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Bewährung I: Beteiligung der Jugendgerichtshilfe am Widerrufsverfahren, oder: Beim 27-Jährigen nicht mehr

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Heute mal dann mal ein Tag mit Bewährungsentscheidungen, allerdings nicht zur Frage der Gewährung von Bewährung sondern zu Widerrufsfrage,

Und ich beginne den Tag mit dem OLG Celle, Beschl. v. 05.10.2020 – 2 Ws 321/29 – zur Frage der Notwendigkeit der Beteiligung der Jugendgerichtshilfe (JGH) am Verfahren hinsichtlich eines in Betracht kommenden Widerrufes der Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 26 JGG.

Das LG hatte die einem „Jugendlichen“ gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. An dem Verfahren war die Jugendgerichtshilfe nicht beteiligt. Das OLG Celle hat darin keinen Verfahrensfehler gesehen:

„2. Der Beschluss ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen, obwohl die Jugendkammer die Jugendgerichtshilfe im Rahmen des zu prüfenden Widerrufes der Bewährung gem. § 26 JGG nicht beteiligt hat.

Das bei einem Widerruf der Bewährung gem. § 26 JGG einzuhaltende Verfahren richtet sich – wenn der Verurteilte, wie vorliegend, im Zeitpunkt der Begehung der der Anlassverurteilung zugrundeliegenden Taten Heranwachsender war – nach § 109 Abs. 2 JGG i.V.m. § 58 JGG.

Es ist in der Rechtsprechung und der Literatur anerkannt, dass grundsätzlich am Widerrufsverfahren gem. § 58 JGG die gem. § 38 Abs. 6 S. 1 JGG im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen heranzuziehende Jugendgerichtshilfe zu beteiligen ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 23. März 2016 – 2 Ws 150/16 –, juris; BeckOK JGG/Kilian, 18. Ed. 1.8.2020, JGG § 58, Rn. 18; Ostendorf, Jugendgerichtsgesetz, 10. Auflage 2016, § 58, Rn. 11; Schatz in: Diemer/Schatz/Sonnen, Jugendgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2020, § 58, Rn. 22, Frommeyer, StraFo 2018, S. 493 ff; a.A.: Brunner/Dölling in: Brunner/Dölling, Jugendgerichtsgesetz, 13. Aufl. 2017, § 58, Rn. 4, wonach die Beteiligung der JGH meist lediglich angebracht sein soll).

Vorliegend ist die Einholung einer Stellungnahme der Jugendgerichtshilfe unterblieben; ein Verfahrensfehler ist angesichts der Gesamtumstände des vorliegenden Einzelfalles gleichwohl nicht gegeben. Denn der Senat erachtet eine Beteiligung der Jugendgerichtshilfe in Konstellationen, bei denen sie nach den maßgeblichen Gesamtumständen des Einzelfalles nicht geeignet erscheint, ergänzende sachdienliche, für die anstehende Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 26 JGG maßgebliche Informationen zu Tage zu fördern und daher zur reinen Formalie verkommt, für entbehrlich.

So liegt der Fall hier. Die Vornahme einer Betrachtung aller maßgeblichen Umstände ergibt, dass die Beteiligung der Jugendgerichtshilfe nicht geeignet ist, die Entscheidung über den von der Staatsanwaltschaft beantragten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zu beeinflussen, weshalb der Senat davon abgesehen hat, im Beschwerdeverfahren nachträglich selbst die Stellungnahme der Jugendgerichtshilfe einzuholen.

a) Insoweit war zunächst zu berücksichtigen, dass Grundlage für den von der Jugendkammer beschlossenen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung allein die durch die Begehung neuer Straftaten widerlegte Aussetzungsprognose war. Insoweit ergibt sich die Grundlage für den Widerruf gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 JGG zwanglos aus den schriftlichen Urteilsgründen des Urteils des Amtsgerichts Hannover vom 06.02.2020, denen Art und Umfang der Taten hinreichend zu entnehmen ist. Zudem konnte sich die Jugendkammer im Rahmen der mündlichen Anhörung des Verurteilten davon überzeugen, dass der Begehung der neuerlichen Taten keine besonderen, vorteilhaften Umstände zugrunde lagen, die die neuerliche Straffälligkeit nicht in einem minder schweren Licht erscheinen ließen.

b) Der Verurteilte war im Zeitpunkt seiner mündlichen Anhörung zudem bereits fast 27 Jahre alt.

