Archiv für den Monat: August 2016

(Akten)Einsicht a la AG Völklingen: Messunterlagen pp. gibt es auch ohne Anhaltspunkte für Messfehler

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Aus dem Fundus der AG-Entscheidungen zur Akteneinsicht bzw. zur Einsicht in Messunterlagen und Messdaten dann jetzt der Hinweis auf den AG Völklingen, Beschl. v. 13.07.2016 – 6 Gs 49/16, der sehr schön mit dem OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16  (dazu OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch) korrespondiert. Über den AG Völklingen, Beschl. hat ja auch schon der VerkehrsrechstBlog berichtet, besten Dank für die „Abdruckerlaubnis“. Der Amtsrichter macht mit der Frage nach dem Zuverfügungstellen der Messdaten „kurzen Prozess“ und meint (auch). Die gibt es:

„Der Antrag ist auch begründet. Den Ausführungen der Verteidigerin, zu denen die Bußgeldbehörde sich im Übrigen nicht geäußert hat, wird beigetreten. Auch im Falle eines sogenannten standardisierten Messverfahrens kann sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ein Anspruch des Betroffenen auf Einsicht in vorhandene, sich nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen und Messdaten ergeben, und zwar unabhängig davon, ob konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen oder vorgetragen worden sind (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24.02.2016 AZ: Ss (BS) 6/2016 (4/16 OWi)).

Einer solchen Datenherausgabe stehen jedenfalls im vorliegenden Fall mit der Herausgabe lediglich an die Verteidigerin und einen von ihr beauftragten Sachverständigen auch eventuelle datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen (vgl. auch AG Jena ,Beschluss vom 5.11.2015 AZ: 3 OWi 1268/15, 92646284, AG Neunkirchen, Beschluss vom 27.04.2016 AZ: 19 Gs 55/16 und AG Kaiserslautern, Beschluss vom 13.06.2016 AZ: 5 OWi 1020/16).“

Der Tattag ist mir doch egal, oder: Das OLG deckt schlampige Feststellungen

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 31.05.2016 – 4 RBs 111/16 – ist ein „schönes“ Beispielt, dass nicht selten von den OLG „gehalten“ wird, was gehalten werden kann. Das AG hat den Betroffenen wegen eines  Verstoßes gegen §§ 9 Abs. 1, 17 Abs. 1 lit. e LImSchG – Störung der Nachtruhe – schon da stimmte die der Liste der angewandten Vorschriften im Urteil nicht – zu einer Geldbuße von 5.000 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im AG-Urteil ließ der Betroffene als verantwortlicher Geschäftsführer einer U GmbH& Co KG „am 29.10.2014 zu einer nicht näher festgestellten Uhrzeit Geräuschimmissionen von dem Betriebsgelände des genannten Unternehmens ausgehen, welche mit einem konstanten Lärmpegel von 52,9 dB(A) gemessen wurden, wobei der Mindestpegel bei 52,1 dB(A) und der Spitzenpegel bei 54,3 dB(A) lag. Die Messung wurde von einem „Ersatzmessort“ aus vorgenommen, der ca. 30m vom Wohnhaus eines Beschwerdeführers wegen einer früheren Lärmbelästigung aus dem Jahre 2013 liegen und diesem gleichwertig sein soll. Näheres zum Messort wird nicht mitgeteilt.“

Das OLG schaut in die Akten und stellt bei der Prüfung des dem Verfahren zugrunde liegenden Bußgeldbescheides fest: Der Bußgeldbescheid hat eine Tat vom 26.10.2014 zum Gegenstand. Wer meint, das OLg hat nun Porbleme mit der Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, der irrrt sich gewaltig. Locker heißt es dazu:

„Das Verfahren war nicht wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung – hier eines wirksamen Bußgeldbescheids betreffend die abgeurteilte Tat – einzustellen. Zwar bezieht sich der von Amts wegen vom Rechtsbeschwerdegericht zur Kenntnis zu nehmende Bußgeldbescheid vom 15.01.2015 auf eine Tat am 26.10.2014. Angesichts der nahezu identischen Messergebnisse (laut Bußgeldbescheid 53 dB(A), laut Urteil 52,9 dB(A) konstanter Lärmpegel) und im Übrigen gleichem Tatort und sonstiger Umstände, geht der Senat davon aus, dass Bußgeldbescheid und angefochtenes Urteil dieselbe Tat betreffen.“

Das, was das OLG schreibt, ist in meinen Augen nicht haltbar. Man kann zwei Abweichungen feststellen zwischen festgestellter Tat und der Tat, die Gegenstand des Bußgeldbescheides ist/war, nämlich einemal beim Tattag – 26.10.2014 oder 29.10.2014 – und beim Messergbnis – „laut Bußgeldbescheid 53 dB(A), laut Urteil 52,9 dB(A)“. Aber das macht dem OLG nichts. Und die Begründung? „Nahezu identisch“, aber bitte: Das ist für mich aber nicht identisch. Und was heißt: „im Übrigen gleichem Tatort und sonstiger Umstände„? Damit ist doch bei den Geräuschimmission aus einer Firma zu rechnen.

