Archiv für den Monat: November 2015

Der Porsche und das „Sumpfvolumen“, oder: Pack den Tiger in den zu kleinen (?) Tank

entnommen wikimedia.org Urhebernakhon100

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Urheber nakhon100

Manche Entscheidungen/Nachrichten lassen den Leser schon stutzen. Jedenfalls ist es mir so bei dem OLG Hamm, Urt. v. 16.06.2015 – 28 U 165/13 – gegangen. Das ist die Entscheidung des 28. Zivilsenats zum zu kleinen „Porschetank“. Obwohl: Zu klein war der Tank ja an sich nicht. Der Porschefahrer konnte nur das Tankvolumen nicht voll ausnutzen. Erworben hatte der Kläger einen Porsche 911 Turbo S Cabriolet zum Preis von ca. 176.500 € mit einem lt. Ausstattungskatalog 67 l Kraftstoff fassenden Tank. Kurze Zeit nach der Fahrzeugübergabe hat er dann beanstandt, dass der Bordcomputer nach einem Verbrauch von 59 l Kraftstoff eine Restreichweite von 0 km anzeige, so dass er das im Katalog angegebene Tankvolumen von 67 l nicht nutzen könne. Der Kläger ist davon ausgegangen, die Konstruktion des Kraftstofftanks einschließlich der Messung des Tankinhalts und die Ermittlung der Restreichweite seien mangelhaft und hat von dem Verkäufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt.

Das OLG hat gesagt: Kein Mangel, wenn der Bordcomputer nach einem Kraftstoffverbrauch von 59 l und dann im Tank noch vorhandenen 6,4 l Kraftstoff keine Restreichweite mehr anzeigt und wenn die letzten 3,3 l im Tank für die Kraftstoffversorgung des Motors nicht zur Verfügung stehen.:

Der Rat zum „robusten Gespräch“ mit dem Täter, der kostet den Rechtsanwalt u.a. 500 €

© Maksim Kabakou Fotolia.com

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Ich habe schon länger keine berufsrechtliche Problematik mehr vorgestellt. Da passt dann heute der AnwG Köln, Beschl. v. 25. 08. 2014 – 10 EV 113/12 – ganz gut. Es geht um das „Sachlichkeitsgebot“ des § 43a BRAO. Zu entscheiden hatte das AnwG Köln folgenden Sachverhalt:

Im Januar 2011 wurde der angeschuldigte Rechtsanwalt von Frau Y. in einer strafrechtlichen Angelegenheit mandatiert. Grund der Beauftragung war eine Auseinandersetzung zwischen der Mandantin und ihrem Mitschüler S. Frau Y. hatte gegen Herrn S. Strafanzeige wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung und Bedrohung gestellt. Dem angeschuldigten Rechtsanwalt dann dann später von der Staatsanwalrschaft mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren gegen Herrn S. eingestellt worden sei. Bei der angezeigten Straftat habe es sich um einen Ausdruck jugendlicher Unreife mit geringem Schuldgehalt gehandelt. Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe nicht.

Der Angeschuldigte informierte seine Mandantin über die Verfahrenseinstellung. Sein Schreiben endete mit folgenden Sätzen: „Was kann ich Ihrem Vater in dieser Sache raten, wenn sich Ihnen noch einmal jemand unsittlich nähert: Warten Sie in Deutschland bei Körperverletzungsdelikten nicht auf Polizei und Staatsanwaltschaft. Die unternehmen gegen die Täter nur wenig. Die Staatsanwaltschaften in Deutschland stellen Ermittlungsverfahren zu ca. 70 % ein. Führen Sie oder beauftragen Sie stattdessen jemanden, der – gemäß der biblischen Weisheit Auge um Auge, Zahn um Zahn – selbst ein „robustes Gespräch“ mit dem Täter führt.“

Für dieses Schreiben wurde dann jetzt gegen den Rechtsanwalt wegen schuldhafter Pflichtverletzung nach §§ 43a und 1 BRAO als anwaltsgerichtliche Maßnahmen ein Verweis verhängt und eine Geldbuße in Höhe von 500,00 € als schuldangemessen festgesetzt hat. Das AnwG Köln sieht in dem Schreiben einen Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 43a Absatz 3 und 1 BRAO verstoßen:

Mit dem Inhalt seines Schreibens hat der Angeschuldigte den Vater seiner Mandantin für etwaig vergleichbare Fälle in der Zukunft aufgefordert, erst gar nicht den Weg über die Strafverfolgungsbehörden zu beschreiten, sondern unmittelbar selbst aktiv zu werden. Er solle Gleiches mit Gleichem nach dem Motto „Wie Du mir, so ich Dir“ vergelten.

