Archiv für den Monat: März 2019

StGB II: Fehlgeschlagener Versuch?, oder: Versuch der Strafkammer fehlgeschlagen….

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, kommt auch vom BGH, nämlich der BGH, Beschl. v. 15.01.2019 – 4 StR 470/18. Gegenstand: Allgemeiner Teil – fehlgeschlagener Versuch:

1. Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil die Feststellungen und die die ihnen zugrunde liegenden Beweiserwägungen die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht tragen.

a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich hält (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 StR 299/17, NStZ-RR 2017, 335). Bei einem mehraktigen Geschehen ist der Rücktritt vom Versuch hinsichtlich eines Einzelakts ausgeschlossen, wenn dieser Einzelakt bereits als fehlgeschlagener Versuch zu werten ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/07, NStZ 2009, 628; vom 4. Juni 2014 – 4 StR 168/14). Sind die Einzelakte untereinander und mit der letzten Tathandlung durch die subjektive Zielsetzung des Angeklagten zu einem einheitlichen Geschehen verbunden, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, allein auf die subjektive Sicht des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (BGH, Urteile vom 17. Februar 2016 – 2 StR 213/15, NStZ 2017, 149, 151; vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; zu den Konkurrenzen siehe auch BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).

b) Gemessen hieran ist ein fehlgeschlagener Versuch der gefährlichen Körperverletzung (§§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 22 StGB) nicht tragfähig belegt.

Nach den Feststellungen setzte der Angeklagte im Verlaufe einer zunächst verbal geführten Auseinandersetzung mit dem Geschädigten Pfefferspray ein und sprühte damit in Richtung des Geschädigten, um ihm erhebliche Schmerzen an den Augen zuzufügen; dabei verfehlte er ihn.

Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach dem erfolglos gebliebenen Einsatz des Pfeffersprays fehlen. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich hierzu nichts entnehmen. Vielmehr sprechen die Feststellungen zum weiteren Geschehensablauf eher gegen die Annahme, der Angeklagte könne subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich gehalten haben. Nach dem erfolglos gebliebenen Einsatz des Pfeffersprays hatte der Geschädigte nunmehr seinerseits Pfefferspray gegen den Angeklagten eingesetzt; daraufhin hatte der Angeklagte ein Klappmesser gezogen und den fliehenden Geschädigten „mit dem Pfefferspray in der einen und dem Messer in der anderen Hand“ verfolgt. Diese Geschehnisse hätten der Erörterung und Würdigung bedurft.

2. Auch der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

a) Nach den Feststellungen verfolgte der Angeklagte den Geschädigten, holte ihn an einer Rotlicht zeigenden Fußgängerampel ein und versetzte ihm einen kräftigen Stoß in den Rücken; dabei stieß er ihn gezielt in Richtung der Fahrbahn und in den herannahenden Kraftfahrzeugverkehr. Er wollte den Geschädigten verletzen und nahm auch tödliche Verletzungen billigend in Kauf. Der Geschädigte wurde von einem Kraftfahrzeug erfasst und erlitt durch die Kollision erhebliche Verletzungen.

b) Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, nicht tragfähig belegt. Seine Ausführungen erschöpfen sich in dem Hinweis, dass sich die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen ergäben. Damit ist den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehenden Darlegungsanforderungen zum bedingten Tötungsvorsatz nicht genügt.

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Handlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 5 StR 517/18). Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor.

Die Tathandlung des Angeklagten erschöpfte sich – dies hat das Landgericht an anderer Stelle zutreffend erkannt und die Annahme einer mittels lebensgefährdender Behandlung begangenen gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Januar 2010 – 4 StR 478/09, NStZ 2010, 276) – in einem kräftigen Stoß in den Rückenbereich des Geschädigten; sie entfaltete ihre besondere Gefährlichkeit erst dadurch, dass der Geschädigte durch diese Einwirkung in Richtung der Fahrbahn und in den herannahenden fließenden Verkehr gestoßen wurde. Bei dieser Sachlage hätte es der Darlegung und Würdigung der das Wissens- und das Willenselement bedingten Tötungsvorsatzes tragenden Umstände bedurft; neben Feststellungen zu den Tatumständen und der konkreten Wahrnehmungssituation des Angeklagten zum Zeitpunkt seines Tatentschlusses hätte es auch der Erörterung vorsatzkritischer Umstände bedurft. Hieran fehlt es gänzlich. Dies entzieht dem Schuldspruch insgesamt die Grundlage. Auf die zudem bestehenden Bedenken hinsichtlich des Belegs der subjektiven Tatseite der hierzu in Tateinheit stehenden weiteren Delikte kommt es daher nicht mehr an.