Der Senat verkennt nicht, dass sich das bei einem Widerruf der Bewährung gem. § 26 JGG einzuhaltende Verfahren auch dann nach § 109 Abs. 2 i.V.m. § 58 JGG richtet, wenn der Ver-urteilte – wie hier – im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung bereits erwachsen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 08. November 2016 – III-3 Ws 396/16 –, juris). Zudem ist den Regelungen des Sozialgesetzbuches zur Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) zu entnehmen, dass der Gesetz-geber auch eine Betreuung von bereits 26 Jahre alten jungen Erwachsenen durch die Jugendgerichtshilfe für erforderlich hält, denn nach § 52 Abs. 3 SGB VIII hat der Mitarbeiter des Jugendamts oder des anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe, der nach § 38 Absatz 2 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes tätig wird, einen jungen Volljährigen während des gesamten Verfahrens zu betreuen, wobei als junger Volljähriger gilt, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII).

Vor diesem Hintergrund erscheint der Umstand, dass sich der Verurteilte inzwischen deutlich vom Alter des Heranwachsenden i.S.v. § 1 Abs. 2 JGG entfernt hat, isoliert betrachtet nicht geeignet, die Beteiligung der Jugendgerichtshilfe am Widerrufsverfahren zur inhaltlosen Formalie herabzustufen.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Gesetzgeber durch die für den Untersuchungshaft- und Strafvollzug geltenden §§ 85 Abs. 6 Satz 1, 89b Abs. 1 Satz 2, 89c Satz 2 und 114 JGG den Rechtsgedanken zum Ausdruck gebracht hat, dass die den Jugendstrafvollzug prägenden Gesichtspunkte, die noch nicht abgeschlossene Persönlichkeitsentwicklung und die darauf abgestimmte erzieherische Gestaltung des Jugendstrafvollzugs, mit zunehmendem Alter ihr Gewicht verlieren, erscheint dem Senat das fortgeschrittene Alter des Verurteilten jedoch zumindest geeignet, die Bedeutung der Beteiligung der Jugendgerichtshilfe zu relativieren. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass in der Rechtsprechung zutreffend angenommen wird, eine mündliche Anhörung nach § 58 Abs. 1 Satz 3 JGG sei nach der Vollendung des 24. Lebensjahres des Verurteilten nicht mehr zwingend erforderlich, wenn der Widerruf allein wegen erneuter Straffälligkeit erfolgen soll (KG Berlin, Beschluss vom 11. September 2012 – 4 Ws 77/12 –, juris).

c) Der Verurteilte war schließlich durch Beschluss der Jugendkammer vom 20.09.2016 der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt worden, der die Jugendkammer im Verlauf der Bewährungszeit über die Lebensumstände des Verurteilten in Kenntnis setzte und damit die Aufgabe der Jugendgerichtshilfe, dem Gericht ein möglichst vollständiges Bild von der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Verurteilten darzulegen (vgl. hierzu: Burhoff/Kotz, Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl. 2016, Teil A: Rechtsmittel, Rn. 886), jedenfalls teilweise erfüllte. Der Bewährungshelfer hatte mit Berichten vom 14. Juli und vom 24. August 2020 ferner mitgeteilt, der letzte persönliche Kontakt zu dem Verurteilten habe am 30. Oktober 2019 stattgefunden; sämtliche Termine im Anschluss habe der Verurteilte nicht wahrgenommen und insgesamt eine völlig unzureichende Kontakthaltung an den Tag gelegt. Unabhängig von der Tatsache, dass hierdurch neben dem von der Jugendkammer angenommenen Widerrufsgrund des § 26 Abs. 1 Nr. 1 JGG auch der Widerrufsgrund des § 26 Abs. 1 Nr. 2 JGG verwirklicht ist, zumal weitere Strafverfahren gegen den Verurteilten anhängig sind und dieser die ihm diesbezüglich zur Last gelegten Taten jedenfalls z.T. im Rahmen einer richterlichen Anhörung eingeräumt hat, erscheint es dem Senat ausgeschlossen, dass ein Bericht der Jugendgerichtshilfe angesichts der von dem Verurteilten an den Tag gelegten Unzuverlässigkeit weitergehende Erkenntnisse erbracht hätte.

