Archiv für den Monat: September 2013

Sache ist „im Drange der Geschäfte“ „leider einige Zeit liegengeblieben“. Ist das „die justizförmige Abwicklung eines Widerrufsverfahrens?

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Folgender Zeitablauf:

  • Das AG Oberhausen verurteilte den am 06.10.2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung das AG zur Bewährung aussetzte. Bewährungszeit vier Jahre.
  • Am 11. 11.2010 verurteilte das AG Oberhausen den Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Das Urteil ist seit dem 27.05.2011 rechtskräftig, nachdem der Verurteilte seine hiergegen eingelegte Berufung zurückgenommen hatte.
  • Unter dem 04.06.2011 stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag, diegewährte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Mit einem mit einfachem Brief versandten Anschreiben vom 26.07.2011 gab das AG dem Verurteilten Gelegenheit, zu dem Widerrufsantrag Stellung zu nehmen.
  • Nachdem der Verurteilte am 08.08.2011 zum Zwecke der Vollstreckung der durch das Urteil vom 11.11.2010 verhängten Freiheitsstrafe in die JVA C aufgenommen worden war, leitete das AG das Bewährungsheft zuständigkeitshalber an das LG Bielefeld – Strafvollstreckungskammer – weiter. Die Strafvollstreckungskammer gab den Verurteilten mit Anschreiben vom 16.09.2011 Gelegenheit, zu dem Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen.
  • Mit Schriftsatz vom 14.10.2011 bestellte sich Rechtsanwalt B in L zum Verteidiger des Verurteilten und bat um die Gewährung von Akteneinsicht. In der Folgezeit blieb die Strafvollstreckungskammer indes untätig. Mit Schriftsatz vom 16. 11..2011 erinnerte der Verteidiger an sein Akteneinsichtsgesuch. Die Strafvollstreckungskammer blieb indes auch weiterhin untätig. Mehrere Sachstandsanfragen der Staatsanwaltschaft und des Bewährungshelfers blieben unbeantwortet.
  • Mit Schreiben vom 29.05.2012 teilte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer der Staatsanwaltschaft und dem Bewährungshelfer mit, die Sache sei „im Drange der Geschäfte“ „leider einige Zeit liegengeblieben“, vor einer Entscheidung müsse aber noch dem Verteidiger Akteneinsicht gewährt werden. Der Verteidiger erhielt daraufhin auch Akteneinsicht in das Bewährungsheft und gab dieses am 18. 06.-2012 an die Strafvollstreckungskammer zurück.
  • Mit Schreiben vom 19. 07.2012 wies die Strafvollstreckungskammer den Verteidiger darauf hin, dass bislang keine Stellungnahme des Verurteilten oder des Verteidigers zu dem Widerrufsantrag eingegangen sei, und teilte ihm mit, dass sie, falls innerhalb einer Frist von drei Wochen keine Stellungnahme eingehe, davon ausgehe, dass die Abgabe einer solchen Stellungnahme nicht mehr beabsichtigt sei. Eine Stellungnahme des Verurteilten oder seines Verteidigers gelangte in der Folgzeit nicht zu den Akten.
  • Auch die Strafvollstreckungskammer blieb zunächst untätig, bis sie dann mit Beschluss vom 07.12.2012 die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrief.

Dagegen dann die Beschwerde des Verurteilten, der sich aucf „Vertrauensschutz“ berufen hat. Und das OLG Hamm sagt im OLG Hamm, Beschl. v. 29.05.2013, 3 Ws 126/13: Ist nichts mit Vertrauensschutz, denn:

