Archiv für den Monat: April 2018

Jugendlicher Angeklagter, oder: Auch Mama hat das letzte Wort

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Und als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 28.03.2018 – 4 StR 629/17, der noch einmal/mal wieder das letzte Wort des Erziehungsberechtigten in einem Verfahren gegen einen Jugendlichen zum Gegenstand hat:

„1. Zu Recht beanstandet die Revision, das Landgericht habe der in der Hauptverhandlung anwesenden erziehungsberechtigten Mutter des Angeklagten entgegen § 67 Abs. 1 JGG, § 258 Abs. 2 und Abs. 3 StPO nicht das ihr zustehende letzte Wort gewährt. Dieses war ihr von Amts wegen und nicht nur auf Verlangen zu erteilen, obwohl sie bereits an einem früheren Hauptverhandlungstag als Zeugin gehört worden war (BGH, Urteil vom 8. August 1967 – 1 StR 279/67, BGHSt 21, 288, 289; Urteil vom 20. Juni 1996 – 5 StR 602/95, BGHR JGG § 67 Erziehungsberechtigter 1 m. Anm. Eisenberg/Düffer, JR 1997, 80; Beschluss vom 26. April 2017 – 4 StR 645/16, NStZ-RR 2017, 231 mwN).

Der Verfahrensverstoß führt jedoch – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – nur zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil der Schuldspruch auf dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht beruhen kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 1967 – 1 StR 279/67, BGHSt 21, 288, 290; Beschlüsse vom 14. Mai 2002 – 5 StR 98/02, NStZ-RR 2002, 346; vom 7. Juni 2000 – 1 StR 226/00, BGHR JGG § 67 Erziehungsberechtigter 2; und vom 16. März 1999 – 4 StR 588/98, NStZ 1999, 426). Der Angeklagte hat eingeräumt, auf den Nebenkläger eingestochen zu haben, sich aber auf Notwehr berufen. Er ist durch die Zeugenaussagen des Tatopfers, eines unbeteiligten Dritten und seines eigenen Freundes überführt. Die Mutter des Angeklagten war nicht Zeugin der Geschehnisse. Es ist auch auszuschließen, dass die Anhörung der Mutter des Angeklagten zu einer anderen Entscheidung des Landgerichts über die Frage seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 3 JGG geführt hätte.

Der Senat kann hingegen nicht völlig ausschließen, dass mögliche Ausführungen der Mutter des Angeklagten sich auf die Bemessung der – angesichts der festgestellten erheblichen Erziehungsmängel allerdings moderaten – Jugendstrafe ausgewirkt hätten.“

Beweisantrag, oder: Der BGH und der unerreichbare Zeuge in Litauen

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So, zum Start in die 17 KW. dann zwei BGH-Entscheidungen. Zunächst der BGH, Beschl. v. 28.11.2017 – 3 StR 272/17 – mit einer beweisrechtlichen Problematik. Der Angeklagate hatte in der Hauptverhandlung einesn Beweisantrag gestellt auf Vernehmung einen in Litauen wohnhaften Zeugen. Der Vorsitzende hatte daraufhin den Zeugen mit einfachem Brief vom 02.08.2016 in litauischer Sprache angeschrieben und – unter Nennung der Erreichbarkeit des Gerichts per Telefon, Telefax oder E-Mail – um Rückmeldung gebeten, ob er bereit sei, einer Ladung als Zeuge Folge zu leisten, entweder zum erkennenden LG oder für eine audiovisuelle Vernehmung zum litauischen Rechtshilfegericht in Vilnius. Zugleich wandte sich der Vorsitzende mit einfachem Brief vom selben Tag an den Richter P. des litauischen Rechtshilfegerichts, das im Verfahren bereits zuvor mit audiovisuellen Vernehmungen litauischer Zeugen befasst war, und bat ihn vorsorglich um Unterstützung bei der erneuten, im Wege der Videosimultanübertragung durchzuführenden Anhörung. Zugleich erbat er eine telefonische Kontaktaufnahme zu dem Zeugen, um dessen Bereitschaft zu einer Aussage in Oldenburg oder Vilnius zu klären. Als in der Folgezeit weder der Zeuge noch das Rechtshilfegericht auf die Schreiben, die nicht in Rücklauf gekommen waren, reagierte, ließ der Vorsitzende dem Zeugen am 25.08.2016 mit einfachem Brief eine Ladung zum LG in Oldenburg für den Hauptverhandlungstermin am 15.09.2016 in litauischer Sprache übersenden.

