroffenen und die der Vertretungsvollmacht eine Rolle. Dazu das KG:

Ermächtigt eine Vollmachtsurkunde zur „Vertretung und Verteidigung in Straf- und Bußgeldsachen (§§ 302, 374 StPO) einschließlich der Vorverfahren sowie (für den Fall der Abwesenheit) zur Vertretung nach § 411 II StPO und mit ausdrücklicher Ermächtigung auch nach §§ 233 I, 234 StPO“, so genügt sie den Anforderungen an eine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG.“

Im Übrigen: Zwar war die Rechtsmittelfrist versäumt, aber das KG hat dann Wiedereinsetzung gewährt. Gebracht hat es nichts, denn der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist dann als unbegründet verworfen worden.

OWi III: „Mobiltelefon“ im Straßenverkehr, oder: Fahrverbot wegen Beharrlichkeit?

© Urheber: Ideenkoch – Fotolia.com

Aller guten (?) Dinge sind drei. Auch die letzte „Tagesentscheidung“ steht in Zusammenhang mit § 23 Abs. 1a StVO. Das BayObLG meldet sich im BayObLG, Beschl. v. 22.03.2019 – 202 ObOWi 96/19 – zum Fahrverbot aufgrund beharrlichen Pflichtenverstoßes wegen verbotener Nutzung elektronischer Geräte.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen vorsätzlicher verbotener Nutzung elektronischer Geräte zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt und gegen ihn daneben ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg:

1. Insbesondere hat das Amtsgericht mit sorgfältiger und rechtsfehlerfreier Begründung die Notwendigkeit des Fahrverbots aufgrund der Vorahndungslage des Betroffenen mit einem beharrlichen […] Pflichtenverstoß gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV begründet (zu den Anforderungen für die Wertung eines Pflichtenverstoßes als ‚beharrlich‘ sowie zum Begriff der ‚inneren Zusammenhangs‘ eingehend OLG Bamberg NJW 2007 3655 = ZfSch 2007, 707 sowie OLGSt StVG § 25 Nr 36 = VRR 2007, 318 [Deutscher]; ferner u.a. OLG Bamberg DAR 2010, 98 = OLGSt StVG § 25 Nr 47; DAR 2011, 399; DAR 2012, 152 = OLGSt StVG § 25 Nr. 51; DAR 2013, 213 = VerkMitt 2013, Nr 21 = ZfSch 2013, 350 = OLGSt StVG § 25 Nr 54; NStZ-RR 2014, 58; NZV 2014, 98 = OLGSt StVG § 25 Nr 55; DAR 2014, 277 = ZfSch 2014, 411; OLG Hamm, Beschl. v. 24.10.2013 – 3 RBs 256/13 = ZfSch 2014, 111 = NStZ-RR 2014, 59 = DAR 2014, 152 und 17.09.2015 – 1 RBs 138/15 = NZV 2016, 348 = NStZ-RR 2016, 28; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.04.2014 – 2 RBs 37/14 = NStZ-RR 2015, 56 = NZV 2015, 203; vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 29.01.2015 – 3 Ss OWi 86/15 = VerkMitt 2015, Nr 15 = ZfSch 2015, 231 = NStZ-RR 2015, 151 = DAR 2015, 394 = OLGSt StVG § 25 Nr 58 = NZV 2016, 50 und 16.03.2015 – 3 Ss OWi 236/15 = VerkMitt 2015, Nr 35 = DAR 2015, 392 = OLGSt StVG § 25 Nr 59).

2. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die am 19.10.2017 in Kraft getretene Neufassung des regelmäßig vorsätzlich verwirklichten (hierzu zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 15.01.2019 – 3 Ss OWi 1756/18 = ZfSch 2019, 169 = VerkMitt 2019, Nr 290) Bußgeldtatbestandes des Verbots der Nutzung elektronischer Geräte gemäß § 23 Abs. 1a und 1b StVO aufgrund Art. 1 Nr. 1a der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften v. 06.10.2017 (BGBl. 2017 I, 3549), was durch die gleichzeitige Aufnahme des Verstoßes in Teil II des Bußgeldkatalogs (vgl. lfd.Nrn. 246.1, 246.2 BKat) und auch durch die Ergänzung von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV um die jeweils ein einmonatiges Regelfahrverbot vorsehenden lfd.Nrn. 246.2 und 246.3 BKat (bei Gefährdung bzw. bei Kfz mit Sachbeschädigung) verdeutlicht wird. Mit all diesen Maßnahmen will der Verordnungsgeber der besonderen Gefährlichkeit und Unfallgeneigtheit des Verstoßes infolge Blick-Ablenkungen und der damit zwangsläufig einhergehenden gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung des Fahrzeugführers bei gleichzeitig massiver Steigerung des Gefährdungspotentials für Leib und Leben Dritter Rechnung tragen (vgl. BR-Drucks. 556/17 v. 12 07.2017, S. 11 ff.). Der letztlich nur zufällig folgenlos gebliebene Verstoß steht damit wertungsmäßig in einer Reihe mit anderen typischen Massenverstößen gegen bußgeldrechtliche Bestimmungen wie etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen und Unterschreitungen des Mindestabstandes und kann deshalb bei entsprechender – nicht notwendig ‚einschlägiger‘ – Vorahndungslage den Vorwurf der Beharrlichkeit im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG sogar nahelegen.“

Ob das so richtig ist – Regelwirkung für die Annahme von Beharrlichkeit unabhängig von einschlägigen Vorahndungen – kann man m.E. bezweifeln (zum Ganzen auch Deutscher in Burhoff, (Hrsg.) Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 15152 ff.). Der kundige Leser weiß, wo man das bestellen kann 🙂 .

OWi II: Elektronisches Gerät im Straßenverkehr, oder: Was alles Nutzung ist….

© Steve Young – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung des Tages hat dann auch den (neuen) § 23 Abs. 1a StVO zum Gegenstand. Es ist der KG, Beschl. v. 14.08.2019 – 3 Ws (B) 273/19, in dem das KG zu den Handlungen, die im Einzelnen die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1a StVO erfüllen, und zu den Anforderungen an die Urteilsgründe Stellung genommen hat:

„a) Insbesondere ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zur Fortbildung des Rechts geboten. Der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen; auch klärungsbedürfte Rechtsfragen sind nicht ersichtlich.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt und bedarf deshalb keiner (weiteren) Entscheidung durch den Senat, welche Handlungen im Einzelnen die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1a StVO erfüllen. So ist das bloße Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes – ohne das Hinzutreten eines Benutzungselementes – nicht ausreichend, den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO zu erfüllen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 2 Rb 24 Ss 1269/18 -; OLG Celle, Beschluss vom 7. Februar 2019 – 3 Ss (OWi) 8/19 -; OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. Februar 2019 – (2 Z) 53 Ss-OWi 50/19 (25/19) -; OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019 – 4 RBs 30/19 -; OLG Oldenburg, Beschluss vom 17. April 2019 – 2 Ss (OWi) 102/19 -; alle bei juris; Senat, Beschluss vom 4. Juli 2018 – 3 Ws (B) 183/18 -). Erforderlich ist vielmehr ein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. Aufl., § 23 Rn. 32). Eine Benutzung des Gerätes setzt indessen nicht voraus, dass etwa eine Verbindung zum Mobilfunknetz zustande kommt, vielmehr ist eine solche bereits bei Ablesen der Uhrzeit oder des Ladezustandes (vgl. OLG Celle a.a.O.) oder bei Betätigung einer Taste zur bloßen Kontrolle der Funktionstüchtigkeit des Gerätes (vgl. KG, Beschluss vom 14. Mai 2019 – 3 Ws (B) 160/19 -, juris) gegeben. Ein Zusammenhang zwischen dem Halten des Geräts und seiner Bedienfunktion ist ebenso gegeben, wenn der Betroffene während der Fahrt ein Mobiltelefon in der Hand hält und mehrere Sekunden auf das Display schaut (vgl. OLG Celle a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.). Ferner können aus der Art und Weise, in der das Gerät gehalten wird, Rückschlüsse auf dessen Nutzung gezogen werden (OLG Oldenburg a.a.O.).

