Archiv für den Monat: Mai 2019

Handy III: Nicht beschiedener Beweisantrag, oder: Verletzung rechtlichen Gehörs

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Und die dritte Entscheidung hat entfernt auch mit dem Mobiltelefon zu tun. Denn es geht im OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.04.2019 – 4 Rb 14 Ss 348/19 -, den mir der Kollege Beyrle aus Nürnberg gesandt hat, auch um ein Verfahren mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO. In dem hatte der Kollege mehrere Beweisanträge gestellt, die das AG nicht bzw. nicht ausreichend beschieden hatte. Das OLG sieht darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und das Urteil des AG aufgehoben:

„Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs auszuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG); die zulässig erhobene Verfahrensrüge hat Erfolg.

1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

Das Amtsgericht lud zum Hauptverhandlungstermin am 11. Oktober 2018 zwei von drei im Bußgeldbescheid angegebenen Zeugen. Die geladenen Zeugen sollen wahrgenommen haben, wie der Betroffene mit einem Pkw fuhr und dabei ein in der Hand gehaltenes; Mobiltelefon benutzte. Nachdem eine Zeugin zum Hauptverhandlungstermin nicht hatte erscheinen können, bestimmte das Amtsgericht einen Fortsetzungstermin auf den 25. Oktober 20 8 und lud sie zu diesem Termin. Nach Aussetzung der Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Betroffenen bestimmte das Amtsgericht einen neuen Hauptverhandlungstermin auf den 29. November 2018 und lud erneut die beiden Zeugen. Der. Verteidiger stellte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2018 folgenden Antrag: ,,Zum Beweis der Tatsache, dass der Betroffene bereits im Rahmen der Anhaltesituation dem Polizeimeister A. gegenüber angab, er habe kein Handy in der Hand gehalten, das Handy befand sich im Armaturenbrett, wird die Einvernahme des Polizisten A. als Zeuge beantragt.“ Nachdem das Amtsgericht diesen Antrag nicht beschieden hatte, wiederholte der Verteidiger den Antrag am 22. November 2018.

In der Hauptverhandlung vom 29. November 2018 sagte der Polizeibeamte, der am 11. Oktober 2018 bereits vernommen worden war, erneut aus. Die weitere Zeugin hatte das Amtsgericht wegen einer von ihr geltend gemachten Verhinderung abgeladen. Sodann stellte der Verteidiger den Antrag, die abgeladene Zeugin zum Beweis der Tatsache, dass der Betroffene kein Mobiltelefon oder Smartphone in der Hand hatte oder hielt, zu vernehmen. Darüber hinaus beantragte er zum Beweis der Tatsache, dass der Betroffene auch im Rahmen des Anhaltens gegenüber dem Anhaltebeamten PM A. bereits äußerte, er habe das Telefon nicht benutzt, sondern es befand sich im Armaturenbrett, den Zeugen A. zu laden. Das Amtsgericht lehnte in der Hauptverhandlung beide Beweisanträge mit der Begründung ab, dass die beantragte Beweisaufnahme zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.

Das Amtsgericht stellte in den Urteilsgründen die Aussage des vernommenen Zeugen näher dar und begründete, warum es diese für glaubhaft und die Einlassung des Betroffenen als Schutzbehauptung widerlegt hielt. Zu den abgelehnten Beweisanträgen führte es weiter aus: „Einer weiteren Beweisaufnahme durch Einvernahme der zweiten Beamtin oder des Beamten, der die Fahrzeugkontrolle durchgeführt hat, bedurfte es zur Erforschung der Wahrheit nicht, weswegen der entsprechende Beweisantrag gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden konnte.“

