Archiv für den Monat: Dezember 2014

Kein „Dammbruch“ nach der Edathy-Entscheidung des BVerfG – und das ist gut so

© helmutvogler - Fotolia.com

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Von meinem „Urteilsdealer des Vertrauens“ – so nennt sich der Kollege Garcia selbst – bin ich auf den LG Regensburg, Beschl. v. 10.10.2014 – 2 Qs 41/14 hingewiesen worden. Der ist aufgrund einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Regensburg gegen die Ablehnung der Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung in einem Verfahren wegen des Verdacht des Erwerbs und Besitzes (anderer) kinder- oder jugendpornografischer Schriften gem. §§ 184b, c StGB ergangen.  Nach den Ergebnissen von Ermittlungen des BKA, der GStA Frankfurt am Main sowie der StA Regensburg bestand gegen den Beschuldigten der Verdacht, dass er am 29.07.2010 über die Internetseite www.a….de von der Fa. X die Bildserie „… PHOTOS“ zum Download gegen einen Kaufpreis von 6,95 US-Dollar (5,33 Euro) bezog hat. Er benutzte dabei seine Klarpersonalien, die E-Mailadresse „K…@…“ und seine Kreditkarte. Die Bildserie zeigt nackte Kinder, zählt aber nach Beurteilung aller drei Ermittlungsbehörden zu der so genannten „Kategorie II“ (nichtpornografische Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen)“. Die Fa. X vertrieb aber auch umfangreiches strafbares kinder- und jugendpornografisches Material („Kategorie I“).

Dem AG und auch dem LG reicht das für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung nicht aus:

Gegenwärtig erkennt die Kammer bereits keine Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine bestimmte Straftat begangen hat.

Erlaubtes Verhalten kann zwar nach der Überzeugung der Kammer bei der für die Beurteilung des Tatverdachts nötigen Gesamtabwägung durchaus im Einzelfall ein Indiz darstellen. Es kann jedoch für sich alleine genommen regelmäßig keine Grundlage für die Annahme einer für eine Wohnungsdurchsuchung ausreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 102 StPO sein.

Würde man nämlich – auch ggf. unter Beachtung kriminalistischer Erfahrungssätze oder sonstiger allgemeiner Überlegungen – alleine aus erlaubtem Verhalten die Wahrscheinlichkeit zusätzlichen verbotenen Tuns ableiten, so missachtete man die vom Gesetzgeber vorgegebene Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem6 und eröffnete die Möglichkeit von nahezu unbeschränkten Grundrechtseingriffen.

Häufig werden sich nämlich Korrelationen zwischen erlaubtem und verbotenem Handeln finden (oder konstruieren) lassen……

So mag es durchaus der kriminalistischen Erfahrung entsprechen, dass Drogenabhängige in ihrer Wohnung Betäubungsmittel im Sinne des BtMG vorrätig halten und zugleich neben ihrem Betäubungsmittelkonsum auch Alkohol missbrauchen. Dennoch darf aus einem übermäßigen Alkoholkonsum nicht der Tatverdacht eines unerlaubten Besitzes von Betäubungsmittel gezogen werden.

Ebenfalls finden sich im Haushalt von „Waffennarren“, die sich des Besitzes einer Waffe entgegen § 2 Abs. 1 oder 3 WaffG schuldig gemacht haben, nicht selten so genannte (erlaubte) Dekowaffen. Dennoch darf aus dem Erwerb einer solchen Dekowaffe nicht der Tatverdacht eines unerlaubten Besitzes von verbotenen Waffen gezogen werden.

Nichts anderes kann in den Fällen gelten, in welchen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Veranlagung handeln. Pädophil veranlagte Menschen haben sich diese Veranlagung nicht ausgewählt. Pädophilie lässt sich nach gegenwärtigem Wissenstand nicht heilen. Sie ist per se auch nicht strafrechtlich relevant.

Die derzeitige Gesetzeslage erlaubt es pädophil veranlagten Menschen, ihren Sexualtrieb durch Selbstbefriedigung7 auch mit Hilfe von Bildmaterial der so genannten „Kategorie II“ auszuleben.

Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht in dem Fall des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung als verfassungsgemäß beurteilt hat.

 Insoweit führte das Bundesverfassungsgericht nämlich gerade aus:

 „Soweit der Beschwerdeführer meint, die angegriffenen Beschlüsse gingen – weil derartige weitere Anhaltspunkte vorliegend nicht gegeben seien – von der Prämisse aus, dass ein Anfangsverdacht auch an ein ausschließlich legales Verhalten des Beschuldigten ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte anknüpfen könne, führt dies nicht zur Annahme der Verfassungsbeschwerde. Denn eine derartige Prämisse haben die Fachgerichte ihren Beschlüssen nicht zugrunde gelegt.“

 Damit sagt das Bundesverfassungsgericht folglich gerade nicht, dass ein Tatverdacht alleine aus straflosem Verhalten begründet werden könne.

