Archiv für den Monat: August 2012

Aufgepasst auf der Probefahrt – da gibt es kein Augenblicksversagen

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An der „Fahrverbotsfront“ ist es in meinen Augen zur Zeit verhältnismäßig ruhig. Vor allem aus der obergerichtlichen Rechtsprechung kommt nicht viel Neues. Wie auch, da alle interessanten Fragen in den letzten Jahren weitgehend entschieden worden sind. Daher ist eine OLG-Entscheidung zum Fahrverbot immer interessant genug für einen Bericht bzw. Hinweis hier im Blog. Deshalb heute der Hinweis auf den OLG Bamberg, Beschl. v. 17.07. 2012 – 3 Ss OWi 944/12 -, die sich mit dem Absehen von Fahrverbot wegen Nichteinhaltung polizeilicher Verkehrsüberwachungsrichtlinien und einem (möglichen) Augenblicksversagen auf einer Probefahrt befasst.

Die Leitsätze der Entscheidung sprechen für sich. In denen heißt es:

 1. Sieht der Tatrichter von einem Regelfahrverbot wegen einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung mit der Begründung ab, dass die Messstelle entgegen der einschlägigen landespolizeilichen Verkehrsüberwachungsrichtlinien in einem zu geringen Abstand vor der das Ende der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit markierenden Ortstafel (Zeichen 311) eingerichtet wurde, sind weitere Feststellungen dazu unabdingbar, ob die Messstelle bzw. die Überwachungsstrecke nicht aufgrund der örtlichen Gegebenhei­ten z.B. als Unfallbrennpunkt bzw. Unfallgefahrenpunkt oder aufgrund sonstiger be­sonderer Verkehrsverhältnisse oder anderer gefahrerhöhender Umstände sachlich gerechtfertigt und damit ermessensfehlerfrei ausgewählt wurde (u.a. Anschluss an OLG Bamberg DAR 2006, 464 f., OLG Stuttgart DAR 2011, 220, OLG Dresden DAR 2010, 29 f.; BayObLG NZV 1995, 496 f. = DAR 1995, 495 f. und BayObLG NZV 2002, 576 f. = zfs 2003, 42).

 2. Macht der Betroffene geltend, aufgrund einer Probefahrt mit einem ihm unbekannten und ungewohnten Fahrzeug eine inne­rörtliche Beschränkung der zulässigen Höchstge­schwindigkeit übersehen zu ha­ben, scheidet eine Ausnahme von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot aufgrund besonderer Tatumstände, insbesondere die Anerkennung eines privilegierendes sog. Augenblicksversagens, regelmäßig aus (Anschluss an OLG Frankfurt DAR 2002, 82 f.).

 Zur Probefahrt führt das OLG dann aus:

„…Auf nur einfache Fahrlässigkeit kann sich nämlich derjenige nicht berufen, welcher die an sich gebo­tene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise unterlassen hat (BGHSt 43, 241 ff.). Wer etwa während der Fahrt sein Autotelefon benutzt, intensiv auf Wegwei­ser achtet, sich durch ein am Straßenrand liegen gebliebenes Fahrzeug ablenken lässt oder in einen Kreuzungsbereich zu schnell einfährt, kann nicht geltend machen, er habe nur versehentlich ein Verkehrszeichen nicht wahrgenommen. Denn durch sein vorheriges sorgfaltswidriges Verhalten hat er selbst in grob nachlässiger Weise zu seiner eigenen Unaufmerksamkeit beigetragen (vgl. OLG Karlsruhe DAR 2007, 529 f. = VRS 113, Nr. 46 m. zahlr. weit. Nachw.). Der vorliegende Fall kann wertungsmäßig nicht anders beurteilt werden. Gerade auf­grund der Probefahrt mit einem für ihn fremden und im (technischen) Umgang völlig ungewohnten Fahrzeug hätte für den Betr. umso mehr Veranlassung bestan­den, seine Aufmerksamkeit auf die bestehende (innerörtliche) Verkehrslage zu kon­zentrieren. Bei dieser indiziell mindestens auf Sorglosigkeit gegen­über bestehenden Vorschriften hindeutenden Sachlage durfte seitens des AG jedenfalls auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen noch nicht von einem nur auf einer augenblicklichen Unaufmerksamkeit beruhenden und deshalb die Annahme eines sog. Augenblicks­versagens rechtfertigenden Verkehrsverstoß des Betr. aus­gegangen werden (vgl. auch OLG Frankfurt DAR 2002, 82 f.)…“

Also. Augen auf bei der Probefahrt!!

