Archiv für den Monat: Mai 2012

Lässt sich ein 5.200 € teures Handy von der Steuer absetzen?

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Manchmal ist man über Meldungen in der Tagespresse erstaunt, so wie ich über den Bericht über das FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.07.2011 – 6 K 2137/10, den ich gerade in der Tagespresse gelesen habe. Erstaunt einmal wegen des Zeitpunkts der Veröffentlichung – warum jetzt noch einmal bzw. wieder – der Bericht über dieses Urteil aus dem Sommer 2011? Erstaunt aber auch über den Inhalt – ein 5.200 € Handy? Ich habe zweimal hingeschaut, die Nullen gezählt und dann festgestellt, dass ich doch schon richtig wach war.

Das FG sagt: Die Kosten für ein beruflich von einem Zahnarzt genutzte Mobiltelefon können grds. von der Steuer abgesetzt werden. Allerdings müssen Grenzen eingehalten werden. Und das führt zu der Entscheidung: Liege der Preis für das Handy bei 5.200 €, sei die private Lebensführung dermaßen stark berührt, dass die betriebliche Veranlassung vollständig zurücktrete. Ist für mich nachvollziehbar.

Aufgepasst – die Vollmacht des Minderjährigen – Kosten drohen

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Bei dem Landgericht Berlin war im Hauptverfahren gegen den Angeklagten ein Verfahren u.a. wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern, u.a. zum Nachteil des am 1. Mai 1995 geborenen Zeugen M., anhängig. Der minderjährige Zeuge hat am 01. 12.2010 die Urkunde über eine Vollmacht für Rechtsanwalt K zur Vertretung in dem Strafverfahren unterzeichnet, unter deren Vorlage dieser am selben Tage beantragt hat, dem Zeugen gemäß „§§ 406g I, III, IV Nr. 1, 397a I Satz 2 StPO“ als Verletztenbeistand beigeordnet zu werden.  Der Antrag wird vom Vorsitzende der Jugendkammer als unzulässig zurückgewiesen. Rechtsanwalt K. hat seine hiergegen eingelegte Beschwerde,  zurückgenommen. Nun geht es um die Kosten. Dazu das KG, Beschl. v. 12. o3.2012 – 4 Ws 17/12:

Rechtsanwalt K. hat als vollmachtloser Vertreter gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO die Kosten des von ihm eingelegten Rechtsmittels zu tragen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. März 2009 – 4 Ws 26/09 – und 13. November 2008 – 4 Ws 112/08 -; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 303, 304; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 473 Rn. 8 m.w.N.). Die dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht ist mangels Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers schwebend unwirksam (§ 111 Satz 1 BGB; vgl. Ellenberger in Palandt, BGB 71. Aufl., § 111 Rn. 3); eine vorherige Zustimmung oder die Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch die gesetzlichen Vertreter, die zur Wirksamkeit der Bevollmächtigung – und auch zur Zulässigkeit des Rechtsmittels – geführt hätten (vgl. BPatG, Beschluss vom 16. Juli 2008 – 26 W [pat] 126/05 – [juris]; OLG Düsseldorf aaO; Senat, Beschluss vom 23. März 2009 – 4 Ws 26/09 –), fehlt. Ein Fall, in dem der vollmachtlose Vertreter aufgrund einer (fehlerhaften) gerichtlichen Entscheidung darauf vertrauen durfte, zur Rechtsmitteleinlegung befugt zu sein (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – 4 StR 301/08 – [juris]; insoweit in NStZ 2009, 174 nicht abgedruckt), liegt nicht vor.

Strafzumessung: Der Referendar, der Vorbereitungsdienst und das Strafverfahren

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Folgender Sachverhalt im landgerichtlichen Urteil:

Die Angeklagte und zwei Mitangeklagte, im Tatzeitraum sämtlich Studenten, hatten sich Anfang des Jahres 2008 zum Zwecke des künftigen gemeinschaftlichen und arbeitsteiligen Anbaus erheblicher Mengen von Marihuana zusammengeschlossen, um jeweils ihren jährlichen Marihuanabedarf abzudecken. In den Jahren 2008 und 2009 konnten sie mehrere Kilogramm ernten. Sie fileen auf und es wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe endete. Dagegen legt der Angeklagte Revision ein, mit der er geltend macht, es seien vom LG bei der Strafzumessung  die Auswirkungen der Verurteilung auf sein Berufsleben nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das hat der 1. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 12.01.2012 – 1 StR 559/11 anders gesehen, und:

Im Übrigen brauchte die Strafkammer hier die in Betracht zu ziehenden Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB; hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 4 StR 445/09 mwN), nicht breiter als geschehen zu erörtern. Hierbei ist – unbeschadet der Frage nach etwaigen Mitteilungs- oder Offenbarungspflichten – auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte R. seinen Vorbereitungsdienst in Kenntnis des gegen ihn wegen bandenmäßigen wegen bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln geführten Strafverfahrens angetreten hat. Auch deshalb brauchte die Strafkammer in einem Wegfall der Anwärterbezüge oder der in dieser Zeit erworbenen (allenfalls sehr geringen) Versorgungsanwartschaften hier keinen bestimmenden und daher erörterungsbedürftigen Strafzumessungsgrund zu sehen (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 430 ff. mwN).