Zu diesem Termin erschien der Zeuge nicht, ohne dass die Ladung in Rücklauf gekommen war und er sich gemeldet hatte. Noch an demselben Hauptverhandlungstag verkündete die Strafkammer einen Beschluss, mit dem sie gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 (in der bis zum 23. August 2017 geltenden Fassung), Abs. 4 Satz 1, 2 StPO die Verlesung eines Dokuments anordnete, das Angaben des Zeugen bei einer Vernehmung in Litauen enthielt. Es wurde anschließend verlesen.

Der BGH hat gegen diese Vorgehensweise keine Bedenken:

„(1) Die Strafkammer hat ohne Rechtsfehler über die Aussage des Zeugen in Litauen Urkundsbeweis gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 aF, Abs. 4 Satz 1, 2 StPO erhoben.

(a) Bei dem verlesenen Schriftstück handelt es sich um eine „Niederschrift über eine Vernehmung“ des Zeugen Ne. im Sinne des § 251 Abs. 1 StPO aF.

Vermerke von Polizeibeamten, in denen Angaben eines einvernommenen Zeugen niedergelegt sind, können solche Vernehmungsniederschriften darstellen, auch wenn es sich um Zusammenfassungen von Zeugenaussagen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1998 – 5 StR 574/97, BGHR StPO § 251 Abs. 2 Erklärung 2). Anderes gilt für polizeiliche Aktenvermerke, die keine Vernehmungen zum Gegenstand haben; sie sind lediglich schriftliche Erklärungen des betreffenden Polizeibeamten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 1991 – 2 StR 415/91, BGHR StPO § 251 Abs. 2 Erklärung 1). Von bestimmten Formerfordernissen – etwa Unterschriften – hängt die Verlesbarkeit einer Urkunde nach § 251 Abs. 1 StPO aF nicht ab (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 1953 – 5 StR 264/53, BGHSt 5, 214, 216 f.; vom 5. Dezember 1984 – 2 StR 526/84, BGHSt 33, 83, 88; zum Ganzen MüKoStPO/Kreicker, § 251 Rn. 18, 20; LR/Sander/Cirener, StPO, 26. Aufl., § 251 Rn. 8).

Dass es sich hier bei dem verlesenen Schriftstück der Sache nach um eine Niederschrift über eine in Litauen durchgeführte Vernehmung handelt, ergibt sich sowohl aus dessen Inhalt als auch den Umständen, wie das Dokument Eingang in die Verfahrensakten gefunden hatte. Neben den vorab aufgeführten vollständigen Personalien des Zeugen (einschließlich „Personenidentitätscode“) enthält es dessen Bekundungen zu dem gegenständlichen Geschehen, die eingeleitet werden mit „Bei der Vernehmung am 11.09.2007 gab er an, dass …“. Die nachfolgenden Angaben nehmen ersichtlich auch auf konkrete Fragen Bezug, die in Zusammenhang mit dem Geschehen standen. Das Dokument war der Kriminalpolizei Oldenburg von litauischen Ermittlungsbehörden anlässlich eines Koordinierungstreffens zum Zweck der bilateralen Rechtshilfe übergeben worden. Fehlende Unterschriften und die Wiedergabe der Angaben in indirekter Rede führen nach dem oben Dargelegten – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers – nicht dazu, dass keine Vernehmungsniederschrift im Sinne des § 251 Abs. 1 StPO aF vorgelegen hätte.

