Archiv für den Monat: Oktober 2015

Zahlungserleichterungen – sind die auch noch nach Beginn der Vollstreckung möglich?

© mpanch - Fotolia.com

© mpanch – Fotolia.com

Den Sachverhalt, den das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.09.2015 – 2 Ws 472/15, muss man sich dann „mal auf der Zunge zergehen lassen“. Da ist der Verurteilte durch Strafbefehl des AG zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt worden. Nachdem sich aus einer beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingeholten Auskunft ergab, dass der Verurteilte am 18.07.2013 ein Vermögensverzeichnis abgegeben hatte, wonach er Arbeitslosengeld II in Höhe von 652,00 € monatlich bezog und kein nennenswertes Vermögen besaß, ordnete die Staatsanwaltschaft am 15.6.2015 – dennoch (das „dennoch“ stammt von mir) – die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe an. Da der Verurteilte der Ladung zum Strafantritt keine Folge leistet, ergeht am 13.07.2015 Vorführungsbefehl, aufgrund dessen der Verurteilte am 27.07.2015 festgenommen wurde. Seither verbüßt er eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA, als Strafende war der 14.10.2015 notiert. Am 17.08.2015 beantragte der Verurteilte bei der StA unter Hinweis darauf, dass er seit dem 01.10.2014 Grundsicherung beziehe, die Bewilligung von Ratenzahlung in Höhe von 50 € monatlich sowie die Aussetzung des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe. Mit Entschließung vom 18.08.2015 lehnte der Leiter der Staatsanwaltschaft eine Reduzierung der im Strafbefehl vom 05.01.2015 festgesetzten Tagessatzhöhe und Bewilligung von Ratenzahlung im Gnadenweg ab. Den Einwendungen des Verurteilten half die Staatsanwaltschaft Offenburg mit Entschließung vom 04.09.2015 nicht ab, die auch das LG mit Beschluss vom 14.09.2015 zurückgewiesen hat.

Das OLG sieht das ersichtlich anders und ist m.E. „not amused“

„Der vom Landgericht Offenburg vertretenen Auffassung, die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe könne nur aus den in § 459e Abs. 4 StPO genannten Gründen unterbleiben, kann jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nicht gefolgt werden.

Dabei ist ausschlaggebend, dass entgegen der vom Landgericht Offenburg vorgenommenen Bewertung, die Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB, die nach Rechtskraft der Grundentscheidung von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zu treffen ist (§ 459a Abs. 1 StPO), keinen Antrag des Verurteilten voraussetzt, sondern von Amts wegen zu treffen ist (OLG Hamburg Rpfleger 1977, 65; Graalmann-Scherer in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 459a Rn. 3; Appl in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 459a Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 459a Rn. 1). Insoweit hätte bereits das der Staatsanwaltschaft vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vorliegende Vermögensverzeichnis des Verurteilten Anlass gegeben, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu prüfen. Ist dies fälschlicherweise unterblieben, kann die eingeleitete Vollstreckung nicht zur Folge haben, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nicht mehr nachgeholt werden kann.

In der Sache geht der Senat im Hinblick auf das bei den Akten befindliche Vermögensverzeichnis davon aus, dass die Angaben des Verurteilten zu seinen Einkommensverhältnissen zutreffen, und hat deshalb die im Tenor näher bezeichnete Ratenzahlung bewilligt. Die Bestimmung über den Entfall der damit gewährten Vergünstigung beruht auf §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 Satz 1 StGB.

Mit der Bewilligung der Zahlungserleichterung liegen die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe – hier Uneinbringlichkeit der Geldforderung (§§ 459c Abs. 2, 459e Abs. 2 StPO) – nicht mehr vor, so dass die sofortige Freilassung des Verurteilten anzuordnen war.“

Warum „auf der Zunge zergehen lassen“ und warum „not amused“? Der Zeitablauf ist – im Hinblick auf das auf den 14.10.2015 notiert gewesene Strafende – m.E. schon bemerkenswert; als Kommentar wird jetzt wahrscheinlich kommen, dass der Verurteilte selbst ja auch eine Woche für die Beschwerde gebraucht hat. Und: Der Seitenhieb an die StA ist m.E. auch recht deutlich.