Und:

„Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis:

Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten – erneut – maßgeblich auf ein Wiedererkennen des Angeklagten durch den Geschädigten im Ermittlungsverfahren stützen, so wird es genauer als bisher geschehen zu prüfen und in den Urteilsgründen darzulegen haben, ob die Wahllichtbildvorlagen vorschriftsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. RiStBV Nr. 18; siehe BGH, Beschluss vom 22. November 2017 – 4 StR 468/17); darüber hinaus wird der gegebenenfalls eingeschränkte Beweiswert wiederholten Wiedererkennens (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 2 StR 480/16, StraFo 2017, 111; vom 30. März 2016 – 4 StR 102/16, NStZ-RR 2016, 223 [Ls]) in den Blick zu nehmen sein.“

StGB I: Vorsatz-Vorsatz-Kombination bei der Straßenverkehrsgefährdung, oder: Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe

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Heute dann ein wenig – oder auch ein wenig mehr – materielles Recht. Und da kommt dann zunächst der BGH, Beschl. v. 15.01.2019 – 4 StR 569/18 – zur sog. Vorsatz-Vorsatz-Kombination bei der Straßenverkehrsgefährdung. Die beinhaltet: Bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c StGB muss sich aus dem Urteil Vorsatz hinsichtlich der Handlung und Vorsatz hinsichtlich der herbeigeführten Gefahr ergeben. Darauf weist der BGh noch einmal hin.

Das LG hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB – falsches Verhalten beim Überholen – verurteilt. Es hatte aber keine ausdrücklichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Vorsatz-Vorsatz-Kombination getroffen. In der rechtlichen Würdigung hat es lediglich kurz ausgeführt, dass dem Angeklagten die Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst war; zur Begründung hat es auf vergleichbare Fahrten des Angeklagten in der Vergangenheit sowie auf die mehrfache Gefährdung von Fußgängern beim Abbiegen und Überfahren roter Lichtzeichenanlagen kurz vor der konkreten Gefährdung des vom Angeklagten überholten Pkw verwiesen. Bei einer der vorangegangenen Gefährdungen hatte er die die Einmündung passierende Fußgängerin allerdings übersehen, also hinsichtlich deren Gefährdung lediglich fahrlässig gehandelt.

Der BGH hat das aber durchgehen lassen und auf den „Gesamtzusammenhang“ der Urteilsgründe abgestellt:

„Im Ergebnis begegnet die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1. der Urteilsgründe wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar hat das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite der von ihm angenommenen Vorsatz-Vorsatz-Kombination getroffen. In der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht lediglich kurz ausgeführt, dass dem Angeklagten die Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst war; zur Begründung hat es auf vergleichbare Fahrten in der Vergangenheit sowie auf die mehrfache Gefährdung von Fußgängern beim Abbiegen und Überfahren roter Lichtzeichenanlagen kurz vor der konkreten Gefährdung des von ihm überholten Pkw verwiesen. Bei einer der vorangegangenen Gefährdungen hatte er die die Einmündung passierende Fußgängerin allerdings übersehen, also hinsichtlich deren Gefährdung lediglich fahrlässig gehandelt. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe dennoch, dass der Angeklagte sowohl hinsichtlich des falschen Überholens als auch hinsichtlich der konkreten Gefährdung des überholten Fahrzeugs mit zumindest bedingtem Vorsatz handelte (vgl. König in LK-StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 189 ff.): Er beschleunigte den von ihm gefahrenen Pkw auf „bis zu 120 km/h“ im Stadtgebiet von Kassel, auch in einem Wohngebiet, um der ihn mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgenden Polizei zu entkommen. Er fuhr auf dem linken der beiden Fahrstreifen der Leipziger Straße „deutlich über 100 km/h“, als er plötzlich ohne zu blinken scharf nach rechts abbog und einen auf der rechten Fahrspur fahrenden, sich in etwa auf gleicher Höhe befindlichen Pkw sowie dessen Fahrer konkret gefährdete. Angesichts der aus diesen Feststellungen hervortretenden erheblichen Differenzgeschwindigkeit und der besonders naheliegenden Gefahr eines Unfalls vermag der Senat insbesondere auszuschließen, dass er das überholte und konkret gefährdete Fahrzeug übersehen oder sonst dessen Gefährdung nicht bemerkt haben könnte.Der Angeklagte hatte den von ihm gefahrenen Pkw beschleunigt auf „bis zu 120 km/h“ im Stadtgebiet von Kassel, auch in einem Wohngebiet, um der ihn mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgenden Polizei zu entkommen. Er fuhr auf dem linken der beiden Fahrstreifen der von ihm befahrenen Straße „deutlich über 100 km/h“, als er plötzlich ohne zu blinken scharf nach rechts abbog und einen auf der rechten Fahrspur fahrenden, sich in etwa auf gleicher Höhe befindlichen Pkw sowie dessen Fahrer konkret gefährdete. Angesichts der aus diesen Feststellungen hervortretenden erheblichen Differenzgeschwindigkeit und der besonders naheliegenden Gefahr eines Unfalls hat der BGH ausgeschlossen, dass der Angeklagte das überholte und konkret gefährdete Fahrzeug übersehen oder sonst dessen Gefährdung nicht bemerkt haben könnte. Dem wird man kaum etwas entgegen halten können.“