2. Das Amtsgericht hat den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör – möglicher weise entscheidungserheblich – verletzt. Zwar ist die Ablehnung des auf die Vernehmung der abgeladenen Zeugin gerichteten Beweisantrags, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht zu beanstanden. Dies gilt jedoch nicht, soweit das Amtsgericht die Vernehmung des Zeugen A. abgelehnt hat. Es hat bereits den rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung des Zeugen A. entgegen § 219 Abs. 1 Satz 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG nicht beschieden. Darüber hinaus hat es die Ablehnung des Beweisantrags nicht ausreichend begründet. Gemäß § 77 Abs. 3 OWiG kann zwar die Begründung der Ablehnung eines Beweisantrags nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG in dem Gerichtsbeschluss in der Regel darauf beschränkt werden, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Jedoch muss dann die Ablehnung des Beweisantrags im Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung so begründet werden, dass sie für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar ist (Seitz/Bauer, OWG, 17. Aufl., § 77 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen). Das ist hier nicht der Fall. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nicht erkennen, welchen Beweiswert das Tatgericht der behaupteten ersten Einlassung des Betroffenen und eventuellen Wahrnehmungen des Polizeibeamten, der ihn mit dem Tatvorwurf in der Anhaltesituation konfrontiert hat, beigemessen hat. Aus diesem Grund kann der Senat nicht beurteilen, ob das Amtsgericht die beantragte Beweiserhebung zu Recht als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich bewertet hat. Diese rechtlich fehlerhafte Behandlung des Beweisantrags verletzt nach dem hier gegebenen konkreten Verfahrensgeschehen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör. Da der Antrag auf Ladung des Zeugen nicht und der in der Hauptverhandlung gestellte Beweisantrag nur formelhaft beschieden wurde, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Amtsgericht das Beweisbegehren des Betroffenen entgegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht in Erwägung gezogen hat.“

Zutreffend, aber: M.E. kam es auf die Frage der Bescheidung des vorab gestellten Beweisantrages nicht mehr an, nachdem der in der Hauptverhandlung wiederholt und dort nur formelhaft beschieden worden ist.

Handy II: Das bloße Halten des Handys als Benutzung, oder: Das reicht auch dem OLG Oldenburg nicht mehr

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Als zweite „Handy-Entscheidung“ stelle ich dann den OLG Oldenburg, Beschl. v. 17.04.2019 – 2 Ss (OWi) 102/19 – vor.

OLG Oldenburg? Ja, richtig. Das sind die, die in dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.07.2018 – 2 Ss (OWi) 201/18 – bei Anwendung der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO im bloßen In-der-Hand-Halten des elektronischen Gerätes einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO gesehen haben. Das das falsch ist, hatte u.a. auch ich unter Handy I: Mobiltelefon im Straßenverkehr, oder: Das Halten reicht, wirklich? dargelegt.

Jetzt hat das OLG dies „korrigiert“ = ist von seinem obiter dictum abgerückt (siehe aber unten 🙂 ):

„Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene am 06.06.2018 als Führer eines Kraftomnibusses die M… in O… befuhr. Als er vor einer rot zeigenden Lichtzeichenanlage zum Stehen kam, benutzte er sein Mobiltelefon, in dem es in die Hand nahm, in seinem Sichtfeld vor das Lenkrad hielt und auf das Display schaute.

….
Auch zur Fortbildung des materiellen Rechts ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.

Wann ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO nF vorliegt, ist mittlerweile – soweit hier von Bedeutung- geklärt.

Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 25.07.2018 (DAR 18, 577) ausgeführt, dass der dortige Betroffene dadurch, dass er das Smartphone gehalten habe, gegen § 23 Absatz 1a StVO n. F. verstoßen habe. Zugrunde lag dieser Entscheidung ein Sachverhalt, bei dem der Betroffene das Mobiltelefon in der rechten Hand gehalten und mehrere Sekunden auf das Display geschaut hatte.

Diese Entscheidung ist Gegenstand mehrerer Besprechungen bzw. Anmerkungen gewesen (Krenberger, juris PR-VerkR 18/2018 Anm. 6; Ternig, VD 2018, 300 ff.; Eggert in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht 1. Aufl. 2016, § 23 StVO 1. Überarbeitung; RN 28.1; Bertlings, juris PR-StrafR 20/2018, Anm. 5).

Überwiegend wird darin die Ansicht vertreten, dass das bloße Halten des Gerätes zur Tatbestandserfüllung nicht ausreichend sei, da eine Nutzung hinzukommen müsse. Diese sei aber durch das vom Amtsgericht festgestellte sekundenlange Blicken auf das Display belegt.

Auch die Oberlandesgerichte Stuttgart (Beschluss vom 03.01. 2019, 2 Rb 24 Ss 1269/18, juris), OLG Hamm (Beschluss vom 28.02.2019 (4 RBs 30/19, juris) und Celle (Beschluss vom 07.02.2019, 3 Ss (OWi) 8/19, juris) vertreten die Auffassung, dass Voraussetzung für die Tatbestandserfüllung weiterhin die Benutzung des elektronischen Gerätes sei. Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 18.02.2019, 53 Ss-OWi 50/19, juris) hält ebenfalls eine Nutzung für erforderlich und führt aus, aus der Entscheidung des Senats vom 25.07.2018 ergebe sich nichts Anderes.

