Archiv für den Monat: Juli 2014

Unfallmanipulation – die Indizienkette des OLG Köln

entnommen wikimedia.org Author Harald Wolfgang Schmidt at de.wikipedia

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Unfallmanipulation bzw. fingierte Unfälle waren hier ja schon häufiger Thema (vgl. z.B. Unfallmanipulation – wann? zum OLG Köln, Urt .v . 12.04.2013 – 19 U 96/12 weiteren Verweisen). Vor einigen Tagen bin ich dann auf eine weitere Entscheidung gestoßen, und zwar auf das OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013 – 19 U 78/13, das sich (noch einmal) mit den damit zusammenhängenden Fragen auseinandersetzt. Das OLG Köln stellt eine Indizienkette fest, die die Annahme, dass es sich bei dem Unfallgeschehen, das Gegenstand der Klage war, um einen fingierten Unfall gehandelt hat, stützt. das OLG argumentiert wie folgt:

Bei Häufung von Anzeichen, die auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Rechtsgutverletzung mit Einwilligung des Verletzten erfolgte und der Verkehrsunfall manipuliert, mithin nur vorgetäuscht war. Solche Anzeichen sind:

  • vier Unfälle desselben Fahrzeugführers im Abstand von nur wenigen Monaten,
  • Leichte Auffahr- bzw. Ein- oder Ausparkunfälle ohne Personenschäden und ohne unmittelbare Zeugen mit nicht nachvollziehbarer Einschaltung der Polizei,
  • die am Unfall beteiligten geschädigten Fahrzeuge sind im Vergleich zum Schädigerfahrzeug höherwertig. Dafür spricht insbesondere, dass das schädigende Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits 16 Jahre alt war,
  • an den Unfällen waren auf beiden Seiten Personen aus derselben Region in Italien beteiligt, was kein Zufall sein kann,
  • teilweise Inkompatibilität der Schäden.

Ich habe da mal eine Frage: Werden Scans von Akten nicht mehr bezahlt?

© AllebaziB - Fotolia.com

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Im Moment habe ich – gefühlt – mehr Anfragen zu Auslagen als sonst. Womit das zusammen hängt, kann ich nicht sagen, aber die Fragen nach der Erstattung von Kopien und anderen Auslagen häufen sich derzeit. Eine besondere Rolle spielt dabei die Frage, ob es eigentlich nicht (mehr) bezahlt/vergütet wird, wenn der Rechtsanwalt/Verteidiger Akten(teile) einscannt. Kollegen berichten über Schwierigkeiten, die sie dabei sonst nicht gehabt haben.

Die Frage scheint, da sie häufig(er) gestellt wird, von allgemeiner Bedeutung zu sein, so dass ich sie heute auch hier zur Diskussion stelle. Also schon wieder etwas zu Kopien ua., nachdem wir gerade erst in der vergangenen Woche dazu diskutiert haben (vgl. Ich habe da mal eine Frage: Aktendoppel für den Mandanten, zulässig ja oder nein? und die Antwort: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Aktendoppel für den Mandanten, zulässig ja oder nein?). Ich bitte um Nachsicht, aber die Praxis bestimmt den Inhalt dieser Rubrik/Kategorie.

Einreise mit 395.000 € Bargeld – spricht für Geldwäsche

© Smileus - Fotolia

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U.a. gegen den Beschuldigten war ein Verfahren wegen Geldwäscheverdachts (?) anhängig. Der Beschuldigte und Mitreisende waren in die Bundesrepublik eingereist, ohne dabei mitgeführte 395.000 € Bargeld anzumelden. Diese wurden sicher gestellt. das Das Verfahren ist dann allerdings eingestellt worden. Wegen der Sicherstrellung wurde Entschädigung nach dem StrEG verlangt. Die ist im LG Dortmund, Beschl. v. 08.05.2014 – 36 Qs 32/14 unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 StrEG verwehrt worden.

„…Grob fahrlässig handelt dabei auch, wer nicht bedenkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste oder wer ein jeglichen Regeln über das Verhalten eines ordentlichen Kaufmannes widersprechendes Geschäftsgebaren zeigt (Meyer-Goßner, a.a.O.. m. w. N.).

Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt stellt sich das Verhalten des Beschwerdeführers und seiner Mitreisenden als grob fahrlässig dar. Denn alle drei verabsäumten es vorab nach § 12a ZolIVG die bei sich geführten Bargeldmittel ordnungsgemäß vor der Einreise anzumelden. Auch wurden die Geldmittel nicht unverzüglich nach dem Anhalten auf der Autobahn gegenüber den Beamten offen gelegt, sondern wurden erst im Rahmen einer Durchsuchung bei diesen sichergestellt bzw. auf Nachfrage offengelegt. Auch trugen alle 3 die Geldbeträge in speziellen Westen direkt am Körper.