Sonntagswitz: Mal wieder zu Juristen…..

© Teamarbeit - Fotolia.com

© Teamarbeit – Fotolia.com

Ich war in der vergangenen Woche in Bremen. Damit stünden an sich „Bremen-Witze“ an, aber dazu habe ich so richtig nichts gefunden, also müssen mal wieder die Juristen herhalten. Und das sind dann – kann sein, dass ich den ein oder anderen schon mal hatte; dann bitte ich um Nachsicht (entnommen bei Prof. Dr. iur. Joachim Loeffler) :

Ein frommes Paar war auf dem Weg zum Standesamt, als ein tragischer Verkehrsunfall ihre Leben endete. Als sie nun in den Himmel kamen, fragten sie Petrus, ob er ihre Vermählung arrangieren könne. Sie hätten sich so auf ihre Hochzeit gefreut, so dass sie sich nichts sehnlicher wünschten, als ein Ehepaar zu werden. Petrus dachte einen Moment nach, willigte dann ein, und sagte dem Paar, sie müssten noch ein bisschen warten. Es vergingen danach fast ein hundert Jahre, bis Petrus sie wieder rufen ließ. Die beiden wurden in einer einfachen Zeremonie getraut. Zuerst waren die beiden glücklich, aber mit der Zeit erlosch die Liebe.
Etwa dreißig Jahre später waren sie sich einig, dass sie nicht die Ewigkeit miteinander verbringen wollten. Sie suchten Petrus auf und sagten: „Wir dachten, wir würden für immer glücklich sein, aber nun glauben wir, wir haben unüberbrückbare Differenzen. Gibt es eine Möglichkeit, uns scheiden zu lassen?
„Nehmt ihr mich auf den Arm?“ antwortete Petrus. „Ich brauchte hundert Jahre, um einen Priester nach hier oben zu bringen, damit ihr heiraten könnt. Es wird mir aber niemals gelingen, einen Anwalt hierher zu bekommen!


Der Richter zum Angeklagten: „Sie beleidigen die Würde des Gerichts! Weshalb erscheinen Sie in Frauenkleidern?“
Sagt der Angeklagte: „Sie sagten doch, in Sachen meiner Frau!“


Der Amtsrichter stolpert und und fällt über die Schwelle in den Sitzungssaal.
Sagt der Staatsanwalt:
„Bleib nur liegen, das Landgericht hebt Dich schon wieder auf.“


und dann war da noch der angehende Referendar,

der beim Examen gefragt wurde: „Was ist die Strafe für Bigamie?“
Erwidert der: „Zwei Schwiegermütter…“

Wochenspiegel für die 42. KW., das war Vorratsdatenspeicherung, die BRAK und beA, die DEVK und die Strafbarkeit von A. Merkel

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Aus der vergangenen Woche, die für mich kein so richtig beherrschendes Thema hatte, nun, vielleicht doch die Vorratsdatenspeicherung, berichte ich dann über/weise ich dann hin auf:

  1. Vorratsdatenspeicherung: Inhalte von SMS werden gespeichertGanz schwarzer Tag, Bundestag beschließt Vorratsdatenspeicherung, vgl. auch: Die Vorratsdatenspeicherung – immer aktuell, dazu dann auch: Datenhehlerei: Eine Anti-Whistleblower-Regelung,
  2. Stellungnahme: Die BRAK darf das beA eines Rechtsanwalts ab dem 01.01.2016 nicht ohne dessen Erstregistrierung empfangsbereit schalten
  3. mal nicht die ARAG, sondern die DEVK: Weisungen an den Verteidiger,
  4. VW-Skandal: Betroffene sollten handeln!,
  5. Schwarzwälder Bote: Über Robe, Respekt und was man drunter trägt,
  6. Die Beschlagnahme eines Gebäudes für Flüchtlinge,
  7. und dazu dann auch: Bundeskanzlerin Merkel hat sich nicht strafbar gemacht,
  8. Jog­ger auf­ge­passt: erhöhte Sorg­falts­an­for­de­run­gen beim Lau­fen in der Dun­kel­heit auf “Flickenteppich”,
  9. und dann war da noch: Rechtsanwalt mit Abitur.
  10. und dann noch in eigener Sache: Hauptverhandlung, 8. Auflage in „blutrot“ ist da!!!!