Dies gibt dem Senat Anlass, die auch durch den Leitsatz seiner Entscheidung zum Ausdruck gebrachte Aussage, dass es für einen Verstoß gegen § 23 Absatz 1a StVO n. F. ausreiche, ein elektronisches Gerät in der Hand zu halten, zu korrigieren.

Das OLG Celle weist zutreffend darauf hin, dass unzulässige Nutzung und Halten des Gerätes in der Neufassung der Vorschrift nicht gleichgesetzt werden, sondern durch das Wort „hierfür“ in § 23 Absatz 1a Satz 1 Nr. 1 StVO eine Zweckbestimmung zum Ausdruck gebracht wird.

Tatsächlich wird davon auszugehen sein, dass durch die Orientierung am Faktischen (Fromm, MMR 2018, 68 (69); Ternig a. a. O., Seite 303) den Gerichten lediglich die Feststellung einer verbotswidrigen Nutzung, die aber nach wie vor erforderlich ist, erleichtert werden sollte. In diesem Zusammenhang können bereits aus der Art und Weise, wie das Mobiltelefon gehalten wurde, Rückschlüsse auf die Nutzung einer Bedienfunktion gezogen werden (OLG Celle a.a.O.; vgl. auch OLG Hamm a.a.O.).

Durch die getroffenen Feststellungen ist hier die Nutzung eines elektronischen Gerätes, dass der Kommunikation, Information oder Organisation dient -in diesem Fall eines Mobiltelefons-ausreichend belegt.

Da es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass der Betroffene auf ein ausgeschaltetes Mobiltelefon geschaut hat, musste das Amtsgericht einen derartigen Sachverhalt nicht zu Gunsten des Betroffenen unterstellen, zumal dieser bereits abgestritten hatte, überhaupt auf das Display geschaut zu haben.

Auf die vom OLG Hamm, a.a.O. offengelassene Frage, ob auch eine zweckentfremdete Benutzung genügt, kommt es auch hier nicht an.“

Dazu nur: Die Feststellungen des AG reichen wohl so gerade eben bzw. nur dann aus, wenn man davon ausgeht – ausgehen muss? -, dass der Betroffene nicht auf ein ausgeschaltetes Handy geschaut hat. Im Übrigen ist die – OLG-typische – Formulierung: „Tatsächlich wird davon auszugehen sein, …“ m.E. falsch/zu weich: Es wird nicht nur davon auszugehen sein, sondern es ist davon auszugehen. Warum kann das OLG nicht einfach mal schreiben: Das, was wir im Beschluss vom 25.07.2018 ausgeführt haben, war falsch?

Handy I: Mobiltelefon im Straßenverkehr, oder: Wenn man das Handy nur „kühlen“ will….

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Und heute dann noch einmal ein OWi-Tag, und zwar rund um das elektronische Gerät im Straßenverkehr (§ 23 Abs. 1a StVO) oder besser/eingängiger: Das Mobiltelefon.

An der Spitze der Postings steht dann der KG, Beschl. v. 13.03.2019 – 3 Ws (B) 50/19. Das AG hat den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVo verurteilt. Der hatte sich damit verteidigt, dass er sein heiß gelaufenes Telefon vor die Kühlung des Pkw habe halten müssen, um ein laufendes Telefonat über die Freisprechanlage fortsetzen zu können. Das KG geht von einem Verstoß aus:

„2. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils deckt keinen Rechtsfehler auf, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde geböte, denn der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen.

Die Grundsätze, welche Handlungen im Einzelnen die Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit nach § 23 Abs. 1a StVO erfüllen, sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2018 – 3 Ws (B) 183/18 – m.w.N.). Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob das Mobiltelefon für die Benutzung grundsätzlich in der Hand gehalten werden muss, sondern ob es – wie vorliegend – tatsächlich in der Hand gehalten wird (vgl. BR-Drucksache 556/17, S. 26). Der Verordnungsgeber wollte mit der Neuregelung des § 23 Abs. 1a StVO gerade auch die Fälle erfassen, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies – beispielsweise durch das Vorhandensein einer Freisprechanlage – nicht erforderlich ist (vgl. BR-Drucksache a.a.O. unter Verweis auf die noch zur alten Rechtslage ergangenen Entscheidung des OLG Stuttgart NStZ-RR 2016, 255).