Lesenswert, auch wegen des Umgangs des LG mit den von der StA angeführten Indizien, mit denen die StA einen für die Anordnung ausreichenden Tatverdacht begründen wollte.

Fazit: Wenn man also gedacht hatte, nach der Entscheidung des BVerfG im Fall Edathy (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.08.2014 – 2 BvR 969/14 und dazu Neues von Edathy: Niederlage in Karlsruhe beim BVerfG) würden dann jetzt in vergleichbaren Fällen alle Dämme brechen, der hat sich geirrt. Und das ist im Hinblick auf Art. 13 GG gut so. Und das bei einem bayerischen AG/LG. Wer hätte das gedacht….?

Das Kopfkissen bei der Vergewaltigung

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Die Rechtsprechung des BGH zum „gefährlichen Werkzeug“ ist umfang- und facettenreich. Eine neue Facette fügt der BGH, Beschl. v. o5.11.2014 – 1 StR 503/14 – bei, ergangen in einem Vergewaltigungsverfahren. Dort hatte der Angeklagte durch aus einem an sich „ungefährlichen Gegenstand“, einem Kopfkissen, durch die Art des  konkreten Einsatzes ein gefährliche Werkzeug gemacht und war dafür dann nach Auffassung des BGh zur Recht wegen besonders schwerer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verurteilt worden.

Der Schuldspruch der besonders schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist rechtsfehlerfrei. Indem der Angeklagte der 86 Jahre alten Geschädigten ein 80 x 80 cm großes Kopfkissen über mindestens eine Minute lang derart auf das Gesicht drückte, dass diese unter starker, quälender Atemnot und Todesangst litt, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand und infolge der Atemnot Einblutungen im gesamten Gesichtsbereich (u.a. den Lidinnen- und Bindehäuten und im Augenweiß) eintraten, hat er ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwendet.

Ein gefährliches Werkzeug in diesem Sinne wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur dann benutzt, wenn der Täter ein generell gefährliches Tatmittel einsetzt, sondern auch, wenn sich die objektive Gefährlichkeit des eingesetzten Gegenstandes erst aus der konkreten Art seiner Verwendung ergibt, die geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Werkzeug ist dabei jeder bewegliche Gegenstand, mit dem gleich auf welche Weise auf den Körper des Opfers eingewirkt werden kann. Die Gefährlichkeit des Tatmittels kann sich gerade daraus ergeben, dass ein Gegenstand bestimmungswidrig gebraucht wird. Damit ist gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ein beliebiger Gegenstand immer schon dann, wenn er – wie hier – seine objektive Gefährlichkeit durch die konkrete Art und Weise seiner (zweckwidrigen) Verwendung erhält (st. Rspr.; vgl. ausführlich dazu BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276 mwN).“

Und:

Zu Recht ist das Landgericht zudem im vorliegenden Fall von Tateinheit zwischen einer besonders schweren Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2a StGB und einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ausgegangen (vgl. Hörnle, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2009, § 177 Rn. 323). Der Unrechtsgehalt des potentiellen Gefährdungsdelikts in § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB geht nicht in dem Unrechtsgehalt von § 177 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2a StGB auf, so dass die Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz (vgl. Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 52 Rn. 2) für die Annahme von Tateinheit spricht (vgl. auch zum Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu § 250 Abs. 2 Nr. 3 StGB; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 – 2 StR 170/04, StraFo 2004, 396, und vom 12. August 2005 – 2 StR 317/05, NStZ 2006, 449).

Adventskalender Tür 15: Strafrechtsklausur in Reimen – was es nicht alles gibt

© Jan Engel - Fotolia.com

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Nun, die (Vor)Weihnachtszeit/Adventszeit lebt (auch) von Gedichten und Reimen. Und da gibt es eine Menge und es gibt auch einiges, bei dem man denkt: Was es nicht alles gibt? Nach dem gereimten Urteil des AG Höxter (vgl. Adventskalender Tür 10: Und noch ein Gedicht, bzw.: Da mache ich einen Reim drauf) habe ich dann zu der Thematik eben auch eine Strafrechtsklausur in Reimen. Irgendwo gefunden, leider ohne Quellenangabe abgelegt, die Quelle möge es mir bitte nachsehen. Ja, was es nicht alles gibt….