Die Begründung des OLG ist in meinen Augen heiße Luft und deckt schlampige Feststellungen des AG. Da kann man doch am besten gleich den Bußgeldbescheid als Verfahrensgrundlage abschaffen. Denn wie soll sich der Betroffene denn zeitlich – Alibi-Beweis!! – verteidigen können, wenn nicht klar ist, wann denn nun die ihm zur Last gelegte Tat begangen sein soll?

Es hilft auch nicht, dass das OLG aus einem anderen Grund aufgehoben hat. Denn die erforderliche Einstellkung hätte zur Erledigung des Verfahrens insgesamt geführt. So darf das ASG es noch einmal versuchen…..

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Verdiene ich die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Verdiene ich die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG?, löst sich m.E. ganz einfach und ist auch hier bzw. bei Facebook richtig gelöst worden. Ich hatte dem Kollegen dann auch wie folgt geantwortet:

„Hallo, wenn ich es richtig verstehe, handelt es sich wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens doch nur um eine Teileinstellung. Es ist auch nicht abgetrennt usw. Folge: Es entsteht nicht die Gebühr Nr. 4141 VV RVG, steht auch so im RVG-Kommentar.“

Also: Bei einer Teileinstellung entsteht nie die Nr. 4141 VV RVG, Voraussetzung für die Gebühr ist, dass das Verfahren insgesamt durch die Einstellung erledigt wird. Etwas anderes würde gelten, wenn das Verfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens zunächst abgetrennt worden wäre. Dann läge insoweit eine eigene Angelegenheit vor, in der alle Gebühren (noch einmal) entstehen können. Wenn das Verfahren dann eingestellt wird, entsteht – Mitwirkung des Verteidigers vorausgesetzt – auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG.

Eindeutig muss/sollte die Begründung sein, sonst: Steilvorlage

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 28.06.2016 – 4 RBs 135/16 – zeigt mal wieder deutlich, wie wichtig es ist, bei der Begründung der Rechtsbeschwerde/Revision klar und deutlich/eindeutig zu formulieren. Sonst gibt man dem OLG – ggf. dem BGH – eine Steilvorlage für die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig. So ist es in/mit dem Beschluss gekommen. Das OLG gewährt zwar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, aber:

„Jedoch hat der Betroffene weder die Sachrüge erhoben, noch eine Verfahrensrüge den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO entsprechend ausgeführt.

Der Verteidiger des Betroffenen hatte zwar mit Einlegung der Rechtsbeschwerde am 23.11.2015 bereits erste Ausführungen zur Begründung derselben gemacht. In diesen Ausführungen ist jedoch nicht die Erhebung der allgemeinen Sachrüge enthalten. Denn aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht eindeutig, dass die Nachprüfung des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt wird. Der Verteidiger hat das angefochtene Urteil mit dem Adjektiv „rechtsfehlerhaft“ beschrieben. Damit könnte er sowohl das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen gerügt haben, als auch Verfahrensfehler oder Fehler in der materiell-rechtlichen Gesetzesanwendung. Die übrige, im Telefax vom 23.11.2015 enthaltene Begründung, in der insbesondere die fehlerhafte Behandlung von Beweisanträgen gerügt wird, lässt ebenfalls nicht den eindeutigen Schluss auf eine begehrte materiell-rechtliche Nachprüfung zu, sondern spricht eher für ein Begehren nach Überprüfung in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Im Schriftsatz vom 25.01.2016 ist eine Sachrüge ebenfalls nicht enthalten. Dieser enthält zunächst nur Ausführungen zur Wiedereinsetzung und zur angeblich rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages. Soweit weiter gerügt wird, das Gericht habe sich nicht hinreichend mit dem Vortrag des Betroffenen hinsichtlich eines Absehens vom Fahrverbot auseinandergesetzt, enthält dieser Vortrag lediglich von den Urteilsfeststellungen abweichenden eigenen Vortrag, der ergibt, dass der Betroffene in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen angreifen will (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 344 Rdn. 19).