Wer sich so bei der Einreise mit solch hohen Bargeldmengen geriert, dem muss entgegengehalten werden, dass er damit grob fahrlässig die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Geldwäsche provoziert. Sie haben damit jedenfalls einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung eines dringenden Tatverdachts wegen Geldwäsche geleistet (vgl. BVerfG, Beschluss v. 12.09.1995 – 2 BvR 2475/94, 1049, 1050).

Eine Strafverfolgungsentschädigung ist in solchen Fällen ausgeschlossen. Es ist dabei auch unerheblich, ob der Beschwerdeführer und seine Mitreisenden darüber hinaus keine eigenen weiteren Andeutungen gemacht haben, dass das Geld aus einer illegalen Quelle stammen könnte, da ihr Verhalten schon einen entsprechenden Schein gesetzt hatte.

Dass die Sicherstellung nicht wegen eines Verstoßes gegen das ZolIVG erfolgte, ist dabei völlig unerheblich, da der Verstoß gegen dieses jedenfalls in die allgemeine Beurteilung der Umstände zum Zeitpunkt der Sicherstellung einfließen muss…“

 

Bewährungswiderruf 54 (!!) Monate nach Ende der Bewährungszeit – geht „natürlich nicht“

Gesicht ärgerlichDie Frage: „Bewährungswiderruf 54 (!!) Monate nach Ende der Bewährungszeit – geht das?“ stellen, heißt: Sie verneinen. Nein, das geht natürlich nicht – und ich schreibe bewusst natürlich. Denn wenn man den sich mit dieser Frage befassenden KG, Beschl. v. 22.01.2014 – 2 Ws 17/14 – mit dem Leitsatz:

Eine Strafaussetzung kann nach Ablauf der Bewährungszeit nicht mehr widerrufen werden, wenn durch das fehlerhaft betriebene Widerrufsverfahren ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der dem Widerruf entgegensteht. Dies ist der Fall, wenn die Strafaussetzung erst etwa 54 Monate nach dem Ende der Bewährungszeit und über zwei Jahre nach Rechtskraft der Anlassverurteilung widerrufen wurde, obwohl dies früher möglich gewesen wäre.

liest, dann kann man m.E. nur mit „natürlich nicht“ formulieren.

Das das KG „angefressen“ war über die Behandlung der Sache beim AG Tiergarten und/oder bei StA kann man m.E. unschwer den Formulierungen/ Wendungen im Beschluss entnehmen, wenn es dort u.a. heißt – man kann es sich „auf der Zunge zergehen lassen“:

„Zu einem aus der Akte nicht ersichtlichen Zeitpunkt – wohl im Jahre 2009 – wurde diese vom Amtsgericht versandt und später beim Landgericht Berlin als Beiakte zu dem Verfahren – (522) 1 Kap Js 1228/09 Ks (18/09) – geführt….

Ausweislich eines Rechtspflegervermerks gelangten sie erst am 9. März 2011 zur Staatsanwaltschaft zurück. Dort fiel immerhin auf, dass die Entscheidung über den Straferlass noch nicht getroffen worden war, weshalb darum gebeten wurde, diese nunmehr (etwa zwei Jahre nach Ablauf der Bewährungszeit) nachzuholen.

Doch auch diese Anregung führte nicht zu einer sachgemäßen Bearbeitung des Verfahrens durch das Amtsgericht Tiergarten, wo zunächst zudem „unentdeckt“ blieb, dass längst nicht mehr das ursprüngliche Urteil vom 13. Januar 2005 Grundlage der Bewährungsüberwachung war, sondern der (eigene) nachträgliche Beschluss vom 11. April 2006…..

Obwohl die Akten nun ausweislich des oben erwähnten Rechtspflegervermerks „wieder aufgetaucht“ waren und auf Anforderung der Staatsanwaltschaft am 28. April 2011 auch eine Ausfertigung des (nicht rechtskräftigen) Urteils vom 21. Dezember 2010 zur Akte gelangte, geschah – für den Verurteilten erkennbar – nichts. Zwar hatte die staatsanwaltliche Dezernentin – völlig zutreffend – am 16. Mai 2011 angeregt, nunmehr den Verurteilten darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf das noch laufende Revisionsverfahren auch ein Widerruf der Strafaussetzung in Betracht komme, doch wurde diese Anregung durch das Amtsgericht nicht umgesetzt, weil es zunächst weiterhin davon ausging, dass die Bewährungszeit bereits am 12. Januar 2008 geendet hatte. Erst nach einer Anfrage bei der Staatsanwaltschaft unternahm der zuständige Amtsrichter am 16. Juni 2011 einen ersten Anlauf, den Verurteilten (und seine frühere Pflichtverteidigerin) darauf hinzuweisen, dass er weiterhin mit dem Widerruf der Bewährung zu rechnen habe. Die Nachricht erreichte den Verurteilten jedoch nicht, weil sie ihm nicht in die Untersuchungshaftanstalt gesandt worden war, wo er sich seit dem 21. Juni 2009 aufhielt, was sich dem Urteil vom 21. Dezember 2010 unschwer hätte entnehmen lassen. Erst die Rücksendung des Schreibens durch die Postzustellungsfirma am 28. Juni 2011 führte beim Amtsgericht zu der nahe liegenden Überlegung, dass ein (nicht rechtskräftig) zu neun Jahren Freiheitsentzug verurteilter Mann in Berlin mit hoher Wahrscheinlichkeit in der JVA-Moabit aufzufinden sein dürfte, was sodann durch eine telefonische Nachfrage insoweit seine Bestätigung fand, als der Verurteilte sich zu dieser Zeit im Haftkrankenhaus aufhielt. Doch auch dieser Umstand wurde – soweit aktenkundig – nicht zum Anlass genommen, den Verurteilten nunmehr über die fortbestehende Möglichkeit des Bewährungswiderrufs zu informieren…….