Auf die Unterschrift kommt es an: Immer schön ordentlich und nicht nur aufkleben ….

© Gina Sanders Fotolia.com

© Gina Sanders Fotolia.com

Auf die Unterschrift kommt es für dei Wirksamkeit sog. „bestimmender Schriftsätze“ an. Daher spielen die damit zusammenhängenden Fragen in der Praxis eine große Rolle und sind deshalb auch Entscheidungen des BGh zu diesem Themenkomplex von Interesse/Bedeutung. Auf zwei Entscheidungen will ich dann heute mal wieder hinweisen.

Das ist zunächst der BGH, Beschl. v. 09.07.2015 – V ZB 203/14. In ihm ging es um einen Schriftzug, der aus leicht bogenförmigen Strichen, die zueinander nahezu im rechten Winkel gesetzt worden waren, bestand: Das Berufungsgericht hatte gesagt: No go, weil es an individuellen Merkmalen vollständig fehlt. Der BGH sagt: Es reicht (nohc):

„Dem Schriftzug fehlt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht an der erforderlichen Individualität und der erkennbaren Absicht einer vollen Unterschriftsleistung.

aa) Das erste Element der Unterschrift beginnt rechts oben mit einem kleinen Haken und setzt sich als gekrümmte Linie nach links unten fort, wobei die Krümmung am unteren Ende zunimmt und mit einem erneuten Haken nach rechts endet. Aufgrund der Kenntnis des maschinenschriftlich mitgeteilten Na-mens lässt sich die Linie als vereinfachte Form des Buchstabens „W“ und damit des ersten Buchstabens des nur aus vier Buchstaben bestehenden Familien-namens von Rechtsanwalt W. deuten. Das zweite Element beginnt etwas hö-her als das Ende des ersten Elements mit einer kurzen Abwärtsbewegung und setzt sich mit deutlich kräftigerer Strichführung als beim ersten Element im We-sentlichen horizontal nach rechts fort und kann als Andeutung der übrigen Buchstaben verstanden werden. Dass diese Buchstaben nicht lesbar sind, ist für die Annahme einer wirksamen Unterschrift unerheblich.“

Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 27.09.2015 – III ZB 60/14. Da ging es um eine aufgeklebte Unterschrift, von der der BGH meint – so der Leitsatz der Entscheidung in Kurzfassung: No go. Hier dann die Langfassung:

„Die aus einem Blankoexemplar ausgeschnittene und auf die Telefax- Vorlage eines bestimmenden Schriftsatzes (hier: Berufungsschrift und Berufungsbegründung) geklebte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten einer Partei erfüllt nicht die an eine eigenhändige Unterschrift nach § 130 Nr. 6 i.V.m. § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5 ZPO zu stellenden Anforderungen.“

Also: Doch lieber immer schön ordentlich schreiben und nicht nur aufkleben ….

Die Email ist nun endgültig im Vereinsrecht angekommen ….

VereinsrechtDie Email ist nun wohl endgültig im Vereinsrecht angekommen, nachdem dann auch das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 24.09.2015 – 27 W 104/15 – die Zulässigkeit der Einladung zur Mitgliederversammlung durch Email anerkannt hat. Um die Frage hatten der Verein und der Rechtspfleger bei der Anmeldung von Satzungsänderungen gestritten. Das OLG Hamm hat sich ausdrücklich dem OLG Hamburg im OLG Hamburg, Beschl. v. 06.05.2013 – 2 W 35/13, RPfleger 2013, 457 f. angeschlossen und auf dessen Ausführungen Bezug genommen und selbst dann noch angefügt:.

a.) Die vorstehend dargelegten Grundsätze treffen auch auf den vorliegend zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt zu.