Hinzu kommt, dass die Jugendkammer aus der durchgeführten mündlichen Anhörung, in deren Rahmen sich der Verurteilte äußerst einsichtig gab, selbst von einer weiteren Straftat des Erschleichens von Leistungen wenige Tage vor der mündlichen Anhörung berichtete und bekundete, es sei ganz klar, dass „die Bewährung widerrufen werde; er sehe die Haft als „Chance“ an und wolle die ihm bis zum Haftantritt verbleibende Zeit mit seiner Freundin genießen“, weitergehende Erkenntnisse von der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Verurteilten erlangte. Überdies verfügte die Jugendkammer über den umfangreichen Vermerk bzgl. der mündlichen Anhörung des Verurteilten vom 24.07.2020 beim Amtsgericht Hannover, ausweislich dessen dieser umfangreich zu seinen Lebensverhältnissen und weiteren ihm zur Last gelegten Straftaten Stellung bezog.

Nach alledem lässt das kumulative Vorliegen der dargestellten Umstände eine Beeinflussung der von der Jugendkammer zu treffenden Entscheidung durch eine Beteiligung der Jugendgerichtshilfe vorliegend ausgeschlossen erscheinen; ein Verfahrensfehler ist mithin nicht zu konstatieren.“

Pflichtverteidiger im Widerrufsverfahren, oder: Ein etwas außergewöhnlicher Beschluss

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Heute werde ich nach längerer Zeit mal wieder ein paar Entscheidungen aus dem Bereich der Strafvollstreckung/des Strafvollzugs vorstellen. Ein Bereich, der häufig stifemütterlich behandelt wird.

Den „Opener“ macht der LG Paderborn, Beschl. v. 28.10.2016 – 1 Qs 125/16, der die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Widerrufsverfahren behandelt. Der Verurteilte steht wegen Steuerhinterziehung in 8 Fällen, Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 20 Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten unter Bewährung. Außerdem gib es eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu fünf Monaten Freiheitstrafe, die abermals zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der Verurteilte wird dann wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt. Außerdem ist in einem Ermittlungsverfahren Anklage wegen Steuerhinterziehung sowie Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelten erhoben. Und es existieren darüber hinaus zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die Strafaussetzung zur Bewährung aus der Eingangsverurteilung zu widerrufen, da die Verurteilung wegen Widerstandes pp. wie auch das weitere angeklagte und die zwei noch im Ermittlungsstadium befindliche Verfahren zeigten, dass sich die der Strafaussetzung zur Bewährung zu Grunde liegende Erwartung einer zukünftigen straffreien Führung des Verurteilten nicht erfüllt habe. Der Verteidiger beantragt Beiordnung als Pflichtverteidiger. Das AG lehnt ab. Auf die Beschwerde hat die Strafkammer dann beigeordnet:

„Dem Verurteilten ist analog § 140 Abs. 2 StPO Rechtsanwalt R. aus D. als Pflichtverteidiger für das Widerrufsverfahren beizuordnen, da dies die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und die Schwere der Tat gebieten.

Dabei beurteilt sich die Schwere der Tat vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 140 Rn. 23), und damit danach, ob eine längere Freiheitsstrafe, eine gravierende Maßregel der Besserung und Sicherung, oder sonst eine erhebliche Folge der Entscheidung droht, die nicht unmittelbar im Rechtsfolgenausspruch liegt. Die Rechtsprechung hat sich dahin verfestigt, dass dies bei einer Straferwartung um ein Jahr Freiheits- oder Jugendstrafe anzunehmen ist. Eine Straferwartung von mehr als einem Jahr gibt daher in aller Regel Anlass, die Mitwirkung eines Verteidigers als notwendig anzusehen (vgl. Meyer-Goßner, aaO).