Nichts dergleichen wurden indessen von der Staatsanwaltschaft beantragt oder vom Amtsgericht in Angriff genommen. Dafür gab es keinen sachlichen und somit auch keinen dem Verurteilten erkennbaren Grund. ….

Erst am 5. November 2013 erkannte das Amtsgericht Tiergarten seine Unzuständigkeit im Hinblick auf die laufende Strafvollstreckung (§ 462a Abs. 1 StPO) und verwies die Sache zur Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer, die etwa 54 Monate nach dem Ende der Bewährungszeit die angefochtene Entscheidung erließ, obwohl sie bereits problemlos etwa zwei Jahre früher durch das Amtsgericht Tiergarten hätte getroffen werden können.“

Hätte ich als AG-Richter/StVK/StA nicht lesen wollen.

Nicht Rosen, sondern eine (leichte) Klatsche für die Staatsanwaltschaft

entnommen openclipart.org

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Konsequent ist er ja schon, der BGH, wenigstens manchmal. Denn er rüffelt auch – zumindest versteckt – die Statsanwaltschaft/den GBA, wenn es erforderlich ist und betet deren Fehler nicht unbedingt gesund. So jedenfalls im BGH, Urt. v. 05.06.2014 – 4 StR 59/14. Da hatte die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren wegen des Vorwurfs des versuchten sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu Ungusten des Angeklagten Revision eingelegt. Gestritten wird dann um die Frage, ob das Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt ist. Das hat der BGH – entgegen der Auffassung der StA/des GBA – bejaht.

1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Die Beschwerdeführerin beantragt zwar, das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben (§ 344 Abs. 1 StPO); der Senat versteht die maßgebliche Revisionsbegründung jedoch dahin, dass nicht der Schuldspruch angefochten sein soll, sondern nur der Strafausspruch. Mit ihren Einzelbeanstandungen wendet sich die Rechtsmittelführerin lediglich gegen die Strafzumessung (vgl. Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 9 mwN); der abschließende Satz,  dass sich „noch die Frage (stelle), ob bei dem festgestellten Sachverhalt die Strafe nicht den §§ 177 Abs. 1, 22, 23 StGB hätte entnommen werden müssen“, führt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Terminszuschrift zu keinem anderen Ergebnis. In der Hauptverhandlung vom 23. August 2013 hat die Strafkammer nämlich „auf Antrag“ der Staatsanwalt-schaft die Strafverfolgung nach § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den – später ausgeurteilten – Vorwurf des (versuchten) sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person beschränkt. Mit einem Antrag auf Wiedereinbeziehung gemäß § 154a Abs. 3 Satz 2 StPO in der Revisionsinstanz könnte die Staatsanwaltschaft die das Verfahren abschließende Entscheidung über ihr Rechtsmittel nicht hindern (vgl. BGH, Urteile vom 3. Oktober 1967 – 1 StR 355/67, BGHSt 21, 326, 328 ff., vom 28. Februar 1984 – 1 StR 870/83, NJW 1984, 1365, und vom 11. Januar 2000 – 1 StR 505/99 unter Ziff. I.3).“

Und dann: „Ergänzend bemerkt der Senat, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, sich aus Antrag und Begründung das Ziel des Rechtsmittels ohne weiteres klar ergeben sollte (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV).“

Klatsch, das war es, eine – zumindest leichte – Klatsche. Im Übrigen auch für den Verteidiger interessant. Denn die Entscheidung macht noch einmal deutlich, dass dann, wenn die Sachrüge ausgeführt wird, man darauf achten muss, dass man damit dann nicht (ungewollt) eine Bescshränkung der Revision (oder auch Berufung) herbeiführt. Das kann z.B. passieren, wenn nur zur Strafzumessung ausgeführt wird.