(b) Die Wertung der Strafkammer, der Zeuge Ne. könne im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 StPO aF in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden, begegnet ebenso wenig durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Wohnt ein Zeuge im Ausland, so gilt, dass das Erfordernis, dort eine Ladung zu bewirken, für sich gesehen nicht die Verlesung einer Vernehmungsniederschrift nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 StPO aF ermöglicht. Vielmehr muss das Gericht regelmäßig versuchen, ihn zu laden und zu einem Erscheinen in der Hauptverhandlung zu veranlassen. Für den Umfang der hierbei gebotenen Bemühungen gibt es keinen für alle Fälle gültigen Maßstab. Die gerichtliche Entscheidung erfordert vielmehr eine Abwägung der Bedeutung der Sache und der Wichtigkeit der Zeugenaussage für die Wahrheitsfindung einerseits gegen das Interesse an einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens unter Berücksichtigung der Aufklärungspflicht andererseits (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Bemühungen, die Vernehmung eines Zeugen trotz erheblicher Schwierigkeiten zu ermöglichen, müssen der Bedeutung der Aussage angemessen sein (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1968 – 4 StR 615/67, BGHSt 22, 118, 120; Beschluss vom 6. Mai 1997 – 1 StR 169/97, BGHR StPO § 251 Bemühungen 1; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 251 Rn. 13).

Dem Vorsitzenden der Strafkammer war es rechtlich nicht verwehrt, den Zeugen mit einfachem Brief zu laden. Verfahrensurkunden, die für im litauischen Hoheitsgebiet aufhältige Personen bestimmt sind, sind diesen grundsätzlich unmittelbar durch die Post zu übersenden. Das folgt aus Art. 5 Abs. 1 des Rechtshilfeübereinkommens der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000 (EU-RhÜbk), das im Rechtshilfeverkehr mit Litauen Anwendung findet. Der Begriff der Verfahrensurkunde umfasst auch Ladungsschreiben (vgl. Gleß/Schomburg in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., Art. 5 EU-RhÜbk Rn. 3). Eine spezifische Art der Versendung sieht Art. 5 EU-RhÜbk nicht vor. Dem in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 EU-RhÜbk geregelten Erfordernis einer Übersetzung des Ladungsschreibens in die litauische Sprache hatte der Vorsitzende Genüge getan. Auch das nationale Strafverfahrensrecht (s. § 48 Abs. 2 StPO) sieht für die Ladung eines – in- oder ausländischen – Zeugen keine bestimmte Form vor (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 – 4 StR 315/89, bei Schmidt, MDR 1989, 1039). Einfacher Brief genügt, wenngleich es sich für die Hauptverhandlung empfiehlt, dem Zeugen die Ladung zum Zweck des Nachweises förmlich zuzustellen (vgl. LR/Ignor/Bertheau, StPO, 27. Aufl., § 48 Rn. 6; s. auch Nr. 117 Abs. 1 RiStBV); im Rechtshilfeverkehr mit Litauen erfordert die Zustellung nach § 37 Abs. 1 StPO, § 183 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO mindestens ein Einschreiben mit Rückschein, wobei dieser für den Nachweis ausreichend ist (§ 37 Abs. 1 StPO, § 183 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 ZPO).

Zwar wird eine Ladung mit einfachem Brief im Allgemeinen nicht ausreichend sein, um die Unmöglichkeit der Vernehmung des Zeugen auf absehbare Zeit feststellen zu können, weil der Zugang des Ladungsschreibens ungewiss ist (zum Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, für den gleiche Gesichtspunkte maßgebend sind, vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1993 – 1 StR 419/92, NStZ 1993, 294, 295; Beschluss vom 2. Oktober 1984 – 1 StR 477/84, StV 1985, 48; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 253). Im hiesigen Fall ist das Unterbleiben einer förmlichen Zustellung indes auf Grund folgender Erwägungen unschädlich:

Um eine Vernehmung des Zeugen auch in der Hauptverhandlung zu ermöglichen, hatte der Vorsitzende zusätzliche Tätigkeiten für eine Kontaktaufnahme entfaltet, sowohl unmittelbar als auch mittelbar über das Rechtshilfegericht, das bereits in erheblichem Umfang mit der Durchführung audiovisueller Vernehmungen gemäß § 247a StPO befasst war. In Anbetracht dessen hat die Strafkammer in dem die Verlesung anordnenden Beschluss ersichtlich unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes sowie mit ausdrücklichem Hinweis auf die Aufklärungspflicht von weiteren Bemühungen abgesehen. Die Strafkammer hatte bereits seit 2011 Rechtshilfe mit den litauischen Behörden betrieben, um zu ermitteln, inwieweit auf der Seite der litauischen Gesellschaften beteiligte Personen in die Machenschaften der – diesbezüglich geständigen – Angeklagten sowie früherer Mitangeklagter involviert waren. So hatte sie wiederholt auf Antrag der Verteidigung umfangreiche litauische Ermittlungsakten und Gerichtsentscheidungen beigezogen und die Unterlagen bis in das Jahr 2014 hinein in die deutsche Sprache übersetzen lassen (UA S. 85 f.). In der Hauptverhandlung waren unter anderem 15 Zeugen aus Litauen einvernommen worden, davon neun aus den Reihen der Leasinggeberin und deren Muttergesellschaft. Die Beweisaufnahme hatte aus Sicht der Strafkammer keinen Anhalt dafür erbracht, dass für die Geschädigte verantwortlich Handelnde Kenntnis von der fehlenden Lieferbereitschaft der Firma „Nutzfahrzeugcentrum Elias Hachem“ hatten (UA S. 30, 57). Die Strafkammer hatte dies, ohne dass dagegen sachlich etwas zu erinnern wäre, in Beweisbeschlüssen mehrfach zum Ausdruck gebracht. Da die das Vermögen der Leasinggeberin schmälernde Vermögensverfügungen ihre Grundlage in zwei Gremienentscheidungen hatten, lag eine die Betrugsstrafbarkeit ausschließende Bösgläubigkeit der Verfügenden umso ferner; selbst der frühere Mitangeklagte St. hatte nur von einem „involvierten Bankdirektor“ gesprochen (UA S. 12). Hinzu kam, dass die Angaben, die der Zeuge Ne. bei seiner Vernehmung in Litauen gemacht hatte, den für das Beweisziel wesentlichen Beweisbehauptungen des Beweisantrags im Kern widersprachen.

Unter den gegebenen Umständen durfte die Strafkammer ausnahmsweise die Vernehmungsniederschrift auch ohne vorherige förmliche Zustellung des Ladungsschreibens verlesen. In Anbetracht der oben (unter II. 2. a) aa)) dargestellten Bemühungen des Vorsitzenden schien es ausgeschlossen, dass der Zeuge, sollte er noch an der Empfängeranschrift wohnhaft gewesen sein, von seiner beabsichtigen Einvernahme keine Kenntnis hatte. Wäre er indes – worauf der Beschwerdeführer hinweist – zuvor verzogen gewesen, so wäre er für die Strafkammer unbekannten Aufenthalts und eine Aufenthaltsermittlung im Ausland – gemäß den oben dargelegten Maßstäben – nach Maßgabe des Beschleunigungsgebots und der Pflicht zur Sachaufklärung nicht veranlasst gewesen.“

Sonntagswitz: Heute mal wieder zu Juristen/Gerichten usw.

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Was bringe ich heute beim Sonntagswitz“ Ich habe länger hin und her überlegt, so richtig ist mir kein „aktuelles“ Thema eingefallen. Und dann bieten sich immer die Juristen, Gerichte usw. an. Hatte ich auch – meine ich – schon länger nicht mehr. Hier sind dann also:

Der Angeklagte verteidigt sich: Ich gebe zu, ich kniete tatsächlich auf der Autobahn. Aber ist damit etwa bewiesen, dass ich tatsächlich betrunken war?”