Anders als der Betroffene meint, ist das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass er sein Mobiltelefon tatsächlich genutzt hat. Diese Feststellung ist naheliegend angesichts des Umstandes, dass der Betroffene das Mobiltelefon während einer Fahrstrecke, die den gesamten Kreuzungsbereich sowie ein Teilstück der K-straße umfasste, mit der rechten Hand vor seinem Oberkörper hielt, wobei ihm das leuchtende Display, welches einen roten Punkt zeigte, zugewandt war. Dieser Geschehensablauf schließt bereits aufgrund des langen Zeitraumes des Haltens des Mobiltelefons ein bloßes Aufnehmen, um es etwa umzulagern, aus.

Aus dem Zusammenhang mit den Ausführungen zur Beweiswürdigung ergibt sich hinreichend deutlich, dass das Amtsgericht davon ausgegangen ist, der Betroffene habe mit dem in seiner Hand gehaltenen Mobiltelefon einen Kommunikationsvorgang unmittelbar vorbereitet und damit tatbestandsmäßig im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO gehandelt. Die Displayanzeige eines roten Punktes lässt den Schluss darauf zu, dass der Betroffene einen Anrufversuch unternommen hat. Eine solche Anwahl eines potentiellen Gesprächspartners ist von der Regelung des § 23 Abs. 1a StVO erfasst (vgl. KG, Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 3 Ws (B) 306/18 -).

Durch die getroffenen Feststellungen ist hier die Nutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient – in diesem Fall eines Mobiltelefons – ausreichend belegt. Weder bedarf es der Feststellung, welche Bedienfunktion konkret genutzt worden ist, noch ist die Wahrnehmung von Sprechbewegungen für die Annahme einer Nutzung des Gerätes zwingend erforderlich (vgl. OLG Hamm a.a.O.).“

OWi I: Ist ein Taschenrechner ein elektronisches Gerät?, oder: OLG Hamm bejaht das

© Fotomek Fotolia.com

Heute dann ein OWi-Tag, den ich mit einem Anfragebeschluss eines OLG eröffne. Dabei handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. v. 18.06.2019 – 4 RBs 191/19. Mit dem fragt das OLG Hamm beim OLG Oldenburg an, ob das an seiner Rechtsauffassung, dass ein reiner Taschenrechner nicht unter § 23 Abs. 1a StVO falle, festhält  (vgl. dazu OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.06.2018 – 2 Ss (OWi) 175/18), weiterhin festhält (dazu dann auch OWi I: “… es war kein Mobiltelefon, sondern ein Taschenrechner…”, oder: Neue Einlassung “geboren”?).

Im OLG Hamm-Fall hatte das AG Lippstadt den Betroffenen u.a. auch wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO verurteilt. Der Betroffene, ein Immobilienmakler, hatte während der Fahrt einen Taschenrechner in der rechten Hand in Höhe des Lenkrads gehalten und damit die Provision eines anstehenden Kundentermins berechnet.

Anders als das OLG Oldenburg in dem von ihm entschiedenen Fall, will das OLG Hamm den Taschenrechner als „elektronisches Gerät“ ansehen:

„2. Der anfragende Senat ist hingegen der Auffassung, dass es sich bei einem elektronischen Taschenrechner um ein elektronisches Gerät handelt, das durchaus der Information dient oder zu dienen bestimmt ist i.S.v. § 23 Abs. 1a StVO. Er müsste, da er von der o.g. Rechtsprechung des OLG Oldenburg abweichen würde, die Sache gem. §§ 121 Abs. 1 GVG, 79 Abs. 3 OWiG dem Bundesgerichtshof vorlegen. Vorab fragt er deswegen beim Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg an, ob dieser weiterhin an seiner geschilderten Rechtsauffassung festhält. Wäre dies nicht der Fall, würde sich ein Vorlageverfahren erübrigen. Eine solche Anfrage eines Oberlandesgerichts bei einem anderen ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, aber gleichwohl zulässig (BGHSt 14, 319 ff.).

