Archiv für den Monat: Juni 2017

OLG Hamm vs. OLG Frankfurt, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG auch bei „Rückgewinnungshilfe“

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Ich hatte am vergangenen Freitag über das OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 – berichtet (vgl. dazu RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren). In ihm ging es um die Frage, ob bei einem im Strafverfahren ausgebrachten Arrest betreffend Rückgewinnungshilfe (§ 111b StPO) für den Verteidiger, der dazu tätig wird, die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht. Das OLG Frankfurt hat das bejaht, hat allerdings den Gegenstandswert niederiger als die dazu h.M. festgesetzt.

Zu der Frage gibt es dann auch eine Entscheidung des OLG Hamm, auf die ich der Vollständigkeit halber hinweisen will; auf sie bin ich erst jetzt gestoßen. Das OLG Hamm hat im OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2017 – 5 Ws 130/17 – das Entstehen der Gebühr verneint, macht es also anders als das OLG Frankfurt. Begründung:

Die Gebühr ist aber letztlich nicht angefallen, da die Arrestanordnung ausschließlich zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe erfolgte. Für diese Fälle fällt eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht an (vgl. Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats vom 17. Februar 2009, – Az. 2 Ws 378/08 -; OLG Köln, StraFo 2007, 131; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2008, – Az. 1 Ws 309-310/07 -; dem zustimmend: Hansens, zfs 2008, 647; LG Chemnitz, Beschluss vom 08. Januar 2008, -Az. 5 Qs 17/07-310 Js 844/07 -; jeweils zitiert nach juris; LG Saarbrücken, Beschluss vom 10. Januar 2012, – Az. 2 Qs 18/11 -, zitiert nach beck-online; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV Rdn. 16; Burhoff, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 4. Auflage 2014, Nr. 4142 VV Rdn. 7; ders., RVGreport 2016, 282, jeweils zitiert nach jurion; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, VV 4142 Rdn. 8; Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 7. Auflage 2014, VV 4142 Rdn. 14; Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Auflage 2014, Nr. 4142 VV Rdn. 2; anderer Ansicht: OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. April 2014, – Az. 1 Ws 212/13 -; LG Essen, Beschluss vom 3. Dezember 2014, – Az. 56 Qs 5/14 -). Denn in diesen Fällen führt das Strafverfahren – anders als in den Fällen der Anordnung eines Verfalls – nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögensverlust. Vielmehr wird häufig erst ein anschließendes zivilrechtliches Verfahren eine Klärung herbeiführen, in dem dann erneut Anwaltsgebühren anfallen (vgl. OLG Köln, a.a.O.; Hansens, a.a.O.). Es besteht daher im Fall der Anordnung eines Arrests im Rahmen der Rückgewinnungshilfe auch noch keine, eine gesonderte Gebühr rechtfertigende Notwendigkeit, dass die Verteidigung des Beschuldigten sich mit den Einzelheiten dieses Arrests auseinandersetzt.

Hieran ändert auch der staatliche Auffangrechtserwerb nach § 111 i Abs. 5 StPO nichts (so aber OLG Stuttgart, a.a.O.). Denn zum einen ist vor Erlass des Beschlusses, der Eintritt und Umfang des Rechtserwerbs feststellt, der Betroffene erneut zu hören, § 111 i Abs. 6 StPO. Zum anderen steht dem Betroffenen gegen den feststellenden Beschluss auch ein Beschwerderecht zu, dessen Gegenstand Eintritt und Umfang des Rechtserwerbs ist (vgl. Meyer-Goßner / Schmitt, StPO, 59 Auflage 2016, § 111 i Rdn. 17). Anders als in den Fällen des mit Erlass des Urteils angeordneten Verfalls steht dem Betroffenen damit ein – von dem Schicksal des übrigen Urteilsspruches getrenntes – Verfahren zu, in dessen Verlauf das Bestehen des Anspruches geprüft und ggfs. einer erneuten Prüfung unterzogen wird.

Eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG ist damit vorliegend nicht entstanden und ein Antrag auf Festsetzung eines Streitwertes nach § 33 Abs. 1 RVG somit nicht zulässig. Es kann daher dahinstehen, dass dieser Streitwert sich – ausgehend von der Höhe des angeordneten Arrests von 305.528,00 € und der sich aus dem bloßen Sicherungscharakter ergebenden geringeren Gewichtung mit 1/3 – selbst für den Fall seiner Festsetzung nur auf eine Höhe von bis zu 110.000,- € hätte belaufen können.“

Also: Weiterhin Streit in der Rechtsprechung in dieser Frage, in der es um viel Geld für den Verteidiger gehen kann. Im Zweifel werden wir dazu dann etwas vom BGH hören, da das OLG Frankfurt ja die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen hat. Ich sehe es allerdings mit den vom OLG Stuttgart angeführten Gründen inzwischen (auch) anders.

Akteneinsicht in das sog. Senatsheft? Nein, das gehört uns.

Und den Schluss der heutigen „StPO-Fahrt“ macht der BGH, Beschl. v. 10.04.2017 – 5 StR 493/16 -, der eine Frage behandelt, die bei den Revisionsgerichten immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich die Frage nach der Akteneinsicht in das sog. Senatsheft, das beim Revisionsgericht geführt wird. Auf ein solches – allerdings aus einem anderen Verfahren – bezog sich auch hier das Akteneinsichtsersuchen des Verteidigers, das der Vorsitzende des 5. Strafsenats (natürlich) abgelehnt hat:

„Dem Antrag von Rechtsanwalt St. als Verteidiger des Angeklagten D. auf Einsicht in das Senatsheft des Verfahrens 5 StR 548/16 kann nicht entsprochen werden. Denn das Senatsheft stellt eine rein interne Arbeitsgrundlage dar. Abgesehen von Notizen, Bearbeitungshinweisen und Ähnlichem von Senatsmitgliedern, auf die sich das Akteneinsichtsrecht ohnehin nicht beziehen kann, befinden sich im Senatsheft ausschließlich Vorgänge, die im Original oder in Ablichtung auch in den Sachakten enthalten sind oder die zu den Sachakten gelangen, so dass insoweit ein Bedürfnis für ein gesondertes Aktenein-sichtsrecht nicht erkennbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2009 – 1 StR 697/08, vom 19. Februar 2014 – 2 ARs 207/13 jeweils mwN). Dies gilt auch, soweit das Akteneinsichtsersuchen auf § 475 StPO gestützt sein sollte (vgl. zudem § 478 Abs. 2 StPO).“

M.E. bringen solche Gesuche nichts. Die Frage dieser Akteneinsicht ist „ausgepauckt“. Und zudem: Es steht auch in den Senatsheften m.E. nichts, dass den Verteidiger weiter bringt. Und einen Anspruch auf Einsicht in persönliche Notizen usw. – Voten 🙂 – gibt es nicht.

Verlesung von Zeugenaussagen, oder: Etwas Mühe mit dem „Warum“ muss man sich schon machen

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Die zweite Entscheidung des heutigen Tages behandelt eine StPO-Frage, zu der man m.E. nicht so häufig etwas liest. Es ist der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.03.2017 – 3 RVs 6/17. Er nimmt Stellung zu den Anforderungen an den Beschluss, mit dem gem. § 251 StPO die Verlesung von Zeugenaussagen angeordnet wird.

Folgender Sachverhalt: Das AG hat den Angeklagten wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls  verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das LG verworfen. Die Strafkammer hat die Verurteilung für beide Taten maßgeblich auf die Aussage einer Zeugin gestützt, die sie durch Verlesung der Niederschriften über die polizeiliche Vernehmung der Zeugin sowie über ihre richterliche Vernehmung in, der erstinstanzlichen Hauptverhandlung in die Berufungshauptverhandlung eingeführt hat. Der diesbezügliche Beschluss lautete:

Die polizeiliche Vernehmung der Zeugin pp. soll gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesen werden, weil sie in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann, sich nämlich bis zum Sommer nächsten Jahres in Korea aufhalten wird.