Der Richter: “Nicht unbedingt, aber wie erklären Sie sich Ihren wiederholten Versuch, den Mittelstreifen aufzurollen?”


Sagt der Strafrichter zum Verteidiger nach dessen Plädoyer:

“Wenn ich Sie richtig verstanden habe, muß ich den Angeklagten jetzt heilig sprechen?!”


Richter zum Angeklagten:
“Ja, haben Sie denn nie in geordneten Verhältnissen gelebt?”

Angeklagter antwortet:
“Schon, aber nach 4 Jahren wurde ich begnadigt.”


Der Richter im Zivilvwerfahren zum Beklagten:
“Was heißt für Sie Ratenzahlung?”

Beklagter:
“Das heißt für mich, dass meine Gläubiger raten müssen, wann ich zahle.”

Wochenspiegel für die 16 KW., das war Kittelschürze, ADBlocker, Kölner SEK und DSGVO und kein Ende

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Die 16. KW. liegt hinter uns, viel Sonne und Wärme, das Frühjahr, besser der Frühsommer ist da. Und bei den Themen, die die Blogs bewegten? Nun, es gab m.E. kein vorherrschendes Thema, sondern alles „as usual“. Und ich berichte dann heute über:

  1. Die Kittelschürze beim AG Cottbus, man hätte ggf. auch schreiben können: Zu früh gefreut 🙂 ,
  2. DS-GVO: In diesen 20 Situationen drohen Ihnen hohe Bußgelder ,und: Muster für das Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO zum kostenfreien Download,

  3. Abstoßende Rituale beim Kölner SEK,

  4. OLG Hamm zu „Cold Water Challenge“: Halter und Führer eines Radladers haften für tödlichen Unfall,

  5. Mehrere hundert im Wesentlichen gleichlautende Verfassungsbeschwerden…
  6. AG Eggenfelden trotzt dem OLG Bamberg: Verteidiger erhält weiterhin Rohmessdaten/Messreihe,
  7. BGH: AdBlocker sind zulässig,
  8. VG Köln: Vorratsdatenspeicherung in §§ 113a und b TKG europarechtswidrig – Deutsche Telekom muss Telekommunikationsverbindungsdaten ihrer Kunden nicht speichern,
  9. Bundesländer wollen höhere Bussgelder,
  10. „Es wird gebeten …“.

Abrechnung auf Gutachtenbais, oder: Vorschaden

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Und als zweite Entscheidung dann das KG, Urt. v. 10.07.2017 – 22 U 79/16. Ergangen ist das Urteil in einem Verfahren betreffend Unfallregulierung nach einem Verkehrsunfall. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das von dem Sohn des Klägers geführte Fahrzeug, das bei dem Verkehrsunfall beschädigt worden ist, bereits bei einem Unfall im Mai 2013 einen Vorschaden im Heckbereich erlitten hatte. Das KG hatte in einem Hinweisbeschluss darauf hingewiesne, dass dann kommt eine Verpflichtung zur Zahlung des von dem Kläger geltend gemachten Reparaturaufwandes in Höhe von 8.218,14 EUR nur dann in Betracht komme, wenn der Schaden aus dem Jahr 2013 zum Unfallzeitpunkt am 24. 11. 2014 sach- und fachgerecht beseitigt worden war. Das hatte der Kläger aber wohl nicht ausreichend nachgewiesen.

Dazu das KG im Hinweisbeschluss v. 02.03.2017 – 22 U 79/16:

