Aufrechnung mit RVG-Forderung gegen Umsatzsteuer – geht das (noch)?

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Heute dann mal eine finanzgerichtliche Entscheidung. Ja, richtig gelesen: Finanzgericht. Die Entscheidung hat allerdings gebührenrechtlichen/RVG-Einschlag. Es handelt sich um das FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.06.2016 – 1 K 1368/15, das eine Problematik behandelt, die unter Verteidigern immer wieder diskutiert wird. Nämlich die Frage: Kann der Rechtsanwalt/Verteidiger eigentlich gegen Forderungen gem. 55 RVG gegen Umsatzsteuerforderungen  aufrechnen? Das ist ja ggf. ein Mittel, um schneller an die Vergütung für Pflichtverteidigertätigkeiten zu kommen, wenn die Staatskasse mit der Festsetzung usw. mal wieder nicht „aus den Pötten“ kommt. Im Streit waren im vom FG Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall Umsatzsteuervorauszahlung aus 2014 und 2015, mit denen der klagende Rechtsanwalt die Aufrechnung mit gegen die Landeskasse gerichteten Vergütungsforderungen als beigeordneter oder bestellter Rechtsanwalt erklärt hatte. Ds Finanzamt hatte die Aufrechnungserklärungen gestützt auf § 226 Abs. 3 AO als nicht wirksam zurückgewiesen. Der Rechtsanwalt meinte hingegen, aufrechnen zu dürfen, insbesondere könne das Finanzamt die erklärte Aufrechnung nicht durch einfaches, d.h. unsubstantiiertes Bestreiten unzulässig machen.

Das FG hat dem Finanzamt Recht gegeben und verweist dazu auf § 226 Abs. 3 AO.  Gemäß § 226 Abs. 3 AO können Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrech­nen. Dazu gibt es dann folgende Grundsätze:

§ 226 Abs. 3 der Abgabenordnung soll verhindern, dass die Geltendmachung der Ansprü­che aus dem Steuerschuldverhältnis durch Vorschützen von ungewissen oder zweifelhaf­ten, womöglich erst einer längeren Aufklärung und Feststellung bedürftigen Gegenforde­rung aufgehalten wird (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 39; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 3. November 1993 IX 188/88, juris; FG Kassel, Urteil vom 2. September 2009 8 K 2080/08, EFG 2010, 296). Die Finanzbehörde ist überfordert, wenn sie entscheiden soll, ob der Steuerpflichtige einen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Justizfiskus (VGH München, Beschluss vom 4. Februar 2002 23 ZS 01.3171, beck-online) oder gegen den Finanzfiskus (Niedersächsisches Fi­nanzgericht, Urteil vom 3. November 1993 IX 188/88, juris) hat. Soweit es sich jedoch um Ansprüche des Steuerpflichtigen aus dem Steuerschuldverhältnis handelt, ist die Finanz­behörde dagegen von der Sache her nicht überfordert (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 39; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 3. November 1993 IX 188/88, juris).

Rechtskräftig festgestellt wird die Gegenforderung durch Gerichte und Behörden (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 40).

Unbestritten ist die Gegenforderung, wenn sie ausdrücklich anerkannt wird oder wenn keine Einwendungen gegen sie erhoben werden (Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 70), wobei das Gesetz kein substantiiertes Bestreiten verlangt; es genügt der Hinweis darauf, dass die Gegenforderung noch nicht rechtskräf­tig/bestandskräftig festgestellt oder aus welchen Gründen auch immer fragwürdig sei (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rz. 41, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Substantiierte Einwendungen gegen das Bestehen der Gegenforderung sind aber dann erforderlich, wenn der Schuldner mit einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis aufrechnet, da in einem solchen Fall die Finanzbehörde selbst feststellen kann, ob die Gegenforderung besteht (Loose, a.a.O., m.w.N.).

Soweit für die Feststellung der Gegenforderung und der Hauptforderung verschiedene Behörden zuständig sind, muss der aufrechnende Steuerpflichtige darlegen, dass die Ge­genforderung entweder rechtskräftig festgestellt oder unbestritten ist (vgl. Loose, a.a.O., Rz. 42; Rozek, a.a.O.; BFH-Urteil vom 10. Juli 1979 VI R 114/75, BStBl II 1979, 690).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die angefochtenen Verwaltungsakte recht­mäßig, denn für die Feststellung der Gegenforderungen ist nicht die Finanz- sondern die Justizbehörde zuständig, so dass die Finanzbehörde darauf abstellen durfte, dass die Gegenforderungen im dafür vorgesehenen Verfahren noch nicht rechtskräftig festgestellt wurden……………

………… Daher kann eine Forderung, die in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend ge­macht wird, erst dann als unbestritten gelten, wenn zumindest das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG durch Beschluss abgeschlossen wurde; rechtskräftig festgestellt ist sie, soweit ein Rechtsmittel nicht mehr erhoben werden kann bzw. eine rechtskräftige Ent­scheidung im Erinnerungs-/Beschwerdeverfahren gemäß § 56 RVG erfolgt ist.

Der Urkundsbeamte hat im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG nämlich das Bestehen des Vergütungsanspruches zu überprüfen, insbesondere ob die entfaltete Tä­tigkeit von zeitlichen und gegenständlichen Umfang der Beiordnung gedeckt ist, ob die Vergütung nach § 49 RVG richtig berechnet ist, ob die angefallenen Kosten notwendig waren, ob von der Staatskasse gemäß § 47 RVG gezahlte Vorschüsse zu verrechnen sind, ob Zahlungen einschließlich Vorschüssen des Mandanten oder Dritten anzurechnen sind (§ 58 RVG) oder ob ein Verzicht des Anwalts vorliegt (Gerold/Schmidt, RVG, § 55 RVG, Rz. 26; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, § 55 RVG, Rz. 42ff.). Des Weiteren können die Ansprüche auch abgetreten, verwirkt oder verjährt sein.

Demzufolge können die geltend gemachten Vergütungsansprüche solange sie nicht über­prüft wurden, nicht als unbestritten gelten. Der Senat führt hier auch kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal in die Regelung des § 226 Abs. 3 AO ein, sondern legt den Begriff „unbestritten“ entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift aus. Eine insoweit be­hauptete Grundrechtsverletzung (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 GG) ist nicht feststellbar.

Soweit ein Vergütungsfestsetzungsbeschluss vorliegt, wäre eine Aufrechnung nach § 226 Abs. 3 der Abgabenordnung zulässig. Gleichwohl ist fraglich, ob sie dann noch sinnvoll ist, da regelmäßig mit der Festsetzung auch die Auszahlung veranlasst wird. Das kann hier aber letztlich dahinstehen.“

Wird also schwieriger, schnell(er) an das wohl verdiente Geld zu kommen…..

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