Überdies liegt vorliegend auch eine schwierige Sach- und Rechtslage dadurch vor, dass der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Paderborn auf eine erhobene Anklage und zwei weitere laufende Ermittlungsverfahren, die näher nicht bezeichnet wurden, abhebt. Wegen der für den Verurteilten geltenden Unschuldsvermutung können aber nur solche Taten als Grundlage für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung herangezogen werden, die entweder bereits rechtskräftig abgeurteilt wurden oder für die ein glaubhaftes Geständnis vorliegt, weil nur dann die schuldhafte Begehung einer neuerlichen Straftat feststeht. (vgl. Fischer, StGB, § 56f Rn. 4 ff.).“

Insofern interessant der Beschluss, weil das LG die Rechtsprechung zur Beiordnung nach § 140 Abs. 2 StPO im Erkenntnisverfahren ohne Abstriche auf das Strafvollstreckungsverfahren übertragt. Das gilt vor allem wegen der „Schwere der Tat“. Das wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung allerding anders gesehen. Deshalb ein etwas außergewöhnlicher Beschluss.

Sache ist „im Drange der Geschäfte“ „leider einige Zeit liegengeblieben“. Ist das „die justizförmige Abwicklung eines Widerrufsverfahrens?

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Folgender Zeitablauf:

  • Das AG Oberhausen verurteilte den am 06.10.2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung das AG zur Bewährung aussetzte. Bewährungszeit vier Jahre.
  • Am 11. 11.2010 verurteilte das AG Oberhausen den Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Das Urteil ist seit dem 27.05.2011 rechtskräftig, nachdem der Verurteilte seine hiergegen eingelegte Berufung zurückgenommen hatte.
  • Unter dem 04.06.2011 stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag, diegewährte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Mit einem mit einfachem Brief versandten Anschreiben vom 26.07.2011 gab das AG dem Verurteilten Gelegenheit, zu dem Widerrufsantrag Stellung zu nehmen.
  • Nachdem der Verurteilte am 08.08.2011 zum Zwecke der Vollstreckung der durch das Urteil vom 11.11.2010 verhängten Freiheitsstrafe in die JVA C aufgenommen worden war, leitete das AG das Bewährungsheft zuständigkeitshalber an das LG Bielefeld – Strafvollstreckungskammer – weiter. Die Strafvollstreckungskammer gab den Verurteilten mit Anschreiben vom 16.09.2011 Gelegenheit, zu dem Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen.
  • Mit Schriftsatz vom 14.10.2011 bestellte sich Rechtsanwalt B in L zum Verteidiger des Verurteilten und bat um die Gewährung von Akteneinsicht. In der Folgezeit blieb die Strafvollstreckungskammer indes untätig. Mit Schriftsatz vom 16. 11..2011 erinnerte der Verteidiger an sein Akteneinsichtsgesuch. Die Strafvollstreckungskammer blieb indes auch weiterhin untätig. Mehrere Sachstandsanfragen der Staatsanwaltschaft und des Bewährungshelfers blieben unbeantwortet.
  • Mit Schreiben vom 29.05.2012 teilte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer der Staatsanwaltschaft und dem Bewährungshelfer mit, die Sache sei „im Drange der Geschäfte“ „leider einige Zeit liegengeblieben“, vor einer Entscheidung müsse aber noch dem Verteidiger Akteneinsicht gewährt werden. Der Verteidiger erhielt daraufhin auch Akteneinsicht in das Bewährungsheft und gab dieses am 18. 06.-2012 an die Strafvollstreckungskammer zurück.
  • Mit Schreiben vom 19. 07.2012 wies die Strafvollstreckungskammer den Verteidiger darauf hin, dass bislang keine Stellungnahme des Verurteilten oder des Verteidigers zu dem Widerrufsantrag eingegangen sei, und teilte ihm mit, dass sie, falls innerhalb einer Frist von drei Wochen keine Stellungnahme eingehe, davon ausgehe, dass die Abgabe einer solchen Stellungnahme nicht mehr beabsichtigt sei. Eine Stellungnahme des Verurteilten oder seines Verteidigers gelangte in der Folgzeit nicht zu den Akten.
  • Auch die Strafvollstreckungskammer blieb zunächst untätig, bis sie dann mit Beschluss vom 07.12.2012 die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrief.