 

Modenschau in Münster – und der Minister spricht mal wieder zur Promillegrenze

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Gestern war Modenschau in Münster. Die nordrhein-westfälischen Fahrradpolizisten haben eine neue Uniform bekommen: Blaue Hose, gelbe Weste. Und das wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Die örtliche Presse hat darüber unter dem Titel: „Neue Uniform für-Radstreife – 700 Polizisten mit dem Fahrrad auf-Verbrecherjagd“ berichtet. Ob zu „Verbrecherjagd“ allerdings das an anderer Stelle gestellte Beispiel: Verfolgung eines mobiltelefonierenden Radfahrers passt, ist m.E. fraglich (vgl. hier).

Und: Einen solchen „Modetermin“ lässt sich natürlich die Politik nicht nehmen. D.h. wir durften auch den nordrhein-westfälischen Innenminister in Münster begrüßen. Der Minister im Kreise neu eingekleideter Polizisten vor dem münsterischen Rathaus macht sich immer gut. Und der Minister hat seinen Auftritt dann auch gleich wieder genutzt, um für eine Absenkung der Promillegrenze bei Radfahrern zu plädieren. Die liege dort immer noch bei 1,6 Promille. Man wolle jetzt in den Innenministerkonferenz einen entsprechenden Antrag stellen (leider ist der Teil von den WN nicht online gestellt.

Nun, das scheint derzeit das Lieblingsthema des Ministers zu sein (vgl. dazu schon hier). Vielleicht liegt es ja an der Jahreszeit :-). Jedenfalls frage ich mich – ebenso haben sich schon andere in ihrem Blog gefragt – wie das gehen soll? Wollen die Innenminister die Strafgerichte anschreiben und auf eine Senkung der Promillegrenze hinweisen? Denn im strafrechtlichen Bereich sind die 1,6 Promille, über die man diskutieren kann, darum geht es gar nicht – eine von den Gerichten gezogene Grenze. Die werden die Innenminister nicht einfach mal so per Erlass (?) senken können. Darüber sollte sich auch mal ein Minister Gedanken machen. Oder zumindest diejenigen, die „in seinem Haus“ für den Bereich zuständig sind.

Kann man sich im Strafverfahren Plädoyer und letztes Wort schenken?

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Ein Kollege hat mich neulich angeschrieben und um Rat in folgender Fallkonstellation gebeten:

„Der Richter hat das Urteil schon während meines Schlussvortrags und während des letzten Wortes des Angeklagten niedergeschrieben und 1 Sekunde nach Schluss des letzten Wortes noch im Aufstehen gesprochen.
Habe den Richter unterbrochen. Fand er nicht gut.
Habe dann eine Unterbrechung für einen „unaufschiebbaren“ Antrag“ beantragt. Der ist per Gerichtsbeschluss abgelehnt worden. Nach der Urteilsbegründung sollte ich den Antrag dann per Post schicken.
Ich habe den Antrag dann noch verlesen und zu Protokoll gegeben.
Nun bekomme ich die Akte und die dienstliche Erklärung des Richters. Dieser bestätigt in der dienstlichen Erklärung, dass er tatsächlich während des letzten Worts das Urteil geschrieben hat.
Wörtlich führt er aus:

„Nach den Plädoyers … hatte der Angeklagte das letzte Wort. Er machte umfangreiche Ausführungen und wiederholte im Wesentlichen seine vorherige Einlassung. Gegen Ende dieser Ausführungen hatte ich in der Tat das von mir verwendete Formular des Urteilstenors ausgefüllt. Ich habe dort eingetragen die Deliktsbezeichnung und Anzahl und Höhe der Tagessätze. Unmittelbar danach war der Angeklagte mit seinem letzten Wort zu Ende gekommen, so dass ich im Anschluss daran die Urteilsformel verlesen habe.“

Haben Sie eine Idee, ob man da noch was machen kann? § 25 Abs. 2 Satz 3 ist ernüchternd. Aber so kann es doch nicht gehen. Dann können wir uns Plädoyers und letztes Wort schenken.“

Nun, dass so verfahren wird, das habe ich schon häufiger gehört. In der Situation ist § 25 Abs. 2 Satz 3 StPO in der Tat „ernüchternd“, allerdings nach dem Wortlaut für die Zeit nach dem letzten Wort des Angeklagten: Dann ist ein Ablehnungsantrag nicht mehr zulässig. Bis dahin und während des letzten Wortes – und auch des Plädoyers des Verteidigers – m.E. aber nicht. Denn das ist nicht „nach“. Also wird dem Verteidiger in der Situation nichts anderes übrig bleiben, als sein Plädoyer zu unterbrechen und um Unterbrechung der Hauptverhandlung zu bitten, um sich mit dem Mandaten über einen unaufschiebbaren Antrag zu beraten. Und das ebenso, wenn er sieht, dass der Vorsitzende schon während des letzten Wortes das „Urteil schreibt“.

