Archiv für den Monat: August 2016

Qualitätssicherung beim Fachanwalt, oder: Was kann/darf/muss in der Fortbildung drin sein?

entnommen wikimedia.org Urheber Photo: Andreas Praefcke

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Fachanwälte sind nach § 15 FAO zur jährlichen Fortbildung verpflichtet. Diese sog. Pflichtfortbildungen sind nicht unbedingt beliebt, zumal sich auch nicht immer eine passende Veranstaltung findet. Der BGH hat jetzt die Frage beantwortet, ob die Fortbildungspflicht auch erfüllt wird, wenn an einem Seminar teilgenommen wird, das nicht speziell das Fachgebiet des Rechtsanwalts betriftt (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2016 – AnwZ (BrfG) 46/13).

Auszugehen war/ist von folgendem Sachverhalt: Der Kläger ist seit 2011 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Am 22. 6. 2012 besuchte er ein sechsstündiges Seminar „Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik“, das sich neben Straf-, Familien, Versicherungs- und Baurecht schwerpunktmäßig auch mit dem Verkehrsrecht beschäftigte. Danach reichte er die dieses Seminar betreffende Teilnahmebestätigung bei der später beklagten RAK München ein und bat um Bestätigung, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen sei. Die antwortete, es handele sich um ein allgemeines Seminar ohne besonderen Bezug zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“. Im sich darüber entwickelnden Streit hat der Kläger Klage gegen die RAK erhoben. Mit seinem Klagehauptantrag wollte er erreichen, dass das Seminar, welches hinreichende Bezüge zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“ aufgewiesen habe, als Fortbildungsnachweis für das Jahr 2012 anerkannt wird. Der BGH hat den Hauptantrag des Klägers zurückgewiesen. Mit seinem Hilfsantrag hatte der Kläger hingegen Erfolg.

Der recht umfangreichen BGH-Entscheidung wird man folgenden Leitasatz voran stellen können:

„Fachanwälte können ihre jährliche, sich aus § 15 FAO ergebende Fortbildungspflicht auch durch die Teilnahme an einem Seminar erfüllen, das nicht speziell ihr Fachgebiet betrifft. Erforderlich ist jedoch, dass in dem Seminar Fachwissen behandelt wird, das gerade auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist.“

Und die Entscheidung führt zu folgenden Grundsätzen:

  • Die Fortbildungsveranstaltung i.S.v. § 15 FAO muss einen Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aufweisen.
  • Die Pflichtfortbildung muss besondere Kenntnisse vermitteln. Es geht nicht darum, den (erneuten) Erwerb von Grundlagenkenntnissen nachzuweisen, die bei jedem Anwalt vorausgesetzt werden können.
  • Die Fortbildung nach § 15 FAO dient vielmehr dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung der bereits vorhandenen besonderen Kenntnisse des Fachanwalts.
  • Die (Fachanwalts)Fortbildungen darf mehr als ein Fachgebiet betreffen, wenn sie Fachwissen behandelt, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist. Es darf sich aber nicht um ein bloßes Querschnittsseminar ohne spezifischen Bezug zum jeweiligen Fachgebiet handeln.

Dazu folgende Anmerkungen:

  1. Die BGH-Entscheidung betrifft zwar einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Die grundsätzliche Aussage der Entscheidung ist aber sicherlich auch auf andere Fachgebiete übertragbar: Es kann also zu Fortbildungszwecken grundsaätzlich auch an fachfremden bzw. nicht rein fachspezifischen Seminaren als Pflichtfortbildung teilgenommen werden, wenn in dem Seminar Fachwissen behandelt wird, das gerade auch bzw. zumindest auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist.
  2. Die Entscheidung bezieht sich auf § 15 Abs. 1 FAO in der Fassung vom 1. 9. 2009. Die sah vor, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen habe. Inzwischen ist § 15 Abs. 1 FAO geändert worden. In der seit dem 1. 1. 2015 geltenden Fassung heißt es jetzt, dass der Fachanwalt an fachspezifischen, der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen muss. Nach der BGH-Entscheidung ist offen, ob die aufgestellten Grundsätze auf diese aktuelle Fassung des § 15 FAO übertragbar sind. M.E. müsste das aber der Fall sein. Denn wird Fachwissen behandelt, das (nur) auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist, ist das immer auch fachspezifisch.