OWi III: Fahrverbot beim qualifizierten Rotlichtverstoß, oder: Änderung der Rechtsprechung in Karlsruhe

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Urheber Mediatus

Ein qualifizierter Rotlichtverstoß indiziert grundsätzlich auch dann ein (Regel-)Fahrverbot, wenn der Rotlichtverstoß aufgrund irrtümlicher Zuordnung des für eine andere Fahrbahn erfolgten Grünlichts begangen wird. So jetzt unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (auch) das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.01.2019 – 2 Rb 8 Ss 830/18.

Das AG hatte gegen die Betroffene wegen eines fahrlässigen qualifizierten Rotlichtverstoßes (Nr. 132.3 BKatV) ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Die von der Betroffenen befahrene Straße wies in Fahrtrichtung der Betroffenen fünf Fahrspuren auf, zwei geradeaus sowie zwei zum Rechts- und eine zum Linksabbiegen. Die beiden Geradeausspuren wurden durch drei Wechsellichtzeichen signalisiert, zwei oberhalb der Fahrbahn und eines auf der linken Seite neben demjenigen für die Linksabbiegerspur. Die Betroffene befuhr mit ihrem PKW  die linke Geradeausspur und beabsichtigte, die Kreuzung in Geradeausrichtung zu überqueren. Die Betroffene bezog das Grünlicht der Linksabbiegerspur irrtümlich auf die Geradeausspur und fuhr deshalb los. Sie überquerte die Kreuzung vollständig; unmittelbar danach querte ein aus Gegenrichtung kommendes, links abbiegendes anderes Fahrzeug ihre Fahrbahn, welches bei Grünlicht gefahren war; zu einer konkreten Gefährdung kam es nicht. Als die Betroffene die Haltelinie überquerte, zeigte die für sie geltende Lichtzeichenanlage bereits 38,12 Sek. Rotlicht.

Das OLG sieht diese Konstellation systematisch als sog. „Frühstarter-Fall“ an, bei dem nach dem rotlichtbedingten Anhalten das signalisierte Grünlicht für eine andere Fahrspur versehentlich der eigenen Spur zugeordnet wird. Es grenzt es ab vom sog. „Mitzieheffekt“, bei welchem der Betroffene sich trotz weiter für ihn geltenden Rotlichts durch losfahrende Fahrzeuge vor oder neben ihm seinerseits zum Losfahren verleiten lässt. Das OLG Karlsruhe weist ausdrücklich darauf hin, dass seine Entscheidung diese Fälle nicht erfasst.

Und: << Werbemodus an >> Vgl. zum Fahrverbot beim qualifizierten Rotlichtverstoß Deutscher in: Burhoff (Hrsg.) Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., 2018, Rn. 1477 ff. <<Werbemodus aus>>. Zur Bestellung geht es hier.

OWI II: Kein Absehen vom Fahrverbot wegen eines “Nebenjobs”, oder: Unsinniges Taxiargument

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Urheber: Dirk

Berufliche Schwierigkeiten durch ein Fahrverbot im Rahmen eines Nebenjobs, durch den ein stellvertretender Filialleiter eines Getränkemarktes monatlich 300 bis 400 EUR verdient, sind nicht ausreichend, um von einem Regelfahrverbot absehen zu können. So das AG Dortmund im inzwischen rechtskräftigen AG Dortmund, Urt. v. 16.10.2018 – 729 OWi-257 Js 1462/18 – 219/18.