Ihre richterliche Vernehmung in der erstinstanzlichen Verhandlung soll gem. § 251 Abs. 2 Nr. 1 StPO und Abs. 2 Nr. 2 StPO verlesen werden, weil ihrer Vernehmung ihre längere Abwesenheit durch das Studium in Korea entgegensteht und ihr aus dieser Entfernung eine Anreise zur Vernehmung nicht zugemutet werden kann.“

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von § 251 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und Nr., 2, Abs. 4 StPO gerügt und hatte damit Erfolg:

„a) Die Verlesung der Niederschrift über eine polizeiliche Zeugenvernehmung nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO ist, falls — wie hier — das Einverständnis der Verfahrensbeteiligten fehlt, nur zulässig, wenn der Zeuge verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen unter sorgfältiger Abwägung der Bedeutung der Sache und der Wichtigkeit der Aussage für die Wahrheitsfindung gegen das Interesse an beschleunigter Durchführung des Verfahrens unter Berücksichtigung der Aufklärungspflicht zu entscheiden. Der die Verlesung anordnende Beschluss muss dabei die Tatsachen angeben, die eine Verlesung — als Ausnahme von dem Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO — rechtfertigen. Dafür ist grundsätzlich zumindest die Wiedergabe der das Gericht leitenden Erwägungen erforderlich (BGH, NStZ 1984, 375; BGH, NStZ 1993, 144). Allein eine weite Entfernung des Zeugen vom Gerichtsort reicht dabei regelmäßig nicht aus, um von einer Unmöglichkeit der Vernehmung auszugehen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 251 Rn. 9).

Diesen Anforderungen wird der hinsichtlich § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO allein auf den Aufenthalt der Zeugin pp. in Korea abstellende Beschluss nicht gerecht. Er lässt entgegen § 251 Abs. 4 Satz 2 StPO eine ordnungsgemäße Begründung vermissen, so dass der Senat nicht nachzuprüfen vermag, ob die Strafkammer die Voraussetzungen der Verlesbarkeit zu Recht bejaht hat. Es ist nicht zu erkennen, ob die Strafkammer in ihre Abwägung alle maßgeblichen Umstände eingestellt hat, insbesondere ob sie neben der Bedeutung der Sache und dem Interesse an beschleunigter Durchführung des Verfahrens gegen den in dieser Sache seinerzeit noch inhaftierten Angeklagten auch und gerade berücksichtigt hat, dass die Angaben der Zeugin für die Überzeugungsbildung von ausschlaggebender Bedeutung waren. Ohne die Zeugin wäre die Überführung des leugnenden Angeklagten kaum möglich gewesen. Es kam im besonderen Maße auf ihre Glaubwürdigkeit sowie die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben an, zumal die Zeugin den Angeklagten bei ihrer Vernehmung in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung mit einer Sicherheit von 90 % und im Rahmen der Lichtbildvorlage bei der zeitnahen polizeilichen Vernehmung am Morgen nach dem Tattag gar nur „zu 60 — 70 %“ wiedererkannt hatte. Deshalb durfte die Strafkammer nicht leichthin von einem Hinderungsgrund ausgehen. Die Begründung in dem Beschluss der Kammer, die Zeugin könne in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden, weil sie sich bis zum Sommer nächsten Jahres in Korea aufhalten werde, lässt indes nicht einmal erkennen, ob das Landgericht überhaupt Erwägungen angestellt und Bemühungen entfaltet hat, die unmittelbare Vernehmung der im Ausland lebenden Zeugin zu ermöglichen bzw. sie zum Erscheinen in der Hauptverhandlung — ggf. durch Verlegung des Termins auf einen späteren Zeitpunkt während eines etwaigen Heimataufenthaltes der Zeugin oder durch andere Maßnahmen — zu veranlassen. Aufschluss darüber gibt auch die aufgrund der Sachrüge ergänzend heranzuziehende Urteilsurkunde nicht.

