OWi II: Bei Fahrverbot droht Kündigung, oder: Nicht immer reicht das für ein Absehen

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt mit dem KG, Beschl. v. 05.02.2019 – 3 Ws (B) 3/19. Das AG hatte den gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Fahrverbot festgesetzt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rüge, dass ein Beweisantrag auf Vernehmung seines Arbeitgebers zum bei Verhängung eines Fahrverbots drohendem Arbeitsplatzverlust zu Unrecht abgewiesen worden ist. Das KG sieht den Rechtsbeschwerdevortrag insoweit als nicht ausreichend an; es macht in dem Zusammenhnag ganz interessante Ausführungen zum Umfang des erforderlichen Vortrags:

„b) Daraus folgt, dass der Tatrichter seiner Entscheidung, von der regelhaften Anordnung eines Fahrverbots abzuweichen, nicht jede Kündigungsdrohung zu Grunde legen darf, ohne zu prüfen, ob sie rechtlichen Bestand hätte, falls sie verwirklicht wird. Ist offensichtlich, dass die angedrohte Kündigung rechtswidrig wäre, darf er nicht wegen dieser Drohung auf ein (Regel-) Fahrverbot verzichten. Denn bei einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung trägt der Betroffene, gegen den trotz Kündigungsdrohung ein Fahrverbot verhängt wird, in Wirklichkeit kein Risiko des Arbeitsplatzverlustes oder aber ist dieses Risiko so gering, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt (vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 93; ähnlich OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. März 2006 – 2 Ss-OWi 86/06 – juris). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass in aller Regel nur der dauerhafte oder zumindest über einen erheblichen Zeitraum andauernde Wegfall der Eignung zur Verrichtung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung geeignet ist, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG NZA 2001, 607; 1991, 341; 1996, 1201; LAG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 2006 – 11 Sa 535/06 – juris; LAG Schleswig-Holstein NZA 1987, 669; LAG Hamm DB 1974, 2164; ArbG Dresden, Urteil vom 20. März 2014 – 5 Ca 2776/13 – juris; Kerwer in Boecken u.a., Gesamtes Arbeits-recht, § 1 KSchG Rdn. 572 m.w.N.; Rinck in Tschöpe, Arbeitsrecht 10. Aufl., S. 1538 Rdn. 29 m.w.N.). Kurzfristige Fahrverbote oder Entziehungen der Fahrerlaubnis dürften daher – auch bei Berufskraftfahrern – eine Kündigung nur in Ausnahmefällen rechtfertigen (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. August 2011- 5 Sa 295/10 – juris; Thies in Heussler u.a., Arbeitsrecht 8. Aufl., S. 2314 Rdn. 130; Preis in Stahlhacke u.a., Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsrecht 11. Aufl., S. 283 Rdn. 698), zumal bei personenbedingten Störungen des Arbeitsverhältnisses die Kündigung ohnehin nur als letztes Mittel zulässig ist (vgl. BAG NZA 2016, 1461; 2001, 607; 1997, 1281; 1996, 1201; Belling/Riesenhuber in Erman, BGB 15. Aufl., § 620 Rdn. 140) und daher ausscheidet, wenn dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, den Arbeitnehmer während des Fahrverbots im Betrieb anderweitig einzusetzen (vgl. BAG NZA 1997, 1281). Dies gilt umso mehr, wenn die Zeit des Fahrverbots ganz (dann entfällt bereits jegliche Leistungsstörung) oder teilweise durch Erholungsurlaub abgedeckt werden kann.

c) Auf der Grundlage dieses Maßstabs ermöglicht das Vorbringen des Betroffenen dem Senat nicht die Prüfung, ob sich das Amtsgericht zur Vernehmung des Zeugen X hätte gedrängt sehen müssen, um aufzuklären, ob ein die Kündigung rechtfertigender Ausnahmefall gegeben ist. Damit der Senat dies überprüfen kann, sind Angaben dazu erforderlich, welche Tätigkeit der Betroffene im Betrieb des Zeugen ausübt (1), ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Urlaubsansprüche bestehen, auf die der Betroffene zur Überbrückung des Fahrverbots zurückgreifen kann (2), ob das Arbeitsverhältnis unbefristet ist (3), wie viele Arbeitnehmer im Betrieb des Zeugen tätig sind (4) und in welchem zeitlichen Umfang der Betroffene im Betrieb des Zeugen tätig ist (5).

Diesen Anforderungen entspricht der Rechtsbeschwerdevortrag nur teilweise.