Der Ratschlag, den der Angeschuldigte als Rechtsanwalt seiner Mandantin und ihrem Vater erteilt, geht also dahin, in vergleichbaren Fällen nicht den von der Rechtsordnung hierfür vorgesehenen Behördenweg zu beschreiten, sondern selbst zu handeln, also quasi Selbstjustiz zu üben. Damit hat er nicht nur das eventuell bestehende Vertrauen seiner Mandantin und ihres Vaters in die deutsche Rechtsordnung erschüttert, sondern sie darüber hinaus in ihrer möglicherweise durch die Verfahrenseinstellung hervorgerufenen Skepsis gegenüber deutschen Behörden gestärkt. Durch seine Wortwahl hat der Angeschuldigte seine Mandantschaft in eine Richtung gelenkt, die sie jenseits der Grenzen der Rechtsordnung führt.

Die Aufgabe des Angeschuldigten als Rechtsanwalt ist es jedoch, seine Mandanten anzuleiten, seine Rechte ausschließlich auf der Grundlage des Rechtes wahrzunehmen.

Nach § 43a Absatz 3 Satz 1 BRAO darf sich der Rechtsanwalt bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Dabei ist „unsachlich“ gemäß Absatz 3 Satz 2 insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben. …….

Nach Ansicht der Kammer kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Fallgruppen des § 43a Absatz 3 Satz 2 BRAO nicht abschließend sind. Der Generalklausel des § 43a Absatz 1 wird – wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – durch die Regelung des Absatzes 3 Satz 2 eine Konkretisierung verliehen, die die Handhabung des Sachlichkeitsgebotes vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebotes erleichtert. Die Verknüpfung der beiden Sätze gebietet es aber geradezu, nicht sklavisch an den Fallgruppen des Satzes 2 festzuhalten, sondern diese fortzuentwickeln. …….

Zwar darf der Rechtsanwalt nach allgemein anerkannter Auffassung im „Kampf um das Recht“ auch „starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagwörter“ benutzen. Diesen Bereich des Zulässigen verlässt der Anwalt jedoch, wenn er seine Mandanten dazu aufruft, den Pfad des gesetzestreuen Bürgers zu verlassen und seinerseits das Zepter in die Hand zu nehmen – wenn schon die Strafverfolgungsbehörden nicht tätig werden….“

Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren gibt es denn im Sicherungsverfahren?

© AllebaziB - Fotolia

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In der vergangenen Woche erreichte mich folgende Anfrage – ist also noch recht frisch 🙂 :

„……ich habe ein Problem mit der gebührenrechtlichen Abwicklung eines Sicherungsverfahrens nach § 413 ff. StPO, wo ich hoffe, dass Sie mir vielleicht mit einem kleinen Hinweis weiterhelfen können.

Aus Ihrem Kommentar (RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 3. Auflage) entnehme ich, dass Urteile im Sicherungsverfahren zur Strafvollstreckung gehören (Vorbem. 4.2, Rn. 4). So nahm ich an, dass auch nur die Gebühren VV 4200 ff.  abgerechnet werden könne.

Auf Ihrer Homepage fand ich die Entscheidung des KG )Beschl. v. 10. 11. 2006, 4 ws 166/06) zum Stichwort: Zuschlag; maßgeblicher Zeitpunkt für Inhaftierung. In dieser Entscheidung billigt das KG dem Anwalt jedoch Gebühr nach den Nrn. 4100 ff. zu.

Können Sie mir hier vielleicht einen kurzen Hinweis geben?

Vielen Dank für Ihre Mühe“.

Nun, wer hat eine Idee?

Verjährungsunterbrechung, oder/aber: Terminierung bitte mit Tag und Stunde….

© Andrey - Fotolia.com

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Es ist nicht so ganz einfach, im Bußgeldverfahren den Eintritt der Verjährung zu erreichen. Die absolute Verjährungszeit mit zwei Jahren ist ganz schön lang und § 33 OWiG sieht eine ganze Menge Unterbrechungstatbestände vor, die der Verwaltungsbehörde und/oder dem AG „helfen“. Einer davon ist § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG, wonach die „Anberaumung einer Hauptverhandlung“ verjährungsunterbrechende Wirkung hat. Allerdings: Es muss sich auch um die „Anberaumung“ einer Hauptverhandlung handeln, also grundsätzlich müssen Ort, Tag und Zeit bestimmt werden.

Anders hat das dann aber wohl ein Amtsrichter beim AG Heidelberg gesehen, der – in meinen Augen etwas schlampig – (zunächst) nur „Termin bitte 11.6.15“  verfügt hatte. Und das war es dann. Denn das OLG Karlsruhe sagt im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.10.2015 – 2 (6) SsBs 564/15:

„Es ist jedoch deshalb Verfolgungsverjährung eingetreten, weil nach der Unterbrechung der Verjährung durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG) am 3.9.2014 innerhalb der dadurch neu in Gang gesetzten sechsmonatigen Verjährungsfrist (§§ 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 26 Abs. 3 StVG) keine weitere Unterbrechung bewirkt wurde.

Soweit die Vorsitzende am 3.3.2015 die Anordnung „Termin bitte 11.6.15“ getroffen hat, handelt es sich nicht um die Anberaumung einer Hauptverhandlung i. S. d. § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG.