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war es nach der Einlassung des Betroffenen erforderlich, das heiß gelaufene Mobiltelefon mit der Hand vor die Kühlung zu halten, um so das laufende Telefonat während der Fahrt über die aktivierte Freisprechanlage fortzusetzen zu können. Dem Normzweck des § 23 Abs. 1a StVO entsprechend stellte das durch den Betroffenen vorliegend bekundete Verhalten eine Tätigkeit dar, die nicht nur verhinderte, dass ihm beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung standen, sondern – wie das Führen eines Telefonats – auch eine erhöhte Konzentration erforderte.“

Ob nun der Verweis auf den OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.04.2016 – 4 Ss 212/16 (Aufweichung beim Handyverbot, wirklich?, oder: Neue “Verteidigungsansätze”?) passt oder ob man nicht besser auf den „Lade-Beschluss), den OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.12.2015 – 2 Ss (OWi) 290/15 (Laden des Mobiltelefons beim Fahren, oder: Berührt, geführt) verwiesen hätte, lassen wir mal dahinstehen. Jedenfalls der Beschluss in die Richtung: Das Mobiltelefon wird in der Hand gehalten (um gekühlt zu werden), weil man dann besser telefonieren kann = Benutzung.

OWi III: Erhöhung der Geldbuße, oder: Rechtlicher Hinweis erforderlich?

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Und die dritte und letzte Entscheidung des Tages befasst sich auch mit der Rechtsfolge in OWi-Verfahren, nämlich mit der Geldbuße, allerdings gepaart mit einer verfahrensrechtlichen Problematik. Es geht im KG, Beschl. v. 31.01.2019 – 3 Ws (B) 40/19 – um die Frage, ob vor einer beabsichtigten Erhöhung der Geldbuße ein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO) erforderlich ist oder nicht.

Der Betroffene hatte mit seiner Rechtsbeschwerde das Fehlen eines solchen Hinweises beanstandet. Das KG sagt: Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet, im Übrigen wäre sie aber auch unbegründet:

„Ergänzend merkt der Senat lediglich an:

1. Die Verfahrensrüge des Betroffenen, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil das Gericht ihm wegen einer möglichen Erhöhung der Geldbuße keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe, ist nicht gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 3, 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ordnungsgemäß erhoben. Dazu hätte es der – hier fehlenden – Darlegung bedurft, dass der vermisste rechtliche Hinweis weder im Bußgeldbescheid enthalten ist noch das Amtsgericht außerhalb der Hauptverhandlung einen entsprechenden Hinweis erteilt hat (vgl. Senat NZV 2006, 609; OLG Hamm NZV 2008, 583; OLG Karlsruhe Justiz 2015, 14; OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Mai 2012 2 – 2 SsBs 114/11 – juris).

Der Rüge wäre aber auch in der Sache kein Erfolg beschieden. Denn grundsätzlich bedarf es bei der Verhängung einer höheren als im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße in der Regel keines Hinweises an den Betroffenen (vgl. Senat, Beschluss vom 3. März 2016 – 3 Ws (B) 108/16 -; NZV 2015, 355; VRS 113, 293; OLG Hamm NStZ 2017, 592). Ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn der Betroffene ohne vorherigen gerichtlichen Hinweis nicht mit einer Erhöhung der Geldbuße rechnen musste (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.06.2010 – 5 Ss 321/10 -, BeckRS 2010, 25189; Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn. 50a), bedarf hier keiner Entscheidung, weil der Betroffene ausweislich der getroffenen Feststellungen mehrfach erheblich und einschlägig vorbelastet ist und schon deswegen mit einer deutlichen Erhöhung der Geldbuße rechnen musste….“

Na ja. Kann man m.E. mit guten Gründen auch anders sehen. Denn, was heißt: „…. damit rechnen musste….“?