3. Zur Sache selbst:

a) Dass ein elektronischer Taschenrechner ein elektronisches Gerät ist, bedarf – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend bemerkt – keiner näheren Erläuterung.

b) Es handelt sich hierbei auch um ein Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist.

aa) Zwar wird ein elektronischer Taschenrechner nicht in § 23 1a S. 2 StVO ausdrücklich aufgeführt. Es erscheint auch zweifelhaft, ob er unter den dort genannten Begriff eines „tragbaren Flachrechners“ subsumiert werden kann. Unter einem solchen dürfte – das zeigen die Verordnungsmaterialien – eher ein Tablet-Computer zu verstehen sein (BR-Drs. 556/17 S. 27; Eggert in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., Überarbeitung, § 23 StVO Rdn. 24.1.).

Indes hindert das nicht, gleichwohl einen elektronischen Taschenrechner unter § 23 Abs. 1a S. 1 StVO zu fassen. Die Aufzählung in S. 2 der Norm enthält lediglich Beispiele und ist nicht abschließend, wie schon die Formulierung „auch“ und „insbesondere“ deutlich macht (vgl. auch BR-Drs. 556/17 S. 27; OLG Karlsruhe Beschl. v. 05.10.2018 – 2 Rb 9 Ss 627/18 – juris). Mithin können auch dort nicht genannte Geräte unter die Verbotsnorm fallen.

bb) Ein elektronischer Taschenrechner dient schon dem Wortlaut nach der Information.

Der Begriff „Information“ wird im Duden (allgemein zugängliche Internetseite) wie folgt definiert:

– „das Informieren; Unterrichtung über eine bestimmte Sache“
– „[auf Anfrage erteilte] über alles Wissenswerte in Kenntnis setzende, offizielle, detaillierte Mitteilung über jemanden, etwas“
– „Äußerung oder Hinweis, mit dem jemand von einer [wichtigen, politischen] Sache in Kenntnis gesetzt wird“
– „Gehalt einer Nachricht, die aus Zeichen eines Codes zusammengesetzt ist“
– „Auskunft“.

Bei Durchführung einer Rechenoperation mittels eines elektronischen Taschenrechners informiert sich der Nutzer über deren Ergebnis, sei es, weil er selbst nicht zur Berechnung in der Lage ist, sei es, um sich die Richtigkeit eines selbst berechneten Ergebnisses bestätigen zu lassen oder einfach weil es schneller geht. Durch die auf dem Display nach Abruf (etwa durch Drücken der „Gleichtaste“) erscheinenden Zahlen wird der Nutzer über eine bestimmte Sache unterrichtet (ähnlich auch OLG Karlsruhe a.a.O. bzgl. eines Laser-Entfernungsmessers), im vorliegenden Fall etwa darüber, welchen Betrag die Provision auf der Basis eines bestimmten Verkaufspreises und einer bestimmten prozentualen Maklercourtage ausmacht. Dies ist auch der Gehalt einer Nachricht, die aus Zeichen eines (hier: Zahlen-) Codes zusammengesetzt ist. Dass sich ggfs. ein Betroffener mit durchschnittlicher Schulbildung die entsprechende Information durch eigenen Denkprozess hätte verschaffen können, ist unerheblich. Der Informationsbegriff stellt nicht allein auf solche „Informierungen“ oder Nachrichtengehalte ab, die allein von außen kommen.