„2. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes steht dem Widerruf nicht entgegen. Das Widerrufsverfahren ist zeitnah nach dem Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung vom 11. November 2010 eingeleitet worden. Der Verurteilte ist durch Schreiben des Amtsgerichts Oberhausen vom 26. Juli 2011 und der Strafvollstreckungskammer in Bielefeld vom 16. September 2011 auf den drohenden Widerruf der Strafaussetzung hingewiesen worden. Durch die Einsichtnahme in das Bewährungsheft im Juni 2012 und dann noch einmal durch das Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 19. Juli 2012 erhielt der Verteidiger davon Kenntnis, dass die Strafvollstreckungskammer das Widerrufsverfahren weiter voranzutreiben beabsichtigte. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten darauf entstehen, dass ein Widerruf der Strafaussetzung unterbleiben würde. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung derart ungebührlich lange hinausgezögert worden wäre, dass der Verurteilte mit einem Widerruf nicht mehr zu rechnen brauchte (vgl. OLG Hamm, NStZ 1984, 362). Dies ist hier nicht der Fall. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Verurteilte hier zum einen bereits ausdrücklich über die Einleitung des Widerrufsverfahrens informiert worden war und zum anderen die Bewährungszeit während der Dauer des Widerrufsverfahrens noch nicht abgelaufen war. In einer solchen Sachverhaltskonstellation sind höhere Anforderungen an die Bejahung eines schutzwürdigen Vertrauens zu stellen als in Fällen, in denen ein Widerrufsverfahren zunächst überhaupt nicht eingeleitet wurde und/oder die Bewährungszeit zum Zeitpunkt des Widerrufes bereits abgelaufen war. Darüber hinaus ist auch abzuwägen zwischen dem Zeitablauf einerseits und dem Gewicht der innerhalb der Bewährungszeit begangenen neuen Straftat – hier immerhin eine Beihilfe zur räuberischen Erpressung – und der für sie verhängten Strafe andererseits (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Gemessen an diesen Maßstäben, war die Untätigkeit der Strafvollstreckungskammer zwischen September 2011 und Juni/Juli 2012 (noch) nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten in das Unterbleiben des Widerrufes zu begründen. Gleiches gilt für den Zeitraum zwischen Juli 2012 und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses. Der Verurteilte musste sich nach der Sachlage vielmehr sagen, dass sich lediglich die justizförmige Abwicklung des bereits eingeleiteten Widerrufsverfahrens – aus welchen Gründen auch immer – nochmals verzögerte.“

M.E. hätte man mit guten Gründen – offenbar war keine weitere Verurteilung in der Welt – verlängern können. Denn: Muss der Verurteilte sich hier „nach der Sachlage [vielmehr] sagen, dass sich lediglich die justizförmige Abwicklung des bereits eingeleiteten Widerrufsverfahrens – aus welchen Gründen auch immer – nochmals verzögerte„? Ist der Verfahrensablauf „justizförmige Abwicklung des bereits eingeleiteten Widerrufsverfahrens“? Ich wage das zu bezweifeln.

„Ich bin prominent, ich muss in ein Einzelseminar…“

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Prominent, nicht prominent, bzw. wie prominent war der Antragesteller im Verfahren, das zu dem VGH Hessen, Beschl. v. 25. 6. 2013 – 2 B 1294/13 – geführt hat. Er ist jedenfalls davon ausgegangen, dass er so prominent ist, dass die Fahrerlaubnisbehörde,die ihm aufgegeben hatte, an einem Aufbauseminar zum Punkteabbau teilzunehmen,  verpflichtet sei, ihm eine Einzelseminarerlaubnis im Rahmen einer Ausnahme von den Bestimmungen des § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG zu erteilen (§ 4 Abs. 8 Satz 2 StVG) . Das hatte schon das VG abgelehnt. Der BGH Hessen hat das bestätigt. Die Begründung lässt sich zusammen mit: So prominent ( was ist das überhaupt) bist du nun nicht und auch die anderen Gründen – zeitliche Belastung – führen nicht zu einer Sonderbehandlung.

„Nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG stellt es den gesetzlichen Regelfall dar, dass die Teilnehmer an Aufbauseminaren durch Mitwirkung an Gruppengesprächen und an einer Fahrprobe veranlasst werden, Mängel in ihrer Einstellung zum Straßenverkehr und im verkehrssicheren Verhalten zu erkennen und abzubauen. Den Ausführungsvorschriften in §§ 42, 35 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – ist ebenso wie der bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Gesetzesbegründung zur entsprechenden Regelung des § 2b StVG (BT-Ds 13/6914, S. 67) zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber die Gruppensituation zur Erreichung des Ziels der Verbesserung problematischen Verkehrsverhaltens wichtig ist. Die Gruppensituation zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass Gespräche, Verhaltensbeobachtung in der Fahrprobe und Analyse problematischer Verkehrssituationen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 FeV) ermöglicht werden, andererseits die Gruppengröße mit sechs bis zwölf Teilnehmern überschaubar bleibt (siehe § 35 Abs. 1 Satz 1 FeV). Deshalb ist es ermessensfehlerfrei, die Teilnahme an einem Einzelseminar nur dann zu gestatten, wenn dem Betroffenen aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation ein Gruppenseminar nicht zumutbar ist (z.B. in einer psychischen Krise) oder wenn die besondere persönliche Situation etwa durch Prominenz befürchten lässt, dass die Aufmerksamkeit der Teilnehmer sich in erster Linie auf die prominente Person statt auf das Seminarziel richtet (siehe Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 4 StVG Rn. 54).

Diese Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Einzelseminar liegen hier nicht vor. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die berufliche Stellung des Antragstellers als für Personal- und Infrastrukturleistungen zuständiges Mitglied des Vorstandes der X dahin gewertet, dass der Antragsteller nicht prominent in dem Sinne ist, dass die Aufmerksamkeit der anderen Gruppenmitglieder sich eher auf ihn als auf den Inhalt des Seminars richten würde. Der Senat teilt die Bewertung des Verwaltungsgerichts. Einzelne Vorstandsmitglieder einer Untergesellschaft der Y AG dürften der Öffentlichkeit nicht bekannt sein.

Ermessensfehlerfrei können Fahrerlaubnisbehörden demgegenüber davon ausgehen, dass beruflich bedingte zeitliche Belastungen, Zeitmangel aus sonstigem Grund oder eine finanzielle Belastung des Betroffenen keinen Anlass für die Gestattung der Teilnahme an einem Einzelseminar darstellen können (Dauer, a.a.O.). Die Erreichung des Seminarziels und damit letztlich die Verkehrssicherheit erfordern, dass auch beruflich stark eingespannte Verkehrsteilnehmer sich die Zeit nehmen, zur Verbesserung ihres Verkehrsverhaltens in dem vom Gesetzgeber regelmäßig vorgesehenen Umfang Gruppenseminare zu besuchen.

Bereits das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht seinen Beschluss allein tragend damit begründet, dass der Antragsteller sein Begehren nicht auf die geltend gemachte Arbeitsbelastung stützen kann (S. 4 Beschlussabdruck, 2. Absatz). Die Einwände der Beschwerde gegen die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der zeitlichen Beanspruchung des Antragstellers sind deshalb unerheblich.“

Logbucheintrag IV vom 12.09.2013 – Island/Reykjavik – Ausflugstag mit ganz viel Landschaft

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Logbucheintrag IV vom 12.09.2013 – Island/Reykjavik. Heute nach zwei Tagen auf See (dem Orkan sei Dank) wieder Landgang auf Island/in Reykjavik. Hier wird – hoffentlich – ein von zu Hause georderter – Pkw bereitstehen. Wenn es klappt, nochmals ein Hoch dem Internet. Allerdings: Man wird der Fülle nicht entgehen. denn dahin, wohin wir wollen, fahren viele andere – mit dem Bus – auch. Wird also ganz schön voll werden, obwohl wir antizyklisch fahren wollen. Aber für einen ersten Eindruck wird es reichen und dann kann man entscheiden, ob man noch einmal wiederkommt. Wenn es leerer ist. 🙂 ;-).