b) Von einer derartigen sach- und fachgerechten Beseitigung kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil der Gutachter pp. mit Schreiben vom 7. Juni 2013 die Reparatur bestätigt hat. Die Bestätigung geht zwar dahin, dass die Reparatur fachgerecht erfolgt ist. Wie der Sachverständige zu dieser Erkenntnis gekommen ist, ob er etwa nur eine äußere Besichtigung vorgenommen hat oder das Fahrzeug auf eine Hebebühne gestellt hat, ergibt sich aus der Erklärung nicht. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich die Bewertung der Reparatur allein auf den weiteren Hinweis bezieht, dass die Betriebs- und Verkehrssicherheit wiederhergestellt ist.
c) Der Kläger hat auch keine Rechnung einer geeigneten Werkstatt vorgelegt, aus der sich die Reparatur und die eingesetzten Ersatzteile im Einzelnen ergeben. Entgegen der Berufung ist das landgerichtliche Urteil aber auch nicht deshalb zu beanstanden, weil das Landgericht nicht den Sachverständigen pp. zu der Frage der sach- und fachgerechten Beseitigung der Vorschäden vernommen hat. Einer Vernehmung steht allerdings weder entgegen, dass der Kläger selbst im Termin vom 14. März 2016 erklärt hat, er wisse nicht, ob Herr pp. mehr als zweimal während der Reparatur des Vorschadens in der Werkstatt gewesen ist, noch die Tatsache, dass der Kläger vorprozessual mit dem Sachverständigen Verbindung aufgenommen hat. Denn eine Partei darf einerseits auch Tatsachen behaupten, die sie nur vermutet, andererseits ist die Kontaktaufnahme eines Rechtsanwalts zu einem möglichen Zeugen nicht unzulässig. Eine Vernehmung kommt gleichwohl deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht ausreichend dargelegt hat, dass der (sachverständige) Zeuge eine sach- und fachgerechte Reparatur bestätigen kann. Mit dem Schriftsatz vom 18. Dezember 2015 hat der Kläger behauptet, der Sachverständige könne eine sach- und fachgerechte Reparatur entsprechend seinem Gutachten bestätigen. Im Schriftsatz vom 25. September 2015 und vom 3. November 2015 hat er behauptet, dass der Sachverständige kontrolliert habe, dass die Reparatur vollständig nach den Vorgaben seines Gutachtens ausgeführt wird. Im Schriftsatz vom 3. November 2015 heißt es dann aber weiter, dass der linke Längsträger und der linke Kofferraumboden repariert wurden, ebenso wie die Parksensoren. All dies entspricht aber gerade nicht dem Gutachten des Sachverständigen pp. vom 27. Mai 2013, so dass dieser eine Reparatur entsprechend den Vorgaben aus seinem Gutachten schon nach dem Vortrag des Klägers nicht bestätigen kann. Soweit der Kläger nunmehr mit der Berufung behauptet, die Reparatur des linken Längsträgerendstücks, des linken Kofferraumbodens und der Parksensoren sei sach- und fachgerecht, handelt es sich um neuen Vortrag, der nach § 531 ZPO ausscheidet. Insoweit kann er sich auch nicht auf einen fehlenden Hinweis des Gerichts nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO berufen. Denn die fehlende sach- und fachgerechte Beseitigung der Vorschäden ist von den Beklagten erstinstanzlich durchgehend geltend gemacht worden. Nach alldem kommt es nicht darauf an, ob der Kläger überhaupt erneut auf der Grundlage einer fiktiven Reparaturkostenberechnung abrechnen kann, wenn er nicht nachweist, dass der frühere Schaden exakt nach dem der Abrechnung zugrunde liegenden Sachverständigengutachten beseitigt worden ist und ob, was von der Beklagten mit der Berufungserwiderung bestritten, die Parksensoren überhaupt beschädigt worden sind.“

Dre Kläger hat seine Berufung nicht zurückgenommen. Das KG hat sie dann im o.a. Urteil zurückgewiesen. (Amtlicher) Leitsatz der Entscheidung:

„Rechnet ein Geschädigter einen Vorschaden auf Gutachtenbasis ab, kommt eine Abrechnung auf Gutachtenbasis wegen eines im gleichen Bereich liegenden Neuschadens nur dann in Betracht, wenn eine sach- und fachgerechte Reparatur des Vorschadens dargelegt und ggfls. bewiesen wird. Ein Abweichen des Reparaturweges von dem Vorschadensgutachten – hier: Instandsetzung statt Austausch von Teilen – deutet auf eine nicht sach- und fachgerechte Reparatur hin.“