Es handelt sich um eine Strafrechtsklausur aus dem Wintersemester 2011/2012, die man hier findet: Strafrechtsklausur in Reimen. Ist wohl wirklich geschrieben worden, oder sitze ich einem Joke auf? 🙂 Wenn ja, ist er gut. Allerdings hat das Reimen nicht mehr als 5 Punkte gebracht und die abschließende Bewertung: „Insgesamt durchweg sehr oberflächlich/allg.“ Ja ok, mag sein. Aber wie soll man auch noch in die Tiefe gehen, wenn man reimt. Beides geht nicht. 🙂

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wer bezahlt mir nun eigentlich die 4-TB-Festplatte?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Na, das war mal ein „Gebühren-Rätsel“, unsere Frage vom vergangenen Freitag „Ich habe da mal eine Frage: Wer bezahlt mir nun eigentlich die 4-TB-Festplatte?„. Die hat in der Statistik, wenn ich es richtig gesehen habe, die bisher meisten Klicks 🙂 bei den Rätseln bekommen und auch die Anzahl der Kommentare war „nicht schlecht“. Scheint also ein Thema zu sein, das bewegt. Und ich denke, es wird demnächst wahrscheinlich auch die Rechtsprechung bewegen, denn die mit diesem Rätsel zusammenhängenden Fragen nehmen zu.

Zum Rätsel/zur Lösung: Nun, eine/die richtige Lösung habe ich nicht parat. Das habe ich dem Kollegen auch geschrieben. Natürlich denkt man zuerst/sofort an die „allgemeinen Geschäftskosten“, allerdings: Sind es allgemeine Geschäftskosten, wie das LG hier gemeint hat, oder sind es nicht wegen des besonderen Umfangs der Datenmenge „besondere Geschäftskosten“, die eben nicht durch die allgemeinen Gebühren abgedeckt sind? Und es hilft m.E. auch nicht das Aregument, den Inhalt des Festplatte auf DVD zu brennen, das verschiebt das Problem nur an eine andere Stelle, nämlich die Frage, ob dann nicht – auch (?) – die DVDs zu bezahlen sind? Und Papierausdruck? Nun, da wird sich der Bezirksrevisor aber freuen, wenn dann die Kosten geltend gemacht werden. Und die Diskussion über die „Notwendigkeit“ hatten wir ja gerade erst an anderer Stelle. Es ist m.E. auch nicht mit dem Argument geholfen, dass man ja die Festplatte wieder verwenden können: Kann man wirklich oder kann man nicht, weil die Festplatte ja zur Akte gehört und dort bleiben muss, auf jeden Fall so lange, wie die Akte aufbewahrt werden muss. Und danach ist dann wann?

Also alles Argumente, die in die demnächst zu erwartende Entscheidung einfließen und m.E. dazu führen müssten, dass die Justiz, die ja auch diese Datenmenge angehäuft und in das Verfahren eingeführt hat, die Kosten für die Anschaffung der Festplatte ersetzen muss. Und da es ja nichts gibt, was noch nicht bzw. ggf. im Ansatz entschieden ist: Ich habe den Kollegen auf den auf meiner HP eingestellten KG, Beschl. v. 24.11.2011 – 1 Ws 35/11 – hingewiesen. Der geht in die von mir skizzierte Richtung.

Akteneinsicht des Verletzten – nicht bei Aussage-gegen-Aussage und Vergewaltigungsvorwurf

© Gerhard Seybert - Fotolia.com

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M.E. ist es für den Verteidiger ein Alptraum, wenn der Verletzte vor seiner Vernehmung Akteneinsicht erhält. Und das vor allem, in schwierigen Verfahrenskonstellationen, also z.B. bei einem bestreitenden Mandanten und/oder einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. Da macht es „wenig Sinn“, den verletzten vorab schon mal in die Akten schauen zu lassen. Und als Verteidiger muss man bestrebt sein, das zu verhindern. Ansatzpunkt dafür ist § 406e StPO, der daher in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung hat. Nun, der Weg geht in diesen Fällen i.d.R. über § 406e Abs. 2 Satz 2 StPO. Das zeigt sehr schön der OLG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2014 – 1 Ws 110/14. Dem Angeklagten werden drei Vergewaltigungen vorgeworfen. Zwei der potentiellen Opfer sind Nebenkläger und wollen Akteneinsicht. Der Angeklagte räumt den Geschlechtsverkehr ein, behauptet aber „Einvernehmlichkeit“. Der Strafkammervorsitzende hat vollständige Akteneinsicht gewährt, das OLG hat sie weitgehend verweigert:

„Zwar steht beiden Nebenklägerinnen grundsätzlich nach § 406e Abs. 1 Satz 1 StPO über ihren Rechtsanwalt auch ohne Darlegung eines berechtigten Interesses Aktensicht zu (vgl. § 406e Abs. 1 Satz 2 StPO). Dieses Recht war hier indes in weiten Teilen nach § 406e Abs. 2 Satz 2 StPO zu versagen. Hiernach kann die Akteneinsicht des Berechtigten versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Verfahren, gefährdet erscheint.

a)Der Untersuchungszweck im Sinne dieses gesetzlichen Versagungsgrundes ist gefährdet, wenn durch die Aktenkenntnis des Verletzten eine Beeinträchtigung der gerichtlichen Sachaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) zu besorgen ist (vgl. nur BT-Drucks. 10/5305, S. 18). Zwar steht den mit der Sache befassten Gerichten hierbei ein weiter Entscheidungsspielraum zu (vgl. nur BGH, vom 11. Januar 2005 -1 StR 498/04, NJW 2005, 1519, 1520). Die durch das Akteneinsichtsrecht des Verletzten stets begründete Gefahr einer anhand des Akteninhalts präparierten Zeugenaussage (zu hierin liegenden Gefahren etwa Schwenn, StV 2010, 705, 708; BeckOK-StPO/Eschelbach, 18. Ed., § 261 Rn. 55.3), reicht – entgegen anderer Stimmen im Schrifttum (vgl. Schlothauer, StV 1987, 356, 357 m.w.N.; Riedel/Wallau, NStZ 2003, 393, 397) – für sich zur Versagung aber nicht aus (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Mai 1988 – 2 VAs 3/88, StV 1988, 332, 334; Hilger, a.a.O.; vgl. ferner BT-Drucks. 10/5305, S. 18). Für die Prüfung der – abstrakten (vgl. nur Hilger, a.a.O., § 406e Rn. 12 f.; SSW-StPO/Schöch, § 406e Rn. 12) – Gefährdung des Untersuchungszwecks ist vielmehr eine Würdigung der Verfahrens- und Rechtslage im Einzelfall vorzunehmen (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; Hilger, a.a.O. Rn. 13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 406e Rn. 6a).

b)Eine diesen Maßgaben verpflichtete Entscheidung führt hier wegen einer Reduzierung des gerichtlichen Ermessens auf Null zu einer weitgehenden Versagung der begehrten Akteneinsicht. Eine umfassende Einsicht in die Verfahrensakten ist dem Verletzten in aller Regel in solchen Konstellationen zu versagen, in denen seine Angaben zum Kerngeschehen von der Einlassung des Angeklagten abweichen und eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorliegt.

aa) Die Beweiskonstellation von Aussage-gegen-Aussage erfährt ihr Gepräge durch eine Abweichung der Tatschilderung des Zeugen von der eines Angeklagten, ohne dass ergänzend auf weitere unmittelbar tatbezogene Beweismittel, etwa belastende Indizien wie Zeugenaussagen über Geräusche oder Verletzungsbilder zurückgegriffen werden kann (vgl. nur Sander, StV 2000, 45, 46; ders. in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 261 Rn. 83d m.w.N.; Schmandt, StraFo 2010, 446, 44 m.w.N.). Dieselbe Verfahrenskonstellation ist allerdings auch gegeben, wenn der Angeklagte selbst keine eigenen Angaben zum Tatvorwurf macht, sondern sich durch Schweigen verteidigt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ, 2013, 180, 181; ferner Sander, a.a.O.; Schmandt, a.a.O., m.w.N.).

So liegt es hier. Beide Nebenklägerinnen haben jeweils gewaltsam, gegen ihren Willen durchgeführte sexuelle Handlungen des Angeklagten beschrieben. Der Angeklagte hingegen hat sich wiederholt dahin eingelassen, dass es zuvor jeweils Flirtkontakte gegeben habe und erst sodann und einverständlich intim verkehrt worden sei. Die Aussageinhalte betreffen erkennbar auch das Kerngeschehen beider angeklagten Taten. Ihr besonderes Gepräge verliert diese Beweiskonstellation auch nicht etwa deshalb, weil die Nebenklägerin C unbekleidet im Lokal „Die Drossel“ erschienen war und um Verständigung der Polizei gebeten hatte. Dies ist zwar eine bestimmende Beweistatsache; sie lässt allerdings für sich keine unmittelbaren Schlüsse auf den zur Tatzeit entgegen stehenden Willen der Nebenklägerin zu.

bb) In diesen Fällen ist das gerichtliche Ermessen grundsätzlich auf Null reduziert. Eine unbeschränkte Akteneinsicht des Verletzten ist hier mit der gerichtlichen Pflicht zur bestmöglichen Sachaufklärung unvereinbar.“