Vorsitz in einem „Rocker-Chapter“, oder: „gefahrgeneigte Freizeitbeschäftigung“

entnommen wikimedi.org Urheber Noop1958

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Ich habe länger nicht mehr über Strafzumessungsentscheidungen berichtet. Das will/kann ich dann heute mal wieder tun mit dem Hinweis auf den OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.06.2016 – 1 Ss 381/15, in dem das OLG aber nur in einer „Segelanweisung“ Hinweise zur Strafzumessung gibt; der Entscheidungsschwerpunkt liegt an anderer Stelle, nämlich bei einer Wiedereinsetzungsproblematik.

Es geht in dem Beschluss um die Berufung eines Angeklagten, der vom LG „wegen Führens einer halbautomatisierten Schusswaffe in Tateinheit mit Besitz von 7 Schuss Munition und des Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit Besitz von 5 Schuss Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt [wurde], deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.“ Der Angeklagte ist Vorsitzender eines (Rocker)Chapters, was die Strafkammer in der Strafzumessung verwertet hat. Dazu das OLG:

„Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgende Gesichtspunkte hin:

(1) Das Berufungsgericht hat zwar – insoweit zutreffend – zu Gunsten des Angeklagten die Tatsache gewertet, dass er Morddrohungen einer rivalisierenden Rockergruppe erhalten hat. Die Beweggründe des Täters stellen einen zulässigen Strafzumessungsgesichtspunkt gemäß § 46 Abs. 2 StGB dar. Rechtlich bedenklich ist hingegen, dass das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt mit dem Argument relativiert hat, der Angeklagte habe sich bewusst einer allgemein bekannten „gefahrgeneigten Freizeitbeschäftigung“ angeschlossen.

Diese Erwägung erweist sich bereits deshalb als bedenklich, da eine konkrete Bezeichnung der drohenden Gefahren der Freizeitbeschäftigung fehlt, insbesondere die Darlegung, ob der Angeklagte beim Beitritt zu den oder jedenfalls Übernahme des Vorsitzes des Chapters der … Morddrohungen rivalisierender Rockergruppen hätte vorhersehen müssen. Letztlich ist bedenklich, ob das Berufungsgericht hierdurch in unzulässiger Weise die Art der Lebensführung des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt hat. Dies wäre nur dann möglich gewesen, wenn die Art der Lebensführung in Beziehung zur Tat stünde und Rückschlüsse auf die Tatschuld zuließe (Fischer, 63. Aufl., StGB, § 46 Rn. 37a m.w.N.).

(2) Auch die Erwägung des Berufungsgerichts, dass der Angeklagte sich in einem Problemviertel aufgehalten habe, wo das Ausbrechen eines entsprechenden Konfliktes und damit die Gefahr der Notwendigkeit der Verwendung der Waffe besonders akut war, stößt auf Bedenken. Damit hat das Berufungsgericht die Möglichkeit jeglichen Schusswaffengebrauchs durch den Angeklagten gewertet, ohne zu berücksichtigen, dass ein solcher gegebenenfalls gerechtfertigt gewesen wäre.“

Sicherlich so nicht alltäglich, aber die Art der Lebensführung kann ja immer mal eine Rolle spielen.

Auch beim Freispruch muss die Beweiswürdigung stimmen…..

© Dan Race Fotolia .com

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M.E. mehren sich in der letzten Zeit die Entscheidungen, in denen vom BGH „Freispruchurteile“ der LG aufgehoben werden, weil nach Auffassung des BGH die Beweiswürdigung „nicht stimmt“. Zu den Entscheidungen gehhört z.B. das BGH, Urt v. 18.05.2016 – 2 StR 7/16. Dem Angeklagten wird der Vorwurf der Untreue gemacht. Das Verfahren ist schon vor der Hauptverhandlung aus Sicht der StA nicht „ganz rund“ gelaufen. Denn die Strafkammer hatte zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat dann das OLG Rostock das Hauptverfahren eröffnet. Nach durchgeführter Hauptverhandlung hat die Strafkammer den Angeklagten dann – wie nicht anders zu erwarten – aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Der BGh hat den Freispruch nun aufgehoben. Er beanstandet u.a. die Beweiswürdigung und führt dazu aus:

„2. Darüber hinaus ist auch die Beweiswürdigung durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsge-richt kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche auf-weist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzo-gene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2015 – 3 StR 226/15, juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 635/14, juris Rn. 3).

b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Insbesondere fehlt es an einer umfassenden Gesamtabwägung aller gegen eine Gutgläubigkeit des Angeklagten sprechende Beweisanzeichen…..“

Wenn man schon frei spricht, dann muss es auch mit der Begründung passen…

Was ein Laie so alles wissen können soll/muss, oder: Spitzfindig?