b) Die Verlesung der Niederschrift über eine richterliche Vernehmung nach § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO setzt voraus, dass dem Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung für eine längere Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen oder dem Zeugen das Erscheinen wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann. Hinderungsgrund ist dabei nicht die Tatsache allein, dass der Zeuge im Ausland wohnt; in diesem Fall muss, soweit angemessen und geboten, erst versucht werden, ihn zum Erscheinen zu veranlassen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 251 Rn. 21). Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es nicht ausschließlich auf eine große Entfernung an; dem Zeugen ist es unter Umständen sogar zuzumuten, aus Übersee anzureisen (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 251 Rn. 23, § 223 Rn. 8). Auch im Rahmen der Verlesung nach § 251 Abs. 2 StPO erfordert die dem Tatgericht obliegende Entscheidung eine Abwägung aller oben genannten Umstände (vgl. OLG München, Beschluss vom 18. Januar 2006, 4 St RR 252/05, juris Rn. 15).

Der auf § 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO bezogene Teil des Verlesungsbeschlusses, der insoweit allein auf eine längere Abwesenheit der Zeugin pp. durch das Studium in Korea und die daraus resultierende Unzumutbarkeit einer Anreise abstellt, lässt hier gleichfalls nicht erkennen, ob die Strafkammer in ihre Abwägung alle maßgeblichen Umstände — vor allem die Wichtigkeit der Angaben der Zeugin für die Wahrheitsfindung — eingestellt und überhaupt versucht hat, die Zeugin zum Erscheinen zu veranlassen. Die nicht näher mit Tatsachen belegte Begründung: der Zeugin sei eine Anreise nicht zuzumuten, verwehrt dem Senat ebenfalls jegliche Überprüfung.“

Na ja, ein bisschen Mühe muss man sich schon machen, wenn man von der Ausnahme des § 251 StPO Gebrauch machen und in der Hauptverhandlung verlesen will.

Einmal entbunden, immer entbunden, oder: Entbindung gilt auch für Fortsetzungstermine

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Heute dann ein kleiner Ritt/eine kleine Fahrt duch die StPO bzw. das OWiG. Die Fahrt starte ich mit dem KG, Beschl. v. 16.03.2017 – 3 Ws (B) 68/17. Den Beschluss habe ich von meinem „Entbindungsspezialisten“, dem Kollegen Kroll aus Berlin übersandt bekommen. Die mit den §§ 73, 74 OWiG zusammenhängenden Fragen spielen in der Praxis des Bußgeldverfahrens eine verhältnismäßig große Rolle. Sie sind vor allem deshalb von Bedeutung, weil bei Fehlern auch bei Bußgeldern nur im sog. „Zulassungsbereich“ ggf. über § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG – Verletzung des rechtlichen Gehörs – eine Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils erreicht werden kann.

Entschieden hat das KG folgende Konstellation: Das AG hat den Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung entbunden. Die Hauptverhandlung, in der der Betroffene nicht erschienen war, musste, nachdem der Verteidiger einen Beweisantrag gestellt hatte, unterbrochen werden und wurde in einem späteren Termin fortgesetzt. In dem war der Betroffene ebenfalls nicht erschienen. Das AG hat daraufhin den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.

Das war nach Auffassung des KG unzulässig. Denn das AG hatte den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen entbunden. Diese Freistellung des Betroffenen wirkt für die gesamte, unmittelbar bevorstehende Hauptverhandlung. Die einmal erfolgte Entbindung des Betroffenen gilt auch für nachfolgende Fortsetzungstermine. Etwas anderes gilt, wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt wird. Dann ist ggf. ein neuer Entbindungsantrag erforderlich. Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen nach Zurückverweisung durch das OLG neu verhandelt wird. Und:

„Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Amtsgericht den Betroffenen am 21. Dezember 2016 von der Verpflichtung entbunden hat, in der „heutigen Hauptverhandlung“ zu erscheinen. Denn bei einem Fortsetzungstermin handelt es sich lediglich um einen unselbständigen zeitlichen Abschnitt einer — dann mehrtägigen -Hauptverhandlung (vgl. Senat aaO). Dass der Bußgeldrichter einen besonderen Anlass gehabt haben könnte, den Betroffenen bewusst nur für einen Teil einer – eventuell – mehrtägigen Hauptverhandlung zu entbinden, ist nicht ersichtlich.