Zur formgerechten (Verfahrens-)Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags muss der Beschwerdeführer den Antrag, den Inhalts des ablehnenden Gerichtsbeschlusses sowie die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig angeben, dass das Beschwerdegericht allein anhand der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, sollten die behaupteten Tatsachen zutreffen (vgl. KK/Senge, OWiG, 4. Auflage 2014, § 77 Rn. 51 f. m.w.N.). Diese Voraus-setzungen sind vorliegend nicht erfüllt. In der Rechtsbeschwerdebegründung hat der Verteidiger nur die Beweismittel, nicht jedoch die Beweistatsachen angegeben, insbesondere nicht, was Gegenstand der zeugenschaftlichen Wahrnehmung ge-wesen sein soll bzw. wozu der Sachverständige gehört werden sollte. Zudem fehlt die Wiedergabe des Inhalts des Ablehnungsbeschlusses (§ 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 OWiG). Ein schlichtes Anführen von Bedenken der Verteidigung bezüglich der Richtigkeit, weil sich irgendwo im Bereich der Messbereichs Straßenschilder be-funden hätten, reicht weder für eine vollständige Angabe der den Mangel begründenden Tatsachen noch für das erforderliche bestimmte Behaupten dieser Tatsachen. Das Beschwerdegericht kann auch nicht etwa aufgrund einer form- und fristgerecht erhobenen Sachrüge bzgl. der Verfahrensrüge ergänzend die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils heranziehen, denn eine Sachrüge hat der Betroffene nicht erhoben.“

Hinsichtlich der Verfahrensrüge folge ich dem OLG, die ist in der Tat nicht ausreichend begründet. Hinsichtlich der Sachrüge liegt das OLG in meinen Augen aber falsch. Was sagt denn der Begriff „rechtsfehlerhaft“ in der Kombination mit den vorgetragenen Bedenken des Verteidiger anderes, als dass das Urteil (auch) als materiell-rechtlich falsch angesehen wird. Die Begründung ist nicht „klassisch schön“ für eine Sachrüge, ich hätte sie aber als „noch ausreichend“ angesehen.

Fazit für den Verteidiger: Eindeutig formulieren, dann vermeidet man solche Entscheidungen. Und – vor allem zur Begründung der Verfahrensrüge – vielleicht dann doch mal in ein „Anleitungsbuch“ schauen, wenn man nicht weiß, wie es geht.

Unterbringung: Die „Gefährlichkeitsprognose“ muss stimmen…

© Dan Race Fotolia .com

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Der BGH, Beschl. v. 10.05.2016 – 4 StR 185/16 – ist eine der doch häufigeren Entscheidungen des BGH zu den Fragen der Unterbringung nach § 63 StGB. Die ist ein „scharfes Schwert“, dessen Einsatz für den Betroffenen weit reichende Folgen hat und vor allem: Lange weitreichende Folgen haben kann, wenn es um die Dauer der Unterbringung geht. Deshalb legt der BGH in meinen Augen – zutreffend – großen Wert auf die richtige Ermittlung/Feststellung der Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 63 StGB, was er auch in diesem Beschluss betont:

„2. Die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB sind nicht rechtsfehlerfrei dargetan.

a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme. Sie setzt neben der sicheren Feststellung mindestens einer im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangenen Anlasstat voraus, dass eine Wahrscheinlichkeit höhe-ren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, die schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die dazu notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Tä-ters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135, 136; Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN).

b) Das Landgericht hat mit der Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen P. , den Sachbeschädigungen und dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zwar mehrere im Zustand der Schuldunfähigkeit begangene rechtswidrige Taten ausreichend festgestellt und in der Beweiswürdigung belegt. Die Gefahrenprognose begegnet aber durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Denn die Strafkammer hat bei der Erstellung der Gefahrenprognose auch den von ihr als versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) bewerteten Schlag mit dem Holzstab zum Nachteil des Zeugen H. als prognoseungünstigen Umstand herangezogen und darin eine erhebliche Tat gesehen. Dass der Beschuldigte bei der Ausführung des Schlages tatsächlich mit einem auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gerichteten Vorsatz gehandelt hat, wird durch die Urteilsgründe aber nicht ausreichend belegt. Auch fehlen Feststellungen dazu, ob der Beschuldigte gegebenenfalls von der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Fall StGB strafbefreiend zurückgetreten ist, nachdem der Zeuge H. auf ihn beschwichtigend eingeredet hatte. Sollte der Beschuldigte tatsächlich durch den Zuspruch des Zeugen dazu veranlasst worden sein, von als möglich erkannten weiteren Gewalthandlungen Abstand zu nehmen, hätte dies bei der Gefährlichkeitsbeurteilung Berücksichtigung finden müssen.

Schließlich hat das Landgericht zur Stützung seiner Prognose auch auf einen Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 1. Dezember 2011 verwiesen, mit dem der Beschuldigte unter anderem wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden war. Zwar werden in den Urteilsgründen die dazu getroffenen Feststellungen mitgeteilt. Aus diesen ergibt sich aber nicht, dass diese Taten auf der Erkrankung des Beschuldigten beruhten, sodass deren Prognoserelevanz nicht beurteilt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2007 – 2 StR 296/07, StraFo 2007, 468).“