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Die fehlerhafte Interpretation einer Ladung zu einem Fortsetzungstermin als Mitteilung einer Verlegung des Beginns einer Berufungshauptverhandlung, die bei sorgfältigem Lesen des weiteren Ladungsschreibens vermeidbar gewesen wäre, vermag ein Ausbleiben bei Beginn der Berufungshauptverhandlung nicht genügend zu entschuldigen. So das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 29.04.2016 – 1 Ss 20/16, in dem die Revision gegen einnach § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil verworfen worden ist.

Wenn man den Beschluss liest, fragt man sich, was ein Laie so alles wissen können soll/muss. Ausgangspunkt bei § 329 StPO und der Beantwortung der Frage, ob ein Ausbleiben im Sinne des § 329 Abs. 1 StPO genügend entschuldigt ist, ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung doch imemr, dass zu Gunsten eines nicht erschienenen Angeklagten ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (BGHSt 17, 391, 397; s. auch Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl., 2016, Rn. 710 ff. m.w.N.). Entscheidend ist danach, ob dem Angeklagten nach den Umständen des Falles wegen seines Ausbleibens billigerweise ein Vorwurf zu machen ist.

Davon geht  zwar auch das OLG aus, hat dann aber dennoch das Ausbleiben der Angeklagten als nicht genügend entschuldigt angesehen. Denn in dem Ladungsschreiben, dass der Angeklagte falsch verstanden hatte, war von einer Ladung zu einem weiteren Hauptverhandlungstermin die Rede. Die Formulierung „ist Termin zur Fortsetzung der Berufungshauptverhandlung vom 28.01.2016 (…) bestimmt auf (…)“ mache – so das OLG – zweifelsfrei deutlich, dass der (ursprüngliche) Hauptverhandlungstermin nicht verlegt, sondern zusätzlich ein weiterer Termin bestimmt worden war. Denn Fortsetzen lasse sich nur eine bereits begonnene Hauptverhandlung. Bei dem Begriff „Fortsetzung“ handele es sich auch nicht um einen juristischen Fachterminus, sondern um ein Wort aus der Alltagssprache. Etwas anderes soll nach Auffassung des OLG wohl gelten, wenn von einem „Fortsetzungstermin“ die Rede ist (so auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4. 9. 08 – 1 Ws 170/08).

Eine m.E. für einen juristischen Laien doch recht spitzfindige Unterscheidung.

Aufrechnung mit RVG-Forderung gegen Umsatzsteuer – geht das (noch)?

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Heute dann mal eine finanzgerichtliche Entscheidung. Ja, richtig gelesen: Finanzgericht. Die Entscheidung hat allerdings gebührenrechtlichen/RVG-Einschlag. Es handelt sich um das FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.06.2016 – 1 K 1368/15, das eine Problematik behandelt, die unter Verteidigern immer wieder diskutiert wird. Nämlich die Frage: Kann der Rechtsanwalt/Verteidiger eigentlich gegen Forderungen gem. 55 RVG gegen Umsatzsteuerforderungen  aufrechnen? Das ist ja ggf. ein Mittel, um schneller an die Vergütung für Pflichtverteidigertätigkeiten zu kommen, wenn die Staatskasse mit der Festsetzung usw. mal wieder nicht „aus den Pötten“ kommt. Im Streit waren im vom FG Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall Umsatzsteuervorauszahlung aus 2014 und 2015, mit denen der klagende Rechtsanwalt die Aufrechnung mit gegen die Landeskasse gerichteten Vergütungsforderungen als beigeordneter oder bestellter Rechtsanwalt erklärt hatte. Ds Finanzamt hatte die Aufrechnungserklärungen gestützt auf § 226 Abs. 3 AO als nicht wirksam zurückgewiesen. Der Rechtsanwalt meinte hingegen, aufrechnen zu dürfen, insbesondere könne das Finanzamt die erklärte Aufrechnung nicht durch einfaches, d.h. unsubstantiiertes Bestreiten unzulässig machen.