Die Anberaumung einer Hauptverhandlung setzt nach in Rechtsprechung und Literatur durchgängig vertretener Auffassung die Festsetzung von Ort, Tag und Stunde der vorgesehenen Hauptverhandlung voraus (OLG Köln VRS 69, 451, 452; OLG Bamberg Beschluss vom 23.2.2015 – 3 Ss OWi 218/15, bei juris; Graf in KK-OWiG, 4. Aufl. 2014, § 33 Rn. 85; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 2. Aufl., § 33 Rn. 39a; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 213 Rn. 1; Gmel in KK-StPO, 7. Aufl. 2013, Rn. 2). Der Senat lässt offen, ob es der Bestimmung des Verhandlungsortes in der vom Vorsitzenden (§§ 46 OWiG, 213 StPO) zu treffenden Anordnung selbst auch dann bedarf, wenn die Verhandlung in einem dem betreffenden Spruchkörper allgemein zugewiesenen Sitzungssaal stattfinden soll. Trifft der Vorsitzende aber – wie vorliegend – nur eine Anordnung hinsichtlich des Termintags, ohne auch die Uhrzeit zu bestimmen, fehlt es aber an einer hinreichend konkretisierten Anordnung, wie sie § 213 StPO voraussetzt.

Auf die Verfügung vom 10.3.2015, mit der die Hauptverhandlung auf den 11.6.2015, 11:00 Uhr bestimmt und die Ladung der Beteiligten angeordnet wurde, kam es nicht mehr an, weil zu diesem Zeitpunkt bereits Verjährung eingetreten war.“

Der Betroffene wird sich freuen. 150 € und ein Monat Fahrverbot gespart.

Wiedereinsetzung, eigenes Verschulden, oder: Ohne Auftrag muss der Verteidiger nichts tun.

© fotomek - Fotolia.com

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Wiedereinsetzungsfragen stellen sich im Strafverfahren häufiger. Meist gehen diese Fragen für die Angeklagten aber glimpflich aus, da ihnen ein Verschulden des Verteidigers nur ausnahmsweise zugerechnet wird bzw. die Rechtsprechung nur selten ein eigenes Verschulden des Angeklagten annimmt. Aber das ist nicht immer der Fall, wie der BGH, Beschl. v. 23.09.2015 – 4 StR 364/15 – zeigt.

Da war in einem BtM-Verfahren nach der Urteilsverkündung zwischen dem Angeklagten und dem Verteidiger nicht geklärt, ob denn nun Rechtsmittel eingelegt werden soll oder nicht. Der BGH geht jedenfalls davon aus, dass die Frage der Einlegung eines Rechtsmittels nicht unmittelbar nach der Urteilsverkündung verbindlich durch eine dahingehende Weisung der Angeklagten entschieden worden war und ihr er  Pflichtverteidiger in der Folgezeit dieser Weisung abredewidrig nicht nachgekommen wäre. Vielmehr war die endgültige Entscheidung noch von einer entsprechenden Willensäußerung der Angeklagten abhängig. In der Situation sagt der BGH, dass ein Angeklagter, der die definitive Zusage seines Verteidigers, ein Rechtsmittel einzulegen, noch nicht erhalten hat, während des Laufs der Einlegungsfrist nicht darauf vertrauen kann, dass dies gleichwohl geschieht. Wenn er es tut, liegt eigenes Verschulden vor. Und/denn:

„c) Vor diesem Hintergrund geht auch die Auffassung der neuen Wahlverteidigerin der Angeklagten fehl, ihr damaliger Pflichtverteidiger hätte rein vorsorglich Revision einlegen müssen, da mangels telefonischer Erreichbarkeit der Angeklagten eine definitive Klärung über die Rechtsmitteleinlegung innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht erfolgen konnte. Gerade weil die Frage der Revisionseinlegung noch offen war, war es Sache der Angeklagten, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Verteidiger sie für eine Rücksprache erreichen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 1996 – 2 StR 426/96, NStZ 1997, 95). Dass die Angeklagte, der die Wochenfrist zur Einlegung der Revision ausweislich ihrer eigenen Erklärung bekannt war, angenommen haben könnte, diese Frist sei eine reine Bedenkzeit und umfasse nicht zugleich die für den rein technischen Vorgang der Einlegung des Rechtsmittels erforderliche Zeitspanne, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar war die Absendung des unter dem 12. März 2015 abgefassten, an die Postanschrift der Angeklagten in den Niederlanden gerichteten Schreibens ihres Pflichtverteidigers mit der Aufforderung, sich zur Frage der Einlegung der Revision nunmehr zu erklären, im Hinblick auf die am nächsten Tag ablaufende Frist ersichtlich verspätet und deshalb wenig sachdienlich. Das eigene Verschulden der Angeklagten wird dadurch aber nicht beseitigt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 299/12).“

Tja, da kann man nur raten, dass eindeutige Absprachen getroffen werden. Und wenn nicht, nicht erst unmittelbar vor Fristablauf die Mandantin anschreiben :-). Ist „wenig sachdienlich“.