Der Betroffene war von Beruf stellvertretender Filialleiter in einem Getränkemarkt. Neben seinem Verdienst aus dieser Tätigkeit in Höhe von etwa 1.640,00 EUR hatte der Betroffene noch einen Nebenjob als Kellner, indem er monatlich zwischen 300,00 und 400,00 EURO verdient. Das AG hält ihm vor, dass sein Hauptarbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sei. Soweit der Betroffene geltend gemacht hat, seinen Nebenjob könne er nicht so einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, hat das AG das dahinstehen lassen. Eine berufliche Nebentätigkeit, wie sie der Betroffene ausübe, sei nicht geeignet, eine berufliche Härte hervorzurufen, wenn es zu Schwierigkeiten bei der Anfahrt dorthin kommen sollte.

Im Übrigen ist der Betroffene darauf zu verweisen, dass er ggf. auch per Taxi zu seiner Nebentätigkeit anreisen kann. Da ist es wieder das sattsam bekannte und in meinen Augen bei einer Nebentätigkeit mit einem Verdienst von 300 – 400 EUR unsinnige „Taxiargument“.

Im Übrigen: Das Verfahren war vom Verteidiger aber schlecht vorbereitet. Denn der Betroffene hatte in der Hauptverhandlung auf Befragen des Gerichts einräumen müssen, dass er wegen einer möglichen Kündigung seines Hauptarbeitsverhältnisses noch nicht einmal mit seinem Arbeitgeber gesprochen hatte. Mit der Frage einer Kündigung der Hauptbeschäftigung musste sich das AG daher gar nicht erst auseinander setzen.

OWi I: Keine Vollmacht vorlegen, oder: Dieser Beschluss zeigt/beweist noch einmal, warum!

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Wer kennt ihn nicht den Satz: Keine Vollmacht vorlegen. Der AG Kleve, Beschl. v. 14.02.2019 – 11 OWi-309 Js 481/18-217/18 – beweist, warum dieser Satz gilt bzw. richtig ist.

Das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen ist nämlich wegen Verjährung eingestellt worden:

„Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, weil am 04.09.2018 Verfolgungsverjährung eingetreten ist, welche nicht durch Zustellung des Bußgeldbescheids unterbrochen wurde.

Die letzte die Verfolgungsverjährung unterbrechende Handlung ist das an den Betroffenen gerichtete Anhörungsschreiben vom 04.06.2018.

Innerhalb der damit erneut in Gang gesetzten Verjährungsfrist von 3 Monaten ist keine weitere verjährungsunterbrechende Handlung vorgenommen worden.

Eine Zustellung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen selbst war nicht erfolgreich. Alleine der Erlass des Bußgeldbescheids ist nicht verjährungsunterbrechend, soweit nicht innerhalb von 2 Wochen zugestellt wird (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG).

Die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger hat ebenfalls nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Insoweit ist keine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides erfolgt. An den gewählten Verteidiger kann nur dann wirksam zugestellt werden, wenn sich gemäß § 51 Abs: •3 Satz 1 OWiG eine Urkunde über seine Bevollmächtigung bei den Akten befindet. Diese Voraussetzung war nicht gegeben. Eine Vollmacht ist bis heute nicht zu den Akten gelangt.

Dem Verteidiger war auch keine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden. Hierfür lassen sich aus der Akte keine Anhaltspunkte entnehmen. Der Schriftsatz des Verteidigers, mit dem dieser sich bestellt hat, enthält eine Vertretungsanzeige. Der Anwalt versichert, zur Vertretung seiner Mandantschaft bevollmächtigt zu sein. Nicht hingegen kann aus dem Halbsatz „…, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert“ geschlossen werden, dem Verteidiger sei eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden. Der Halbsatz bezieht sich eindeutig auf die Vertretungsanzeige. Auch enthält der Bestellungsschriftsatz nicht die sonst übliche Bitte, Korrespondenz ausschließlich über den Verteidiger zu führen, was möglicherweise als Anzeige einer rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht ausreichen könnte, hier aber auch nicht entschieden werden braucht.

Das Einspruchsschreiben ist nicht anders formuliert als der Bestellungsschriftsatz, so dass sich hieraus keine anderweitige Beurteilung ergibt.

Die Verjährung ist daher durch den Bußgeldbescheid nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden.

Dass Verjährung von dem Verteidiger nicht „gerügt“ wurde, steht dem entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht entgegen. Die Verfolgungsverjährung ist durch das Gericht von Amts wegen zu beachten.“

Alles richtig gemacht vom Verteidiger. Na ja, fast alles, denn die ordnungsgemäße Versicherung einer anwaltlichen Bevollmächtigung ist nicht gatnz ungefährlich, wie man sieht.

„Niedlich“ der Rettungsversuch der Staatsanwaltschaft. Hallo. Wir befinden uns im Bußgeld- und nicht in einem Zivilverfahren.