Und über den Antrag muss m.E. auch sofort entschieden werden. § 29 Abs. 2 StPO dürfte hier wohl nicht gelten.

Aber Vorsicht: Der BGH hat es in der Vergangenheit – ist schon ganz lange her – anders gesehen. Er hat im BGH, Beschl. v. 22.11.1957 – 5 StR 477/57 ausgeführt, dass ein Amtsrichter, der die Urteilsformel während der Schlußvorträge der Beteiligten niederschreibt, hierdurch nicht das Gesetz verletzt (BGHSt 11, 74):

Zugegeben werden muß allerdings, daß das Niederschreiben der Urteilsformel während der Schlußvorträge bei den Prozeßbeteiligten, die wissen, was der Richter schreibt, den Eindruck erwecken kann, der Richter habe sich bereits endgültig entschieden und sei daher nicht bereit, die weiteren Schlußvorträge in sich aufzunehmen und sie bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Dies allein kann aber im Gegensatz zur Auffassung des OLG Köln (NJW 55, NJW Jahr 1955 Seite 1291) und des OLG Hamm (DAR 56, DAR Jahr 1956 Seite 254) zur Fussnote 1 die Annahme eines Verfahrensverstoßes nicht rechtfertigen.

Das vorzeitige Niederschreiben der Urteilsformel durch den Amtsrichter braucht keineswegs immer den Eindruck zu erwecken, daß es dem Richter an der inneren Bereitschaft fehle, die weiteren Schlußvorträge in sich aufzunehmen und sie bei der – endgültigen – Urteilsfindung zu beachten. Es sind sehr wohl Fälle denkbar, in denen das nachfolgende Verhalten des Richters die Beteiligten klar erkennen läßt, daß er den weiteren Verhandlungsvorgängen folgt und sie in seine Erwägungen einbezieht (er unterbricht z.B. die Ausführungen des Verteidigers zu einer Zeugenaussage mit dem Bemerken, daß er die Aussage anders begreife, und erörtert dies mit dem Verteidiger in einer Weise, die zeigt, daß er durchaus bereit ist, sich durch etwaige Argumente des Verteidigers von dem Gegenteil seiner bisherigen Meinung überzeugen zu lassen).

M.E. eiert der BGH ein wenig herum und seine Ausführungen sind auch nicht zwingend, wenn er ausführt:

„Der Einzelrichter berät nur mit sich selbst. Bei ihm ist im Gegensatz zum Kollegialgericht die Beratung ein Vorgang, der sich im Innern eines einzelnen Menschen abspielt. Er bedeutet im Gegensatz zur Beratung des Kollegialgerichts, daß der Richter nicht mit anderen berät, sondern bei sich überlegt, wie zu entscheiden ist. Mit vorbereitenden Überlegungen hierzu beginnt ein Richter in aller Regel nicht erst nach dem Schlußwort des Angekl., sondern schon vorher. Die Beratung des Einzelrichters ist im Grunde genommen nur eine unmittelbare Fortsetzung dieser Überlegungen. Sie endet in dem Augenblick, in dem der Richter seine Überlegungen abschließt, d.h. sich endgültig entscheidet. Hierzu kann es nach dem Schlußwort des Angekl. längerer Überlegungen bedürfen. Es gibt aber auch Fälle, die so klar liegen, daß Sekunden genügen. Die so geartete Beratung des Einzelrichters kann zwar äußerlich in die Erscheinung treten, braucht dies aber nicht unbedingt zu tun. Es gibt weder ein Gesetz noch einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, daß der Einzelrichter nach dem Schlußwort des Angekl. Vorkehrungen treffen muß, die äußerlich erkennbar machen, daß er noch überlegt.“

Ok, aber: Endgültige Entscheidung dann doch bitte erst nach dem Plädoyer des Verteidigers und dem letzten Wort. Oder?

 

Geschwindigkeitsüberschreitung – Geständnis – Urteilsgründe – was haben die miteinander zu tun?