Wer sich in Gefahr begibt,…

„Waffenhändler“ Karlheinz Schreiber kommt dann doch frei

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Das OLG München hat die Beschwerde der StA gegen den Haftverschonungsbeschluss des LG Augsburg verworfen. Damit kommt Karlheinz Schreiber nach Zahlung einer Kaution von 100.000 € (vorerst)  frei. Gefunden hier.

Anfängerfehler IV – von der Wahrunterstellung zur Bedeutungslosigkeit

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Das Umgehen mit Beweisanträgen macht den Tatgerichten immer wieder Schwierigkeiten. Das zeigt sich auch in dem dem BGH, Beschl. v.27.03.2012 – 3 StR 31/12 – zugrunde liegenden Verfahren beim Oldenburg. Da hatte die Verteidigung drei Beweisanträge gestellt, die das LG mit einer sog. Wahrunterstellung zurückgewiesen hatte. Im Urteil hat die Strafkammer dann aber ausgeführt, sie halte die Beweisbehauptungen nach Urteilsberatung nunmehr für „unerheblich“. Aus den diesbezüglichen Darlegungen im Urteil ergab sich dann, dass das LG die Beweistatsachen als aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung gewertet hat.

Die Revision hatte Erfolg. Der BGH führt – zur insoweit ständigen Rechtsprechung – aus:

„a) Nach ständiger Rechtsprechung ist das Tatgericht zwar nicht gehalten, die als wahr unterstellte Tatsache noch im Urteil als bedeutsam anzusehen und sie als solche in die Beweiswürdigung einzustellen; es ist daher nicht gehindert, eine zunächst als wahr unterstellte Behauptung im Urteil als aus tat-sächlichen Gründen bedeutungslos zu behandeln (BGH, Urteile vom 15. Mai 1979 – 5 StR 746/78, NStZ 1981, 96; vom 2. November 1982 – 5 StR 308/82, NStZ 1983, 357; vom 24. Januar 2006 – 5 StR 410/05, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 37; Beschlüsse vom 23. Juli 2008 – 5 StR 285/08, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung; vom 24. Februar  9 – 5 StR 605/08, NStZ-RR 2009, 179). Danach soll auch eine Verpflichtung, die Verfahrensbeteiligten vor der Urteilsverkündung auf die geänderte Rechtsauffassung des Gerichts hinzuweisen, grundsätzlich nicht bestehen (aA mit beachtlichen Gründen etwa KK-Fischer, 6. Aufl., § 244 Rn. 187; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 310 jeweils mwN). Auf einen dahingehenden Hin-weis darf jedoch bereits nach der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn es naheliegt, dass der Angeklagte wegen der Wahrunterstellung davon absieht, Beweisanträge zu einem Thema zu stellen, das mit der als wahr unterstellten Tatsache im Zusammenhang steht und das – im Gegensatz zu dieser Tatsache – für die Entscheidung möglicherweise von Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 18. Februar 1982 – 2 StR 798/81, BGHSt 30, 383, 385).

b) Ein derartiger Fall liegt hier vor. Der die Beweisanträge im Wege der Wahrunterstellung zurückweisende Beschluss enthält – für sich rechtsfehlerfrei (LR/Becker aaO Rn. 305 mwN) – keine nähere Begründung. Hätte die Strafkammer die gestellten Beweisanträge in der Hauptverhandlung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der vorgebrachten Beweistatsachen zurückgewiesen, hätte sie dagegen deren Bedeutung für die Entscheidung in freier Würdigung des bisherigen Beweisergebnisses zu beurteilen gehabt und diese Würdigung im Ablehnungsbeschluss im Einzelnen darlegen müssen (LR/Becker aaO Rn. 225 mwN). Da sie die Änderung ihrer Beurteilung in der Hauptverhandlung nicht offengelegt hat, hat sie entsprechende Ausführungen erst in den schriftlichen Urteilsgründen nachgeschoben. Die Revision legt plausibel dar, dass sich im vorliegenden Fall aufgrund der bestehenden Beweislage und der in Betracht kommenden weiteren Beweisaufnahme bei Kenntnis der in den Urteilsgründen für die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen angeführten Gründe weitere Verteidigungsmöglichkeiten ergeben hätten. Diese Möglichkeiten – insbesondere, auf zusätzliche, hier nicht fernliegende Beweiserhebungen anzutragen – war  der Verteidigung aufgrund des Verfahrensablaufes genommen. Die Verfahrensbeteiligten haben auch aus dem weiteren Geschehen in der Hauptverhandlung nicht schließen können, dass sich die Ansicht der Strafkammer geändert hatte; denn eine weitere Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden und das Tat-gericht ist ausweislich der Urteilsbegründung erst in der Urteilsberatung zu sei-ner neuen Auffassung gelangt. Unter diesen Umständen war eine effektive, die berechtigten Interessen des Angeklagten wahrende Verteidigung nicht möglich.“

In meinen Augen auch ein (Anfänger)fehler, der einer Strafkammer nicht passieren dürfte.