OWi II: Bei Fahrverbot droht Kündigung, oder: Nicht immer reicht das für ein Absehen

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt mit dem KG, Beschl. v. 05.02.2019 – 3 Ws (B) 3/19. Das AG hatte den gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Fahrverbot festgesetzt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rüge, dass ein Beweisantrag auf Vernehmung seines Arbeitgebers zum bei Verhängung eines Fahrverbots drohendem Arbeitsplatzverlust zu Unrecht abgewiesen worden ist. Das KG sieht den Rechtsbeschwerdevortrag insoweit als nicht ausreichend an; es macht in dem Zusammenhnag ganz interessante Ausführungen zum Umfang des erforderlichen Vortrags:

„b) Daraus folgt, dass der Tatrichter seiner Entscheidung, von der regelhaften Anordnung eines Fahrverbots abzuweichen, nicht jede Kündigungsdrohung zu Grunde legen darf, ohne zu prüfen, ob sie rechtlichen Bestand hätte, falls sie verwirklicht wird. Ist offensichtlich, dass die angedrohte Kündigung rechtswidrig wäre, darf er nicht wegen dieser Drohung auf ein (Regel-) Fahrverbot verzichten. Denn bei einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung trägt der Betroffene, gegen den trotz Kündigungsdrohung ein Fahrverbot verhängt wird, in Wirklichkeit kein Risiko des Arbeitsplatzverlustes oder aber ist dieses Risiko so gering, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt (vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 93; ähnlich OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. März 2006 – 2 Ss-OWi 86/06 – juris). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass in aller Regel nur der dauerhafte oder zumindest über einen erheblichen Zeitraum andauernde Wegfall der Eignung zur Verrichtung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung geeignet ist, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG NZA 2001, 607; 1991, 341; 1996, 1201; LAG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 2006 – 11 Sa 535/06 – juris; LAG Schleswig-Holstein NZA 1987, 669; LAG Hamm DB 1974, 2164; ArbG Dresden, Urteil vom 20. März 2014 – 5 Ca 2776/13 – juris; Kerwer in Boecken u.a., Gesamtes Arbeits-recht, § 1 KSchG Rdn. 572 m.w.N.; Rinck in Tschöpe, Arbeitsrecht 10. Aufl., S. 1538 Rdn. 29 m.w.N.). Kurzfristige Fahrverbote oder Entziehungen der Fahrerlaubnis dürften daher – auch bei Berufskraftfahrern – eine Kündigung nur in Ausnahmefällen rechtfertigen (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. August 2011- 5 Sa 295/10 – juris; Thies in Heussler u.a., Arbeitsrecht 8. Aufl., S. 2314 Rdn. 130; Preis in Stahlhacke u.a., Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsrecht 11. Aufl., S. 283 Rdn. 698), zumal bei personenbedingten Störungen des Arbeitsverhältnisses die Kündigung ohnehin nur als letztes Mittel zulässig ist (vgl. BAG NZA 2016, 1461; 2001, 607; 1997, 1281; 1996, 1201; Belling/Riesenhuber in Erman, BGB 15. Aufl., § 620 Rdn. 140) und daher ausscheidet, wenn dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, den Arbeitnehmer während des Fahrverbots im Betrieb anderweitig einzusetzen (vgl. BAG NZA 1997, 1281). Dies gilt umso mehr, wenn die Zeit des Fahrverbots ganz (dann entfällt bereits jegliche Leistungsstörung) oder teilweise durch Erholungsurlaub abgedeckt werden kann.

c) Auf der Grundlage dieses Maßstabs ermöglicht das Vorbringen des Betroffenen dem Senat nicht die Prüfung, ob sich das Amtsgericht zur Vernehmung des Zeugen X hätte gedrängt sehen müssen, um aufzuklären, ob ein die Kündigung rechtfertigender Ausnahmefall gegeben ist. Damit der Senat dies überprüfen kann, sind Angaben dazu erforderlich, welche Tätigkeit der Betroffene im Betrieb des Zeugen ausübt (1), ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Urlaubsansprüche bestehen, auf die der Betroffene zur Überbrückung des Fahrverbots zurückgreifen kann (2), ob das Arbeitsverhältnis unbefristet ist (3), wie viele Arbeitnehmer im Betrieb des Zeugen tätig sind (4) und in welchem zeitlichen Umfang der Betroffene im Betrieb des Zeugen tätig ist (5).

Diesen Anforderungen entspricht der Rechtsbeschwerdevortrag nur teilweise.