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Auf die Frage: „Geschwindigkeitsüberschreitung – Geständnis – Urteilsgründe – was haben die miteinander zu tun? muss man antworten: Eine Menge, und davon kann der Erfolg einer Rechtsbeschwerde abhängen mit im Rahmen der Fahrverbotsverteidigung für den Betroffenen wichtigem Zeitgewinn. Das folgt aus dem OLG Braunschweig, Beschl. v. 01.03.2012 – Ss (OWi) 36/12 -, den mir ein Kollege vor kurzem hat zukommen lassen. Das OLG beanstandet nicht ausreichende Feststellungen/Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil:

Zur Einlassung des Betroffenen zum Schuldspruch teilen die Urteilsgründe lediglich mit, dass dieser seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat und eine ordnungsgemäßen Messung und das Messergebnis nicht in Zweifel gezogen hat. (…)

Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ist die Wiedergabe der Einlassung insbesondere dann zwingend erforderlich, wenn – wie hier – weder dargelegt wurde, mit welchem Messverfahren die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt und wel­cher Toleranzwert berücksichtigt wurde. Denn auf Angaben zum Messverfahren und Toleranzwert kann bei Geschwindigkeitsverstößen nur in den wenigen Fällen eines echten „qualifizierten“ Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden (BGH NJW 1993, 3081; OLG Bamberg, NStZ-RR 2007, 321; OLG Celle, Beschl. v. 09.04.2009, 322 SsBs 301/08, juris). Die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufgrund eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen setzt stets voraus, dass der Betroffene eine bestimmte (Mindest-)Geschwindigkeit nicht nur tatsächlich eingeräumt hat, sondern zusätzlich auch die konkreten Umstände aus originärer Wahrnehmung benennen konnte, aus denen sich für ihn ergab, dass er die vorge­worfene Geschwindigkeit— mindestens – gefahren ist (OLG Bamberg, a.a.O..; juris Rdnr. 25). Es reicht nicht, wenn der Betroffene lediglich die ihm nachträglich bekannt gewordenen Messung als solche und die ihm bereits „als gemessen“ präsentierte Geschwindigkeit zur Tatzeit bestätigt hat (vgl. OLG Jena NJW 2006, 1075; OLG  Hamm NZV 2002, 101, 102).

Zwar konnte das Amtsgericht hier in der Bestätigung der Richtigkeit des Messergeb­nisses ein allgemeines Geständnis sehen; für ein uneingeschränktes „qualifiziertes“ Geständnis fehlt es jedoch an der Wiedergabe dessen, wie sich der Betroffene über seinen Verteidiger konkret zur Geschwindigkeitsüberschreitung eingelassen hat. Dem entsprechend kann nicht festgestellt werden, ob er seine Geschwindigkeit aus eigener Wahrnehmung einschätzen konnte und ob diese Wahrnehmung nachvoll­ziehbar und glaubhaft ist.

Dieser Darstellungsmangel, der durch eine nähere Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen möglicherweise hätte vermieden werden können, führt dazu, dass auf die Mitteilung der konkreten Messmethode und des Toleranzwerts nicht verzichtet werden konnte.“

Ein Fehler, der nicht selten gemacht wird. Der wird dann zwar in der „2. Runde“ repariert, aber der Zeitgewinn ist da.

Was man mit „Temop 30 Schildern“ alles machen kann

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Eine Verwendung der etwas anderen Art haben zwei 23-jährige im Landkreis Oder-Spreee für ein Tempo-30-Schild gefunden: Sie haben es abmontiert und als Geschenk mit zu einer Geburtstagsparty genommen, wie in der Tagespresse berichtet wird (vgl. u.a. hier) mit folgender Meldung:

„Mit einem originellen Geschenk wollten zwei 23 Jahre alte Männer im Landkreis Oder-Spree auf einer Geburtstagsparty überraschen: Sie montierten am Ortseingang Möbiskruge ein Tempo-30-Schild ab und luden es in ihr Auto. Von einer Augenzeugin alarmiert, stieß die Polizei schnell auf das Duo aus Neuzelle. Reumütig hätten die Verdächtigen die Tat vom Samstagabend zugegeben und das Verkehrsschild zurückgebracht, teilte die Polizeidirektion am Sonntag in Frankfurt (Oder) mit. Als Motiv gaben sie demzufolge an, dass sie nach der kurzfristigen Einladung zu der Geburtstagsfeier ein außergewöhnliches Mitbringsel gesucht hätten. Die Quittung für ihre ausgefallene Idee sind jetzt zwei Strafanzeigen wegen Diebstahls.“

Nun, das dicke Ende scheint jetzt hinterher zu kommen, also nicht zur Nachahmung empfohlen. Und es wäre so einfach, denn es gibt ja eine Menge Schilder….. 🙂