Das FG hat dem Finanzamt Recht gegeben und verweist dazu auf § 226 Abs. 3 AO.  Gemäß § 226 Abs. 3 AO können Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrech­nen. Dazu gibt es dann folgende Grundsätze:

§ 226 Abs. 3 der Abgabenordnung soll verhindern, dass die Geltendmachung der Ansprü­che aus dem Steuerschuldverhältnis durch Vorschützen von ungewissen oder zweifelhaf­ten, womöglich erst einer längeren Aufklärung und Feststellung bedürftigen Gegenforde­rung aufgehalten wird (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 39; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 3. November 1993 IX 188/88, juris; FG Kassel, Urteil vom 2. September 2009 8 K 2080/08, EFG 2010, 296). Die Finanzbehörde ist überfordert, wenn sie entscheiden soll, ob der Steuerpflichtige einen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Justizfiskus (VGH München, Beschluss vom 4. Februar 2002 23 ZS 01.3171, beck-online) oder gegen den Finanzfiskus (Niedersächsisches Fi­nanzgericht, Urteil vom 3. November 1993 IX 188/88, juris) hat. Soweit es sich jedoch um Ansprüche des Steuerpflichtigen aus dem Steuerschuldverhältnis handelt, ist die Finanz­behörde dagegen von der Sache her nicht überfordert (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 39; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 3. November 1993 IX 188/88, juris).

Rechtskräftig festgestellt wird die Gegenforderung durch Gerichte und Behörden (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 40).

Unbestritten ist die Gegenforderung, wenn sie ausdrücklich anerkannt wird oder wenn keine Einwendungen gegen sie erhoben werden (Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 70), wobei das Gesetz kein substantiiertes Bestreiten verlangt; es genügt der Hinweis darauf, dass die Gegenforderung noch nicht rechtskräf­tig/bestandskräftig festgestellt oder aus welchen Gründen auch immer fragwürdig sei (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 41, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Substantiierte Einwendungen gegen das Bestehen der Gegenforderung sind aber dann erforderlich, wenn der Schuldner mit einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis aufrechnet, da in einem solchen Fall die Finanzbehörde selbst feststellen kann, ob die Gegenforderung besteht (Loose, a.a.O., m.w.N.).

Soweit für die Feststellung der Gegenforderung und der Hauptforderung verschiedene Behörden zuständig sind, muss der aufrechnende Steuerpflichtige darlegen, dass die Ge­genforderung entweder rechtskräftig festgestellt oder unbestritten ist (vgl. Loose, a.a.O., Rz. 42; Rozek, a.a.O.; BFH-Urteil vom 10. Juli 1979 VI R 114/75, BStBl II 1979, 690).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die angefochtenen Verwaltungsakte recht­mäßig, denn für die Feststellung der Gegenforderungen ist nicht die Finanz- sondern die Justizbehörde zuständig, so dass die Finanzbehörde darauf abstellen durfte, dass die Gegenforderungen im dafür vorgesehenen Verfahren noch nicht rechtskräftig festgestellt wurden……………

………… Daher kann eine Forderung, die in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend ge­macht wird, erst dann als unbestritten gelten, wenn zumindest das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG durch Beschluss abgeschlossen wurde; rechtskräftig festgestellt ist sie, soweit ein Rechtsmittel nicht mehr erhoben werden kann bzw. eine rechtskräftige Ent­scheidung im Erinnerungs-/Beschwerdeverfahren gemäß § 56 RVG erfolgt ist.

Der Urkundsbeamte hat im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG nämlich das Bestehen des Vergütungsanspruches zu überprüfen, insbesondere ob die entfaltete Tä­tigkeit von zeitlichen und gegenständlichen Umfang der Beiordnung gedeckt ist, ob die Vergütung nach § 49 RVG richtig berechnet ist, ob die angefallenen Kosten notwendig waren, ob von der Staatskasse gemäß § 47 RVG gezahlte Vorschüsse zu verrechnen sind, ob Zahlungen einschließlich Vorschüssen des Mandanten oder Dritten anzurechnen sind (§ 58 RVG) oder ob ein Verzicht des Anwalts vorliegt (Gerold/Schmidt, RVG, § 55 RVG, Rz. 26; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, § 55 RVG, Rz. 42ff.). Des Weiteren können die Ansprüche auch abgetreten, verwirkt oder verjährt sein.

Demzufolge können die geltend gemachten Vergütungsansprüche solange sie nicht über­prüft wurden, nicht als unbestritten gelten. Der Senat führt hier auch kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal in die Regelung des § 226 Abs. 3 AO ein, sondern legt den Begriff „unbestritten“ entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift aus. Eine insoweit be­hauptete Grundrechtsverletzung (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 GG) ist nicht feststellbar.

Soweit ein Vergütungsfestsetzungsbeschluss vorliegt, wäre eine Aufrechnung nach § 226 Abs. 3 der Abgabenordnung zulässig. Gleichwohl ist fraglich, ob sie dann noch sinnvoll ist, da regelmäßig mit der Festsetzung auch die Auszahlung veranlasst wird. Das kann hier aber letztlich dahinstehen.“

Wird also schwieriger, schnell(er) an das wohl verdiente Geld zu kommen…..