cc) Auch in systematischer Hinsicht spricht alles dafür, den elektronischen Taschenrechner als Informationsgerät in dem o.g. Sinne anzusehen. Seine Funktionen umfassen einen Ausschnitt dessen, was auch bei einem der in § 23 1a S. 2 StVO genannten Mobiltelefone oder tragbaren Flachrechner (also Tablet-Computern, s.o.) an Funktionen möglich ist. Zudem zeigt das Beispiel des Flachrechners auf, dass die Information nicht zwangsläufig von außerhalb des genutzten Gerätes kommen muss. Auch die weitere Gerätecharakterisierung hinsichtlich des Organisationszwecks zeigt, dass dies nicht relevant sein kann. Auch bei der Nutzung eines elektronischen Geräts zur Organisation bedarf es (jedenfalls nicht zwangsläufig) eines Einflusses von außen (etwa bei der Nutzung als Terminkalender o.ä.).

dd) Der Verordnungsgeber selbst hat bewusst eine „technikoffene“ Formulierung gewählt (BT-Drs. 556/17 S. 27) und hatte mithin einen weiten Begriff des elektronischen Geräts im Sinne des § 23 1a Satz 1 StVO vor Augen (OLG Karlsruhe a.a.O.). Der von ihm verfolgte Zweck, den Gefahren, die vom Aufnehmen des elektronischen Geräts und seiner nutzungsbedingten erheblichen mentalen Ablenkung des Betroffenen vom Verkehrsgeschehen ausgehen, zu begegnen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.), wird auch im Falle der Nutzung eines aufgenommenen elektronischen Taschenrechners erreicht. Dass der Gesetzgeber diesen weiten Begriff ausschließlich im Hinblick auf zukünftige, noch nicht bekannte Entwicklungen wählte, er aber gerade den – bereits seinerzeit bekannten – Taschenrechner ausnehmen wollte, lässt sich nicht erkennen. Dagegen spricht schon, dass er in den anderen genannten Geräten (etwa Mobiltelefone) enthaltene Taschenrechnerfunktionen gerade nicht aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeklammert hat. Dass diese Auslegung dazu führt, dass elektronische Geräte in weitem Umfang in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO fallen, wie der Betroffene meint, erscheint gerade auch Zielsetzung des Gesetzgebers. Dieser hat eben nicht nur solche elektronischen Geräte, die der Information dienen, sondern sogar darüber hinaus auch solche, die der Kommunikation, der Organisation und der Unterhaltung dienen, einbezogen.

c) Die aufgeworfene Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Senats erheblich.

Handelt es sich nach alledem hier bei dem elektronischen Taschenrechner um ein elektronisches Gerät, welches der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, so hat der Betroffene dieses beim Führen seines Kraftfahrzeuges verbotswidrig benutzt und ist zu Recht insoweit auch wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO verurteilt worden, so dass die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen wäre. Unter Zugrundelegung der Ansicht des OLG Oldenburg wäre das angefochtene Urteil hingegen insoweit aufzuheben, als der Betroffene tateineinheitlich auch wegen „verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Fahrzeugführer“ verurteilt wurde sowie im Rechtsfolgenausspruch. Die Prüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen ergeben, der – unabhängig von der vorgelegten Rechtsfrage – eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Folge hätte. Ein wirksamer Bußgeldbescheid liegt vor. Die Verjährung wurde (zunächst) durch Anhörung des Betroffenen vom 13.06.2018/04.07.2018, sodann durch Erlass des Bußgeldbescheids und den Eingang der Akten beim Amtsgericht sowie durch Anberaumung des Hauptverhandlungstermins am 07.11.2018 bzw. am 16.11.2018 unterbrochen.

Der Senat wird ggf. in seiner verfahrensabschließenden Entscheidung die gebotene Berichtigung des Tenors in „wegen verbotswidriger Benutzung eines Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient“ (statt: „wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons“) selbst vornehmen.“

Warum man das nicht gleich beim BGH vorlegt, erschließt sich mir nicht….

Wie das OLG Hamm übrigens auch das AG Helmstedt, Urt. v. 04.07.2019 – 15 OWi 907 Js 66315/18.