Und wer sehen will, wie das Wetter auf Island/in Reykjavik ist: Hier geht es zu den Wetterkameras :-).

Zwar nicht belehrt, aber darauf beruht das Urteil hier nicht – BGH arbeitet BVerfG auf

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Im Moment arbeitet der BGH die „Verständigungsentscheidung“ des BVerfG vom 19.03.2013 ab (vgl dazu hier Da ist die Entscheidung aus Karlsruhe: Die genehmigte Verständigung, der verbotene Deal). Nach dem BVerfG-Urteil hat er in verschiedenen Entscheidungen zur Umsetzung der Auffassung des BVerfG Stellung genommen, und zwar u.a.:

In die Reihe gehört nun auch der BGH, Beschl. v. 07.08.2013 – 5 StR 253/13, der sich noch einmal mit den Belehrungsfragen befasst. In dem Verfahren war es zu einer Verständigung gekommen. Der Vorsitzende hat aber nicht unmittelbar im Zusammenhang damit, sondern erst später nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt. Der BGH sieht das als einen Verfahrensverstoß, der auch nicht durch die spätere Belehrung geheilt worden sei. Eine Heilung des Verstoßes hätte nach Auffassung des BGH ei­ne rechtsfehlerfreie Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnitts vorausgesetzt. Dafür hätte es ei­nes ausdrücklichen Hinweises auf den Fehler und auf die daraus folgende gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung des Angeklagten bedurft sowie einer Nachholung der versäumten Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO und der erneuten Einholung einer nunmehr verbindlichen Zustimmungserklärung des Angeklagten zur Verständigung.

Aber: Zwar ein Fehler, das Urteil beruht darauf nach Auffassung des BGH jedoch nicht. Insoweit macht der BGH eine Ausnahme von der BVerfG-Entscheidung v. 19.03.2013, die in den Fällen des Fehlens der Belehrung davon ausgeht, dass das Urteil darauf i.d.R. beruht. Begründung:

bb) Indes ist hier anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen, in denen eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO gänzlich fehlte, eine solche, wenngleich verspätet, vor Ablegung des Geständnisses erfolgt, und zwar unmittelbar nach der allseitigen Zustimmung zum gerichtlichen Verständigungsvorschlag. Dadurch war der Angeklagte über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelten Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts vom in Aussicht gestellten Ergebnis unterrichtet. In Kenntnis dieses Umstands hat er das in das Urteil eingeflossene Geständnis abgelegt, und zwar nach einer ihm verbleibenden weiteren Überlegungsfrist von einer Woche. Er stand durchgehend im Beistand seines – notwendigen – Verteidigers. Dieser hatte die Verständigung selbst initiiert. An der Gestaltung des Geständnisses hat der Verteidiger – ersichtlich im Einvernehmen mit dem Angeklagten – durch die von ihm gefertigte Verteidigerschrift wesentlich mitgewirkt. Bei alledem ist eine die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten berührende Drucksituation auszuschließen. Im Übrigen liegt denkbar fern, dass der Verteidiger die Initiative zur Verständigung ohne Information seines Mandanten über deren Konsequenzen ergriffen hätte.

cc) Unter diesen besonderen Umständen ist davon auszugehen, dass der Angeklagte, bevor er seine Mitwirkungshandlungen vornahm, vollen Umfangs über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert war und autonom darüber entscheiden konnte, ob er von seiner Freiheit, an seiner bisherigen Einlassung festzuhalten und gegebenenfalls darüber hin-aus die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen wollte (vgl. BVerfG aaO, Rn. 125 f.). Schließlich war auch schon der in dem Verständigungsvorschlag enthaltenen Formulierung „… für den Fall, dass er ein glaubhaftes Geständnis ablegt …“ ein klarer Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Entscheidung hierüber ebenso wie über die Vornahme der weiteren Mitwirkungshand-lungen weiterhin beim Angeklagten lag.“