Dagegen dann die Beschwerde des Verurteilten, der sich aucf „Vertrauensschutz“ berufen hat. Und das OLG Hamm sagt im OLG Hamm, Beschl. v. 29.05.2013, 3 Ws 126/13: Ist nichts mit Vertrauensschutz, denn:

„2. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes steht dem Widerruf nicht entgegen. Das Widerrufsverfahren ist zeitnah nach dem Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung vom 11. November 2010 eingeleitet worden. Der Verurteilte ist durch Schreiben des Amtsgerichts Oberhausen vom 26. Juli 2011 und der Strafvollstreckungskammer in Bielefeld vom 16. September 2011 auf den drohenden Widerruf der Strafaussetzung hingewiesen worden. Durch die Einsichtnahme in das Bewährungsheft im Juni 2012 und dann noch einmal durch das Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 19. Juli 2012 erhielt der Verteidiger davon Kenntnis, dass die Strafvollstreckungskammer das Widerrufsverfahren weiter voranzutreiben beabsichtigte. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten darauf entstehen, dass ein Widerruf der Strafaussetzung unterbleiben würde. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung derart ungebührlich lange hinausgezögert worden wäre, dass der Verurteilte mit einem Widerruf nicht mehr zu rechnen brauchte (vgl. OLG Hamm, NStZ 1984, 362). Dies ist hier nicht der Fall. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Verurteilte hier zum einen bereits ausdrücklich über die Einleitung des Widerrufsverfahrens informiert worden war und zum anderen die Bewährungszeit während der Dauer des Widerrufsverfahrens noch nicht abgelaufen war. In einer solchen Sachverhaltskonstellation sind höhere Anforderungen an die Bejahung eines schutzwürdigen Vertrauens zu stellen als in Fällen, in denen ein Widerrufsverfahren zunächst überhaupt nicht eingeleitet wurde und/oder die Bewährungszeit zum Zeitpunkt des Widerrufes bereits abgelaufen war. Darüber hinaus ist auch abzuwägen zwischen dem Zeitablauf einerseits und dem Gewicht der innerhalb der Bewährungszeit begangenen neuen Straftat – hier immerhin eine Beihilfe zur räuberischen Erpressung – und der für sie verhängten Strafe andererseits (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Gemessen an diesen Maßstäben, war die Untätigkeit der Strafvollstreckungskammer zwischen September 2011 und Juni/Juli 2012 (noch) nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten in das Unterbleiben des Widerrufes zu begründen. Gleiches gilt für den Zeitraum zwischen Juli 2012 und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses. Der Verurteilte musste sich nach der Sachlage vielmehr sagen, dass sich lediglich die justizförmige Abwicklung des bereits eingeleiteten Widerrufsverfahrens – aus welchen Gründen auch immer – nochmals verzögerte.“

M.E. hätte man mit guten Gründen – offenbar war keine weitere Verurteilung in der Welt – verlängern können. Denn: Muss der Verurteilte sich hier „nach der Sachlage [vielmehr] sagen, dass sich lediglich die justizförmige Abwicklung des bereits eingeleiteten Widerrufsverfahrens – aus welchen Gründen auch immer – nochmals verzögerte„? Ist der Verfahrensablauf „justizförmige Abwicklung des bereits eingeleiteten Widerrufsverfahrens“? Ich wage das zu bezweifeln.

LG Magdeburg: Verteidigung in der Strafvollstreckung – da steckt Geld drin

Das LG Magdeburg hat in einem Beschl. v. 22.12.2009 –  22 BRs 353 Js 2325/08 (16/08) darauf hingewiesen, dass im Strafvollstreckungsverfahren die Tätigkeit für den denselben Verurteilten in unterschiedlichen Widerrufsverfahren Tätigkeit in unterschiedlichen gebührenrechtlichen Angelegenheiten ist mit der Folgge, dass die Gebühren in jeder Angelegenheit entstehen. da steckt eine Menge Geld drin, da ja nach der Vorbem. 4. 2 VV RVG im Strafvollstreckungsverfahren das Beschwerdeverfahren eine besondere Angelegenheit ist, so dass es dafür ausnahmsweise besondere Gebühren gibt.

Also aufgepasst bei der Abrechnung und nichts verschenken