Zwecke einer Form können nicht losgelöst von den zu schützenden Interessen betrachtet werden (siehe hierzu Bundestagdrucksache, 14/4987, S.19). Genau wie in dem vorstehenden Sachverhalt auch, ist der Formzweck der vorliegenden Satzung – wie regelmäßig in einem derartig gelagerten Sachverhalt – darauf gerichtet, die Kenntnis der Mitglieder von der Anberaumung einer Mitgliederversammlung unter Angabe der Tagesordnung zu gewährleisten.

Nach Sinn und Zweck unterscheidet sich das vereinbarte Schriftformerfordernis damit bei einer Einladung der Vereinsmitglieder zu einer Mitgliederversammlung deutlich von einem vereinbarten Schriftformerfordernissen im Wirtschaftsleben. Im allgemeinen Wirtschaftsleben wird insbesondere wegen der Bedeutung bestimmter Erklärungen, wie bei der Kündigung eines Vertragsverhältnisses, durch das Schriftformerfordernis eine größere Rechtssicherheit angestrebt. Viele der Funktionen der Schriftform (siehe Bundestagsdrucksache 14/4987, Seite 16) sind bei der Einladung zu einer Mitgliederversammlung von jedenfalls gänzlich untergeordneter Bedeutung. Dies gilt namentlich für die dort genannte Abschluss-, Identifikations-, Echtheits- oder Warnfunktion.

So hat auch der beteiligte Verein in § 9 der Satzung hinsichtlich der Kündigung der Mitgliedschaft ausdrücklich vorgesehen, dass diese „schriftlich und eingeschrieben“ zu erfolgen hat. Hierdurch wird deutlich, dass der beteiligte Verein gerade auch in dem relevanten Bereich einer Beendigung der Mitgliedschaft auf eine erhöhte Rechtssicherheit, z. B. bezüglich der Rechtzeitigkeit der Kündigung, Wert gelegt hat.

b.) Hierbei stellt sich nicht einmal die Frage, ob das Erstellen einer formgültigen Urkunde oder nur der Zugang einer ansonsten formgültig erstellten Urkunde entbehrlich ist.

Aus den vom beteiligten Verein vorgelegten Urkunden ergibt sich, dass die Einladung nebst Satzung mit dem bisherigen Inhalt und den vorgesehenen Änderungen tatsächlich in Schriftform mit Unterschrift erstellt worden ist. Die Übermittlung ist an die E-Mail-Empfänger im Zuge der Einladung zur der Mitgliederversammlung erfolgt.

2.) Abweichende Ansichten werden – soweit ersichtlich – im Vereinsrecht zu dieser Frage in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht vertreten.

Das OLG Zweibrücken hat mit Beschluss – 3 W 149/12 – vom 04.03.2013 (abgedruckt in Rpfleger 2013, 537 ff) ausgeführt, dass in aller Regel die Einladung zu einer Mitgliederversammlung mittels E-Mail auch ohne elektronische Signatur ausreichend ist, wenn die Satzung eine schriftliche Einladung vorsieht.

Aus dem Beschluss des OLG Frankfurt – 20 W 326/09 – vom 17.11.2009 ergibt sich keine gegenteilige Auffassung für den vorliegend zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt. Gegenstand der dortigen Entscheidung war die Frage, ob eine Satzung zulässigerweise die Einberufung der Mitgliederversammlung in Textform vorschreiben kann. Dass eine Einladung mittels E-Mail für den Fall der Vereinbarung einer Ladung mittels Textform (jedenfalls) als rechtlich zulässig angesehen wird, stellt keine Auseinandersetzung mit der vorliegenden Problematik dar. Zu dem vorliegend maßgeblichen Sachverhalt hat das OLG Frankfurt insoweit (siehe juris Rn.5) in anderem Zusammenhang lediglich auf die zu dieser Frage verbreitet vertretenden Literaturansichten verwiesen.

Ich vertrete in meinem „Vereinsrecht, 9. Aufl.“ im Übrigen auch diese Auffassung. Dann kann sie ja nicht falsch sein 🙂 🙂 🙂 . Zu Bestellung dann hier 🙂 .