Auch der Umstand, dass das Amtsgericht in seinem Beschluss formuliert hat, die Hauptverhandlung werde „ausgesetzt“, gebietet keine andere Betrachtung. Hierbei handelte es sich ersichtlich um eine irrtümliche Falschbezeichnung. Tatsächlich wollte der Richter die Hauptverhandlung unterbrechen, und ebendies ist auch geschehen. Dies ergibt sich sowohl daraus, dass in den weiteren Aussprüchen des Beschlusses von „Unterbrechung“ die Rede ist, als auch daraus, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Protokoll die Sitzung als „3. Verhandlungstag“ ausweist und mit „Fortsetzung der Hauptverhandlung in der Bußgeldsache …“ überschrieben ist.“

Dem Kollegen Kroll – und auch allen anderen Kollegen, die mir immer wieder Beschlüsse schicken, – an dieser Stelle einmal besonders herzlichen Dank für die Zusendungen. Ich blogge zu den Einsendungen in der Regel gern. Voraussetzung ist allerdings, dass ich eine gute Kopie oder einen guten Scan bekomme. Sonst kann ich die Entscheidung nicht im Volltext einstellen.

Der Kollege Kroll ist übrigens teilweise mein Nachfolger als Referent in FA-Kursen. ich glaube, die Teilnehmer sind bei ihm in guten Händen 🙂 .

Strafaussetzung zur Bewährung: Der bloße Verdacht einer anderen Straftat steht nicht entgegen

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Und zum Abschluss des Tages dann eine für den Angeklagten erfreuliche BGH-Entscheidung, nämlich den BGH, Beschl. v. 10.05.2017 – 2 StR 117/17. Verurteilt worden ist der Angeklagte vom LG wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Die Freiheitsstrafe ist nicht zur Bewährung ausgesetzt worden, obwohl das ja möglich gewesen wäre. Das LG hat aber die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB verneint. Das beanstandet der BGH und hebt auf:

„Die Versagung der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung hat hingegen keinen Bestand. Die Begründung des Landgerichts, mit welcher besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint wurden, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat maßgeblich darauf abgestellt, dass gegen den Angeklagten, der sich zu den Tatvorwürfen nicht geäußert hat, unmittelbar vor Beginn des letzten Hauptverhandlungstages ein Haftbefehl des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) verkündet worden sei. Dem Haftbefehl liege unter anderem zugrunde, dass der Angeklagte dringend verdächtig sei, am 24. Dezember 2015 in L. einen Wohnungseinbruchsdiebstahl mit einem Schaden in Höhe von rund 135.000 Euro begangen zu haben. Eigene Feststellungen zu den im Haftbefehl aufgeführten Taten hat das Landgericht nicht getroffen.

Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Vorwürfe aus einem schwebenden Verfahren, in dem ein Urteil noch aussteht, dürfen bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden, wenn das Gericht zur Richtigkeit dieser Beschuldigungen keine eigenen, prozessordnungsgemäßen Feststellungen getroffen hat (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. Februar 1987 – 4 StR 56/87, BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 3; Beschluss vom 19. Juni 2012 – 4 StR 139/12 [insoweit in NStZ 2013, 36 nicht abgedruckt]). Der bloße Verdacht einer weiteren Straftat darf aufgrund der Unschuldsvermutung nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden; dies gilt selbst dann, wenn in dem anderen Verfahren aufgrund eines dringenden Tatverdachts bereits Untersuchungshaft angeordnet worden ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Juni 1993 – 5 StR 350/93, StV 1993, 458, 459).“