(1) Angaben zur konkreten arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung des Arbeitnehmers sind erforderlich, um prüfen zu können, ob sich das Fahrverbot überhaupt auf die Betriebsabläufe und die von ihm vertraglich gegenüber dem Arbeitnehmer zu erbringenden Pflichten (vgl. Denecke in Galluer/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht 6. Aufl., S. 312 Rdn. 519) auswirken kann. Ist dies nicht der Fall, scheidet jedweder Grund, der den Arbeitgeber wegen der Verhängung eines Fahrverbots zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen könnte, von vornherein aus.

Der Vortrag des Betroffenen genügt diesen Anforderungen. Den durch die erhobene all-gemeine Sachrüge in Bezug genommenen schriftlichen Urteilsgründen (UA S. 6) ist im Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass der Betroffene die Tätigkeit als Taxifahrer ausübte.

(2) Ohne Angaben zu etwaigen Urlaubsansprüchen wird dem Senat die Prüfung verwehrt, ob einer (wesentlichen) Störung der Betriebsabläufe ein Fahrverbot deswegen entgegensteht, weil die Zeit des Fahrverbots durch Urlaub – zumindest teilweise – überbrückt werden kann.

Diesem Erfordernis entspricht der Vortrag des Betroffenen, wonach ihm sein Arbeitgeber maximal zwei Wochen zusammenhängenden Erholungsurlaub gewährt. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Überprüfung des Wahrheitsgehalts dieser Behauptung und die Klärung der Frage, ob dieser Umstand es rechtfertigt, im Einzelfall von der Anordnung eines Fahrverbots abzusehen, dem Tatgericht vorbehalten ist. Im Rahmen der Prüfung der Darlegungsanforderungen von §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hatte sich der Senat damit nicht zu befassen.

(3) Ohne Angaben dazu, ob das Arbeitsverhältnis unbefristet ist, vermag der Senat nicht zu prüfen, ob eine weitere Sachaufklärung zum Vorliegen einer unbilligen Härte durch das Tatgericht deswegen nicht veranlasst war, weil der Betroffene wegen der Be-fristung seines Arbeitsverhältnisses ohnehin das baldige Ende seiner Beschäftigung zu gewärtigen hat und folglich ein Fahrverbot keinerlei Einfluss auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entfalten kann.

Diesem Erfordernis genügt das Beschwerdevorbringen ebenfalls. Den durch die erhobene allgemeine Sachrüge in Bezug genommenen schriftlichen Urteilsgründen (UA S. 6) ist zu entnehmen, dass der Betroffene bei dem Zeugen X fest angestellt ist. Der Senat versteht dies dahingehend, dass der Betroffene in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.

(4) Gemäß § 23 Abs. 1 KSchG ist der durch § 1 Abs. 1 KSchG gewährte Kündigungs-schutz – abhängig von der Betriebsgröße – anwendungsbeschränkt. Ohne die – dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmende – Angabe der Anzahl der Betriebsangehörigen bleibt unklar, ob diese Anwendungsbeschränkung greift. In der Folge ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob der Tatrichter die erleichterten Kündigungsmöglichkeiten in Kleinbetrieben in Rechnung stellen musste (vgl. BVerfG 97, 169; Belling/Riesenhuber a.a.O. Rdn. 141; eingehend dazu Däubler in Däubler/Deinert/Zwanziger, KSchR 10. Aufl., S. 934 Rdn. 22 ff. m.w.N.) oder wegen des aus § 1 Abs. 1 KSchG folgenden besonderen Kündigungs-schutzes, der einem drohenden Arbeitsplatzverlust entgegensteht, von einer weiteren Sachaufklärung absehen durfte.

(5) Bei der Prüfung, ob eine weitere Sachaufklärung geboten ist, hat der Tatrichter  weiter zu beachten, dass eine durch Arbeitsplatzverlust bedingte wirtschaftliche Existenz-gefährdung regelmäßig ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer lediglich geringfügig beschäftigt wird und seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen aus Leistungen nach dem SGB II oder durch Ehegatten- oder Verwandtenunterhalt nach §§ 1360 ff., 1601 ff. BGB bestreitet. Angaben dazu lässt das Vorbringen des Rechtsbeschwerdeführers vermissen. Aus den durch die erhobene allgemeine Sachrüge in Bezug genommenen schriftlichen Urteils-gründen (UA S. 6) ergibt sich nur, dass der Betroffene fest angestellt ist, nicht aber, in welchem zeitlichen Umfang er bei dem Zeugen X beschäftigt ist.“