(1) Angaben zur konkreten arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung des Arbeitnehmers sind erforderlich, um prüfen zu können, ob sich das Fahrverbot überhaupt auf die Betriebsabläufe und die von ihm vertraglich gegenüber dem Arbeitnehmer zu erbringenden Pflichten (vgl. Denecke in Galluer/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht 6. Aufl., S. 312 Rdn. 519) auswirken kann. Ist dies nicht der Fall, scheidet jedweder Grund, der den Arbeitgeber wegen der Verhängung eines Fahrverbots zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen könnte, von vornherein aus.

Der Vortrag des Betroffenen genügt diesen Anforderungen. Den durch die erhobene all-gemeine Sachrüge in Bezug genommenen schriftlichen Urteilsgründen (UA S. 6) ist im Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass der Betroffene die Tätigkeit als Taxifahrer ausübte.

(2) Ohne Angaben zu etwaigen Urlaubsansprüchen wird dem Senat die Prüfung verwehrt, ob einer (wesentlichen) Störung der Betriebsabläufe ein Fahrverbot deswegen entgegensteht, weil die Zeit des Fahrverbots durch Urlaub – zumindest teilweise – überbrückt werden kann.

Diesem Erfordernis entspricht der Vortrag des Betroffenen, wonach ihm sein Arbeitgeber maximal zwei Wochen zusammenhängenden Erholungsurlaub gewährt. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Überprüfung des Wahrheitsgehalts dieser Behauptung und die Klärung der Frage, ob dieser Umstand es rechtfertigt, im Einzelfall von der Anordnung eines Fahrverbots abzusehen, dem Tatgericht vorbehalten ist. Im Rahmen der Prüfung der Darlegungsanforderungen von §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hatte sich der Senat damit nicht zu befassen.

(3) Ohne Angaben dazu, ob das Arbeitsverhältnis unbefristet ist, vermag der Senat nicht zu prüfen, ob eine weitere Sachaufklärung zum Vorliegen einer unbilligen Härte durch das Tatgericht deswegen nicht veranlasst war, weil der Betroffene wegen der Be-fristung seines Arbeitsverhältnisses ohnehin das baldige Ende seiner Beschäftigung zu gewärtigen hat und folglich ein Fahrverbot keinerlei Einfluss auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entfalten kann.

Diesem Erfordernis genügt das Beschwerdevorbringen ebenfalls. Den durch die erhobene allgemeine Sachrüge in Bezug genommenen schriftlichen Urteilsgründen (UA S. 6) ist zu entnehmen, dass der Betroffene bei dem Zeugen X fest angestellt ist. Der Senat versteht dies dahingehend, dass der Betroffene in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.

(4) Gemäß § 23 Abs. 1 KSchG ist der durch § 1 Abs. 1 KSchG gewährte Kündigungs-schutz – abhängig von der Betriebsgröße – anwendungsbeschränkt. Ohne die – dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmende – Angabe der Anzahl der Betriebsangehörigen bleibt unklar, ob diese Anwendungsbeschränkung greift. In der Folge ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob der Tatrichter die erleichterten Kündigungsmöglichkeiten in Kleinbetrieben in Rechnung stellen musste (vgl. BVerfG 97, 169; Belling/Riesenhuber a.a.O. Rdn. 141; eingehend dazu Däubler in Däubler/Deinert/Zwanziger, KSchR 10. Aufl., S. 934 Rdn. 22 ff. m.w.N.) oder wegen des aus § 1 Abs. 1 KSchG folgenden besonderen Kündigungs-schutzes, der einem drohenden Arbeitsplatzverlust entgegensteht, von einer weiteren Sachaufklärung absehen durfte.

(5) Bei der Prüfung, ob eine weitere Sachaufklärung geboten ist, hat der Tatrichter  weiter zu beachten, dass eine durch Arbeitsplatzverlust bedingte wirtschaftliche Existenz-gefährdung regelmäßig ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer lediglich geringfügig beschäftigt wird und seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen aus Leistungen nach dem SGB II oder durch Ehegatten- oder Verwandtenunterhalt nach §§ 1360 ff., 1601 ff. BGB bestreitet. Angaben dazu lässt das Vorbringen des Rechtsbeschwerdeführers vermissen. Aus den durch die erhobene allgemeine Sachrüge in Bezug genommenen schriftlichen Urteils-gründen (UA S. 6) ergibt sich nur, dass der Betroffene fest angestellt ist, nicht aber, in welchem zeitlichen Umfang er bei dem Zeugen X beschäftigt ist.“

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